Doskozils gefährliche Selbstüberschätzung

In der SPÖ hat die Obmann-Diskussion begonnen

Hans Peter Dokozil hat sie in einem so ungünstigen Moment so überflüssig vom Zaun gebrochen, dass sich als Erklärung ein einziges Motiv anbietet: Er glaubt, dass er selbst der bessere Obmann wäre.

Das halte ich für Selbstüberschätzung. Doskozil war ein unbestritten tüchtiger Polizei-Manager beim Flüchtlingsansturm in Parndorf. Er war ein populärer Verteidigungsminister – wie tüchtig er mit seiner Strafanzeige im Eurofighter-Deal war, muss sich erst herausstellen. Aber mit der Übernahme der SP-Parteiführung erreichte er m. E. den berühmten “Level of incompetence”.

Es gibt vom ihm im entscheidenden Bereich der Wirtschaft keine Überlegungen, die sich entfernt mit denen Christian Kerns vergleichen ließen.

Dessen neues SP-Programm – ich habe es schon einmal hier festgehalten – ist wirklich neu: Es bricht mit dem absurden und kontraproduktiven Spar-Pakt, es verteidigt den Sozialstaat mit überzeugenden Argumenten und es tritt ebenso überzeugend dem kontraproduktiven deutschen Lohn-Dumping entgegen.

Die SPÖ besaß und besitz mit diesem Programm langfristig eine faire Chance, aus ihrem aktuellen Tief herauszukommen.

Die SPÖ hat die Migration vernachlässigt – aber seit Jahrzehnten

Diese Chance zu mindern, indem man Kern vorwirft, zu sehr auf den Klimawandel eingegangen zu sein ist absurd – selten war der Klimawandel so aktuell – und ihm vorzuwerfen, dass das Programm die Migration vernachlässigt ist weder fair noch vernünftig: Allenfalls hat die SPÖ (wie ÖVP und Grüne) die Probleme der Migration seit Jahrzehnten vernachlässigt. Jetzt total auf den Kurs von Kurz & Strache einzuschwenken wäre erstens unglaubwürdig und spaltete zweitens die Partei – einen grünen Willkommenskurs zu fahren, ließe sie restlos abstürzen.

Kern hat klug gehandelt, die Migration nicht ins Zentrum des neuen SP-Programms zu rücken und sich de facto mehr an Kurz als den Grünen zu orientieren.

Niemand hätte derzeit Chancen gegen Kurz

Ich möchte bewusst offen lassen, ob Christian Kern von seiner Persönlichkeit her der optimale Führer einer oppositionellen SPÖ ist – intellektuell ist er es sehr wohl.

Und wer immer die SPÖ in den nächsten Jahren führte, wäre gegen Kurz chancenlos: Dessen Bonus für die Schließung der Balkanroute könnte von niemandem eingeholt werden. Und dank der in Wahrheit tadellosen wirtschaftlichen Arbeit der rot-schwarzen Koalition wird es auch noch Jahre dauern, ehe die m.E. kontraproduktive Spar-Politik der aktuellen Regierung sich in einem spürbaren Rückgang des Wohlstands der sozial schwächeren Gesellschaftsschichten niederschlägt.

Deshalb muss die SPÖ Geduld haben. Die von Doskozil losgetretene Obmann-Debatte ist geeignet sie ähnlich zu schwächen wie die permanente Obmann-Debatte der letzten Jahrzehnte die ÖVP in der Opposition geschwächt hat.

 

12 Kommentare

  1. Nach seinem CETA-Bauchfleck war Christian Kern für mich erledigt.
    Mit Christian Kern wird die es die SPÖ nicht mehr in die Regierung schaffen.

    1. Was ist diese 1/2 Wahrheit gegen die bisherigen Aktionen dieser Kurz-Regierung! Sie kostet uns allen zusätzliche Millionen und den Vorteil haben nur die Wahlspender, die Großindustrie.

