Was jetzt mit der Regierung?

Wir haben Ibiza-Gate und damit den Spuk der schwarz-blauen Regierung glücklich überstanden. Mich überrascht dabei die Überraschung aller Beteiligten über die Korruptionsbereitschaft FPÖ – so wie sich die Nazis seinerzeit immer auch durch extreme Korruptionsbereitschaft ausgezeichnet haben, tun das natürlich auch die Keller-Nazis im FP- Funktionärskader, und das war schon bei der letzten schwarz-blauen Regierung und in Kärnten hinreichend zu beobachten.

Rendi-Wagners vergeben Chance

Der Bundespräsident will zu Recht in der Übergangszeit bis zu den Wahlen im September “Stabilität.” Sebastian Kurz wünscht sich begreiflicher Weise dazu auch noch “Kontinuität”. Nun wäre es zu viel verlangt, wenn ihm die SPÖ zusagte, bei seinen zahlreichen arbeitnehmerfeindlichen Gesetzesvorhaben mitzustimmen, aber Pamela Rendi Wagner hätte schon “im Zentrum” erklären können, dass die SPÖ den Zeitraum bis September um der Stabilität Österreichs willen sicher nicht nutzen wird, die Regierung zu stürzen, selbst wenn die FPÖ ihr das vorschlüge. Das hätte sie erstens als “staatsmännisch” ausgewiesen und es hätte Kurz zweitens um das Argument gebracht, dass die Zusammenarbeit mit der SPÖ unmöglich ist.

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Wie drosselt man “Klimawandel” kostengünstig?

An der CO2-Steuer führt kein Weg vorbei – aber auch sie leistet längst nicht alles, was notwendig ist.

Wie die Steuerexpertin des WIFO, Margit Schratzenstaller sehe ich das größte Manko der korrekt gezielten, wenn auch anspruchslosen “größten Steuerreform aller Zeiten” (Sebastian Kurz & H.C. Strache) in der mangelnden Ökologisierung. (Sie zielt richtig, weil der finanzielle Spielraum aus guter Konjunktur und beibehaltener kalter Progression vor allem genutzt wurde, um Geringverdiener zu entlasten.[1] Anspruchslos ist sie, weil auf jegliche strukturelle Veränderung – die Abschaffung der kalten Progression und eine zusätzliche Senkung der Lohnsteuern im Wege erhöhter Vermögenssteuern- verzichtet wurde.)

Die mangelnde Ökologisierung ist ein fundamentales Manko. Am Rande, weil sie die Regierung bekanntlich teuer kommen kann, wenn Österreich wegen des verfehlten Klimaziels eine Milliardenstrafe zahlen muss. Vor allem aber, weil Greta Thunberg Recht hat, dass es die Zukunft der Menschheit gefährdet, wenn wir die Erderwärmung nicht zu drosseln vermögen.

Der Weg, den unser übliches Vorbild Deutschland dabei beschritten hat, – nämlich alternative Energien staatlich zu fördern- hat sich dabei als extrem kostspielig erwiesen, weil er völlig abseits des Marktes verläuft: Was wie hoch gefördert wird, hängt vor allem von der Stärke der jeweiligen Lobbys ab. Keine staatliche Stelle kann wissen, ob Windparks, Fotovoltaik oder die Nutzung von Wasserstoff die beste Lösung darstellt- dergleichen muss man dem Markt überlassen.

Das beste Marktkonforme Mittel, um die besten Maßnahmen zur Eindämmung des CO2 Ausstoßes zu forcieren, ist nach allen bisherigen Erfahrungen die CO2- Steuer: Indem sie den Ausstoß jeglicher Tonne CO2, wo immer sie anfällt, mit einem (möglichst hohen) Preis belastet, stellt sie sicher, dass die besten Maßnahmen und Technologien sich durchsetzen, weil sie am kostengünstigsten sind. Schweden, jenes von mittlerweile 46 Ländern, das CO2 mit ca. 110 Euro pro Tonne weltweit am höchsten besteuert, hat damit als bisher einziges Land erreicht, dass sich der CO2- Ausstoß vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt hat. Allerdings verteuerte sich der Liter Sprit auf diese Weise noch einmal zusätzlich. Dass die Schweden das akzeptierten, wurde erreicht, indem mehrere besonders unbeliebte Steuern gestrichen wurden. In der ORF Diskussion “Im Zentrum”, wo man die CO2- Steuer kürzlich diskutierte, waren denn auch alle Beteiligten (auch FP- Staatssekretär Hubert Fuchs) einig, dass ihre Einführung sozial wohl durchdacht abgefedert werden muss: Wenn das nicht geschieht, provoziert sie die Gelbwesten -Proteste Frankreichs.

Was es letztlich kostet, die Erderwärmung zu verringern, ist eine denkbar spannende Frage. Es gibt Ökonomen, die es für absurd halten, nicht von gewaltigen Mehrkosten auszugehen und daher meinen, dass wir unser Wirtschaftssystem grundsätzlich überdenken und alle Produktionen zurückfahren müssten. Ich bin optimistischer, weil ich überzeugt bin, dass ein Großteil der Kosten durch den technologischen Fortschritt aufgefangen wird: Weniger CO2 entsteht durch möglichst vollständige Verbrennung; Antriebseinheiten, die das können, brauchen nicht nur weniger Treibstoff, sondern erbringen außerdem noch höhere Leistungen – die Entwicklung der KFZ-Motoren führt das eindringlich vor. Hohe CO2-Steuern werden daher voran einen technologischen Schub bewirken, der uns auf allen Ebenen zugute kommt. Denn natürlich bedeuten weniger Abgase auch weniger Kranke und Tote.

Das zweite Standard-Instrument, den CO2 -Ausstoß zu reduzieren, ist die Ausgabe von Emissionszertifikaten an die großen Industriebetriebe, die die Tonne CO2 einmal mehr mit einem Preis belasten, der im Handel der Unternehmen untereinander ständig steigen sollte, so dass die Reduzierung dort beginnt, wo mit den geringsten Kosten der größte Erfolg erzielt werden kann. Leider wurde dieses grundsätzlich kluge System von der EU zwar eingeführt, aber lasch verwaltet: Lobbys erreichten, dass ständig zusätzliche Zertifikate bewilligt wurden. Damit blieb der Erfolg weit unter den Erwartungen.

Auch CO2 Steuern können aber nur Teil eines Maßnahmenkatalogs sein, der alle Lebensbereiche umfassen muss: Natürlich kann man den Individualverkehr nur reduzieren, wenn man ausreichend in den öffentlichen Verkehr investiert. Die Reduktion des Flugverkehrs setzt Hochgeschwindigkeitszüge voraus, auch wenn Flugzeugmotoren in absehbarer Zeit durch Batterie-elektrische Unterstützung weniger CO2 in die Luft blasen werden. Natürlich kann man Hausbrand weit besser reduzieren, wenn man die Häuser besser dämmt. Aber es gibt auch Dächer und Straßenbeläge, die weniger Wärme zurückstrahlen, und jede Grünfläche mit Bäumen nutzt nicht nur der Gesundheit, sondern auch der CO2-Bilanz. Ein ganz große Chance zur CO2- Vermeidung bietet die Digitalisierung: Wenn mehr Menschen zu Hause arbeiten und Besorgungen von dort erledigen, entfallen zahllose Kurzstreckenfahrten. Ähnlich gewaltig kann die Agrarpolitik den Klimawandel beeinflussen: Wenn sie die Aufzucht von Rindern weniger fördert, verringert sich der Methan -Ausstoß. Wobei ich einmal mehr zuversichtlich bin, dass verbesserte Technologie größere Einschränkungen überflüssig machen wird: Wir werden in absehbarer Zeit jede Menge schmackhaften künstlichen Rindfleisches züchten können.

Auch wenn das in Österreich ein ketzerischer Gedanke ist.

[1] Wer gar keine Steuer zahlt, profitiert vom verringerten Krankenkassenbeitrag und je fünf Prozent weniger Steuer bei den untersten Steuerstufen kommen einmal mehr Geringverdienern zu Gute.

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Haider: “Der Lingens ist total naiv, der is ma einegfoin”

Jörg Haider war immerhin widersprüchlich. Erfahrungen im Umgang mit dem ersten Star des Rechtspopulismus, 

Über Jörg Haider zu berichten ist zwiespältig. Kein Herausgeber hat mehr kritische Haider- Titelgeschichten in Auftrag gegeben, als ich im profil – aber ich fürchte, dass sie eher seinen Aufstieg befördert haben. Zwar schien es unerlässlich, seinen Aussagen entgegenzutreten – aber jedes Cover war ein Gratis-Wahlplakat. Es gelten die Gesetze des Show-Biz: Hauptsache, man ist im Gespräch.

Auch sein 10. Todestag geriet zur Feierstunde: Sein Bild ging durch alle Medien; Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer konnte unwidersprochen behaupten, er trage keine Schuld am Hypo-Desaster; H.C. Strache durfte sich als mit ihm versöhnter Vollender der großen Anliegen Haiders präsentieren.

Stefan Petzners Versuch, Haider “differenziert” zu sehen, blieb unterbelichtet.

Der Holocaust als “größtes Verbrechen der Geschichte”

Ich möchte meine wichtigste Erfahrung mit Haider an Hand eines Interviews wiedergeben. Es war von jüdischen Freunden Bruno Kreiskys initiiert worden, die ihn vom Geruch des Neo-Nazi befreien wollten. Tatsächlich reagierte er auf meine Frage nach den Verbrechen in “Auschwitz” zwar sofort wie alle Neonazis mit “Dresden” – aber er war bereit, diesen Vergleich als unzulässig anzusehen, nachdem ich eingewendet hatte, dass man einen Mann, der sich gegen einen Raubüberfall wehrt, indem er den Räuber k.o. schlägt, schwer mit dem Räuber gleichsetzen kann, auch wenn er Notwehrüberschreitung verantwortet; und dass Notwehrüberschreitung unmöglich “Massenmord” vergleichbar ist.

Unsere jeweils minutenlangen Diskussionen endeten damit, dass Haider den Holocaust “das größte Verbrechen der Geschichte” nannte und dem Interview damit zum Titel verhalf. Ähnlich lange Diskussionen führten dazu, dass er Desserteure, die sich Partisanen anschlossen, nicht mehr “Verräter” und den Kampf der Partisanen “verständlich” nannte.

