EU und Frankreich leiden an Deutschland

Die Unruhen in Frankreich und der Aufstieg der AfD in Deutschland oder der FPÖ bei uns spielen vor dem selben, von deutscher Politik geschaffenen ökonomischen Hintergrund

 Natürlich haben die brennenden Autos in Frankreich mehrere Gründe. Die Tradition, Konflikte auf der Straße auszutragen, reicht bis zur französischen Revolution zurück; der Abstand zwischen Volk und Elite war schon vor Emanuel Macron ein sehr großer; Frankreichs Geschichte als Kolonialmacht hat ihm immer schon ein Rassen – und Zuwanderungsproblem beschert. Aber der zentrale Grund für die von Randalierern angezündeten Autos ist Frankreichs Jugendarbeitslosigkeit von 18,4 Prozent. Und deren Hintergrund ist, wie überall im Süden der EU, ein deutscher.

Ich weiß nicht, welche Zahlen ich noch anführen muss, um klar zu machen, wie sehr die von Deutschland durchgesetzten Maastricht- Kriterien der EU wirtschaftlich schaden. Nur das durch sie erzwungene Sparen des Staates erklärt den hier schon einmal angeführten Tatbestand: Das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Eurozone war 2009 nach der Finanzkrise nur um 9.615 Dollar geringer als das der USA – doch mit dem Spar-Pakt hat sich dieser Abstand bis 2021auf 27.797 Dollar fast verdreifacht. Mein nur von Ex-Notenbank-Chef Ewald Nowotny für lesenswert befundenes Buch über die fortgesetzte “Zerstörung der EU” zeigt an Hand von Grafiken zum Wirtschaftswachstum diverser EU -Länder, wie es 2012 mit der Verschärfung der Maastricht-Kriterien durch den Spar-Pakt regelrecht einbrach, und mit der Saldenmechanik gibt es eine schlüssige ökonomische Theorie, die das mathematisch erklärt. Aber von Angela Merkels Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) über Olaf Scholz` Finanzminister Christian Lindner (FDP) bis zu unserem Magnus Brunner (ÖVP) gibt es niemanden in diesem Amt, der daraus rationale Schlüsse zieht. Für die EU- Kommission bleibt er beschlossene Politik.

Eine seiner Folgen – die “kaputtgesparte Bundeswehr”- ist immerhin in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen, eine andere, die vernachlässigte deutsche Bahn, wird ihrer Verspätungen wegen zumindest diskutiert. Gefordert wird jetzt sogar der Bau von 400.000 Sozial-Wohnungen pro Jahr, die der sparende deutsche Staat unterließ. Voran in Paris mit seinen unerschwinglichen Wohnungen unterließ er in den Vororten neben dem sozialen Wohnbau auch die notwendigsten Investitionen in Einrichtungen sozialen Ausgleichs: Die dort seit jeher bestehenden Gettos mussten wie Geschwüre wachsen und sich verfestigen. Bei 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in diesen Regionen musste Kriminalität zur vorrangigen Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufstieg werden.

Die zweite Frankreich und der EU von Deutschland aufgebürdete Plage ist seine “Lohnzurückhaltung”. Dass die deutschen Löhne seit 2000 nicht mehr mit der Produktivität wuchsen, während französische Löhne das weiterhin taten, musste dazu führen, dass Frankreich die Marktanteile verlor, die Deutschland gewann. (Nicht anders war es in Italien oder Spanien, wo die Lohnstückkosten noch stärker über den deutschen liegen.) Weniger Marktanteil bedeuten in allen Sektoren der Wirtschaft weniger Verkäufe und damit eine geringere Auslastung der französischen (spanischen, italienischen) Industrie = höhere Arbeitslosigkeit, voran bei Jungen. Der “Süden” hat die Arbeitslosigkeit, die Deutschland, Österreich, Holland und die Schweiz durch ihre Lohnzurückhaltung vermeiden.

Gäbe es keinen gemeinsamen Euro, so wertete die deutsche, holländische und österreichische Währung dramatisch auf, (so tut es nur der Schweizer Franken) und auf den Märkten herrschte wieder Chancengleichheit – so gab und gibt es ihn und die innereuropäische Ungleichheit wuchs und wächst und wird angesichts der jüngsten EZB-Beschlüsse auch noch durch höher Zinsen für den “Süden” befördert.

