Die grüne Gentechnik-Hysterie

Sie verhindert die sachliche Beurteilung von TTIP oder CETA und festigt das kritische Fast-Monopol von Monsanto in der westlichen Welt.


Eine der sinnvollsten Maßnahmen zur Eindämmung der Fluchtbewegung aus Afrika bestünde darin, den freien Handel mit der EU einseitig zu beschränken: Afrikas Staaten sollten das Recht haben, ihre Landwirtschaft durch Zölle gegen den Import von Nahrungsmitteln aus der EU zu schützen. Denn derzeit sind diese fast durchwegs billiger als Afrikas Produzenten sie herzustellen vermögen – sie brauchen bis auf Weiteres Schutz vor derart überlegener Konkurrenz.

Freier Handel ist nicht immer von Vorteil für die Betroffenen, und es zeugte von Weitsicht, wenn sich Grüne im Falle Afrikas für seine Begrenzung einsetzten. Stattdessen agitieren sie hysterisch gegen CETA und TTIP, und Österreichs und Deutschlands Bevölkerung schließt sich ihnen so fanatisch wie ahnungslos an. Natürlich ist die Behauptung, diese Abkommen würden allein in Deutschland 200.000 Arbeitsplätze schaffen (CDU-Werbung), Kaffeesud-Leserei – aber dass vertiefter Freihandel zwischen vergleichbar starken Wirtschaftsräumen nützlich ist, sollte eigentlich seit dem EWR außer Zweifel stehen.

Da trinken „Krone“-Leser täglich gechlortes Wasser, entsetzen sich aber, dass Hühnchen in den USA mit Chlor desinfiziert werden.

Selbstverständlich bedürfen solche Abkommen strenger Prüfung, aber sie „ungschauter“ abzulehnen, ist irrational. Da verwirft ein Schiedsgericht soeben die Klage von Philip Morris gegen Uruguays strikte Anti-Raucher-Bestimmungen, „aber man weiß doch“, dass Schiedsgerichte nur den Konzernen dienen. Da trinken „Krone“-Leser täglich gechlortes Wasser, entsetzen sich aber, dass Hühnchen in den USA mit Chlor desinfiziert werden. Da meldet selbst die „Krone“, dass VW-Käufer in den USA, anders als in der EU, mit 7000 Euro für einen Stickoxyd-Skandal entschädigt werden, der von den US-Umweltbehörden verfolgt und in der EU verschlafen wurde, und doch „weiß man“, dass Verbraucher- und Umweltschutz in der EU „weit stärker als in den USA“ sind.

Statt für möglich zu halten, dass der Zugang ein anderer ist. So ist in den USA zwar nicht immer erforderlich, die Unschädlichkeit eines Produktes nachzuweisen, aber dem steht gegenüber, dass jeder Produzent mit dem strengen US-Schadenersatz-Recht konfrontiert ist: Stellt sich heraus, dass er etwas Gesundheitsschädliches verkauft hat, kostet ihn das Abermillionen. In der EU hingegen erhalten selbst Contergan-Geschädigte nur Witzbeträge. Obwohl sie hier ungleich zahlreicher sind: In den USA wurde Contergan nämlich Jahre früher als schädlich erkannt und verboten. Es gibt sicher auch umgekehrte Beispiele. Ich will nicht behaupten, dass der US-Verbraucherschutz der bessere ist – nur die Überzeugung relativieren, dass er so viel schlechter sei.

Die Vorstellung, dass „natürliche“ Nahrungsmittel zwangsläufig „gesund“ sind, zeugt ausschließlich von Ahnungslosigkeit.

Zentrales Argument gegen TTIP oder CETA ist freilich der erlaubte Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Es gibt ihn derzeit auf 14 Prozent des Welt-Ackerbodens, doch in der EU wird nur mehr in Spanien Genmais angebaut. Von Schäden für die Volksgesundheit ist mir aus Spanien so wenig wie aus den USA bekannt.

Die Med-Uni Wien informiert dafür jederzeit über „natürliche“ Weizen-Unverträglichkeit: Sie führt bei einem Prozent der Bevölkerung zu einer schweren Erkrankung (Zöliakie) und erzeugt zusammen mit Nahrungsmittelallergien ähnlicher Art bei geschätzten 15 Prozent Gesundheitsprobleme. Die Vorstellung, dass „natürliche“ Nahrungsmittel zwangsläufig „gesund“ sind, zeugt ausschließlich von Ahnungslosigkeit. Ebenso ahnungslos ist die Vorstellung, dass gewohnte Nahrungsmittel genetisch nicht verändert wären. So ist unser „natürlicher“ Mais gegenüber dem von den Inkas entdeckten Gewächs genetisch massiv verändert: „Natürliches“ Züchten ist ja nichts anderes, als das fortgesetzte Kreuzen von Pflanzen, die durch eine zufällige Mutation gentechnisch vorteilhaft verändert sind.

Die Gentechnik hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht.

Wenn gewarnt wird, wie entsetzlich es wäre, wenn eine gentechnisch veränderte Pflanze alle anderen verdrängend wucherte, dann könnte das eher durch zufällige „natürliche“ Mutationen geschehen. Denn während Gentechnik-Mutationen gezielt und unter hohen Sicherheitsvorkehrungen ablaufen, sind „natürliche“ Mutationen reine Zufallsprodukte. Es wäre von Vorteil, wenn man „natürlichen“ Weizen gentechnisch so veränderte, dass er keine Zöliakie mehr auslöste. Wahrscheinlich wird man das können. Die Gentechnik hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht: Man kann die DNA exakt aufschneiden und Teile entfernen oder einfügen. In China, das in Shenzhen die nach dem Silicon Valley potentesten Gentechnik-Labore besitzt, wird derzeit Getreide erprobt, das auch auf salzigen oder ausgedörrten Böden wächst, um dem Klimawandel Paroli zu bieten. Aus dem gleichen Grund versucht Bayer Monsanto um 55 Milliarden Euro zu kaufen. Monsanto ist übrigens ein unguter Konzern: Er nutzt sein Fast-Monopol in der westlichen Welt zur Ausweitung kritischer Monokulturen. Die grüne Gentechnik-Hysterie hilft ihm, dieses Fast-Monopol zu erhalten.

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