Vor Norbert Burger sprach Haider ganz anders

Ich habe leider den Fehler gemacht, die ausgiebigen Diskussionen, die zu diesen Einsichten führten, nicht abzudrucken, weil das Interview dann das Heft gefüllt hätte – aber auch, weil ich Haider in diesen Diskussionen besser kennen gelernt zu haben glaubte und sein neues Image nicht schmälern wollte.

Sehr viel später erfuhr ich durch einen verrückten Zufall, wie Haider reagiert hat, als ihn der Neonazi Norbert Burger, in dessen Haus er wie seinerzeit H.C. Strache verkehrte, wegen dieses “Schand- Interviews” wütend zur Rede stellte. “Der Lingens ist total naiv, der is ma einegfoin, und politisch hat uns das unglaublich genützt”, hörte ihn jemand sagen, der dort damals auch verkehrte.

Diese Gefahr des naiven Hereinfallens besteht bis heute.

Nur dass Haider nicht nur in Petzners, sondern auch in meinen Augen eine höchst komplexe, widersprüchliche Persönlichkeit gewesen ist: Ich glaube, dass er seine Antworten, in dem Moment, in dem er sie mir gab, mit einem Teil seiner Persönlichkeit ernst gemeint hat. Er wollte auch von mir, dem Sohn von Widerstandkämpfern, geschätzt werden. Nur dass er sich in Burgers Umgebung von Burger geschätzt wissen wollte und dass er sich ungleich mehr in dessen als meiner Umgebung aufhielt.

Er war vielleicht lernfähig – und ich will niemandem diese Lernfähigkeit völlig abstreiten. Nur dass ich gelernt habe, diesbezüglich sehr viel vorsichtiger zu sein.

Nicht jede unerträgliche Aussage ist falsch

Ich habe Haiders Aussagen in der Folge nicht diskutiert, sondern so zitiert, wie sie fielen. Doch selbst das war schwierig. So war seine Aussage über “Hitlers ordentliche Beschäftigungspolitik” zwar insofern unmöglich, als er sie isoliert in den Raum stellte, aber sachlich war sie richtig und ich belegte das in der “Wochenpresse -Wirtschaftswoche” mit Zahlen: Der wirtschaftliche Aufschwung begann schon, bevor er nur mehr Hitlers Hochrüstung zur Grundlage hatte.

Dass Hitler tatsächlich Beschäftigung schuf, macht seine Verbrechen nicht geringer, erklärt aber besser, dass ihm die Bevölkerung so sehr hereinfiel. Deshalb reite ich bis heute so sehr auf den wirtschaftlichen Mit-Ursachen des aktuellen Populismus herum.

Bei der Beurteilung einer zweiten Haider-Äußerung handelte ich mir mehr noch als bei der “Beschäftigungspolitik” den wütenden Protest meiner linken Leser ein: Ich nannte es richtig, nicht “faschistoid”, dass er 1993 eine “Kontingentierung der Zuwanderung” forderte.

Haider hat immer wieder auch richtige Forderungen erhoben oder zu Recht Missstände – etwa die Korruption während der Alleinregierung Bruno Kreiskys- angeprangert. Dass die Justiz unter Christian Broda sie so gar nicht ahnden wollte, habe ich immer für eine wesentliche Ursache des Erstarkens der FPÖ gehalten. (Auch wenn ich auf Grund der Erfahrung meiner Eltern nie gezweifelt habe, dass die FPÖ diese Korruption zelebrieren würde, sobald sie selbst an der Macht ist.)

 Was also bleibt für mich von Haider:

  • Er hat Blößen, die sich ÖVP und SPÖ wie jede regierende Partei gelegentlich gaben, wie Hitler maximal genutzt, um “Parteipolitik” generell zu diffamieren.
  • Er hat die richtige Einsicht, dass Zuwanderung reguliert gehört, ausschließlich dazu genutzt, einen maximalen Gegensatz zwischen “uns” (guten, tüchtigen) Österreichern und (kriminellen, kostspieligen, das Sozialsystem ausnutzenden) “Ausländern” zu konstruieren und dabei auf Hitlers Rezept zurückgegriffen:”500.000 Arbeitslose -400.000 Juden”, plakatierte Hitler – “140.000Arbeitslose – 180.000 Gastarbeiter” plakatierte Haider .

Aber er war innerlich ungleich widersprüchlicher als etwa Herbert Kickl, oder Johann Gudenus – ein neurotischer, bis zuletzt Gespaltener, der sich deshalb auch politisch umbrachte.

Seine Nachfolger sind in sich ungleich stimmiger.

 

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Schwarz-Blau über alles

Der “runde Tisch” nach den drei Volksbegehren war aufschlussreich: Ihre “Parteienvereinbarung” ist ÖVP und FPÖ wichtiger, als 880.000 Wähler und viele tausende Tote.

Die wissenschaftliche Basis ist ausnahmsweise unumstritten. Es gibt keine der Volksgesundheit schädlichere Sucht als das Rauchen – die 13.000 vorzeitigen Toten pro Jahr sind die Unter- nicht die Obergrenze. Und es ist unbestritten, dass das totale Rauchverbot in allen Ländern, in denen es eingeführt wurde das Rauchen drastisch vermindert hat.

Aber was ist das für die ÖVP-Generalsekretär Karl Nahammer gemessen an der “Parteienvereinbarung” mit der FPÖ. Obwohl das Volksbegehren beiden Parteien die Chance gegeben hätte, diese Vereinbarung in diesem konkreten Punkt ohne größeren Gesichtsverlust zu revidieren indem, sie eine von allen Oppositionsparteien mitgetragene “Volksabstimmung” durchgeführt hätten.

Auch in dieser Hinsicht war der runde Tisch aufschlussreich – und zwar in Hinblick auf die FPÖ: Die wollte bekanntlich zwingende Volksabstimmungen ab 250.000 Unterschriften- was ich für wahnwitzig gehalten hätte. Auf Grund der berechtigten Einwände der ÖVP hat man sich mit ihr darauf geeinigt, eine solche zwingende Abstimmung in der demnächst eingebrachten Gesetzesvorlage erst ab 900.000 Unterschriften vorzusehen. Jetzt aber hält es FP-Generalsekretär Walter Rosenkranz für völlig ausgeschlossen, eine freiwillige Volksabstimmung durchzuführen, für die 880 000 Unterschriften vorliegen und die alle Oppositionsparteien mittrügen. “Nicht einmal eine Million Unterschriften” hätten daran etwas geändert, so stellte er klar.

Auch der Grund ist klar: Was das Volk wünscht ist der FPÖ dann völlig egal, wenn es ihren Vorstellungen widerspricht.

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“Ich bin nicht Christian Kern”

Pamela Rendi -Wagner hatte Montag in der ZIB2 die erste größere TV-Konfrontation nach ihrer Kür zur Vorsitzenden der SPÖ zu bestehen. Mein Urteil ist geteilt.

Armin Wolf fragte sie im Wesentlichen warum sie glaube, in dieser Funktion besser abzuschneiden als Christian Kern, obwohl sie wie er eine urbane, in der Partei nicht verankerte Quereinsteigerin ohne politische Erfahrung sei. Sie antwortete im Wesentlichen: “Ich bin nicht Christian Kern”, begründete das aber recht geschickt mit ihrem Beruf als Ärztin der erfordere, dass man auch zuhöre und auf Menschen zugehe.

Wie die ihr in der Ausstrahlung sehr ähnliche NEOS -Obfrau Beate Meinl -Reisinger sprach sie etwas zu schnell, aber durchaus selbstbewusst und bestimmt.

Premiere gelungen.

Freilich nur wenn man davon absieht, was sie inhaltlich an Neuem von sich gab. Im abschließenden Frage-Rap, in dem sie eigentlich nur mit Ja oder Nein antworten sollte, aber stets weit mehr Worte gebrauchte, bekannte sie sich wie erwartet zu “Gesamtschule” wollte aber auf keinen Fall “Ja” sagen, als sie gefragt wurde, ob sie für “Erbschafts- und Vermögenssteuern” eintrete – da ginge so erklärte sie, die Entlastung der Löhne vor.

Die einzig ökonomisch vernünftige Antwort, die wohl auch Christian Kern gegeben hätte, und zu der sie ausreichend Zeit hatte, hätte gelautet: “Ja, ich treten für Erbschafts- und vermögensbezogene Steuern ein, weil sie der einfachste Weg sind, Steuern auf Löhne im gleichen Ausmaß zu senken.”

Ihre Zurückhaltung hatte freilich einen Grund: Die ÖVP hat es fertig gebracht durch absurde Behauptungen – “Rentnerinnen, die ihr Leben lang gespart haben, könne ihr mühsam Erspartes nicht ungeschmälert an ihre Enkerln weitergeben” – auch bei den einfache Leuten Ressentiments gegen die Erbschaftssteuer zu schüren. (Während ihr Schatzmeister Andreas Treichl im Standard erklärt, warum es eine sinnvolle Steuer ist und dass Erben, keine “Leistung” darstellt.)

Es kann für die SPÖ nicht sinnvoll sein, auf blödsinnige ÖVP-Argumente Rücksicht zu nehmen – Rendi-Wagner muss vielmehr jede Fernsehsekunde dazu nutzen, die (in Österreich ökonomisch extrem ungebildete) Öffentlichkeit wirtschaftlich aufzuklären.

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Der Kulturkampf im Klassenzimmer

Es gibt alle von Susanne Wiesinger aufgezeigten Probleme. Ethik-Unterricht, Aufsicht über den Religionsunterricht, Ganztagsschulen und “Durchmischung” der Schüler könnten sie lindern.

Seit dreißig Jahren verlege ich im Hauptberuf das Jugendmagazin “TOPIC”, das mit 100.000 Abonnenten (140.000 Lesern) etwa die Hälfte aller Schüler zwischen 12 und 14 Jahren erreicht und ihnen u.a. politische Bildung vermitteln will. Da es durch “Buchklub” und “Jugendrotkreuz” an Schulen vertrieben wird, suche ich seit dreißig Jahren Schulen in allen Bundesländern auf und spreche mit Lehrern und Lehrerinnen – darunter meine Tochter und die Tochter meiner Frau- über ihre Probleme.

Ich maße mir also eine gewisse Kenntnis dieser Probleme und ein Urteil über Susanne Wiesingers Bestseller “Kulturkampf im Klassenzimmer” an: er findet genau so statt, wie sie ihn beschreibt. Es gibt die Schüler, die sich als islamische Sittenwächter aufspielen und Lehrinhalte aus religiösen Gründen ablehnen; es gibt die Väter, die meiner Tochter nicht die Hand geben, wenn sie sie aufsucht, weil sie ihre Töchter nicht zum Unterricht schicken; und es gibt die Kinder, die das Fasten des Ramadan hindert, dem Unterricht zu folgen.

