“Erben ist keine Leistung”

Über Erbschafts- und Vermögenssteuern ökonomisch Vernünftiges zu sagen, ist nicht nur innerhalb der ÖVP zunehmend schwerer geworden. Auch Pamela Rendi-Wagner tut sich damit schwer.

Vergangene Woche haben zwei Aussagen zur Steuerpolitik überrascht. Die eine machte Erste -Vorstand Andreas Treichl im Standard. “Erben ist keine Leistung” stellte er klar und sprach sich als “Anhänger einer Leistungsgesellschaft” sowohl für Erbschafts- wie sonstige Vermögensteuern aus.

Die ÖVP kann darüber schwer glücklich gewesen sein, lehnt sie beides doch energisch ab, und war Treichl doch immerhin der Manager ihrer Finanzen.

Die andere machte Pamela Rendi-Wagner im ZIB2-Gespräch. Von Armin Wolf gefragt, ob sie für Erbschafts- und Vermögenssteuern sei, drückte sie sich um ein klares “Ja”: Es sei ja kein Geheimnis, dass die SPÖ dafür eintrete, aber man müsse angesichts des Wirtschaftsaufschwungs vor allem auf die steuerliche Entlastung der Löhne achten.

Die SPÖ kann darüber schwer glücklich gewesen sein, war die Einführung von Erbschafts- und sonstiger Vermögenssteuern doch stets eine ihrer vorrangigen Forderungen und hätte man doch ganz leicht die ökonomisch wie politisch zielführendere Antwort geben können: “Ja, ich bin für Erbschafts- und Vermögenssteuern, weil sie die Kluft zwischen Arm und Reich vermindern und einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, die Steuern auf Arbeit zu vermindern.”

So war es Treichl, der die Argumente für diese Steuern ausführte: sie sorgten “für mehr Chancengleichheit und damit gesellschaftliche Mobilität – “weil dann”, wie er unter Applaus formulierte, “auch Kinder von sehr reichen Menschen etwas arbeiten müssten.” Rendi -Wagner hätte unter Applaus formulieren können: “Weil man die Steuern auf Arbeit dann soweit senken könnte, dass vielleicht sogar Ärmere ein wenig Vermögen bilden können.”

Denn dies ist ein durchgehender Zusammenhang: Wo die Vermögenssteuern hoch sind, sind die Steuern auf Arbeit niedrig.

Die schwarze Desinformation funktioniert

Die ÖVP behauptet “Leistung” zu fördern und tut durch ihre Verweigerung von Vermögenssteuern das Gegenteil, die FPÖ folgt ihr ahnungslos wie immer. Mit 0,5 Prozent des BIP ist Österreichs Anteil der Vermögensteuern am BIP der niedrigste der entwickelten Welt. Weniger, 0,4 Prozent, kennen nur Tschechien die Slowakei und Mexiko (0,3). Nur 0,1 Prozent der österreichischen Abgaben sind Vermögensbezogen – im OECD-Schnitt sind es 5,4.

Charakteristischerweise haben Länder, in denen “Privatinitiative” und “Leistung” ernsthaft geschätzt werden hohe Vermögensteuern: In der Schweiz machen sie 2,2 in den USA 3,2 Prozent des BIP aus. Besonders hoch ist in den USA der Beitrag den die Erbschaftssteuer leistet: Der Fiskus kassiert (bei einer Freigrenze (Unified Credit) von 5,34 Millionen Dollar) 40 Prozent des ererbten Betrages. Dahinter steht die der ÖVP so fremde Gesinnung von Andreas Treichl: “Reichtum soll man schaffen-nicht erben”. Das solle das Steuersystem fördern.

Deshalb erhöht sich der Anteil vermögensbezogenen Steuern langsam aber doch auch in der EU: in den starken EU 15-Ländern stieg er von 1,4 auf 2,1 Prozent des BIP. Nur in Österreich ist er von 1,1 auf die aktuellen 0,5 Prozent gesunken.

