Es graust Kurz kurz – es kostet uns lang

Die Distanzierung Straches von den Identitären folgt einem bewährten Muster.

 Zuerst die gute Nachricht: Es gibt für Sebastian Kurz doch eine “rote Linie”, ab der ihm graust: “Widerwärtig” war als Bezeichnung für die Gesinnung der Identitären korrekt und die Aufforderung an H.C. Stache, sich und seine Partei klar von ihnen zu distanzieren, war es auch.

Danach die schlechte Nachricht: Kurz und die ÖVP begnügen sich mit Straches Auskunft, dass die Identitären in der FPÖ keinen Platz hätten. Obwohl er mit eine ihrer Anführer den Tisch geteilt hat; obwohl sie in den Stäben blauer Minister sitzen; obwohl Mario Kunasek eine Verordnung aufgehoben hat, die sie aus dem Bundesheer verbannte; obwohl der Abgeordnete Wolfgang Zanger, der Grazer FP-Chef Mario Eustacchio oder der Gemeinderat Heinrich Sickl an ihren Demonstrationen teilgenommen haben; obwohl Herbert Kickl sie als Redner beim rechtsextremen Kongress der rechtsextremen Burschenschaft Arminia Czernowitz mit den Worten begrüßte: „Schon nach den ersten Vorgesprächen und auch jetzt, wenn ich hier hinunterschaue: Das ist ein Publikum, wie ich mir das wünsche und wie ich mir das vorstelle.“

Aber alle Angeführten dachten natürlich wie Strache: “Die Identitären sind quasi junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft.“

Wann wird Kurz begreifen, dass die FPÖ, exakt wie Peter Pilz behauptet, eine in ihrem Kader -nicht ihrer Wählerschaft- von identitärer Gesinnung verseuchte Partei ist, als deren weltanschaulicher Stoßtrupp im Nadelstreif sie fungieren? Dass Herbert Kickl exakt die Gefahr ist, vor der er uns schützen soll. Dass es um die Redlichkeit freiheitlicher Distanzierungen so steht, wie um die Redlichkeit Jörg Haiders, als er Auschwitz mir gegenüber “das größte Verbrechen der Geschichte” nannte, um seinen empörten rechtsextremen Spezi Norbert Burger aufzuklären: “Der Lingens ist total naiv, der is ma einegfoin, und politisch hat uns das unglaublich genützt”.

Es wird der Republik Österreich im Umgang mit dieser Partei so ergehen, wie im kommenden Prozess über die Kosten für den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl: Die FPÖ hat diesen zweiten Wahlgang provoziert, weil ihr das erste Wahlergebnis nicht gepasst hat- und die Republik wird die Kosten bezahlen müssen. Wir alle werden noch durch Jahrzehnte dafür bezahlen, dass Kurz der FPÖ die Chance gegeben hat, massiv ins Gefüge dieser Republik einzugreifen: Hohe Beamte, Staatsanwälte, Richter oder Geschäftsführer staatlicher Einrichtungen werden die Gesinnung schlagender Burschenschafter bis zu ihrer Pensionierung weiter vertreten; gekürzte Sozialleistungen werden Armutsbekämpfung, Integration und damit künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit noch durch Jahrzehnte in dem Ausmaß behindern, in dem die “Armutskonferenz” das prophezeit; und vielleicht schafft eine erstarkende FP-VP-Koalition in der nächsten Amtsperiode doch die “vorbeugende Sicherheitsverwahrung”- dann wäre Österreichs Identität erfolgreich von der der Identitären geprägt.

Die erhöhten Risiken direkter Demokratie

Zur Agenda der FPÖ zählt auch das populäre Drängen auf mehr “direkte Demokratie”. Bisher hat Kurz ihm, Gott sei Dank, sehr eingeschränkt nachgegeben- aber das kann sich durch freiheitliche Wahlerfolge ändern. Daher hoffe ich, dass der Blick auf den Brexit zeigt, wie problematisch “Volksabstimmungen” sind.

Das Volk entscheidet nicht klüger als seine gewählten Repräsentanten. Selbst bei den Schweizern, die darin jahrhundertlange Übung haben, spricht dafür immer weniger. Vor allem spricht das Brexit-Referendum exemplarisch fürs Gegenteil: Es wurde auf der Basis irrationaler Emotionen und unzulässiger Eingriffe von Außen entschieden.

Unser steinzeitlich geprägtes Stammhirn reagiert auf verstärkte Zuwanderung mit Angst und Abwehr. Damit diese Abwehr alle humanen Emotionen und rationalen Erwägungen überwindet, braucht es freilich vermehrte Desinformation: Nigel Farages Behauptung über die “Flüchtlingsflut” war genau so “fake”, wie es die Behauptung der Identitären über den “Großen Austausch” ist. Aber Farage verfügte zu ihrer Verbreitung über ein perfektes Instrument, das ihm, der auch von Harald Vilimsky geschätzte Anchorman des rechtsextremen “Breitbart-Netzwerks“, Stephen Bennon, ans Herz legte: die sozialen Netzwerke.