Dass all das diesen Unterricht unendlich erschwert, liegt auf der Hand, obwohl er an Wiener Schulen, wo die Hälfte der Kinder zu Hause nicht deutsch spricht, sowieso schon schwer genug ist: LehrerInnen müssen Schulaufgaben in ein und der selben Klasse in drei Schwierigkeitsgraden geben und korrigieren – für die, die fast nichts, für die, die einiges und für die, die fast alles verstehen. Auch wenn Österreichs Lehrer im internationalen Vergleich gut bezahlt sind, wird die Bezahlung dieser besonderen Anstrengung und Anspannung kaum gerecht. Es braucht dringend mehr Lehrkräfte – voran solche, die neben Deutsch auch die Sprachen der Herkunftsländer sprechen.

In der letzten ORF Diskussion “Im Zentrum” versuchte Susanne Wiesinger unterstützt von Moderatorin Claudia Reiterer, konkrete Maßnahmen zu diskutieren, die die aufgezeigten Probleme lindern könnten und dabei auf parteipolitisches Hickhack zu verzichten. Bei FPÖ -Klubobmann Johann Gudenus war das leider ebenso unmöglich, wie bei SP-Bundesgeschäftsführer Max Lercher. Gudenus sprach fast nur vom endlich beendeten rot-grünen Versagen. Dass Landwirtschaft und Industrie, wo zu allen Zeiten “Schwarze” dominierten, hauptverantwortlich für die Zuwanderung billiger, ungebildeter Erntehelfer und Hilfsarbeiter waren, ist ihm entgangen. Dass “Daham statt Islam” die Integration islamischer Schüler kaum fördert, ist ihm fremd. Lercher vergeudete die Zeit mit nutzloser Gegenwehr und der falschen Behauptung, die SPÖ mache fast alles richtig.

Ich diskutiere hier also die konkreten Anregungen Wiesingers bzw. Reiterers, auf die leider fast nur die restlichen Teilnehmer, die Journalistin Melisa Erkurt, der Imam und Fortbildungsleiter für islamische Religionslehrer Ramazan Demir und Wiesinger selbst eingingen.

  • Wiesinger, Erkurt und Lercher waren einig, dass verpflichtender Ethik-Unterricht ein großer Fortschritt wäre. Ich füge an: er erlaubte es, die nahe Verwandtschaft von Islam und Christentum zu sehen und beider Anspruch auf den Alleinbesitz der “Wahrheit” zu relativieren. Die “Aufklärung” erhielte endlich eine Chance, auch als “Grundwert” begriffen zu werden.
  • Demir bestand erwartungsgemäß (wie zu allen Zeiten die ÖVP) darauf, dass es auch den bisherigen Religionsunterricht geben müsse, und aus seinen Wortmeldungen war ablesbar, dass er Zwangsehen ablehnt und Frauen die Hand gibt. Ohne öffentlichen Islam-Unterricht fände der m.E. weit fundamentalistischer in Hinterzimmern statt.
  • Wiesinger und Gudenus befürworteten in der Schule ein Verbot des Kopftuches weil es die Unterdrückung der Frau symbolisiere. Demir war nicht in der Lage, das so zu sehen. Erkurt sehr wohl- nur bezweifelte sie den Sinn eines Verbotes: Sobald ein Mädchen die Schule verließe, würden ihre Brüder es als Sittenwächter zwingen, das Kopftuch wieder anzulegen. Ich neige eher dem Verbot zu, weil ich glaube, dass die Mädchen die Kopftuch-freie Zeit genössen und verteidigten. Lehrer könnten (sollten) ein Auge darauf haben, was Brüder ihren Schwestern beim Verlassen der Schule aufzwingen und es mit ihnen diskutieren.
  • Ganztagsschulen für alle, wie Wiesinger und Lercher sie forcieren wollen, während Gudenus auf Wahlfreiheit besteht, wären m.E. ein entscheidender Fortschritt: Die Zeit ohne Kopftuch und mit Deutsch als Unterrichtsprache verlängerte sich; das Mittagessen in der Schule linderte das Ramadan-Fasten-Problem. Kinder, so erklärte Demir, seien nicht zum Fasten gezwungen.
  • Wiesinger konnte sich vorstellen, dass man Familien, die ihre Kinder mehrfach nicht zum Unterricht schicken Beihilfen kürzt. Erkurt bezweifelte den Sinn einer finanziellen Strafe für sowieso arme Familien. Ich verweise auf Erfahrungen in Holland: Dort wurden, wenn Geldstrafen nicht eingetrieben werden konnten, drei, vier Mal Ersatz-Freiheitsstrafen verhängt – mit dem Erfolg, dass das fast nie mehr geschehen musste, weil es sich blitzartig herumsprach und die Fernbleibe-Rate drastisch zurückging.
  • Wiesinger versuchte vergebens, ihre Forderung nach “Durchmischung” zur Diskussion zu stellen. Ich verweise darauf, dass “Bussing” – der organisierte Transport von Schülern quer durch die Stadt um Weiße und Schwarze in Klassenzimmern besser zu durchmischen – in den USA ein ebenso umstrittener wie wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Beseitigung der Apartheit war. Jedenfalls halte ich es für unmöglich, Deutsch in Klassen zu erlernen, in denen, wie in manchen Klassen meiner Töchter, nur zwei Kinder Deutsch beherrschen.
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Nur Armin Wolf ist Sebastian Kurz gewachsen

Es ist leider so: Armin Wolf ist unter den männlichen Interviewern des ORF der einzige, der redegewandte Politiker herausfordern kann. Hans Bürger ist höflich, sympathisch, weiß viel – aber  er vermag nicht zu konfrontieren.  Noch weniger vermag das Nadja Bernhard unter den potentiellen weiblichen Interviewerinnen.

Deshalb war das Sommergespräch mit Sebastian Kurz eine herbe Enttäuschung: Kurz durfte dozieren und tat das erwartungsgemäß blendend. Kaum etwas – außer seiner klaren Stellungnahme für ein EU-Verfahren gegen Orbans Ungarn – war neu und bemerkenswert.

Die Peinlichkeit zeitraubender Karikaturen

Der ORF muss meines Erachtens das gesamte Format überdenken:

  • Eine Stunde ist zu wenig, um auf eine Vielzahl von Fragen einigermaßen ernsthaft einzugehen. Wer sich überhaupt für ein “Gespräch” interessiert, ist auch bereit, anderthalb bis zwei Stunden zuzuhören.
  • Völlig widersinnig ist es, innerhalb von nur einer Stunde Interviews mit Passanten einzublenden, die unmöglich repräsentativ sein können. Und peinlich, Zeit für die so ziemlich schlechtesten Karikaturen zu verschwenden, die mir hierzulande untergekommen sind.

Unterlassene Fragen zur Religion

Die konkreten einleitenden Fragen über Kurz` religiöses Verhalten waren zwar  nicht uninteressant, haben aber einmal mehr zu viel Platz eingenommen. Ich habe mit Freude erfahren, dass er sich an das Urteil des Verfassungsgerichthofes hält, die Beziehung Homosexueller der Heterosexueller gleichzustellen, und dass er Religion ansonsten-zu Recht – als Privatsache ansieht. Was an ihr vielleicht nicht nur privat ist, wurde er leider nicht gefragt:

  • Warum gibt es weiterhin keinen Ethik-Unterricht an den Schulen? Obwohl der die Chance böte, die Verwandtschaft des Islam zum Christentum aufzuzeigen und beider Anspruch auf den Alleinbesitz der Wahrheit zu relativieren. Obwohl dringend auch die Aufklärung besprochen werden könnte und müsste.
  • Warum gibt es unverändert erhebliche Subventionen für katholische Privatschulen, während andere Privatschulen ähnlicher Qualität solche Subventionen nicht erhalten.
  • Wie stehen Sie zum katholischen Verbot der Empfängnisverhütung, obwohl Sie die hohe Geburtenrate in (afrikanischen) Entwicklungsländern zu Recht als eines von deren größten Problemen erachten?

Unterlassene Fragen zur Wirtschaft

Weitestgehend unterlassen wurde eine Konfrontation in Fragen der Wirtschaftspolitik.

Kurz durfte durch die gesamte Sendung so tun, als seien die aktuellen guten Wirtschaftsdaten ein Erfolg der zehn Monate, die er bisher regiert hat, statt dass wenigstens einmal darauf hingewiesen worden wäre, dass sie zwingend voran auf der Leistung seiner Vorgänger-Regierung beruhen, von der er behauptet, dass sie völlig unfähig gewesen sei.

  • Die 60 Stunden Woche, die Arbeitgeber nunmehr auch ohne Zustimmung der Gewerkschaft anordnen können, durfte Kurz einmal mehr damit begründen, dass Arbeitnehmer ja nur das Recht bekommen hätten, länger zu arbeiten und mehr zu verdienen, wenn sie das wollten.
  • Statt Kurz zu fragen “Glauben Sie wirklich, dass eine Angestellte ihrem Chef widerspricht, wenn er sagt: In den kommenden zwei Wochen müssen wir 60 Stunden arbeiten, denn wir müssen den Auftrag X erledigen?”  konfrontierte Hans Bürger ihn mit der eleganten Formulierung eines deutschen Philosophen, der leise Zweifel an dieser Art der Freiwilligkeit anmeldet. Nur dass man diese Formulierung zwei Mal hören muss, um sie zu verstehen, während man sofort versteht, wenn Kurz sagt: “Viele Arbeitnehmer wollen ja die vier Tage Woche” – können sie freilich keineswegs fordern, was zu entgegnen unterblieb.
  • Natürlich durfte Kurz auch von Lögers Steuerreform schwärmen, ohne dass eingewendet worden wäre, dass sie denen am wenigsten gebracht hat, die am wenigsten verdienen und dass sie auf den ökologischen Lenkungseffekt einer CO2-Steuer verzichtet hat.

Unterlassene Fragen zur Migration

Den größten Raum des Gesprächs nahm erwartungsgemäß die “Migration” ein.  Kurz erkämpfte – zu Recht-  die Möglichkeit, seine Haltung zum “Mittelmeer” zusammenhängend zu begründen.

Ich habe hier schon einmal festgehalten, dass er meines Erachtens schlichtweg recht hat, wenn er behauptet, dass  Afrikaner solange nach Libyen aufbrechen, dort in unerträglichen Schlepper-Lagern vegetieren, in Schlauchboote steigen, kentern und ertrinken werden, als sie annehmen, dass dies die Chance bietet, gerettet in die EU zu gelangen.

