Weltspar-Märchen

Sparbücher waren immer eine schlechte Geldanlage. Machte Mario Draghi Geld teurer, hätten Europas Banken noch mehr Probleme.


Der Weltspartag hätte Welt-Märchen-Tag heißen sollen. So fragte Lou Lorenz Dittelbacher den Innsbrucker Finanzwissenschaftler Matthias Bank in der ZiB mit der Besorgnis so vieler Print-Kollegen, wie sehr man die Sparer angesichts historisch niedrigerer Sparzinsen bedauern müsse. Gott sei Dank erhielt sie ausnahmsweise die richtige Antwort: Die Sparzinsen seien natürlich immer im Verhältnis zur Inflation zu betrachten. Derzeit sind die Sparzinsen zwar extrem niedrig – aber die Inflation ist es auch. Der in so vielen Zeitungen bedauerte “kleine Sparer” verliert also fast kein Geld. Im Gegensatz zu den goldenen Neunziger-Jahren: Damals waren die Sparzinsen zwar höher – aber die Inflation übertraf sie oft beträchtlich. Entsprechend beträchtlich war der Verlust der Sparbuch-Sparer.

Sparbuch-Sparen war für den Betreffenden fast immer nur sinnvoll, um größere Anschaffungen zu ermöglichen – nicht um damit Geld zu verdienen. In den USA haben auch die “kleinen Leute” vernünftiger Weise immer Aktien gekauft.

Ähnlich unsinnig wie das Jammern der Sparer ist das Jammern der Bank-Direktoren. Dass Banken dank der EZB derzeit extrem viel billiges Geld zur Verfügung haben, sollte sie eigentlich besonders gute Geschäfte machen lassen: Kein Obsthändler beklagt sich, wenn ihm eine reiche Ernte besonders billiges Obst beschert – um so mehr kann er verkaufen.

Es ist die mangelnde Kreditnachfrage, die Europas Banken trotz reichlichen Geld-Angebotes schlecht verdienen lässt.

Das zentrale Problem der europäischen Banken ist, dass sie keineswegs mehr Kredite verkaufen können. Sondern im Gegenteil: Es gibt besonders wenig Nachfrage nach ihren Krediten. Aus Gründen, die sie als Leser meiner Kolumne kennen: Die Konsumenten sind nicht sonderlich kauffreudig – ihre Kreditnachfrage hält sich daher in Grenzen. Die großen Unternehmen brauchen viel weniger Kredite als üblich. Denn obwohl die ihnen auferlegten Steuern im Gegensatz zu ihrem Jammern so niedrig wie noch nie sind, tätigen sie so wenig Investitionen wie noch nie.

Aus ihrer Sicht vernünftiger Weise. Denn sie können sich in Ländern, in denen der Konsum stagniert und der Staat spart, von kostspieligen Erweiterungsinvestitionen keinen erhöhten Absatz erwarten.

Und natürlich brauchen auch sparende Staaten weniger Bankkredite als sonst.

Es ist die mangelnde Kreditnachfrage, die Europas Banken trotz reichlichen Geld-Angebotes schlecht verdienen lässt.

In den USA, wo die FED die gleiche Politik wie die EZB betreibt, haben die Banken schon seit Längerem gut verdient und fahren derzeit Rekordergebnisse ein.

Zum Kernproblem mangelnder Kredit-Nachfrage kommt das Zusatzproblem, dass “Basel 3/4” die Richtlinien für Kredit-Vergaben extrem verschärft hat: Auch durchaus solide Klein- und Mittelbetriebe, die weiterhin Kredite brauchen, bekommen sie erstaunlich schwer, weil von ihnen ein Übermaß an Sicherheiten gefordert wird.

Zu dieser Politik wurden die Banken verpflichtet, weil viele von ihnen davor bei ihren Kreditvergaben bekanntlich unglaublich leichtfertig gewesen sind. Aber diese Leichtfertigkeit hätte man ihnen besser abgewöhnt, indem man sie – wie in den USA – gelegentlich pleite gehen lassen hätte, statt dass selbst keineswegs “systemrelevante” Banken (vom Steuerzahler) “gerettet” wurden.

In Österreich hat die Regierung die Banken in dieser sowieso schon angespannten Lage allerdings auch noch mit einer “Bankenabgabe” belastet.

In manchen Ländern – u.a. in Österreich – haben Banken zudem in guten Zeiten mit gutem Gewinnen auch zu viele Filialen eröffnet und zu viele Leute zu 16 Gehältern beschäftigt. Diese Banken haben daher jetzt – wie viele andere Unternehmen schon früher bzw. schon immer – beträchtliche Rationalisierungsprobleme.

Aber daran ist sicher nicht Mario Draghi schuld.

In Österreich hat die Regierung die Banken in dieser sowieso schon angespannten Lage allerdings auch noch mit einer “Bankenabgabe” belastet, um sie für ihr Fehlverhalten zu “bestrafen”. Das war insofern unfair und unsinnig, als es ihnen einen schweren Wettbewerbsnachteil beschert hat. (Der jetzt Gott sei Dank – allerdings gegen eine beträchtliche Einmal-Zahlung – beseitigt wurde.)

Sie haben in diesem Zeitraum viel internationales Geschäft verloren, das sich schwer zurückgewinnen lässt.

Dass die riesige “Deutsche Bank” ohne Wettbewerbsnachteil ungleich schlechter als Österreichs Spitzeninstitut dasteht, hat spezielle Gründe: Sie hat sich in so vielen Fällen kriminell verhalten, dass sie in den USA zur Recht mit Milliardenstrafen eingedeckt wurde. Und zwar nicht, weil die USA einen Wirtschaftskrieg gegen Europa führen: US-Banken wurden wegen ähnlicher Manipulationen genau so hoch bestraft.

Zusammenfassend: Man kann Mario Draghis Politik des billigen Geldes vielleicht kritisieren, weil es zur Fehlallokation von Mittel führt und weil sich Blasen bilden können – aber die Sparer haben keinen Grund, ihm gram zu sein. Und die Banken noch viel weniger: Machte er Geld teurer, so brächten sie unter den gegebenen Bedingungen noch viel weniger Kredite an den Mann.

Das ist denn auch die Begründung, mit der Draghi diese Politik betreibt: Er hofft, dass dadurch die Unternehmens-Investitionen nicht völlig zum Erliegen kommen.

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