Im “Norden” bleibt man bei der fatalen Lohnpolitik, weil es ihm relativ zum “Süden” natürlich gut geht- absolut gesehen geht es wachsenden Teilen seiner Bevölkerung schlecht: Es nutzt ihr wenig, dass das Bruttoinlandsprodukt ständig steigt, wenn ihr Lohnanteil daran immer geringer und nur der Gewinnanteil der Aktionäre immer größer wurde. Eine immer größere Gruppe beklagt sinkende Reallöhne und mit ihnen schon vor der aktuellen Teuerung sinkende Kaufkraft = sinkender Wohlstand. In Wirklichkeit ist diese Wirtschaftspolitik surreal: In der stärksten Volkswirtschaft des Nordens, in Deutschland, ist wie bei uns jedes fünfte Kind armutsgefährdet. Und da wundert man sich, dass immer mehr finanziell Zurückleibende in Regionen, die der sparende Staat meist außerdem vernachlässigt, AfD und FPÖ wählen? Dass EU-kritische Parteien in allen Mitgliedsländern immer stärker werden?

Letzter, kaum wahrgenommener, künftig denkbar kritischer Nachteil der Lohnzurückhaltung ist die immer geringere Zunahme der Produktivität in der EU: Holland verzeichnet das geringste Produktivitätswachstum seit vierzig Jahren, auch in Deutschland und Österreich wächst sie immer langsamer und damit in der gesamten EU so langsam wie nie: Angesichts immer geringerer Lohnerhöhungen in ihren wirtschaftsstärksten Ländern fehlt die Peitsche, die Unternehmen zur Modernisierung = Rationalisierung ihrer Anlagen, etwa durch Digitalisierung, antreibt. So wuchs das reale BIP pro Kopf in Holland im letzten Jahrzehnt nur um 1.477 Dollar, in Österreich um 3.211 und in Deutschland um 6.401, in der EU als Ganzes um 1.523 Dollar – gegenüber den erwähnten 27.797 Dollar in den USA.

Aber Zahlenvergleiche interessieren die Spitzen der EU-Politik nicht wirklich. Sie stehen darüber.

 

 

 

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Österreich hat einen „Marxist“ als Kanzlerkandidat

Dass Andreas Babler es für nützlich hält, die Welt durch eine marxistische Brille zu betrachten, habe ich noch verstanden, auch wenn mir lieber gewesen wäre, er hätte die Worte „gelegentlich auch“ vor der „Brille“ eingefügt – Karl Marx war auch für mich ein scharfer Beobachter des Wirtschaftsgeschehens.

Aber schon als Andreas Babler erklärte, „Marxist“ zu sein, war er für mich nicht mehr wählbar. Marxens zentrale Thesen sind ja nicht nur falsifiziert, sondern Karl Popper hat in „Die offene Gesellschaft und Ihre Feinde“ auch eingehend begründet, wieso sie als Kommunismus in absolut allen Ländern, von Russland bis China, von Kuba bis Venezuela zu Diktaturen führten, die neben Millionen Verhungerter auch Millionen Ermordeter verantworten. Ein politisch gebildeter Mensch kann heute kein Marxist/Kommunist mehr sein, auch wenn er Marx als Ökonomen respektiert.

Allerdings habe ich unter den Linken, die gelegentlich Marxens Vokabular gebrauchen, mit Ausnahme des verstorbenen Politwissenschaftlers Norbert Leser noch keinen getroffen, der auch Marx` Schriften gelesen hat – und Leser war Antimarxist. Insofern braucht man die Kommunisten Elke Kahr in Graz und Kai Michael Dankl in Salzburg nicht zu fürchten: Sie haben, wie vermutlich auch Babler, kaum eine Ahnung, wozu sie sich in der Theorie bekennen- was sie in der Praxis fordern, ist auch nicht kommunistisch und Diktaturen lehnen sie glaubwürdig ab. Ich wundere mich nur, dass jemand so Intelligenter wie Dankl seine Partei nicht lieber „Linke plus“ nennt.

