Kurz-Vorbild Macron in ersten Problemen

Wahlen durch wohlklingende Worte und populäre Quereinsteiger zu gewinnen schützt nicht vor den Mühen der Ebene. Ob ein Wirtschaftsprogramm funktioniert, entscheidet erst die Zukunft.

Während Christian Kern durch seinen Wahlkampf-Berater Tal Silberstein einen überflüssigen Tiefschlag kassierte (denn mit Kerns Wahlprogramm hatte Silberstein nichts zu tun) festigt Sebastian Kurz seinen Umfragevorsprung durch die Nominierung populärer Quereinsteiger: Der freiheitliche Ex -Rechnungshof-Präsident Josef Moser, der selbst bei Sozialdemokraten den Ruf eines sachkundigen Mahners genießt, wird weitere Protestwähler an ihn binden; der umtriebige Mathematiker Rudolf Taschner vermittelt als TU-Professor den Eindruck enger Verbindung der “neuen ÖVP” zu Wissenschaft und Forschung. Die Behinderten-Beauftragte Kira Grünberg ist mittlerweile nur mehr die erste in einer ganzen Riege beruflich erfolgreicher junger Frauen, die der Volkspartei den Stall- Geruch nehmen, Frauen am liebsten hinterm Herd zu sehen.

Ein Problem kann Kurz allenfalls aus der Frustration zurückgereihter Berufs-Schwarzer erwachsen, aber das hat nur im Fall einer Wahlniederlage Bedeutung – und die halte ich für ausgeschlossen.

Kurz wird seinen Sieg auch nicht durch ein angreifbares “Programm” gefährden, sondern alles wird so klingen, wie man es gerne hört: Abbau der Staatsschuld, der Abgaben-Quote, des Budget-Defizits der Bürokratie und des “Subventionsdschungels”. Wie sinnvoll das volkswirtschaftlich ist und ob es funktioniert, wird bis zum 15. Oktober nicht zu überprüfen sein.

“Kurz hat das wirtschaftliche Volksempfinden auf seiner Seite”

Dass das nach der Wahl nicht so bleiben muss, erlebt derzeit sein Vorbild Emmanuel Macron. Nach hundert Tagen im Amt ist er in ein Umfragetief gestürzt. Vor allem dass er seinen Defizit-Abbau damit eingeleitet hat, die Wohn-Beihilfe für Studenten und sozial Schwache zu kürzen hat ihn Zustimmung gekostet – und wird die Konjunktur Kaufkraft kosten.

Wie die Staatschefs aller “Südländer” scheint auch Macron zu versuchen, die Wirtschaft durch Sparen des Staates zu sanieren: Er will Beamtengehälter einfrieren und Subventionen kürzen.

Entsprechend loben ihn deutsche Ökonomen.

Während ich Zweifel anmelde. Die französische Wirtschaft hat sich im letzten Halbjahr – also sicher ohne sein Zutun – so gut wie seit 2011 nicht mehr entwickelt. Ein Wachstum von 1,6 Prozent ist sicher. 300 000 neue Jobs wurden geschaffen und haben die Arbeitslosenrate nur deshalb nicht gedrückt, weil Frankreich eine ausreichende Geburtenrate besitzt, während etwa die Deutschlands viel zu niedrig ist (Das erklärt u.a. auch, warum es dort soviel weniger Arbeitslose als in Österreich gibt).

Wichtigste Stütze der erholten französischen Konjunktur war und ist im Gegensatz zu Deutschland nicht der Export sondern der inländische Konsum. Der wieder lebt davon, dass die Löhne immer (wie auch bei uns bis ca. 1998) im Ausmaß von Produktivität + Inflation gestiegen sind. Der daraus resultierende kontinuierliche Lohndruck hat Frankreichs Produktivität deutlich stärker als unsere oder die deutsche steigen lassen. Dass es trotz dieser gestiegenen Produktivität gegenüber Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat, hat einen simplen, hier schon einmal ausgiebig erörterten Grund: Deutschland hat dank “Lohnzurückhaltung” konkurrenzlose Lohnstückkosten- zugleich vier Millionen “working poor”.

“Viel deutet darauf hin, dass Macron auch die Franzosen zur Lohnzurückhaltung bewegen will”

Sein größtes Anliegen ist die Änderung der Arbeitsmarktgesetze.

Eine dieser Änderungen ist, wie Spanien eindrücklich gezeigt hat, so dringlich wie vernünftig: Die hohen Abfertigungsansprüche bei Kündigung sollen sinken – sie haben Unternehmer massiv von Anstellungen abgehalten.

Aber Macron will noch etwas, wovon viele VP-Wirtschaftsfunktionäre schwärmen: Die Verlagerungen der Lohnverhandlungen in die Betriebe. Das klingt höchst marktwirtschaftlich: In Betrieben, denen es gut geht, sollen durchaus höhere Löhne ausgehandelt werden – aber schwache Betriebe sollen dank niedriger Löhne überleben können.

Klingt gut, hat aber zwei grundsätzliche Haken: In schwachen Betrieben ist die Belegschaft ein extrem schwacher Verhandlungspartner – um die Jobs zu erhalten, ist der Betriebsrat meist zu jedem Opfer bereit. Das aber ist in Wirklichkeit das Gegenteil freien marktwirtschaftlichen Wettstreits: In ihm sollen nämlich gleiche Löhne für gleiche Leistung dafür sogen, dass er unter gleichen Bedingungen abläuft. Betriebe, die dank Innovation florieren, sollen in Wahrheit expandieren, nicht (wie seinerzeit die staatliche VOEST) immer höhere Löhne zahlen – Betriebe die angesichts normaler Löhne nicht funktionieren sollen eigentlich diesen stärkeren Platz machen.

Die sogenannte “solidarische Lohnpolitik” der Gewerkschaften, die in Kollektivverträgen zumindest ansatzweise gleiche Löhne für gleiche Leistung fordert, trägt in Wirklichkeit diesem Prinzip des innovativen Wettstreits Rechnung.

(Leider ist das in letzter Zeit auch Gewerkschaftern immer weniger geläufig.)

Ich bezweifle daher, dass Macrons Politik Frankreichs Wirtschaftsstruktur stärken wird. Deutschlands Lohnstückkosten -Vorsprung aus zehn Jahren Lohnzurückhaltung kann es unmöglich aufholen um auf diese Weise verlorene Exportmärkte zurückgewinnen. Viel eher besteht die Gefahr, dass die Inlands-Konjunktur einbricht, weil der Konsum nicht mehr durch steigende Löhne gestützt wird.

Es ist das ein Grundproblem, mit dem alle EU-Staaten konfrontiert sind, die in der Vergangenheit anders als Deutschland steigende Reallöhne zugelassen haben. Österreich ist nicht darunter und insofern ungefährdet. Gefährdet ist nur die EU als Ganzes.

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