Schiffbrüchige nicht in die EU sondern nach Afrika zurückzubringen, klingt (und ist) für die konkret Betroffenen zwar grausam, stellt aber die einzige Chance dar, zu erreichen, dass sie gar nicht erst aufbrechen, gar nicht erst in die libyschen Schlepper-Lager gelangen, gar nicht erst in die Schlauchboote steigen und also auch nicht ertrinken.

Zu Recht stellt Kurz der von ihm (und mittlerweile allen EU-Mitgliedern) geforderten Schließung der Mittelmeer-Route immer wieder ein Modell gegenüber, das legale Zuwanderung ermöglicht und vor allem auf Hilfe vor Ort setzt.

Innerhalb seines eigenen Models hätte man ihn freilich mit folgenden Fragen konfrontieren müssen:

  • “Wenn Sie Hilfe vor Ort zu Recht für so wichtig halten – warum hat Ihre Regierung Österreichs Entwicklungshilfe-Budget, das sowieso schon immer zu den niedrigsten vergleichbarer Volkswirtschaften zählte, noch einmal gekürzt?
  • “Warum beginnen Sie nicht damit, die Voraussetzungen für legale Zuwanderung nach Österreich zu schaffen? Warum gibt es kein Einwanderungsgesetz?
  • Warum erteilen Sie österreichischen Botschaften nicht die Vollmacht, in einer bestimmten Zahl konkreter Asyl-reifer Fälle entsprechende Visa auszustellen? Natürlich gehört diese Materie letztlich EU-weit geregelt- aber Sie könnten ein erstes Zeichen setzen, um zu zeigen, dass Sie es ernst meinen.”

Unterlassene Fragen zu “Einzelfällen”

Natürlich wäre Kurz nicht nur zu BVT-Affäre sondern zur Gesamt-Anmutung seines aktuellen Koalitionspartners, der Strache- FPÖ zu befragen gewesen.

  • “Wird die ÖVP den stellvertretenden FP- Vorsitzenden Johann Gudenus unterstützen, nach Neuwahlen in Wien das Amt des Bürgermeisters zu übernehmen, nachdem er einen jugendlichen Asylwerber ungeprüft zu Unrecht der Sympathie für Terrororganisationen  bezichtigt und Tage für eine Entschuldigung gebraucht hat? “
  • Für Ihre Landeshauptfrau Mikl- Leitner war Udo Landbauer als Regierungs-Partner untragbar, nachdem außer Zweifel stand, dass im Liederbuch einer Burschenschaft deren Vize-Obmann er ist, die Ermordung eine weiteren Million Juden gefordert wurde.
  • Ist er für Sie und die ÖVP jetzt als Partner tragbar, weil die Staatanwaltschaft Wiener Neustadt keinen Täter ermitteln konnte, ein diesbezügliches Verfahren gegen Landbauer eingestellt hat und der Liedtext geschwärzt ist?”
  • Wie verträgt es sich mit ihrem Rechts-und Demokratieverständnis, dass eine winzige Bevölkerungsgruppe mit durchwegs vom Verfassungsschutz überwachter Einstellung zur “Vergangenheit” – die Burschenschaften- einen großen Teil  der Minister ihrer Regierung stellt und fast nur Burschenafter als Mitarbeiter engagiert hat?
  • Halten Sie Burschenschaften daher für Organisationen, die dank ihrer Geschichte und ihrer Statuten besonders geeignet sind, Menschen heranzubilden, die Österreich regieren sollen? Denn nur dank Ihrer Entscheidung sind sie in diese Lage gekommen.

 

 

 

 

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Im Schatten des BVT-Skandals: Der Wunsch nach dem starken Mann

Ist Österreich heute eine gefestigte Demokratie? Wie verführbar sind die Österreicher heute? Die Fragen, die Tarek Leitner im Schatten des BVT Skandals  im Zentrum stellte, hätten spannender nicht sein können – leider bot die Diskussion erstaunlich wenig Antworten darauf. 

Substantiell waren eigentlich nur die vom Historiker Oliver Rathkolb vorgestellten Daten einer Umfrage, wonach die Zustimmung zur Demokratie als bester Regierungsform in den letzten zehn Jahren um 10 Prozent zurück gegangen ist und wonach sich vor allem 23 Prozent der Österreicher eine Führungspersönlichkeit wünscht, die “ohne Rücksicht auf Parlament und Wahlen” regiert.

Es sollte eigentlich erschüttern, dass das mit Ergebnissen der gleichen Umfrage in Ungarn und Polen übereinstimmt, aber Rathkolb erhielt bzw. nahm sich nicht die Gelegenheit, diese Umfragen breiter auszuführen.

Der Jude, der sich nicht fürchten wollte

Am meisten redete der sympathische Maler und Liedermacher Arik Brauer, der sich weigerte in dieser Runde die Rolle des Quotenjuden zu spielen: Er wollte sich nicht davor fürchten, dass bei Burschenschaften Liederbücher auftauchte, in denen die Vergasung der siebenten Million Juden gefordert wird.

Davor fürchte ich mich auch nicht. Wohl aber vor dem Umstand, dass Mitglieder der Burschenschaften, in denen solche Liederbücher verlegt wurden mehrere Minister samt deren wichtigsten Mitarbeitern stellen. Das aber wurde vermutlich aus Rücksicht auf die FPÖ nicht angesprochen. Es hat zwar tatsächlich nichts mit der Verführbarkeit der Österreicher zu tun, wohl aber mit der Durchdringung entscheidender Führungsgremien durch Mitglieder einer kleinen, wohlorganisierten, wenig geheuren Gruppe, wie es das schon einmal gegeben hat.

Mauthausen allein nützt nicht

Die sympathische Organisatorin des Museums Mauthausen Barbara Glück, machte allenfalls klar, wie wenig ihre verdienstvollen und auch durchdachten Aktivitäten an der angesprochenen “Verführbarkeit” zu ändern vermögen, solange nicht schon an den Schulen mit der Erziehung zu kritischem Denken und demokratischem Verständnis begonnen wird. Dass es dazu, wie Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka und eindringlich meinte, ständigen Bemühens bedarf, ist leider zwar anständig aber trotzdem nur ein Gemeinplatz.

Die verdrängten sozialen Probleme

Einzig Altbundepräsident Heinz Fischer versuchte ein paar Mal ohne großen Widerhall auf das zweite messbare und relevante Phänomen der aktuellen Entwicklung in Österreich und Europa hinzuweisen: Dass sie in engem Zusammenhang mit den sozialen Problemen steht, die auch die EU nicht zu lösen im Stande ist.

Ich versuche in diesem Blog seit Jahren, sie zumindest detaillierter aufzuzeigen: Man schaut teilnahmslos dabei zu, wie Arm und Reich immer weiter auseinander streben und ein immer größerer Prozentsatz der Bevölkerung sich “abgehängt” fühlt, auch wenn das auf einem gegenüber Afrika vergleichsweise hohem wirtschaftlichen Niveau geschieht.

in Österreich und Europa hinzuweisen: Dass sie in engem Zusammenhang mit den sozialen Problemen steht, die auch die EU nicht zu lösen im Stande ist.

Ich versuche in diesem Blog seit Jahren, sie zumindest detaillierter aufzuzeigen: Man schaut teilnahmslos dabei zu, wie Arm und Reich immer weiter auseinanderstreben und ein immer größerer Prozentsatz der Bevölkerung sich “abgehängt” fühlt, auch wenn das auf einem gegenüber Afrika vergleichsweise hohem wirtschaftlichen Niveau geschieht.

PS: Putsch im Geheimdienst?: Die Diskussion fand im Schatten des BVT-Skandals statt.

Nach Armin Wolfs Feststellungen in der ZIB 2 zeichnet sich folgende Vorgangsweise ab:

Peter Goldberger, FP nominierter “Generalsekretär” im Innenministerium bezieht sich bei seinem Vorgehen gegen BVT Chef Peter Gridling auf ein seit langem in Wien herumschwirrendes Paket von Vorwürfen eines offenkundig ehemaligen BVT -Mitarbeiters, das neben unbestimmten Verdächtigungen wegen Korruption als zentralen Vorwurf gegen den BVT folgende angebliche Vorgänge enthält

  1. Südkoreas Geheimdienst wären mehrere Rohlinge nordkoreanischer Pässe überlassen worden
  2. Die Daten zum Fall eines Anwalts, der der Spionage zu Gunsten Kasachstans verdächtigt wurde, seien nicht gelöscht worden, obwohl das diesbezügliche Verfahren gegen ihn eingestellt ist.

Beides wäre, wenn es so stattgefunden hat, ein für einen Geheimdienst ziemlich selbstverständliches Verhalten. Nämlich die Unterstützung des südkoreanischen Geheimdienstes gegen die derzeit wohl düsterste Diktatur der Welt in Nordkorea für die man Gegenleistungen im Interesse Österreichs erwarten darf. Und die nicht so rasche Löschung von Daten, von denen man für möglich hält, dass sie doch noch einmal Relevanz erlangen könnten.

Im konkreten Fall reichten diese über ein Jahr zurückliegenden Ereignisse einem Mitglied der Staatsanwaltschaft auf Grund der Behauptung anonymer Zeugen, dass sie sich mit dem Leben bedroht fühlen beim Journalrichter eine Hausdurchsuchung beim BVT durchzusetzen, die nicht vielleicht von der Polizeieinheit zu Bekämpfung von Korruption sondern von der EGS, Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität unter der Leitung eines FP-Politikers durchgeführt wurde. Dabei wurde eine Festplatte einer BVT-Mitarbeiterin, die mit Erhebungen zum “Extremismus”, u.a. im Falle einer Neonazi-Verdächtigen betraut war, sichergestellt. Weiters laut Protokoll zwei Mobiltelefone, ein Stand-PC, drei USB-Sticks, acht Floppy-Discs, fast 400 Seiten Schriftverkehr sowie Hunderte CDs und DVDs, obwohl kein Zusammenhang mit der Passaffäre oder Datenlöschaffäre gegeben scheint.

Vor allem aber sahen sich Peter Goldberger und Innenminister Kickl in der konkreten Situation nicht in der Lage, den bisherigen VP-nahen Leiter des BVT, Peter Gridling für weitere fünf Jahre zu bestellen, obwohl der Bundespräsident dessen Bestellung schon abgezeichnet hatte. Statt seiner müsste wohl jemand andere gefunden werden, dem FP-Kickl und FP-Goldberger mehr Vertrauen entgegenbrächten.