Voran liegt dieses niedrige Aufkommen an der extremen Unterbewertung von Immobilien durch die Bezugnahme auf uralte “Einheitswerte”. Das minimiert nicht nur den Erlös aus Grundsteuern sondern, weil Immobilien fast immer auch vererbt werden, genau so aus Erbschaftssteuern.

Auch Rendi Wagner weiß zweifellos um die wirtschaftliche wie gesellschaftspolitische Bedeutung gerade der Vermögensteuern. Dass sie sich dennoch so vorsichtig äußerte, lag mit größter Wahrscheinlichkeit daran, dass sie auch weiß, dass erstaunlich viele Wähler, auch innerhalb der SPÖ, vor allem der Erbschaftssteuer erstaunliche Reserven entgegenbringen. Eine Leserzuschrift die Treichls Äußerung im Standard provozierte ist dafür typisch: “Meine Vorfahren haben sich irgendwas erwirtschaftet und dafür schon Steuern und Abgaben geleistet. Und der Übergabevorgang an die nächste Generation wird trotzdem nochmals besteuert. Da tue ich mir selbst als Sozialdemokrat schwer.”

Durch die ständige Wiederholung des immer gleichen Unsinns ist es der ÖVP gelungen, auch diejenigen bezüglich der Erbschaftssteuer zu verunsichern, die ihre Hauptnutznießer wären.

Als besonders erfolgreich erwiesen sich dabei zwei Behauptungen:

  • “Es geht doch nicht, dass der Saat schon versteuertes Geld noch einmal besteuert” – obwohl jeder von uns bei jedem Einkauf sein schon versteuertes Gehalt noch einmal der Mehrwertsteuer unterwirft. Und vor allem obwohl der Erbe, dem ein manchmal sehr großer Betrag zufließt, für diesen Zufluss zum ersten Mal Steuer zahlt.
  • “Eine Rentnerin, die ihr ganzes Leben brav gearbeitet und alle ihre Steuern bezahlt hat, wird daran gehindert ihrem Enkerl ihr sauer Erspartes ungeschmälert weiter zu geben” – obwohl alle Länder die Erbschaftssteuern kennen “Freigrenzen” festlegen, die das “Sauer Ersparte einer Rentnerin” allenfalls übersteigen, wenn es sich um Fiona Grasser handelt.(Die SPÖ plante eine Freigrenze von einer Million Euro)

Es kann nicht sein, dass Pamela Rendi Wagner die Desinformation ihrer Wähler durch die ÖVP bekümmert akzeptiert – sie muss durch Information dagegen ankämpfen. Das überparteiliche Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) liefert dafür zitierbares Material:”Eine Reform, die das Aufkommen aus vererbtem Grund- und Immobilienvermögen vergrößert, vergrößerte insbesondere den Spielraum zur Senkung anderer Steuern. Die Nutzung solcher Spielräume würde in Österreich wo der Faktor Arbeit im internationalen Vergleich einer außerordentlich hohen Belastung unterliegt, die Beschäftigung steigern”

 

 

 

 

 

 

 

12 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Lingens!

    Da ich glaube, dass sie in ökonomischen Belangen mehr als kompetent sind, eine Frage: Was halten sie von der von Gegnern von Vermögenssteuern immer wieder angeführten Behauptung, dass eine solche Abgabe zu Kapitalflucht führen würde, da man ja als extrem wohlhabender Mensch sein Vermögen quasi per Knopfdruck ins Ausland transferieren kann.