Seit es das Video gibt, in dem der47 jährige – nicht der 17 jährige – Babler der EU nachsagt, ein „neoliberalistisches, protektionistisches, amerikanisches Konstrukt der übelsten Art und Weise“ und „das aggressivste außenpolitische militärische Bündnis“ zu sein, „das es je gegeben hat“, sehe ich in ihm allerdings doch eine echte Gefahr: Merkt denn ein Peter Menasse nicht, wie nahe Bablers EU-Bild dem Herbert Kickls ist? Hat er je überlegt, wie ein Kanzler Babler zur Bewaffnung der Ukraine durch die EU  stünde?

Ich habe etwas Neues über Österreichs „linke Intellektuelle“ gelernt: links zu sein, reicht ihnen völlig.  Für sie ist „Links“ ist eine Sache des Glaubens, nicht des Nachdenkens.   

Doskozil sagte jedenfalls sofort, was er anstrebt: Rot-Grün Pink. Seine wirtschaftlichen Forderungen unterscheiden sich wenig von denen Bablers und beraten wird er offenbar von Christian Kern, dem ich hier schon immer die größte ökonomische Kompetenz bescheinigt habe.

Biden stärkt Trump.

 Joe Biden hat sich wie erwartet im letzten Moment mit den Republikanern geeinigt, die Staatsschuldengrenze anzuheben. Denn zumindest ihrem Sprecher, Kevin McCarthy war klar, dass „Zahlungsunfähigkeit“ neben einer Weltwirtschaftskrise (die seine Radikalen kalt gelassen hätte) auch die größte Wirtschaftskrise der USA seit 1929 ausgelöst hätte – das hat er verhindert. Wohl aber gelang es den Republikanern, Joe Biden neuerlich zu schwächen: Er musste seine schon vielfach gekürzten Investitionen neuerlich erheblich kürzen. Da die Zinserhöhung der FED die Inflation gleichzeitig weniger als die Wirtschaft bremst, wird Biden 2024 bei der Wahl kaum mit Wirtschaftsdaten punkten können, die die Ära Trump in den Schatten stellen. Und Trump, nicht Floridas Gouverneur Ron DeSantis, wird Bidens Gegner sein. Denn nicht nur geriet DeSantis Wahlkampf-Auftakt bei Twitter zum Fiasko, sondern er wird dem Show Profi Trump in den kommenden Vorwahl-Konfrontationen genauso klar unterliegen, wie 2016 Floridas Gouverneur Jeff Bush.

Dass der um Jahrzehnte älter wirkende Biden Trump 2024 abermals schlägt, obwohl Stagflation herrschen dürfte, ist daher alles eher als gewiss. Wenn ihn die Strafjustiz nicht doch rechtzeitig aufhält, gibt es meines Erachtens ein 49 prozentiges Risiko, dass die freie Welt 2025 neuerlich mit Trump als US-Präsident konfrontiert ist. Nur dass er, der schon in seiner ersten Amtszeit am Sinn des transatlantischen Bündnisses zweifelte, ihm in seiner zweiten Amtszeit noch kritischer gegenüberstehen wird. Jedenfalls käme es einem Wunder gleich, wenn Trump die Verteidigung Europas gegen Putins Russland garantierte. Als Ukrainer, aber auch als Este, Lette, Georgier oder Moldawier sähe ich seiner Amtszeit jedenfalls mit panischer Angst entgegen. Und selbst wenn man die Chance, dass Trump die Wahl gewinnt, geringer als ich einschätzt, ist das Risiko, sich dabei zu irren, doch so groß, dass ich nicht verstehe, wie wenig sich die EU auf einen solchen GAU vorbereitet.

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So schaffen Notenbanken sinnlos Risiken  

Der Jammer des Monetarismus: Erhöhte Zinsen können Öl nicht verbilligen – aber Geld von Unternehmen zu Banken umverteilen und eine Rezession herbeiführen.

In den USA müssen weitere Banken davor bewahrt werden, auf Grund der Zinsanhebung der FED Pleite zu gehen. Denn Unternehmen, die plötzlich dank der erhöhten Zinsen mit verdoppelten Kreditkosten belastet sind, haben weiter Probleme, ihre Bank-Kredite zu bedienen. Haben die Banken kein perfektes Risikomanagement betrieben, so sind sie gleichzeitig damit konfrontiert, dass die hohen Zinsen den Kurs ihrer  sichersten und wichtigsten Aktiva, der Staatsanleihen, massiv verringern. Das ist der von der Silicon Valley -Bank vorgezeichnete Weg in die Pleite und ihn geht mittlerweile die vierte Bank.