Der Verdacht einer geschickt inszenierten Umfärbung und Informationsbeschaffung in aktuellen Zusammenhängen des BVT wurde von der FPÖ empört zurückgewiesen.

PPS: Die Stadtzeitung “Falter” wird sich diesem Thema in der kommenden Ausgabe am Mittwoch ausgiebig widmen.

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Strache nicht mehr für “Abschaffung der Zwangsgebühren”

Nach meinem vorherigen Beitrag “Der Kampf um den ORF” hat H.C. Strache in einen Interview eingelenkt. Entweder, weil er nach der sich abzeichnenden Ohrfeige anlässlich des Rauchervolksbegehrens lieber nicht riskieren will, dass die Österreicher jetzt auch bei einer Abstimmung über den ORF gegen die FPÖ für diesen ORF und seine gesicherte Finanzierung eintreten, oder weil er klüger geworden ist. Jedenfalls fordert er nicht mehr die Abschaffung der ORF-“Zwangsgebühren” des ORF sondern will ganz im Gegenteil sogar dessen Finanzierung aus Steuermitteln in gleicher Gesamthöhe sichern.

Das hat etwas für sich, vor allem wenn dieser Steuermittel inflationsgesichert sind, so dass der ORF der Politik nicht jedes Mal eine Personalrochade oder dergleichen anbieten muss, um eine Gebührenerhöhung bewilligt zu bekommen, die ihm weiterhin kostendeckendes Arbeiten ermöglicht.

Die Steuerfinanzierung bestätigte sozusagen die von mir angesprochen Parallele zu Universitäten.

Gegen Steuermittel spricht allenfalls, dass der ORF einen geringeren Duck der Zuseher und Zuhörer empfindet, wenn er sich gegenüber dem Staat, statt gegenüber ihnen als “Gebührenzahler” verantworten muss.

Aber prinzipiell scheint mir die Steuerfinanzierung eher vorteilhaft – immer vorausgesetzt, dass das höchste ORF-Gremium nicht von der jeweiligen Regierungspartei vereinnahmt werden kann.

 

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Der Kampf um den ORF

Der Volksentscheid der Schweizer hat H.C. Strache in seinem Bemühen, den ORF im Wege der nächsten „Reform“ auszuhungern, zurückgeworfen. Wie lange?

Die Schweizer, ein Volk, das dem Staat nur das absolute Minimum an Aufgaben überlässt, haben sich mit 72 Prozent für die Beibehaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Gebühren-Finanzierung ausgesprochen.

Die SVP des Populisten Christoph Blocher, die gehofft hatte, die SRG auf diesem Umweg auszuhungern, nachdem sie die Sendeanstalt zuerst nicht für sich erobern und danach nicht killen konnte, ist vorerst gescheitert.

Es ist verständlich, dass der ORF diese Nachricht zum Anlass einer Diskussion „Im Zentrum“ genommen hat, nachdem Heinz Christian Strache am Aschermittwoch die Abschaffung der „Zwangsgebühren“ gefordert und den Nachrichten Anchorman Armin Wolf der Lüge geziehen hatte.

Die niedrigste Gebühr im deutschen Sprachraum

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz profitierte bei dieser Diskussion von zwei unbestreitbaren Tatbeständen:

  • Die ORF -Gebühr ist mit 17,21 EUR halb so hoch wie die der SRG, aber auch niedriger als die von NDR und ZDF obwohl sich dort aus der Multiplikation mit der Zahl der Haushalte eine ungleich höhere Gesamtsumme ergibt. Dass es nach außen nicht ganz so aussieht, weil je nach Bundesland bis zu 25 EUR eingehoben werden, liegt an einer absurden Regelung: die Differenz kommt nicht dem ORF, sondern dem jeweiligen Bundesland zu Gute.
  • Die Fernsehprogramme des ORF behaupten ihren Marktanteil bei Österreichs Zuschauern sowohl gegen ARD und ZDF, wie gegen die privaten Anstalten RTL, Pro7, oder Servus TV. Das ist schwer anders zu erklären, als dass ihr Publikum die Österreich-spezifische Information – von der ZIB über Eco bis zum Report – und die Österreich -spezifische Unterhaltung – von den Vorstadtweibern über Soko Kitzbühel bis zu Liebes und Heiratssachen – jedenfalls so weit goutiert, dass es ORF1 wie ORF2 ein ausreichendes Maß an treuen Zuschauern gewährt.

Die Deutschen staunen nicht mehr wie in Bachers ersten Jahren

Der Einwand von Michael Fleischhacker (ServusTV), dass der ORF seine starke Stellung nur seinem langjährigen Monopol und eben den Gebühren verdanke, geht daher ins Leere, denn ARD und ZDF beziehen (höhere) Gebühren und RTL oder Pro7 dürfen mehr durch Werbung einnehmen und sind daher finanziell nicht minder stark. Und sie alle strahlen mittlerweile seit Jahren mit Österreich-Fenstern nach Österreich aus.

Ich füge als persönliche Meinung hinzu:

  • ORF III bespielt seine Nische trotz lächerlichen Budgets mit großem Anstand.
  • ORF-Sport konkurriert erfolgreich mit Eurosport
  • Das Hörfunkprogramm Ö1 ist von sensationeller Qualität und Ö3, das Musik mit erstklassigen Nachrichten mixt, behält seinen Reichweiten-Vorsprung vor allen privaten Radiosendern, obwohl deren Betrieb keinen großen finanziellen Aufwand erfordert. Es ist vor der Kronenzeitung Österreichs größtes Massenmedium.
  • Durch Co-Finanzierung hat der ORF Anteil am sensationelle Erfolg des österreichischen Film

Nicht dass ich alles am ORF hervorragend fände – seine vielen Billig-Zukäufe aus den USA gehen mir samt eigener und deutscher Sokos rasend auf die Nerven- nur dass sich die überall finden und man schwer sagen kann, dass der ORF derzeit schlecht oder schlechter als früher sei (allenfalls lässt er die Deutschen nicht mehr, wie in den ersten Jahren Gerd Bachers, staunen.)

Die FPÖ wird in Wahrheit geschont

Es ist denn auch nur die FPÖ, die ihn seit jeher wütend als „Regierungs-“ und jetzt „Rotfunk“ diffamiert und sich, wie immer und überall, benachteiligt sieht.

In Wirklichkeit wird sie gerade jetzt vom ORF eher geschont. An zwei Beispielen:

  • In allen internationalen privaten wie öffentlich-rechtlichen Sendern wird die FPÖ selbstverständlich „rechtsextrem“ oder „rechtsradikal“ genannt – der ORF vermeidet diese Bewertung.
  • Die aktuelle Verzahnung der FPÖ mit rechtsextremen Burschenschaften ließe sich ungleich ausführlicher dokumentieren, als dies geschieht, ohne damit Gebote journalistischer Sorgfalt und Objektivität zu verletzen.

Demgegenüber war etwa die ständige Frage der ZIB an Christian Kern, wie lange seine Koalition noch hielte, viel problematischer, weil sie dank täglicher Wiederholung einer „self-fulfilling prophecy“ nahe rückte. (Trotzdem hätte wohl jeder unabhängige Journalist mit Ausnahme eines Schweizers sie täglich gestellt.)

Blümel hält an ORF-Gebühren fest

Es war daher erholsam, im Zentrum zu erfahren, dass der zuständige türkise Minister Gernot Blümel den ORF nicht wie Strache sieht, sondern sich klar zur öffentlich – rechtlichen Anstalt wie zur Gebührenfinanzierung bekennt. Und es war erfreulich bis erstaunlich, dass das auch Corinna Drumm als Vertreterin des Verbandes österreichischer Privatsender tat, weil auch sie darin eine demokratiepolitische Notwendigkeit sieht.

Ich möchte diese Notwendigkeit an Hand der Besonderheit des öffentlich rechtlichen Rundfunks hier noch einmal begründen.

Die gegenüber den „Privaten“ meist höhere Qualität der „Information“ (Nachrichten + Dokumentationen), die er, weil er nicht gewinnorientiert arbeiten muss, auch viel stärker wahrnimmt, hat mit den Gesetzen zu tun, in die „öffentlich-rechtliche“ Anstalten eingebettet sind: Sie sind an den journalistischen Standard der „Objektivität“ nicht nur nach Gutdünken des jeweiligen Chefredakteurs, sondern durch eine entsprechende, einklagbare gesetzliche Bestimmung gebunden. Wenn der ORF, so selten dergleichen vorkommt, den Einspruch des Tiroler FP-Kandidaten gegen die antisemitischen Auslassungen eines Wählers nicht berücksichtigt, dann muss er sich entschuldigen (bzw. könnte die FPÖ diese Entschuldigung beim ORF selbst einklagen.)

Wenn der ORF häufig medienrechtliche Verurteilungen wegen übler Nachrede oder Fehlinformation hinnehmen müsste, dann verstieße das gegen seinen gesetzlichen Auftrag und wieder wären die Konsequenzen einklagbar.

Warum muss der ORF auch unterhalten?

 Corinna Drumm hat die naheliegende Forderung erhoben, der ORF möge sich zwar auf seine, von ihr voll akzeptierte öffentliche Aufgabe konzentrieren, aber die Privaten nicht auch noch auf dem Sektor der Unterhaltung konkurrenzieren.

Das klingt sehr logisch, ist aber unvereinbar mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag mit seiner „Information“ auch die breite Bevölkerung des Landes zu erreichen. Ein ORF-Fernsehen, das keine Formel 1 , keine Dancing Stars oder Vorstadtweiber anböte, würde zu selten aufgedreht, um die ZIB oder den Report an den Zuschauer zu bringen.

Wie es um eine Bevölkerung beschaffen ist, die, wie in den USA, mehrheitlich private Unterhaltungssender konsumiert, kann man am Wahlsieg Donald Trumps ermessen.

Es muss umgekehrt funktionieren: Der Staat soll „Privaten“ zu guten Projekten Zuschüsse bezahlen, wie das zum Teil schon jetzt geschieht. Sehr vernünftig scheint mir auch die Anregung Blümels, dass der ORF doch öfter auch mit Privaten kooperieren sollte, um seine und ihre Kosten zu vermindern: Natürlich kann man z.B. vereinbaren, dass sie auf sein Archiv Zugriff haben.

Information ist keine Ware wie alle anderen

Michael Fleischacker war der einzige in der Runde, der immer wieder grundsätzlich widersprochen hat. Er beharrte darauf, dass private Sender doch völlig ausreichten, um Information- wie jede andere Ware in unserem Wirtschaftsleben – erfolgreich zu verkaufen.