  2. Sehr geehrter Herr Lingens,
    vollkommene Zustimmung zu Ihrer inhaltlichen Einschätzung von Erbschafts- und Vermögenssteuern.
    Ich glaube jedoch nicht, dass die Vorsicht von Frau Rendi-Wagner in dieser Sache den Vorbehalten der eigenen Wähler geschuldet ist. SPÖ-Wähler und -Sympathisanten mit solchen Vorbehalten mag es zwar geben, ich glaube aber nicht, dass sie bedeutender sind als jene, die sich eine klarere Linie der Partei in Umverteilungsfragen wünschen.
    Was mE nach dahinter steckt ist, dass Rendi-Wagner in ihrer Positionierung nun als erstes Journalisten und Medienunternehmer, v.a. der “bürgerlich-liberalen” “Qualitätsmedien” (sorry für die vielen Anführungszeichen, aber als Stimme der wirtschaftspolitischen Vernunft, die mittlerweile sogar dem Profil zu “links” ist, verstehen Sie vermutlich was ich meine) überzeugen muss, dass sie eh eine wirtschaftsfreundliche, gar nicht klassenkämpferische Sozialdemokratin des “Dritten Weges” ist. Keine Sozi halt.
    Damit wird sie nun etwa ein Jahr verbringen. Danach wird ihr Ansehen bei Funktionären und Parteibasis derartig angeschlagen sein, dass sie ein weiteres Jahr damit verbringen wird, diese zu überzeugen, dass sie eh eine richtige Sozialdemokratin ist. Zwei verlorene Jahre für die Öffnung der Partei (oder den Kampf um die FPÖ-Wähler, wobei ich da ohnehin wenig Hoffnung habe…), während derer der Wirtschaftspolitische Wahnsinn fortschreiten und in den Medien der Zustand der Opposition beklagt werden wird…
    MS

  3. “Leistung” im ÖVP-Verständnis
    Man soll nicht darauf achten, was die ÖVP sagt, sondern sich ansehen, was sie die letzten Jahrzehnte getan hat und immer noch tut. Die ÖVP füttert bestimmte privilegierte Gruppen in Österreich: Erben, Subventionsempfänger und Beamte. Gruppen, die man landläufig nicht unbedingt als Leistungsträger bezeichnen würde. Dagegen wurde die Gruppe derer, die in diesem Land tatsächlich die Leistung bringt, die Arbeitnehmer, immer schlechter gestellt.

  4. Vermögenssteuern sind in meinen Augen eine Form der Enteignung und daher strikt abzulehnen. Es reicht die “stille Enteignung” durch Inflation und Ähnliches. Erbschaftssteuern mit hohen Freibetragsgrenzen und niedrigen Sätzen wären theoretisch eine Option, wenn man nicht wüsste, dass eine Einführung nicht mit einer gleich hohen Entlastung der Einkommenssteuern verbunden wäre. Und was man hier von Amerika schriebt ist zu einem guten Teil Mythos, ich weiß aus eigenem Erleben wie da bei Vermögenssteuern mit einem guten Steuerberater getrickst werden kann und realiter auch wird.

  5. Man muesste noch entscheiden, wie grosse Vermoegen, die in Betrieben und Unternehmen gebunden sind, vererbt werden ( koennen ). Beispiel mit (kleinen) Zahlen: der eine hat ein Mietshaus , das p.a. 100,000 abwirft und der andere eine Firma, die auch 100,000 abwirft. Soll man das Haus mit Erbschaftssteuer belegen und die Firma nicht oder weniger ( evtl. verfassungswidrig )? Das Argument ist ja immer, dass die Firma nicht 20 oder 30% ihres Wertes in cash auszahlen kann, nur weil ein Eigentuemeruebergang stattgefunden hat. Und noch etwas am Beispiel BMW: da besitzen 2 Geschwister knapp die Haelfte der Aktien, Natuerlich kann man die per Erbschaftssteuer zwingen, 20% davon oder mehr zu verkaufen, um die Steuer bezahlen zu koennen. Die Kaeufer waeren wahrscheinlich US Hedgefonds oder chines. Staatsfirmen oder auch ein Oelstaat. Ist damit dem Land und den Arbeiern im Unternehmen gedient?

