Eine ermutigende blaue Niederlage

Christian Kern und Reinhold Mitterlehner haben eine ähnlich große Chance wie Alexander Van der Bellen.

Zitat: “Ich hoffe, dass der Sieg Van der Bellens das politische Establishment ermutigt”

Selten habe ich mich über eine falsche Vorhersage mehr gefreut: Die Motivation der Van der Bellen Wähler und der Wähler, die Norbert Hofer verhindern wollten, war im Gegensatz zu meiner Befürchtung deutlich größer als die Motivation derer, die Hofer zum Bundespräsidenten machen wollten. (Ein wenig hat meine pessimistische Vorhersage vielleicht zu dieser grün-rot-schwarz-rosa Motivation beigetragen.)

Deutschlands SPD-Chef Sigmar Gabriel postete in einer ersten Reaktion, dass Europas Demokraten ein Stein von der Seele gefallen sei. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hielt nüchterner fest, dass der Sieg Alexander Van der Bellens nichts daran ändere, dass die FPÖ unverändert Österreichs stärkste Partei sei. Ähnlich äußerten sich denn auch Heinz Christian Strache, Herbert Kickl und Norbert Hofer zur erlittenen Niederlage: Dass Hofer gegen das gesamte “System” und das versammelte “politische Establishment” so viele Stimmen errungen habe, sei ein historischer Erfolg und eine Ermutigung im Kampf um den Wahlsieg im Jahr 2018.

Ich hoffe demgegenüber, dass der Sieg Van der Bellens ausnahmsweise das politische Establishment ermutigt: Die anti-populistischen Parteien sind in Österreich unverändert stärker als die populistischen. Ich habe an dieser Stelle schon einmal vorgerechnet, dass die Mehrheit der Österreicher keineswegs, wie Strache behauptet, von der FPÖ regiert werden will: Die SPÖ-Wähler wollen das sicher nicht; die grünen Wähler und die Wähler der NEOS noch weniger; und von den Wählern der ÖVP ist mindestens die Hälfte auch nicht FPÖ-begeistert.

Genau das drückt auch der Wahlsieg Alexander Van der Bellens sehr wohl aus: Die Mehrheit der Österreicher will ausdrücklich keinen freiheitlichen Bundespräsidenten.

Hätte Österreich wie die USA oder Frankreich eine präsidiale Verfassung, so wäre die Wahl eines tatsächlich regierenden Präsidenten noch viel deutlicher gegen den Kandidaten der FPÖ ausgegangen: Nicht zufällig liegt Christian Kern in der “Kanzler-Frage” weit vor Strache.

Es ist nur der maßlosen Ungeschicklichkeit von SPÖ und ÖVP in der Konzeption ihrer Bildungspolitik und im “Verkauf” ihrer durchaus passablen Wirtschaftspolitik zuzuschreiben, dass sie gemeinsam nicht mehr die absolute Mehrheit innehaben.

Wenn sich die ÖVP ihrer Lopatkas entledigte, könnte es der Regierung Christian Kerns mit Reinhold Mitterlehner  (und in einem Jahr vielleicht mit Sebastian Kurz) durchaus gelingen, sie wieder zu erringen und den aktuellen blauen Vorsprung aufzuholen. Der blaue Sieg im Jahr 2018 ist so wenig Gottgegeben wie Gott Norbert Hofer zum Sieg verholfen hat.

P.S: Am Rande werden die Österreicher dank des Van der Bellen-Sieges auch nicht mehr an jene Wahl-Manipulation glauben, die die FPÖ unterschwellig ständig behauptet hat. Vielleicht trägt das ein wenig dazu bei, ihren Behauptungen generell die notwendige Skepsis entgegen zu bringen. Wäre ich ein roter oder schwarzer Wahlstratege, ich wiese jetzt darauf hin, dass die blaue Unfähigkeit, eine Niederlage hinzunehmen, die Österreicher sinnlose fünzehn Millionen Euro gekostet hat. Symptomatisch für eine Partei, die ständig lautstark überflüssige Staatsausgaben anprangert.

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