Ich bestreite das.

Seriöse, nach bestem Wissen und Gewissen gemäß hohen gesetzlichen Standards ermittelte Information ist keine Ware wie jede andere. Sondern es ist eine, deren Qualität der Staat wie die Qualität von Medikamenten, sicherzustellen hat, weil sie zu den wertvollsten Gütern jeder freien Gesellschaft zählt.

Dazu zählt einerseits die „Pressefreiheit“ (Medienfreiheit), die es jedenfalls jedem erlaubt, einen Rundfunksender zu gründen. (Es wäre schlimm, wenn es keine privaten Sender gäbe). Aber dazu zählt anderseits die Verpflichtung des Staates, hochwertige Information sicherzustellen. So wie es notwendig ist, dass es trotz privater Schulen und privater Universitäten ein öffentliches Schul- und Universitätswesen gibt, ist es notwendig, dass es zumindest eine funktionierende öffentlich-rechtliche Rundfunk-Anstalt gibt, in der Gesetze sicherstellen, dass sie Information höchster Qualität nicht nur ohne Rücksicht auf Gewinn herstellt, sondern der Bevölkerung auch in ausreichendem Umfang vermittelt.

Der wichtige „kleine Unterschied“

Die Öffentlich-rechtlichen müssen „Information“ anbieten – die „Privaten“ können es, wenn sie es für lukrativer als Unterhaltung ansehen. Die Öffentlich -Rechtlichen müssen gewisse Standards einhalten – die „Privaten können sich ihnen unterwerfen, wenn sie es für sinnvoll erachten. Ich will gar nicht bestreiten, dass manche von ihnen das durchaus tun, und ich möchte, wie gesagt, auf keinen Fall auf private Sender verzichten. Aber nur solange ihnen eine große Öffentlich-rechtliche Anstalt gegenübersteht.

Nur auf einem sehr, sehr großen Markt wie den USA kann man hoffen, dass sich ein privater Fernseh-Sender wie CNN findet, der wirtschaftlich funktioniert, indem er sich auf qualifizierte Informationen spezialisiert – auf einem kleinen Markt wie dem österreichischen wäre das blanker Zufall und wirtschaftlich extrem schwierig.

Aber selbst in den USA hinge ich lieber von einer staatlichen Institution als von einem privaten Milliardär ab. Denn der könnte auch auf die Idee kommen, plötzlich Donald Trump via CNN zu unterstützen.

Wie verhindert man die Orbanisierung des ORF ?

In Ungarn ist Viktor Orban auf die Idee gekommen, einen öffentlich- rechtlichen Rundfunk zu wollen, der nur mehr ihn unterstützt. Das ist ihm dank seiner politischen Übermacht auch gelungen. Daher bleibt es die einzige echte Schwäche des ORF, dass man ihn mittels politischer Übermacht unter Umständen ähnlich vereinnahmen könnte.

Politiker, die die Wichtigkeit unabhängiger seriöser Information für eine freie Gesellschaft begreifen, organisierten den ORF daher von sich aus so, dass sein oberstes Gremium, derzeit der Stiftungsrat, niemals von einer bestimmten Partei vereinnahmt werden kann.

  • Statt den Vertretern der Regierungsparteien ein massives Übergewicht zu verschaffen, ordneten sie jeder Parlamentspartei zumindest einen Stiftungsrat zu.
  • Statt diesen Parteivertretern Stiftungsräte gegenüberzustellen, deren politische Richtung erst wieder klar ist, legten sie auf eine klare Mehrheit unabhängiger Stiftungsräte wert. Indem man z.B. die Rektoren aller Universitäten, die Intendanten aller Landetheater, der Burg und der Josefstadt dazu ernennt. (Nicht, dass die völlig unpolitisch zustande kommen, aber Regieerfolge sind für sie doch bedeutend wichtiger als die Parteinähe.)
  • Und indem man vor allem neben den Betriebsräten mehrere Vertreter der hauptbetroffenen Info-Redaktionen zu Stiftungsräten ernennt. Dazu sollten auf Antrag der Redaktion ein paar anerkannt unabhängige Persönlichkeiten wie etwa Hugo Portisch, Gerhard Roth, Paul Lissmann oder Peter Filzmaier zu „Ehren-Stiftungsräten“ auf Lebzeiten ernannt werden können – mit dem Recht, ihre Funktion wie den Ifflandring an einen von ihnen als würdig Erachteten weiterzugeben.

Man kann seriöse, unabhängige Information sicherstellen – wenn man nur wirklich will. (Statt zu hoffen, dass man bei der nächsten Reform zumindest eine ausreichende Mehrheit für die Bestellung des Generaldirektors besitzt.)

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Hartz IV steht noch nicht vor der Tür

Sozial- und nun auch Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein hat bei ihrem ersten Auftritt in der ZIB 2  den erwartet kompetenten Eindruck hinterlassen. (Man wird nicht Vorstand für Health Care Consulting bei der Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte, wenn man davon nicht wirklich etwas versteht.)

Das ist insofern von besonderer Bedeutung, als sich nur im Gesundheitssystem wirklich große Einsparungen ohne Verlust an Leistung für die Betroffenen durchsetzen lassen: Österreich hat zu viele teure Krankenbetten, die in billige Pflegebetten umgewandelt gehören.

Haupthindernis ist wie immer der Föderalismus – aber damit ist die Steirerin aus ihrer Tätigkeit im Hauptverband der Sozialversicherungsträger zumindest bestens vertraut.

Auch die organisatorischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit Hartingers, die der FPÖ schon unter Jörg Haider diente, sind gut: Das Gesundheitsressort ist wieder mit dem Sozialressort vereint. Das war stets eine Voraussetzung erfolgreicher Gesundheitspolitik, denn das Sozial- nicht das Gesundheitsministerium hat die Aufsicht über die entscheidenden Player des Gesundheitssystems, die Krankenkassen, inne.

Hartinger und Türkis-Blau können hier also wirklich Lorbeeren ernten, wenn sie sich gegen den Föderalismus durchsetzen.

Das richtige Aus für einen überflüssigen Bonus

Im Mittelpunkt der ZIB stand freilich Hartingers Einfluss auf den Arbeitsmarkt. Schon jetzt beschlossen ist bekanntlich -nicht zuletzt auf Grund der Rekordbeschäftigung des “abgesandelten”(so WKO Präsident Leitl) Wirtschaftsstandortes Österreich – das Ende des Beschäftigungsbonus. Ich habe diesen Bonus schon immer für überflüssig gehalten: Vernünftige Unternehmer – und solche haben wir und wollen wir weiterhin haben – stellen niemanden ein, weil sie dafür einen Bonus erhalten, sondern weil sie ihn brauchen – dafür haben sie in der Vergangenheit überflüssiger Weise ein Geschenk erhalten.

Das Geld ist wesentlich besser verendet, wenn man es zur Verminderung der Lohnnebenkosten nutzt.

Bei der Aktion 20 000 mit der Langzeitarbeitslose wieder eine Chance auf Beschäftigung erhalten sollten – ein schwierigeres Problem hat der Arbeitsmarkt kaum zu bieten – hätte ich mir vorstellen können, dass Hartinger doch etwas länger abwartet, wie sie sich bewährt. Aber ob nicht auch dieses Geld besser zur Senkung der Lohnnebenkosten eingesetzt wird, traute ich mich nicht zu beurteilen.

“Soziale Kälte” wage ich aus diesen beiden türkis-blauen Reformen jedenfalls nicht abzuleiten.

Wie zumutbar ist Aufstehen um 4 Uhr 30 

Eher schon bei einer Reform der Zumutbarkeitsbestimmungen, die Hartinger kaum der Rede Wert fand: Dass einem Arbeitssuchenden in Zukunft nämlich eine Anfahrt von zweieinhalb, statt zwei Stunden zuzumuten sei.

Schon bisher musste er zu diesem Zweck um ca. 5 Uhr früh aufstehen – jetzt ist es 4 Uhr 30. Ich frage mich, wie viele der Politiker, die dergleichen beschließen, durch einen längeren Zeitraum um diese Zeit aufgestanden sind. Ich habe diese Erfahrung als Früh-Redakteur des “Kurier” gemacht und erinnere mich daran nur mit Grauen. (Ärzte können jederzeit ausführliche Studien über die negative Rückwirkungen auf die Gesundheit vorlegen)

Viel eindeutiger in die gleiche Richtung – nämlich zur rascheren Übernahme eines angebotenen Jobs – drängt die geplante, stärker degressive Auszahlung des Arbeitslosengeldes, obwohl ich zugeben muss, dass es ein Problem ist, wenn sich jemand auf dessen ewige unverminderte Auszahlung verlässt. Ich habe einmal in Verbindung mit einem steirischen Unternehmen einen Installations-Betrieb besessen und erinnere mich sowohl an Arbeiter, die gebeten haben, doch wieder in die “Arbeitslose” gekündigt zu werden, um endlich im Pfusch ordentlich dazu zu verdienen, als auch an Arbeitslose, die nur vorsprachen um ihre “Unbrauchbarkeit” bestätigt zu bekommen.

Man kann nur abwarten und prüfen

Es ist nicht leicht, Bestimmungen so zu gestalten, dass einerseits ausreichend Druck zur Annahme eines Jobs besteht und dieser Druck anderseits nicht dazu zwingt, Jobs zu miserablen finanziellen und sozialen Bedingungen anzunehmen.

Hier kann man nur abwarten und prüfen, wie sich die Dinge unter Türkis-Blau konkret weiter entwickeln. Eins Sorge vermochte Hartlinger zumindest zu beseitigen: Dass, wie in Deutschland, auf das Vermögen von Arbeitslosen zugegriffen werden kann.

Hartz IV steht also nicht unmittelbar vor der Tür – wir sind diesem System nur eine Nuance näher als zuvor.

Viele Österreicher meinen freilich – wie auch viele Deutsche – dass Hartz IV das eigentliche Geheimnis hinter dem Deutschen Wirtschaftswunder wäre. Das freilich ist in dieser Form ein Märchen. Die Deutsche Wirtschaft funktioniert so gut, weil sie über so hervorragende Produktionsanlagen verfügt. Und sie läuft Gefahr, diesen Produktivitätsvorsprung einzubüßen, wenn ihr weiterhin so billige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Dafür ist Hartz IV jedenfalls mitverantwortlich. Ferner dafür, dass jeder sechste Deutsche – darunter 2,8 Millionen Kinder- als “armutsgefährdet” angesehen werden muss.