  2. Jeder Kommentar eines prominenten SPÖ Mitglied der den Weg in die Öffentlichkeit findet und im Dissens zur Parteiführung steht, ist kontraproduktiv und nützt der Regierung. Das ist natürlich nicht gleichbedeutend, dass es innerhalb der SPÖ zu keiner kontroversiellen Diskussion kommen soll, die sollte erwünscht sein, denn nur der Dialog bringt uns weiter. Daher hat die Meinung von Doskozil nur innerhalb der Gremien einen Wert. In der Öffentlichkeit schadet sie der SPÖ und auch “Genossen” Doskozil selbst.

  3. Halte Doskozil für eine, wenn nicht die letzte Chance, wieder sozialdemokratische Inhalte in die praktische Weltsicht vieler bodenständiger ehemaliger “Roter” einzubringen. Dann hätten jene wieder eine Stimme, die Wahlen zwecks Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen gewinnen wollen und sich nicht damit begnügen, die nächsten Wahlniederlagen wieder “reinen ideologischen Herzens” ganz unter sich zu zelebrieren.
    Dazu muss man nicht “rechts” werden, ein wenig klarer, unaufgeregter Hausverstand beim Migrationsproblem mit nachvollziehbaren “eigenen bzw. selbstbewussten”” Standpunkten wäre aber dienlich.

    Stoßseufzer eines “Gutmenschen:

    Ich bin so gerne Flagellant
    halt’ gern die rechte Wange hin
    bin leidenschaftlich tolerant
    und weiß schon nicht mehr, wer ich bin.

    Mit mir braucht Ihr nicht viel Geduld
    alles, alles meine Schuld.
    Herbert Vorbach

    1. Ich nehme an, Ihr Wissen über und von der SPÖ dürfte sehr schwach sein. Wer kannte schon Doskozil vor diesem Flüchtlingsdrama? Was hatte er bis damals für die SPÖ getan? Es ist mehr als dürftig, wenn sie versuchen, diesen Mann als Parteiboss künstlich hoch zu pushen! Ich kenne diese Partei seit Kreisky, aber ein Herr Doskozil ist mir seit damals politisch und parteiintern nie aufgefallen. Es gab und gibt viele in der SPÖ, die dazu fähig wären, einer davon ist sicherlich Kern. Er hat etwas vorzuweisen, war bereits aktiv im NR im SPÖ Klub und hat in seiner kurzen Zeit bei der ÖBB als CEO viel weitergebracht als sein Vorgänger. Als bitte, bleiben Sie am Boden, auch wenn Sie ein Dokotil-Fan sind!!

  4. Toller Artikel Herr Lingens, wie üblich! Über Herrn Doskozil abfällig zu urteilen, wie in den Kommentaren, sollte man sich sparen.

  5. Die ÖVP hätte mit Mitterlehner nie eine NR-Wahl gewonnen, wie auch die SPÖ mit der derzeitigen Haltung beim Migrationsthema keine Wahl gewinnen wird.

    Darüber kann man sich freuen oder ärgern. Tatsache ist jedenfalls, dass Kern als Kanzler gescheitert ist.

  6. Wortwörtliches Zitat von Ferdinand Lacina zu diesem Thema: „Doskozil soll weniger seinen Kaumuskel strapazieren“.

    Mit anderen Worten: Er soll seinen Mund halten!

    Ist das die gepriesene Weltoffenheit der SPÖ?

    Die SPÖ zerfleischt sich von selbst.

  7. Doskozil muss man den kennen?
    Wenn nicht diese traurige und grausame Geschichte mit den toten Flüchtlingen im Lieferwagen gewesen wäre, würde der gute Mann noch heute Wachtdienst schieben. Aber Faymann dachte, der kann mein Image aufbessern und holte ihn nach Wien. Und heute? Heute sitzt er mit dem machtgeilen Niessl in der burgenl. Landesregierung und die beiden regieren mit den Blauen, um ihre Macht zu erhalten. Doskozil kann Kern nicht das Wasser reichen, es wäre besser, er würde schweigen!

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