  6. Daran kann man wieder ersehen: Joy Rendi-Wagner ist als SPÖ Vorsitzende völlig überfordert und ist mitverantwortlich für den weiteren Sinkflug der SPÖ!

    1. Die “Linken” sind (fast) überall in Europa im Sinkflug.
      Und “Frau sein” alleine ist sicher kein Vorteil in der (Spitzen)Politik. Schön zu sehen in Deutschland bei der SPD im Bund und in Bayern. Auch Merkel ist am absteigenden Ast und wurde auch in den vergangenen Jahren hoffnungslos überschätzt.

      Ich bin vollkommen bei Ihnen: Ich halte wenig von Frau Rendi-Wagner als Parteivorsitzende der SPÖ. Aber offensichtlich hat die ehemalige Arbeiterpartei niemand anderen …

  7. Ersten handelt es sich bei der Erbschaftsteuer um einen FreiBETRAG und nicht um eine FreiGRENZE und zweitens pro PERSON und nicht je Erbfall. Erben Ehefrau und zwei Kinder zu gleichen Teilen beträgt sie bis drei(!) Millionen Euro Null Koma Josef. Bei beispielsweise 3,1 Millionen und einem Erbschaftsteuersatz von zehn Prozent beträgt die gesamt Steuerlast für alle drei für das Millionenerbe bescheidene 10.000 Euro

  8. Schenkungs- & Erbschaftssteuer (wieder) einzuführen, sind DIE soziale Maßnahme. Mit einem Freibetrag von € 500.000.- oder € 750.000.- sind alle “braven” Sparer und Häuslbauer ausgenommen.
    Ich fürchte aber, dass die Ablehnung eine der vielen rein emotionalen / irrationalen Themen ist, wo das Nachdenken bei der “Schlagzeile” endet. Leider Faktum.

  9. Nicht die “Desinformation”, die die ÖVP “betreibt” ist ein “Unsinn”, sondern die Sprachverkürzung, mit der dieser Diskurs geführt wird. Wenn das Vermögen hierzulande durch ehrliche Arbeit mit verhältnismäßiger Entlohnung erworben wurde – wie hoch es auch immer sei – und verhältnismäßig versteuert wurde mit einem der höchsten Steuersätze in Europa, dann erfolgte das meist auch in irgend einer Form zu Lasten der Kinder. Wenn nicht beide Elternteile viel gearbeitet hätten, hätten sie unter normalen Bedingungen wohl kein nennenswertes Vermögen erwirtschaften können. Dass ein im Vergleich dazu unverhältnismäßig entlohnter Banker sebst mehr Steuern zahlen möchte, ehrt ihn, berücksichtigt aber nicht die Verhältnisse des in Österreich hoch belasteten Mittelstandes. Ich entsinne mich auch der Bemerkung eines von mir überaus geschätzten Chefredakteurs eines damals noch jungen Magazins, dass er um den Gehalt eines Bundeskanzlers diese (seine) aufreibende Arbeit nicht machen würde. Auch er war anscheinend unverhältnismäßig hoch entlohnt.
    Das echte Problem ist aber doch vielmehr, dass ein durch Spekulation erworbenes Vermögen, so wie bisher stets vorgeschlagen, gleich behandelt würde, wie ein durch Arbeit erworbenes. Das vertieft noch weiter die Perversion, dass der Profit des Anlegers, also des Geldverleihers im weitesten Sinn, den Gewinn des tatsächlich Arbeitenden, der diesen Profit durch seine Arbeit erwirtschaftet, noch weiter übersteigt als er das ohnedies schon allenthalben tut.
    Grundlage einer gerechten Vermögensbesteuerung wäre also die Berücksichtigung, wie dieses erworben wurde und das ließe sich vielleicht prospektiv, aber kaum retrospektiv erfassen. Unser derzeitiges Steuersystem mit allen seinen profitschonenden Schlupflöchern ist dafür ungeeignet.

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