 

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Europa braucht ein anderes Deutschland

“Steht Europa vor einer Merkel-Dämmerung?” fragte Claudia Reiterer “im Zentrum. “Jein” lautet die Antwort – es wird sie sicher noch die kommenden vier Jahre geben und wahrscheinlich wird doch die SPD ihr Partner sein. Ich revidiere auf Grund der Sendung meine Meinung, dass die SPD eine solche Koalition weiterhin ablehnen wird – sie wird sie aus staatsbürgerlicher Verantwortung eingehen.

Europa – diesbezüglich haben CDU-Teilnehmer Elmar Brok und Politikberater Karl Jurka mich überzeugt-braucht ein stabil regiertes Deutschland, um in Zeiten des Brexit und spannender Vorschläge aus Emanuel Macrons Frankreich maximal handlungsfähig zu sein.

Vor allem aber braucht die EU ein anderes Deutschland und dafür bietet, diesbezüglich teile ich die Meinung Ulrike Guérots von der Donau-Universität, ihre momentane Schwäche eine Chance: Es ist in Wirklichkeit ein ungeheurer Segen, dass “Jamaika” geplatzt ist.

Denn mit Jamaika wäre FDP-Chef Christian Lindner Deutschlands Finanzminister geworden. Wolfgang Schäuble hat die Erholung und Weiterentwicklung der EU nur erschwert – unter Christian Lindner wäre sie ausgeschlossen. Er will wie die AfD keinen deutschen Cent anders als deutsch genutzt und in Deutschland investiert wissen.

Gott sei Dank herrschte in dieser Sendung ausnahmsweise Einigkeit darüber, dass es nicht stimmt, dass sich die andern EU-Mitglieder auf Kosten Deutschlands saniert haben.

“Deutschland lehnt genau das ab, was die USA soviel erfolgreicher als die EU macht”

  • Deutschland will keine “Transfer-Union”. Das unterscheidet die EU entscheidend von den USA, denn dort werden die Kosten für die Arbeitslosenversicherung, für Sozial- und vor allem für die (unzureichenden) Medizin-Programme, fürs Militär und für Teile der Polizei gemeinsam getragen. Ökonomen schätzen diesen Transferanteil auf 30 Prozent.
  • Und Deutschland will keine “Eurobonds” weil dabei andere von der hohen Bonität Deutschlands profitierten, während in den USA selbstverständlich alle Bundesstaaten bei ihren Krediten von der hohen Bonität der USA als Ganzes profitieren.

Diese Haltung Deutschlands ist der Hauptgrund für das normalerweise soviel schlechtere Funktionieren der EU (auch wenn im Moment Donald Trump dafür sorgt, dass sich der Unterschied im Funktionieren minimiert).

Deshalb braucht die EU ein wirtschaftspolitisch anders tickendes Deutschland. Und während Christan Lindner als Finanzminister dafür gesorgt hätte, dass es noch etwas nationaler tickt, als schon unter Schäuble, sorgte ein SPD- Finanzminister dafür, dass es etwas EU-freundlicher tickte.

“Dass die EU sich dank des deutschen Rezeptes erholt hat ist ein deutsches Märchen”

“Im Zentrum” ist zu Recht der Brückenschlag mit Emanuel Macrons Frankreich im Zentrum der besprochen Aufgaben einer deutschen Regierung gestanden. Frankreich will an Stelle des Spar-Paktes wenigstens mehr gemeinsame Investitionen, durch ein größeres gemeinsames EU-Budget und einen EU-Finanzminister. Deutschland will das vorerst zwar nicht, aber in der SPD hat man den Spar-Pakt, die Zurückhaltung bei staatlichen Investitionen sowie die “Lohnzurückhaltung” schon immer mit (leiser aber zunehmender) Skepsis betrachtet. Ein SPD – Finanzminister – und es bestünde kein Zweifel, dass die SPD ihn als Preis für ihre Koalitionsbereitschaft zugestanden erhielte- könnte und würde die Deutsche Wirtschaftspolitik in Richtung zu diesen Zweifeln verändern.

Im Zentrum hat Elmar Brok, unterstütz von der ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz wieder einmal die Behauptung aufgestellt, dass Deutschlands Rezept zu Bewältigung der Finanzkrise – im Wesentlichen der Sparpakt- ja immerhin die Erholung der EU herbeigeführt hätte.

Das ist ein durch alle Zahlen widerlegtes deutsches Märchen- Europas Wirtschaft hat sich nur trotz des Spar-Paktes, wenn auch ungleich langsamer als in den USA, erholt. Weil es bei fast jedem wirtschaftlichen, eigentlich nur von außen (den USA) induzierten Absturz, eine Talsohle gibt, von der aus es wieder aufwärts geht. Dass das Wirtschaftswachstum derzeit in Spanien, in Portugal, aber selbst in Griechenland ein besonders hohes ist, bestätigt keineswegs die Qualität des deutschen Rezeptes, sondern rührt davon her, dass der Absturz in diesen Ländern ein besonders dramatischer war, so dass die Erholung von besonders tiefsten “Tälern” ausgegangen ist. (In Irland ist das Wirtschaftswachstum sogar ein gigantisches- die Insel ist die Internetsteueroase der ganzen Welt geworden)

Aber erst 2015, sieben Jahre nach Ausbruch der Krise, hat die EU pro Kopf und an der Kaufkraft gemessen wieder ihr Vorkrisen-BIP erreicht – in den USA lag es mehr als 2700 Dollar über dem Jahr 2008.

Die US- Arbeitslosenrate liegt heute mit 4,4 Prozent sogar unter Vorkrisenniveau – die der EU liegt immer noch bei 7,7,Prozent., die aber vor allem dem gewaltigen Rückgang in Deutschland und dem selbstverständlichen industriellen Aufholprozess des ehemaligen Ostblocks zu danken sind.

Die deutsche Behauptung, dass gerade der „Süden“ sich jetzt prächtig entwickle, möge man an folgenden Beschäftigungszahlen messen: In Spanien ist die Beschäftigung seit 2006 von 19,9 auf 18,4 Millionen gesunken; in Portugal von 5,1 auf 4,69 und in Griechenland von 4,53 auf 3,68 Millionen – obwohl der Terror in Afrika und der Türkei diesen Ländern einen einzigartigen Tourismusboom beschert.

Und in Italien dauert weiterhin das niedrige Wirtschaftswachstum an.

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Schöne neue digitale Welt

Anlässlich der Versteigerung der Hälfte seiner Mobilfunkfrequenzen hat Österreich 2013 zwei Milliarden Euro eingenommen. In der Folge hat Finanzminister Michael Spindelegger erklärt, in den nächsten 5 Jahren eine Milliarde davon für den Ausbau des Glasfasernetzes aufzuwenden.

Diese 200 Millionen pro Jahr (heuer waren es dank eines energischen Infrastrukturministers 332.000 Euro) sind der Staus quo bei der Förderung der für die Zukunft unserer Wirtschaft wichtigsten Technologie.

Wobei dieser Betrag nicht automatisch fließt, sondern es funktioniert umgekehrt: Wenn eine Gemeinde ein entsprechendes Projekt anmeldet, werden 50 Prozent der Kosten ersetzt.

Dies, obwohl wir dem Rest Europas bei Glasfaseranschlüssen dramatisch hinterhinken: In Lettland sind 43 Prozent, in Schweden 40,7 Prozent, selbst in Spanien 24 Prozent und im EU-Durchschnitt 9,4 Prozent der Haushalte direkt an ein superschnelles Glasfasernetz angeschlossen – in Österrreich 1,2 Prozent.

Wir können uns allenfalls damit trösten, dass es in Deutschland auch nur 1,6 Prozent sind.

Nur dass Deutschland dabei ist, diesen Rückstand drastisch zu verkürzen: bis 2025 wird der Staat den Ausbau des Glasfasernetzes zwar pro Jahr auch nur mit drei Milliarden Euro (also seiner Bevölkerung entsprechend circa dem Zehnfachen der österreichischen Summe) fördern, aber die Industrie hat sich verpflichtet, zusätzlich pro Jahr acht Milliarden Euro aufzuwenden – die Hälfte davon zahlen Telekom-Unternehmen.

Damit wird Deutschland pro Jahr mindestens 11 Milliarden Euro in ein flächendeckendes Gigabit-Glasfasernetz investieren – Österreich bestenfalls 600 Millionen wenn sie beantragt werden.

Das ist zu ungewiss und zu wenig.

“Der Ausbau des Glasfasernetzes hat für die wirtschaftliche Entwicklung eine ähnliche Bedeutung wie seinerzeit der Ausbau des Bahnnetzes, des Straßenetzes oder des Stromnetzes als Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung”

Industrie oder Dienstleistung hängen ebenso davon ab wie IT-Ausbildung oder effiziente Verwaltung. Wir haben es mit einer klassischen Infrastruktur Aufgabe des Staates zu tun und wenn er darin versagt werden es alle büßen.

Das politische Problem der Digitalisierung liegt darin, dass sie vorest immer aus dem Blickwinkel der Vernichtung der Arbeitsplätze gesehen wird – statt zu begreifen, dass der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen die eigentliche Basis wirtschaftlichen Fortschritts ist.

Gelegentlich findet dieser Fortschritt in Schüben statt – der Ausbau des Glasfasernetzes hat für die wirtschaftliche Entwicklung eine ähnliche Bedeutung wie seinerzeit der Ausbau des Bahnnetzes, des Straßenetzes oder des Stromnetzes als Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung, die Erfindung der Dampfmaschine war der zweifellos größte, der folgende Ausbau des Eisenbahnnetzes stand ihm nicht nach – der Ausbau des Glasfasernetzes als Basis der Digitalisierung ist die größte Annäherung daran.

Ich möchte noch einmal an die Äußerung des VW-Personalvorstandes Horst Neumann anknüpfen: “Von den 100.000 taktgebundenen Beschäftigten des Konzerns wird es in 20 Jahren nur mehr die Hälfte geben.” Denn: “Die Roboter-Arbeitsstunde kostet drei bis sechs Euro, die menschliche Arbeitsstunde das Zehnfache.

Natürlich kann man diese Aussage als gefährliche Drohung auffassen, wenn man in der Vorstellung befangen ist, Mühe und Schweiß entschieden über wirtschaftlichen Erfolg. Aber das ist sympathischer Unsinn – es ist die maschinelle Ausstattung, die darüber entscheidet.

Und entscheidend für diese maschinelle Ausstattung wird nicht nur in der Industrie, sondern auch in den Dienstleistungen der Einsatz digital gesteuerter Roboter sein.