Zwar erklärten Präsident Joe Biden, Finanzministerin Janet Yellen und FED -Präsident Jerome Powell unisono, wie “robust und widerstandsfähig” das US-Bankensystem sei und schufen auch einen entsprechenden Schutzschirm, aber dass sie das mussten, weckt den Verdacht, dass doch nicht alles so perfekt ist. Jerome Powell befindet sich jedenfalls in einer denkbar heiklen Lage: Erhöht er die Zinsen wie versprochen weiter, riskiert er noch mehr Bankenpleiten – erhöht er sie nicht, verstärkt er den Verdacht, dass es schlecht ums Bankensystem bestellt ist und gefährdet es damit erst recht.

Die EU beteuert, dass ihre Banken sicherer als die der USA sind: sie mussten mehr Risikokapital bilden und strengere Stresstest überstehen. Dennoch sehen ihre Probleme nur quantitativ anders aus. EZB wie FED haben sich mit der so schnellen, so starken Zinserhöhung in meinen Augen gleichermaßen überflüssig erhöhten Risiken ausgesetzt. Denn eine gefährliche Inflation, bei der überhöhte Löhne in einer selbsttätigen Spirale zu immer höheren Preisen führen, gibt es weder in den USA noch in der EU. Es gibt die von Russland und OPEC herbeigeführte, langsam abklingende Verteuerung von Öl/Gas, die man nur durch vermehrtes Fracking und, weit besser, durch die raschere Erschließung alternativer Energie erfolgreich bekämpfen kann. Nur gefährliche Inflation bekämpft man lehrbuchmäßig mittels höherer Zinsen, weil sie weitere Lohnerhöhungen erschweren, indem sie die Arbeitslosigkeit erhöhen. Wendet man dieses Rezept an, obwohl gar keine gefährliche Inflation sondern bloße Teuerung vorliegt, dann riskiert man hohe Arbeitslosigkeit samt Rezession.

Es prallen diesbezüglich zwei ökonomische Denkschulen aufeinander: hier die “Monetaristen”, die wie Notenbankgouverneur Robert Holzmann, die Notenbanker Deutschlands, der deutsche Starökonom Hans Werner Sinn oder Franz Schellhorn(Agenda Austria) glauben, dass eine erhöhte umlaufende Geldmenge zwingend Inflation erzeugt – dort die Mehrzahl angelsächsischer Ökonomen (leider nicht Jerome Powell) die den Monetarismus, wie der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck oder der Österreicher Stephan Schulmeister für falsifiziert halten: Japans Notenbank “flutet” die Wirtschaft seit 33 Jahren mit billigem Geld  – dennoch hat Japan nie auch nur die Zielinflation von 2 Prozent erreicht und hat selbst jetzt mit 3,2 Prozent ein der niedrigsten weltweit, weil es über viel Kernenergie verfügt. Hans Werner Sinns These, dass sie sich in diesem Zeitraum angestaut hätte und jetzt “hereinpflatscht” ist blanker Unsinn.

Die ökonomischen Irrtümer des Monetarismus waren so lange harmlos, als sie keine praktischen Folgen nach sich zogen, weil die Notenbanken sich nicht danach richteten. Doch als die Teuerung die Zehnprozent-Grenze überschritt, fraß die Angst den Verstand auf. Die Monetaristen sahen ihre Stunde gekommen und drängten die Notenbanken die Geldpolitik “endlich” zu straffen obwohl niemand erklären kann, warum hohe Zinsen Öl verbilligen oder der Wirtschaft besonders gut tun sollen. Paul Schulmeister nennt “Inflationsbekämpfung durch Zinserhöhung” unter den gegebenen Umständen daher im Standard folgerichtig  “Irrsinn mit System”: “Eine Erhöhung von (Zins-)Kosten samt Umverteilung von Unternehmern und Haushalten zu  Banken bekämpft nicht die Teuerung, sondern die Realwirtschaft. Es bedeutet, dass Unternehmen und Haushalte eine Verdoppelung ihrer Kreditkosten aushalten müssen.”

