Die versäumte VP-Minderheitsregierung

Sebastian Kurz hat die Chance vorübergehen lassen, es Bruno Kreisky nachzumachen und allen zu beweisen was er kann, wenn er auf niemanden Rücksicht nehmen muss.

Wir bekommen also die erwartete schwarz-blaue Regierung in der die FPÖ die Hälfte der Minister stellen wird. Dass es nicht lauter Burschenschafter sein werden, ist dadurch gesichert, dass wohl auch Frauen darunter sein dürften.

Christian Kern hat in letzter Sekunde einen Versuch gestartet, die türkis-blaue Zukunft abzuwenden, indem er Kurz angeboten hat eine VP-Minderheitsregierung durch Duldung zu unterstützen und wenn es früher und eindeutiger gewesen wäre, hätte es vielleicht eine Chance gehabt. Denn mit seinem ständigen Hinweis auf eine “Neue Form des Regierens” schien auch Kurz sich diese Möglichkeit offen zu lassen.

So aber war niemand darauf vorbereitet. Als Claudia Reiterer die Idee Sonntag “Im Zentrum” ganz zuletzt kurz zur Sprache brachte, erhob der Wiener VP-Obmann Gernot Blümel zwar keinen Einwand, konnte ihr aber wenig abgewinnen. Burgenlands FP-Obmann Johann Tschürtz war naturgemäß dagegen – seine FPÖ will schließlich endlich mitregieren Um gut zu arbeiten, so meinten beide, fehle einer Minderheitsregierung die Stabilität. Mindesten so dagegen war freilich Steiermarks SP-Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer: Es sei viel gesünder, wenn die SPÖ einer schwarz -blauen Regierung als eindeutige Opposition gegenüber stünde.

“Einer VP-Minderheitsregierung Unterstützung anzubieten, war die einzige Möglichkeit, die schwarz-blaue Koalition doch noch abzuwenden”.

So kann man es zweifellos sehen. Aber Kern sah es offensichtlich – mit wie viel Unterstützung der Partei blieb offen- anders: Einer VP-Minderheitsregierung Unterstützung anzubieten, war jedenfalls die einzige, letzte verbliebene Möglichkeit, die von der SPÖ perhorreszierte schwarz-blaue Koalition doch noch abzuwenden.

Innerhalb der SPÖ unterstützen diesen Versuch vermutlich die Gruppe derjenigen, denen es doch gewisse Probleme bereitet, einen Mann als Vizekanzler zu erleben, der in seiner Jugend der Neonaziszene angehört hat. Und der noch mit 35 in einer Rede anlässlich des Jahrestages der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus kritisierte, dass die Stadt Wien dem NS-Kampffliegers Walter Nowotny kein Ehrengrab mehr zubilligen wollte, womit sie laut Strache “die Schieflage der derzeitigen Geschichtsauffassung” demonstrierte.

Dass die Mehrheit der FP-Spitzenfunktionäre- nicht die geschichtslosen FPÖ-Wähler- eine ähnlich Geschichtsauffassung haben dürfte, dürfte diesen Genossen ebenfalls ein Dorn im Auge gewesen sein.

“Die Minderheitsregierung Bruno Kreiskys hat bewiesen, dass sie höchst erfolgreich arbeiten kann.”

 Sebastian Kurz ist es offenkundig kein Dorn im Auge sonst hätte er Kerns´ Angebot zumindest länger geprüft. Denn es hätte für die ÖVP durchaus eine Reihe handfester Vorteile besessen:

o Bruno Kreisky hat bewiesen, dass eine Minderheitsregierung, im Gegensatz zur Meinung Tschürtz oder Blümels sehr wohl sehr gut funktionieren kann. Sogar so gut, dass er nach einem Jahr die Wahlen so hoch gewann, dass er fortan alleine weiterregieren konnte.

o Kurz hätte sein ideales Ministerteam aufstellen und unbehindert durch einen Mitregenten zeigen können, was seine neue ÖVP kann. Er brauchte sein Programm dabei auch keineswegs aus Rücksicht auf die SPÖ zu verwässern, denn er hätte die Koalition mit der FPÖ jederzeit als Alternative parat gehabt.

o Die SPÖ hätte ihre Unterstützung aber sowieso denkbar schwer aufkündigen können, weil die Wähler ihr dann unausweichlich den Vorwurf gemacht hätten, die von ihr so abgelehnte schwarz-blaue Koalition quasi erzwungen zu haben. Die Minderheitsregierung wäre also durchaus stabil gewesen.

o Kurz, der mit seinem Ehrgeiz sicher auch in Brüssel eine Rolle spielen will, hätte es dort ohne FP-Anhang zweifellos um einiges leichter gehabt.

o Innerparteilich hätte er die nicht so wenigen Parteifreunde, die der FPÖ skeptisch gegenüberstehen nicht vor den Kopf stoßen müssen.

o Und er hätte es leichter gehabt, bezüglich der “Kammern” eine Lösung zu finden, die keinen Aufstand der Funktionäre der Bundeswirtschaftskammer provoziert.

5 Kommentare

  1. Ausnahmsweise , bin ich diesbezüglich nicht einer Meinung mit Herrn Lingens ! Eine “Minderheitsregierung”, hätte niemals ein zeitlich längere Chance zum “überleben”
    und wurde auch mehrheitlich vom “Wahlvolk” gar nicht erwünscht !

  2. Herr Lingens, ich schätze Sie wirklich sehr. Aber warum verschweigen Sie die Tatsache, wenn Sie sich schon auf Bruno Kreisky berufen, dass eben dieser Kreisky in seine Regierung insgesamt sechs (!) Altnazis aufgenommen hat! Da kannte Kreisky keinen Genierer, da ging es alleine darum, die Macht der SPÖ einzuzementieren!

    Es ist wirklich jammerschade, dass Sie hier nicht objektiv sein können. Ich habe dazu übrigens einmal Ihre ehemaligen Mitarbeiter Paul Yvon und Helmut Voska (mit dem ich gemeinsam bei den Pfadfindern war) befragt, warum Sie in gewissen Fragen nicht objektiv sein können.
    Deren Antwort war, dass Sie ein Trauma in Ihrer Kindheit mit den Nazis erlebten und sich davon nie mehr erholten.

    Schade, dass dies auf Ihre Beiträge Niederschlag findet.

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