Beschert Trump uns eine Zeitenwende?

Wenn man Angela Merkel zuhört, könnte man es glauben. Ich glaube es nicht.

Bei der Einschätzung der Persönlichkeit Donald Trumps herrscht Europaweit erstaunliche  Einigkeit – dumm, unbeherrscht, unberechenbar, chaotisch – aber mit Angela Merkel hat Europas gewichtigste Staatschefin jüngst verkündet, dass mit ihm eine neue Ära begonnen hätte: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigenen Hände nehmen.“

Obwohl bei einer Gelegenheitsveranstaltung in einem Bierzelt ausgesprochen, haben diese Worte für gewaltiges Rauschen im Blätterwald gesorgt.

Ich bin zwar seit Jahrzehnten der Ansicht, dass Europa weit mehr auf sich selber schauen sollte  die EU ist die größte Volkswirtschaft der Welt und hat sogar die meisten Soldaten unter Waffen – aber Merkel tut Trump zu viel Ehre an: Es wird ihn in vier Jahren – wenn nicht früher- nicht mehr geben. Und nicht einmal jetzt hat er unser Verhältnis zu den USA grundsätzlich verändert. Es gab nie einen US-Präsidenten, für den Amerika nicht „first“ war. Und obwohl Trump am jüngsten Nato-Gipfel in Brüssel nicht neuerlich bekräftigt hat, dass die USA den Baltischen Staaten oder Polen beistünden, wenn das notwendig sein sollte, hat es sein Verteidigungsminister James Mattis gleich drei Mal wiederholt. Und vor allem sind die erst jüngst nach Osteuropa entsandten US-Truppen unverändert dort stationiert. Das – die Anwesenheit amerikanischer Soldaten- war zu allen Zeiten die entscheidende Sicherheitsgarantie.

„Absurder Weise werden die erhöhten Militärausgaben helfen, Europas Wirtschaftswachstumsschwäche zu lindern.“

Zu den wenigen Behauptungen, die Trump immer zu Recht aufgestellt hat, zählt, dass die USA wesentlich mehr für Europas Sicherheit aufwenden, als Europas Nato-Mitglieder. Auch vorangegangene Präsidenten haben das kritisiert. Dass Trump seine Kritik so drastisch geäußert hat, hat ausnahmsweise tatsächlich zu einem besseren Deal geführt: Schon im Vorjahr haben sich die Nato-Staaten bekanntlich verpflichtet, ihre Militärausgaben sukzessive auf das US-Niveau von zwei Prozent des BIP anzuheben. Jetzt müssen sie jährlich bekannt geben, wie weit sie sich dieser Marke angenähert haben, und auch das war eine berechtigte Forderung.

Absurder Weise werden die erhöhten Militärausgaben helfen, Europas Wirtschaftswachstumsschwäche zu lindern. Dass die USA soviel besser wachsen und soviel weniger Arbeitslose ausweisen, liegt nämlich nicht zuletzt an ihren hohen Militär- und Rüstungsausgaben. Die sind zwar die unglückseligsten aller Staatsausgaben, aber die einzigen, die Republikaner wie Demokraten gleichermaßen akzeptieren und gegen die auch  die Bevölkerung nicht opponiert. Das scheint auch in Deutschland so: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zeigt sich jedenfalls rundum erfreut über die künftige Anhebung des deutschen Verteidigungsetats von derzeit 1,2 Prozent des BIP. Während es gegenüber Wolfgang Schäuble stets aussichtslos war, das staatliche Sparen zu Gunsten sinnvoller Investitionen in Bildung, U-Bahnen oder sozialen Wohnbau zu beenden und das Wachstum auf diese Weise anzukurbeln.

Daran, dass Europa auf den Schutz der USA angewiesen bleibt, werden die erhöhten Verteidigungsausgaben nichts ändern. So wenig wie Trumps kritische Äußerungen zur Nato etwas an der transatlantischen Partnerschaft ändern werden. Die militärischen Interessen der USA an einer Partnerschaft mit der EU gegenüber einer allfälligen russischen Expansion sind schon allein auf Grund der intensiven wirtschaftlichen Verflechtung viel zu groß, um ein ernsthaftes Auseinanderdriften zuzulassen.

Gar nicht davon zu reden, dass Europa und die USA einander durch 2000 Jahre gemeinsamer christlicher Prägung verbunden sind, neben denen sich die vier Jahre Trump doch eher dürftig ausnehmen. (Daran dass auch die Aufklärung die beiden Kontinente verbindet konnten einem mit Blick auf den Süden der USA zuletzt Zweifel kommen)

Angela Merkels Worte, so fasse ich zusammen, entstammen doch eher (innen)politischem Kalkül, als dass sie eine reale Zeitenwende markieren. Sie unterstreicht damit ihre europäische Führungsrolle und überholt ihren Wahlkampf-Widersacher Martin Schulz, der bisher durch offen ausgesprochene Trump-Kritik zu punkten wusste.

2 Kommentare

  1. Wenn man sich den Nahen Osten ansieht, Irak, Lybien, Tunesien, Ägypten und Syrien, bin ich mir nicht sicher, dass die USA sehr viel für die Sicherheit der Welt getan haben. Ich glaube auch nicht, dass man mit Billionen die für Waffen ausgegeben werden, die Welt sicherer wird.

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