In Österreich sind Unternehmen mit etwa 400 Milliarden Euro, Haushalte mit 200 Milliarden Euro verschuldet. Die Zinszahlungen dafür lagen vor der Zinserhöhung bei circa zehn (sechs plus vier) Milliarden Euro – jetzt sind daraus 20 Milliarden geworden. Unter den Unternehmen belasten die zusätzlichen Kosten die am meisten, die am meisten investieren, bei den Haushalten belasten sie am meisten jungen Familien, die eine Wohnung brauchen. Denn natürlich haben die höheren Kreditkosten als erstes dazu geführt, dass weniger gebaut wird. “Und wer” so fragt Schulmeister, “kassiert  die zehn Milliarden Euro zusätzlicher Zinszahlungen? Nicht die Sparer, sondern die Banken”. Dafür gibt es einen  Grund, der zum Anfang dieses Textes führt: Da die erhöhten Zinsen mit “Staatsanleihen” die sichersten Aktiva der Banken entwerten, kompensieren sie dieses erhöhte Risiko, indem sie weiter niedrige Sparzinsen zahlen.

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Die Gründe für unsere hohe Teuerungsrate

Hauptgrund unserer überdurchschnittlichen Teuerung ist unsere überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas. Erst danach kommen die Versäumnisse der Regierung.

Dass Österreich mit 9,8 Prozent eine höhere Teuerungsrate als der Durchschnitt der EU mit 8,3 Prozent aufweist, liegt vielleicht auch an Managementfehlern der Regierung – der Hauptgrund ist aber zweifellos, dass Österreich auf Grund der Energiepolitik früherer Regierungen weit mehr als der Durchschnitt der EU von russischem Gas abhängt. Gemessen daran, dass unsere Abhängigkeit doppelt so groß wie die Deutschlands ist, ist der so heftig diskutierte Unterschied zur 7,2 prozentigen deutschen Teuerung sogar relativ klein. Zwar mag es sein, dass die Regierungen Japans oder der Schweiz, die mit 3,2 und 2,9 Prozent die weltweit geringste Teuerung aufweisen, sie besser gemanagt haben, aber der Hauptgrund ist ihre viel billigere Energie: Japan hat Atomenergie, die Schweiz dazu Wasserkraft.

Fast überall trat zur Verteuerung der Energie hinzu, dass Unternehmen die Verunsicherung der Kunden zu höheren Gewinnmargen nutzten. Null Einfluss hatte dagegen die viel kritisierte lockere Geldpolitik der Notenbanken: Japans Notenbank flutet seine Wirtschaft seit 33 Jahren durchgehend mit billigem Geld und die Schweizer Notenbank hat dafür im Verhältnis zum BIP noch mehr Geld aufgewendet. Deshalb ist so unwahrscheinlich, dass die jetzt massiv gestraffte Geldpolitik die Teuerung vermindert: sie kann den Öl/Gaspreis als ihre zentrale Ursache nicht senken – es sei denn, sie bewirkt eine so schwere Rezession, dass weit weniger Öl und Gas als bisher gebraucht wird.

Während der Hauptgrund für Österreichs hohe Teuerungsrate also auf der Hand liegt, ist nicht so klar, wieso sie im letzten Quartal noch einmal um 0,6 Prozent gestiegen ist. Dass die Lebensmittelpreise daran die Hauptschuld tragen, ist insofern wahrscheinlich, als nur drei Handelsketten das Land beherrschen, was seit jeher für hohe Preise sorgte. Denkbar ist, dass Restaurants ihre Preise den verteuerten Nahrungsmitteln nicht sofort, sondern erst im letzten Quartal angepasst haben. Viele waren aber auch erst verspätet mit ihrer so viel höheren Stromrechnung konfrontiert und auch das wäre eine Erklärung, dass die Preise erst jetzt gestiegen sind.