Davor muss man sich nur fürchten, wenn die Politik es versäumt, einen Weg zu finden, wie das so geschaffene BIP, das sich ja keineswegs verringern wird, sozialverträglich auf die Bevölkerung verteilt wird.

Um das Problem im Gedankenexperiment zuzuspitzen: Es zieht eine Zukunft herauf, in der nur die Techniker gebraucht werden, die immer bessere, sich selbst wartende, lernfähige digital gesteuerte Maschinen entwickeln.

Dazu reicht vermutlich das diesbezüglich begabteste Promille der Bevölkerung. Weitere zehn Prozent mag man als Richter, Lehrer Ärzte, Pfleger oder Entertainer beschäftigen. Die Politik wird wissen müssen, wie sie den riesigen Rest versorgt. Denn Streiks gegen Roboter funktionieren nicht.

Ich weiß, dass einen Denkexperimente hierzulande rasch in den Geruch eines Narren (“Utopisten”) bringen, aber vielleicht kann ich immerhin zu einer gewissen Nachdenklichkeit bezüglich der Digitalisierung beitragen. Sich etwas mehr mit ihr- und etwas weniger zum Beispiel mit der”Kammer-Zwangsmitgliedschaft”- zu befassen scheint mir keine wirklich utopische Forderung.

Wobei ich mein Gedankenexperiment ausweiten möchte: Wir haben die Chance, fast alle öden, ermüdenden Arbeiten in absehbarer Zeit loszuwerden.

Menschen können sich mehr denn je der Erziehung ihrer Kinder, ihren Freunden, Hobbys oder den Künsten widmen und vielleicht sogar “Muße” wiederentdecken.

Eine der größten aktuellen Ängste – die Angst, dass uns Billigarbeitskräfte armer Länder unseren Wohlstand kosten, weil sich alle Produktion zu ihnen verlagert – würde obsolet: Niemand arbeitet billiger und besser als digital gesteuerte Roboter.

Unsere entwickelte “westliche” Industriegesellschaft ist in der Lage, den Schritt “aus der Notwendigkeit in die Freiheit” zu tun, wenn wir ein bisschen nachdenken würden, wie wir das Stolpern vermeiden.

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Boykottieren wir doch wenigstens Starbucks

Die Steuervermeidung durch die größten und reichsten Konzerne der Welt, von Apple über IKEA bis Starbucks, die Sonntag Abends „Im Zentrum“ diskutiert wurde, gehört tatsächlich zu den größten Schweinereien der aktuellen Wirtschaftsordnung:

Sie vorenthalten ihrem Heimatland und den zahllosen Ländern in denen sie agieren nicht nur gigantische Beträge, für die letztlich andere aufkommen müssen, sondern sie verzerren auch den Wettbewerb als wichtigsten vernünftigen Grundsatz funktionierenden Kapitalismus. Wie soll ein österreichischer Möbelproduzent, der das Zwanzigfache an Steuern bezahlt mit Ikea oder wie ein österreichisches Kaffeehaus mit Starbucks konkurrieren?

Die EU ist wie so oft machtlos, weil nationale Steueroasen wie Luxemburg, Holland und Malta ob des Zwanges zur Einstimmigkeit jedes gemeinsame energische Vorgehen blockieren, obwohl ein solches ganz einfach wäre: Firmen, die Steueroasen nutzen, wird das Recht entzogen, in der EU Geschäfte zu tätigen. (Die USA haben Schweizer Banken, die mögliches Drogen-Schwarzgeld wuschen auf diese Weise blitzartig zur einlenkenden Kooperation gebracht).

„Möbel von IKEA kann man schwer boykottieren“

Im ORF “Im Zentrum“ blitzte kurz die Idee auf, man könnte die Steuer-vermeidenden Großkonzerne dadurch in die Knie zwingen, dass man sie öffentlich an den Pranger stellt. Jemand, ich weiß nicht mehr wer, hat sie gleich wieder verworfen, weil es praktisch ausgeschlossen sei Produkte wie das iPhone oder Möbel von IKEA zu boykottieren.

Das stimmt wahrscheinlich für IKEA- ich weiß kein anders Möbelhaus, das ein vergleichbar gutes Preis-Leistungs-Verhältnis mit im Durchschnitt so gutem Design verbindet – diesem Konzern ist wirklich eine Revolution in der breiten Einrichtungskultur zu danken.

Die er freilich in keiner Weise gefährdete, wenn er ordentlich Steuern zahlte – auf die Anzahl seiner Produkte aufgeschlagen, verteuerte es sie nur marginal.

Bei Apple bin ich bezüglich der Unersetzlichkeit nicht ganz so sicher –für Grafiker sind Apple-Computer unersetzlich – chinesische oder koreanische Smartphones kommen mit dem iPhone durchaus mit, chinesische kosten sogar nur ein Drittel.

Trotzdem halte auch ich auch diesen Boykott für chancenlos.

Aber ich glaube, dass wir in unserer Notwehrreaktion ein Recht haben, ein wenig parteiisch und unfair zu sein: Starbucks ist in keiner Weise unersetzlich, sein Kaffee ist keineswegs besonders preiswert und schmeckt in keiner Weise außergewöhnlich gut.

Warum können nicht wenigstens wir Österreicher, die wir die Kaffee-Weltkultur angeblich anführen, Starbucks so lange boykottieren, als es nicht von seinem Steuermodell abrückt.

Wenn ich jetzt schreibe, dass ich ab heute keinen Starbucks-Kaffee mehr trinke ist es leider nutzlos- ich habe schon bisher nie einen getrunken – aber vielleicht greift irgendein YouTube User die Idee auf und sorgt für eine “virale” Verbreitung eines Boykotts.

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Die versäumte VP-Minderheitsregierung

Sebastian Kurz hat die Chance vorübergehen lassen, es Bruno Kreisky nachzumachen und allen zu beweisen was er kann, wenn er auf niemanden Rücksicht nehmen muss.

Wir bekommen also die erwartete schwarz-blaue Regierung in der die FPÖ die Hälfte der Minister stellen wird. Dass es nicht lauter Burschenschafter sein werden, ist dadurch gesichert, dass wohl auch Frauen darunter sein dürften.

Christian Kern hat in letzter Sekunde einen Versuch gestartet, die türkis-blaue Zukunft abzuwenden, indem er Kurz angeboten hat eine VP-Minderheitsregierung durch Duldung zu unterstützen und wenn es früher und eindeutiger gewesen wäre, hätte es vielleicht eine Chance gehabt. Denn mit seinem ständigen Hinweis auf eine “Neue Form des Regierens” schien auch Kurz sich diese Möglichkeit offen zu lassen.

So aber war niemand darauf vorbereitet. Als Claudia Reiterer die Idee Sonntag “Im Zentrum” ganz zuletzt kurz zur Sprache brachte, erhob der Wiener VP-Obmann Gernot Blümel zwar keinen Einwand, konnte ihr aber wenig abgewinnen. Burgenlands FP-Obmann Johann Tschürtz war naturgemäß dagegen – seine FPÖ will schließlich endlich mitregieren Um gut zu arbeiten, so meinten beide, fehle einer Minderheitsregierung die Stabilität. Mindesten so dagegen war freilich Steiermarks SP-Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer: Es sei viel gesünder, wenn die SPÖ einer schwarz -blauen Regierung als eindeutige Opposition gegenüber stünde.

“Einer VP-Minderheitsregierung Unterstützung anzubieten, war die einzige Möglichkeit, die schwarz-blaue Koalition doch noch abzuwenden”.

So kann man es zweifellos sehen. Aber Kern sah es offensichtlich – mit wie viel Unterstützung der Partei blieb offen- anders: Einer VP-Minderheitsregierung Unterstützung anzubieten, war jedenfalls die einzige, letzte verbliebene Möglichkeit, die von der SPÖ perhorreszierte schwarz-blaue Koalition doch noch abzuwenden.

Innerhalb der SPÖ unterstützen diesen Versuch vermutlich die Gruppe derjenigen, denen es doch gewisse Probleme bereitet, einen Mann als Vizekanzler zu erleben, der in seiner Jugend der Neonaziszene angehört hat. Und der noch mit 35 in einer Rede anlässlich des Jahrestages der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus kritisierte, dass die Stadt Wien dem NS-Kampffliegers Walter Nowotny kein Ehrengrab mehr zubilligen wollte, womit sie laut Strache “die Schieflage der derzeitigen Geschichtsauffassung” demonstrierte.

Dass die Mehrheit der FP-Spitzenfunktionäre- nicht die geschichtslosen FPÖ-Wähler- eine ähnlich Geschichtsauffassung haben dürfte, dürfte diesen Genossen ebenfalls ein Dorn im Auge gewesen sein.

“Die Minderheitsregierung Bruno Kreiskys hat bewiesen, dass sie höchst erfolgreich arbeiten kann.”

 Sebastian Kurz ist es offenkundig kein Dorn im Auge sonst hätte er Kerns´ Angebot zumindest länger geprüft. Denn es hätte für die ÖVP durchaus eine Reihe handfester Vorteile besessen:

o Bruno Kreisky hat bewiesen, dass eine Minderheitsregierung, im Gegensatz zur Meinung Tschürtz oder Blümels sehr wohl sehr gut funktionieren kann. Sogar so gut, dass er nach einem Jahr die Wahlen so hoch gewann, dass er fortan alleine weiterregieren konnte.

o Kurz hätte sein ideales Ministerteam aufstellen und unbehindert durch einen Mitregenten zeigen können, was seine neue ÖVP kann. Er brauchte sein Programm dabei auch keineswegs aus Rücksicht auf die SPÖ zu verwässern, denn er hätte die Koalition mit der FPÖ jederzeit als Alternative parat gehabt.

o Die SPÖ hätte ihre Unterstützung aber sowieso denkbar schwer aufkündigen können, weil die Wähler ihr dann unausweichlich den Vorwurf gemacht hätten, die von ihr so abgelehnte schwarz-blaue Koalition quasi erzwungen zu haben. Die Minderheitsregierung wäre also durchaus stabil gewesen.

o Kurz, der mit seinem Ehrgeiz sicher auch in Brüssel eine Rolle spielen will, hätte es dort ohne FP-Anhang zweifellos um einiges leichter gehabt.

o Innerparteilich hätte er die nicht so wenigen Parteifreunde, die der FPÖ skeptisch gegenüberstehen nicht vor den Kopf stoßen müssen.

o Und er hätte es leichter gehabt, bezüglich der “Kammern” eine Lösung zu finden, die keinen Aufstand der Funktionäre der Bundeswirtschaftskammer provoziert.

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