Denn als Mitbegründer der US-Filiale von “Cambridge Analytica” (CA) wusste Bannon, wie man Facebook mittels dort gekaperter Daten perfekt zu maßgeschneiderter politischer Werbung nutzen konnte: Wer im Netz die leiseste Fremdenangst verriet, wurde in der Folge mit Meldungen gefüttert, die sie maximal schürten. Der britische Geschäftsmann Arron Banks ermöglichte Farage durch eine Spende von 8,4 Millionen Pfund die Nutzung dieser Methode.

Millionen besitzt Banks nicht so sehr, weil ihm in seiner Heimat so brillante Geschäfte gelungen wären, sondern weil Wladimir Putin ihm in Russland Traumgeschäfte offerierte. Auf die gleiche Weise wie die CA das Brexit -Referendum zu Lasten der EU beeinflusste, beeinflusste sie übrigens den US-Wahlkampf zu Gunsten Donald Trumps = zu Lasten einer geeinten NATO. Dass Trump & Co gleichzeitig von besten Geschäften mit Putins Russland profitierten, geschah sicher so zufällig wie bei Arron Banks.

Dennoch halte ich “Direkte Demokratie” angesichts dieser Vorgänge in wichtigen Fragen für ein unverantwortbares Risiko. Selbst schwache gewählte “Repräsentanten” des britischen Volkes werden im Zweifel etwas rationaler entscheiden: Sie werden wenigstens einen “weichen” statt Farages “harten” Brexit” zustande bringen.

 

11 Kommentare

  1. Jene vielen Menschen die unpolitisch sind und die unsere Innen- wie auch die Außenpolitik nur rudimentär wahrnehmen, die Angst haben zu den Wohlstandsverlierern zu gehören, die aus Protest die FPÖ gewählt haben, weil sie das Gefühl haben, die Ausländern und Flüchtlinge würden bevorzugt, werden doch noch draufkommen, dass ihre Anliegen, ihre Wünsche und Ängste von dieser rechtspopulistischen Regierung nicht bedient werden.
    Die ÖVP bedient das Großkapital und die FPÖ sonnt sich im Glanz der Regierung, ist der Steigbügelhalter von BK Kurz und muss jede Woche ihre Nähe zu rechtsradikalen Verbindungen dementieren, da ununterbrochen neue Verbindungen der FPÖ zu Kellernazis aufgedeckt werden.
    Im politischen Ausland – auch im Konservativen – wird Österreich immer mehr gemieden und als Nazicountry bedacht, da kann auch ein noch so eloquenter Auftritt unseres BK in Brüssel nicht darüber hinwegtäuschen.
    Diese Regierung schadet Österreichs Ansehen und der Bevölkerung ungemein. Es mehren sich die warnenden Stimmen ehemaliger ÖVP Funktionäre, die der Meinung sind, dass der unselige Weg von Haider´s “Dritte Republik” bereits stattgefunden hat.

  2. “Dennoch halte ich “Direkte Demokratie” angesichts dieser Vorgänge in WICHTIGEN Fragen für ein unverantwortbares Risiko”

    Aber was ist wirklich “wichtig”? Da gibt es wahrscheinlich sehr viele Meinungen dazu. Für mich zählt eine Abstimmung über einen Brexit sicher nicht dazu.
    Wenn sich Menschen – aus welcher Wissens- und / oder Gemütslage – für eine oder gegen eine Maßnahme entscheiden, sollte das in einer Demokratie umgesetzt werden, selbst wenn es sich um die Todesstrafe, sogar um Menschenrechte handelt. (Anmerkung: “Menschenrechte” sind auch nichts “Göttliches” sondern von Menschen gemacht!)

    Dazu haben wir ja “Medien”, wo man sich informieren kann, wenn man will. Aber wenn sich Medien zu “politischen Kampfmaschinen” – wie u. a. beim derStandard und dem ORF zu beobachten ist – entwickeln, darf man sich nicht wundern, dass immer mehr Menschen das Interesse an “wichtigen Fragen” verlieren, und nach “rechts” abgleiten …

    1. Die wenigsten Politiker sind ehrlich. Warum sollte das bei S. Kurz anders sein? Manche Politiker sind halt cleverer als andere (Beispiel Kurz vs. Rendi Wagner. Da kommt selbst ein Strache vergleichsweise authentisch rüber). Aber die meisten Politiker (und Innen) haben ohnehin nur ein Bestreben: (wieder-)gewählt zu werden.

  3. Sie schreiben: „Wir alle werden noch durch Jahrzehnte dafür bezahlen, dass Kurz der FPÖ die Chance gegeben hat, massiv ins Gefüge dieser Republik einzugreifen.

    Haben Sie eigentlich vergessen, dass erstmals Kreisky 1970 (SS Mann Friedrich Peter) und 1983 (Sinowatz/Steger) der FPÖ die Chance gegeben hat, in das Gefüge der Republik einzugreifen?