Die Opposition und die meisten Österreicher sind freilich voran daran interessiert, was die Regierung falsch gemacht hat und da spielen die jüngsten 0,6 Prozent eine untergeordnete Rolle: Sie hat mangelnden Wettbewerb nie unterbunden; sie hat die sinnvolle Strompreisbremse zu spät verwirklicht und keine gleichartige Gaspreisbremse installiert; sie gilt innerhalb der Unternehmen einer VP-Klientel wie Hotels Verluste ab, die mangels Konkurrenz kaum eintreten werden; ihre Hilfen waren selten treffsicher. Damit werden die Erfolge der Regierung bei der Abfederung der Teuerung – und das ist mein Hauptvorwurf – in einem schlechten Verhältnis zu aufgewendeten Summen stehen. Beseitigen – und das gilt es zu begreifen – lässt sich eine durch den erhöhten Öl/Gas- Preis bedingte Teuerung durch keine Regierung der Welt.

Die schwarz-grüne Überlegung, dass es nur gelingen kann, Bedürftigen dabei zu helfen sie zu überstehen, während sozial Starke sie stemmen müssen, ist grundsätzlich richtig. Sie wurde nur eben nicht konsequent verwirklicht und das Haupthindernis – das sollte eine Lehre für die Zukunft sein – ist das Fehlen von Finanzdaten, aus denen nicht nur hervorgeht, wer was verdient, sondern auch, wer welches Vermögen hat. Die Regierung hat immer nur geschätzt, wer wie bedürftig ist, und dabei haben politische Intentionen der ÖVP stets mitgespielt. So hat sie zwar richtig – und für die Zukunft denkbar wichtig – diverse Beihilfen an die Inflation gekoppelt, nicht aber Notstandshilfe und Arbeitslosengeld. Dort wartet sie auf eine Generalreform, die nach den bisherigen Äußerungen von Arbeitsminister Martin Kocher leider Harz 4 zum Vorbild hat.

Massiv verfehlt war es, die Erhöhung der Mietpreise nicht zu Lasten der Haus- und Wohnungseigentümer zu begrenzen, denn die gehören im Allgemeinen der finanziell stärksten Schicht an. Anders herum verfehlt scheint mir, Abgaben und Gebühren der Gemeinden zu deckeln, denn das sind Entgelte für Leistungen, die sich stark verteuert haben und die Gemeinden sind finanziell nicht stark. Dass die Regierung die Übergewinne von Energieerzeugern in Zukunft vermehrt abschöpfen will, ist sinnvoll, sofern das Gesetz sie zwingt, so schnell wie möglich so viel wie möglich in alternative Energie zu investieren. Es wird den Strompreis zwar nicht rasch senken, aber es vermindert die Teuerung an ihrer Wurzel.

Zu Recht gewehrt hat sich die Regierung meines Erachtens immer gegen die Forderung, Steuern auszusetzen: Dass die deutsche Regierung Steuern auf Treibstoff ausgesetzt hat, hat den deutschen Fiskus drei Milliarden Euro gekostet und den deutschen Benzinpreis kaum gesenkt – nur der Treibstoffhandel hat gewonnen. Dieses Risiko besteht auch für die so vehement geforderte Mehrwertsteuersenkung bei Grundnahrungsmitteln: Es bleibt möglich, dass auch sie den Staat nur Einnahmen kostet und die Gewinne von Rewe und Co erhöht. Der Vergleich mit der niedrigen Inflation Frankreichs von 5,7 Prozent und Spaniens von 4,3 Prozent, wo diese Steuer gesenkt wurde hinkt: Beide haben eine riesige Agrarindustrie mit vielen konkurrierenden Handelsketten. Auch sonst sind beide Länder kein Maßstab: Frankreich hat den meisten Atomstrom, Spanien hat Atom-und Solarenergie, muss wenig heizen und kauft Gas seit jeher in Marokko und Algerien.

 

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Die Rückseiten des Beschäftigungswunders

Österreich verzeichnet die höchste Beschäftigung aller Zeiten. Zugleich Reallohnverluste und die aktuell höchste Armutsgefährdung. Die Arbeitslosigkeit ist ausgelagert.

Man soll alles immer von zwei Seiten betrachten. Als ich mir Herbert Kickls Bierzelt- Rede auf YouTube angehört habe, dachte ich zuerst: Hoffentlich hören das möglichst viele Leute, denn nirgends kann man klarer sehen, wohin er Österreich führt. Aber gleich darauf hat sich diese Hoffnung in die Furcht verkehrt, dass die Mehrheit der Österreicher so beschaffen sein könnte, dass Kickls Rede sie begeistert.

