Haider: “Der Lingens ist total naiv, der is ma einegfoin”

Jörg Haider war immerhin widersprüchlich. Erfahrungen im Umgang mit dem ersten Star des Rechtspopulismus, 

Über Jörg Haider zu berichten ist zwiespältig. Kein Herausgeber hat mehr kritische Haider- Titelgeschichten in Auftrag gegeben, als ich im profil – aber ich fürchte, dass sie eher seinen Aufstieg befördert haben. Zwar schien es unerlässlich, seinen Aussagen entgegenzutreten – aber jedes Cover war ein Gratis-Wahlplakat. Es gelten die Gesetze des Show-Biz: Hauptsache, man ist im Gespräch.

Auch sein 10. Todestag geriet zur Feierstunde: Sein Bild ging durch alle Medien; Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer konnte unwidersprochen behaupten, er trage keine Schuld am Hypo-Desaster; H.C. Strache durfte sich als mit ihm versöhnter Vollender der großen Anliegen Haiders präsentieren.

Stefan Petzners Versuch, Haider “differenziert” zu sehen, blieb unterbelichtet.

Der Holocaust als “größtes Verbrechen der Geschichte”

Ich möchte meine wichtigste Erfahrung mit Haider an Hand eines Interviews wiedergeben. Es war von jüdischen Freunden Bruno Kreiskys initiiert worden, die ihn vom Geruch des Neo-Nazi befreien wollten. Tatsächlich reagierte er auf meine Frage nach den Verbrechen in “Auschwitz” zwar sofort wie alle Neonazis mit “Dresden” – aber er war bereit, diesen Vergleich als unzulässig anzusehen, nachdem ich eingewendet hatte, dass man einen Mann, der sich gegen einen Raubüberfall wehrt, indem er den Räuber k.o. schlägt, schwer mit dem Räuber gleichsetzen kann, auch wenn er Notwehrüberschreitung verantwortet; und dass Notwehrüberschreitung unmöglich “Massenmord” vergleichbar ist.

Unsere jeweils minutenlangen Diskussionen endeten damit, dass Haider den Holocaust “das größte Verbrechen der Geschichte” nannte und dem Interview damit zum Titel verhalf. Ähnlich lange Diskussionen führten dazu, dass er Desserteure, die sich Partisanen anschlossen, nicht mehr “Verräter” und den Kampf der Partisanen “verständlich” nannte.

Vor Norbert Burger sprach Haider ganz anders

Ich habe leider den Fehler gemacht, die ausgiebigen Diskussionen, die zu diesen Einsichten führten, nicht abzudrucken, weil das Interview dann das Heft gefüllt hätte – aber auch, weil ich Haider in diesen Diskussionen besser kennen gelernt zu haben glaubte und sein neues Image nicht schmälern wollte.

Sehr viel später erfuhr ich durch einen verrückten Zufall, wie Haider reagiert hat, als ihn der Neonazi Norbert Burger, in dessen Haus er wie seinerzeit H.C. Strache verkehrte, wegen dieses “Schand- Interviews” wütend zur Rede stellte. “Der Lingens ist total naiv, der is ma einegfoin, und politisch hat uns das unglaublich genützt”, hörte ihn jemand sagen, der dort damals auch verkehrte.

Diese Gefahr des naiven Hereinfallens besteht bis heute.

Nur dass Haider nicht nur in Petzners, sondern auch in meinen Augen eine höchst komplexe, widersprüchliche Persönlichkeit gewesen ist: Ich glaube, dass er seine Antworten, in dem Moment, in dem er sie mir gab, mit einem Teil seiner Persönlichkeit ernst gemeint hat. Er wollte auch von mir, dem Sohn von Widerstandkämpfern, geschätzt werden. Nur dass er sich in Burgers Umgebung von Burger geschätzt wissen wollte und dass er sich ungleich mehr in dessen als meiner Umgebung aufhielt.

Er war vielleicht lernfähig – und ich will niemandem diese Lernfähigkeit völlig abstreiten. Nur dass ich gelernt habe, diesbezüglich sehr viel vorsichtiger zu sein.

Nicht jede unerträgliche Aussage ist falsch

Ich habe Haiders Aussagen in der Folge nicht diskutiert, sondern so zitiert, wie sie fielen. Doch selbst das war schwierig. So war seine Aussage über “Hitlers ordentliche Beschäftigungspolitik” zwar insofern unmöglich, als er sie isoliert in den Raum stellte, aber sachlich war sie richtig und ich belegte das in der “Wochenpresse -Wirtschaftswoche” mit Zahlen: Der wirtschaftliche Aufschwung begann schon, bevor er nur mehr Hitlers Hochrüstung zur Grundlage hatte.