  4. Wieso kann die SPÖ das Stammhirn so schlecht steuern. Die Leute wollen keinen sozialen Heiligenschein so wie ihn Rendi präsentiert und der mir auch schon auf die Nerven geht. Deutlich sagen, die Mindestsicherung kostet den Staat
    z. B. 1%
    seiner Ausgaben und mit dem Sparpaket der FPÖ erreicht man keine sinnvollen Einsparungen. Geld muss man von den Reichen holen, die muss man auch plakativ darstellen. Werbung bedeutet Kreativität und Gefühl. Das Volk braucht als Feindbild nicht nur die Ausländer und schon gar nicht rechte Recken, die alles schamlos schüren

    1. “Wieso kann die SPÖ das Stammhirn so schlecht steuern?” Diese Frage kann ich Ihnen ganz einfach beantworten:
      Menschen sind mehrheitlich “solidarisch” und für “Gerechtigkeit” – vor allem wenn es um die “eigene Gesellschaft” geht. Aber wenn starke Zuwanderung und Vermehrung “fremder Kulturen” merkbar – nicht erst seit 2015 – zunimmt, dominiert eben das “Stammhirn”, das “Gefahr und Furcht” signalisiert. Und dieses lässt sich nur ganz schwer steuern.

      Die SPÖ hat doch “oben” sehr viele gescheite Leute, die das eigentlich wissen müssten, sollte man annehmen. Oder haben doch Traumtänzer (Innen) und weltfremde Phantasten das Sagen. Aber so wird das nichts bei Wahlen …

  5. Abstruse Ideen eines Ex-Betriebsrates
    Der Klubobmann der ÖVP im Parlament, früher BR beim Roten Kreuz und heute treuer „Diener seines Herrn“, BK Kurz, kann es nicht ertragen, dass bei den AK in O.Ö. der ÖAAB wieder Stimmen verloren hat. In seiner beengten Denke sind natürlich sofort die Roten schuld, denn die betreiben Terror in den Betrieben und die armen ÖAAB Vertreter werden gemobbt. Und von Wöginger werden wir alle gefoppt! Dieser ÖAAB-Gewerkschafter hat schon lange seine Aufgabe vergessen. Er, der früher für die Arbeitnehmer in der ÖVP große Worte sprach, ist schon längst, wie diese ganze türkise Regierung, zum Unternehmerflügel gewechselt. Er hat bei allen arbeitnehmerfeindlichen Vorschlägen und Taten von Kurz und Co. geschwiegen und mitgestimmt. Und dieser „Arbeitnehmerverräter“ und schon lange nicht mehr Arbeitnehmervertreter hat die Stirn, die AK-Wahlen, die schon Jahrzehnte in den Betrieben abgehalten werden, in Frage zu stellen. Das schlechte Wahlergebnis des ÖAAB bei den AK-Wahlen muss er sich selbst zuschreiben. Seit er Klubobmann ist, ging es mit dem ÖAAB bergab. Und jetzt will er einen „Wahlsonntag“ da könnten dann alle, nach dem Kirchgang, in der Gemeinde zur AK-Wahl gehen! Ich möchte auch die HAK-Wahlen in Zukunft im Rathaus. Gerade dieser Regierung ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass die Gewerkschaft eine der letzten Bastionen für die Arbeitnehmer, mehrheitlich sozialistisch ist. Wöginger hat nie aufbegehrt, als man begann, die jahrzehntelang gut funktionierende Sozialpartnerschaft zu zerstören. Er hat nie kritisiert, dass die Arbeitnehmervertreter in den KK zu Gunsten der Unternehmer reduziert wurden, die eigentlich dort finanziell wenig dazu beitragen, weil die KK-Beiträge mehrheitlich von den Mitgliedern stammen. Und damit auch die Bundesländer ihre KK verlieren, weil ja alles in Wien zentriert wird. Der jugendliche ÖAAB-Landessekretär in O.Ö., Brandstätter versteigert sich sogar zur Aussage, das AK-Wahlrecht sollte geändert werden. Der gute sollte zuerst einmal in der Geschichte der Arbeitnehmer nachschlagen, wie schwer es die über Jahrzehnte hatten, ihre sozialen Rechte gegen die Unternehmer gesetzlich durch zu setzen. Damit ist für mich auch Wöginger einer der Totengräber der Sozialpartnerschaft, von der als Rotkreuz-BR sehr wohl profitiert hat.

  6. ich danke ihnen für die deutlichen worte, herr lingens. ich fürchte nur, sie werden von jenen, die dieser partei die regierungs- und “salonfähigkeit” ermöglicht haben, nicht gelesen, oder es ist ihnen egal, und sie werden mit ihrer prognose recht behalten.

    1. Warum koaliert eigentlich die SPÖ im Burgenland mit der FPÖ, wenn das nach der Diktion der Linken nicht salonfähig ist?
      Das würde mich schon sehr interessieren!

      1. in beantwortung des posters / der posterin “staberl”: ich zähle hier durchaus auch jene teile der spö dazu, die eine “salonfähigkeit” auf landesebene hergestellt haben.

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