Dass Hitler tatsächlich Beschäftigung schuf, macht seine Verbrechen nicht geringer, erklärt aber besser, dass ihm die Bevölkerung so sehr hereinfiel. Deshalb reite ich bis heute so sehr auf den wirtschaftlichen Mit-Ursachen des aktuellen Populismus herum.

Bei der Beurteilung einer zweiten Haider-Äußerung handelte ich mir mehr noch als bei der “Beschäftigungspolitik” den wütenden Protest meiner linken Leser ein: Ich nannte es richtig, nicht “faschistoid”, dass er 1993 eine “Kontingentierung der Zuwanderung” forderte.

Haider hat immer wieder auch richtige Forderungen erhoben oder zu Recht Missstände – etwa die Korruption während der Alleinregierung Bruno Kreiskys- angeprangert. Dass die Justiz unter Christian Broda sie so gar nicht ahnden wollte, habe ich immer für eine wesentliche Ursache des Erstarkens der FPÖ gehalten. (Auch wenn ich auf Grund der Erfahrung meiner Eltern nie gezweifelt habe, dass die FPÖ diese Korruption zelebrieren würde, sobald sie selbst an der Macht ist.)

 Was also bleibt für mich von Haider:

  • Er hat Blößen, die sich ÖVP und SPÖ wie jede regierende Partei gelegentlich gaben, wie Hitler maximal genutzt, um “Parteipolitik” generell zu diffamieren.
  • Er hat die richtige Einsicht, dass Zuwanderung reguliert gehört, ausschließlich dazu genutzt, einen maximalen Gegensatz zwischen “uns” (guten, tüchtigen) Österreichern und (kriminellen, kostspieligen, das Sozialsystem ausnutzenden) “Ausländern” zu konstruieren und dabei auf Hitlers Rezept zurückgegriffen:”500.000 Arbeitslose -400.000 Juden”, plakatierte Hitler – “140.000Arbeitslose – 180.000 Gastarbeiter” plakatierte Haider .

Aber er war innerlich ungleich widersprüchlicher als etwa Herbert Kickl, oder Johann Gudenus – ein neurotischer, bis zuletzt Gespaltener, der sich deshalb auch politisch umbrachte.

Seine Nachfolger sind in sich ungleich stimmiger.

 

4 Kommentare

  1. zu Ihrem letzten Satz ist zu sagen, dass die Nachfolger durch Schulwechsel alle Machtmissbrauchskonstellationen des Staates erlernten, der diese geschaffen hat um die jeweiligen Parteien an der Macht zu halten, was ihre Darstellung von Bloesse relativiert: Was Sie meinen ist offenes Schwerverbrechen in einer Gruppe. Daß das für Sie nackt ist bedeitet zwar, daß Sie einen FPÖ Finanzminister erwischten aber was kostet es Ihnen?

  2. Hitlers Altreich wäre ohne den “Anschluss” Statsbankrott gewesen, daher hat die Behauptung ” aber sachlich war … richtig und ich belegte das in der “Wochenpresse -Wirtschaftswoche” mit Zahlen: Der wirtschaftliche Aufschwung begann schon, bevor er nur mehr Hitlers Hochrüstung zur Grundlage hatte…”

  3. Dass Haider – und heute Strache – relativ erfolgreich war (und ist), hat sehr viel mit dem politischen Mitbewerb zu tun, der relativ schwach und heute vor allem weltfremd ist.

    Wer globale Entwicklungen wie die Immigration (von fanatisch Religiösen und / oder Ungebildeten) nicht als Gefahr für unseren Kulturkreis sieht, wird nie mehr “mehrheitsfähig”. Aber dafür gehört man zu den “Guten” …

    Haider war kein “Guter”. Im Gegenteil: Er war ein gewaltiges Schlitzohr. Aber deswegen war er auch erfolgreich, trotz vieler persönlicher Fehler. Aber mit den Medien “konnte” er. Sehr gut sogar …

  4. Das Problem bei der Haider- (und Strache-) Berichterstattung war meiner Meinung nach im profil und anderen liberalen Zeitschriften weniger was im Text stand, sondern die Bilddramaturgie (Cover und Bildstrecken). Während der Text Haider (und Strache ) durchaus kritisiert, ist die Bilddramturgie eine – vielleicht ungewollt oder unreflektiert – einzige Bejubelung. Selbst wenn er da Böse aussieht, was erst recht interessant macht, das ist wie in der Popmusik. Ich finde, da hätte man mehr Nachdenken müssen, wie man das lösen kann. Vielleicht mit Zeichnungen ( wie der Falter es manchmal macht).

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