Die SPÖ hat jedenfalls nur anderthalb Jahre Zeit, um stark genug zu werden, uns in einer Koalition mit Grünen und NEOS davor zu bewahren, einer faschistoiden Zukunft entgegenzusehen. Ursprünglich hatte ich nach der Rede Karl Nehammers im KZ Mauthausen gedacht, dass auch die ÖVP keine Koalition mit Kickls FPÖ einginge, aber Niederösterreich und Salzburg haben mich gelehrt: Österreich könnte 2024 tatsächlich neben Ungarn, aber vor Polen und Italien, zum EU-Land mit der rechtsextremsten aller Regierung werden – der einzigen, die die “Panzerkolonnen der NATO” mit Kickl heftiger ablehnt als Wladimir Putins Aggression.

Gemessen daran wirken alle anderen Sorgen, die diese erste Mai-Woche aufwirft, unerheblich: Statt zu fallen stieg die Inflation angeblich wegen verteuerter Nahrungsmittel – genau weiß es niemand- um 0,6 Punkte auf 9,8 Prozent. Voran der Abstand von 2,6 Prozent zu Deutschland macht dabei Sorgen, könnte er doch den Wettbewerb erschweren. Nachträglich lässt sich jedenfalls sagen: Die Strompreisbremse wurde zwar rechtzeitig erdacht, aber zu spät verwirklicht, auf eine gleichartige Gaspreisbremse und eine Mietpreisbremse wurde ebenso verzichtet wie auf Preiskontrollen. Zugleich hat das Fehlen von Vermögensdaten allen Hilfsmaßnahmen die Treffsicherheit genommen, so dass der finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zum Erfolg steht. Dennoch wird die Inflation langsam abklingen, denn der Ölpreis ist nun einmal gegenüber seinem Höchststand deutlich gefallen.

Auch Österreichs Arbeitslosigkeit ist minimal gestiegen. Wahrscheinlich vor allem, weil die Statistik jetzt auch geflohene Ukrainerinnen umfasst – aber vielleicht auch, weil Österreich sich schon in einer Rezession befindet: Das Wirtschaftswachstum ist den zweiten Monat, wenn auch minimal, rückläufig. Die Zinserhöhungen der EZB haben voran die Bauwirtschaft eingebremst und meines Erachtens werden sie die gesamte Wirtschaft schneller als die Inflation bremsen – aber ich hoffe, dass ich mich irre.

Doch zwischen solchen negativen Nachrichten vermochte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher eine höchst positive zu verkünden: Mit 77,5 Prozent sind derzeit mehr Österreicher denn je erwerbstätig. Zu verdanken ist das der gestiegenen Erwerbstätigkeit von Frauen, die 71,6 Prozent erreicht hat. Man könnte hinzufügen, dass das gegen eine ÖVP erreicht wurde, die der linken Forderung nach mehr Kindergartenplätzen und Gesamtschulen erst ganz zuletzt nachgegeben hat.

Aber auch abseits der erhöhten Beschäftigung von Frauen ist die Beschäftigungslage hervorragend: Die Arbeitslosigkeit liegt nach internationaler Definition bei nur 4,8 Prozent. Besser liegen unter den starken Ländern des “Nordens” nur Deutschland und Holland mit einer Arbeitslosigkeit von 2 und 3,1 Prozent. Beide Länder sind, wie Österreich, voran wegen des Mangels qualifizierte Arbeitskräfte, kaum mehr in der Lage, die Auftragsflut zu bewältigen, der sie gegenüberstehen.

Scheinbar die perfekte Wirtschaftslage. Nur dass die Reallöhne großer Teile der Bevölkerung aller drei Länder gefallen sind und ihre Armutsgefährdung in jüngerer Zeit nie höher war. “Seit dem Jahr 2000”, sagt ein Bericht der OECD, “haben in Deutschland Einkommensungleichheit und Armut stärker zugenommen als in jedem anderen OECD Land. Hinsichtlich der Primärverteilung lässt sich sowohl ein rapider Rückgang des Anteils der Löhne am gesamten Volkseinkommen feststellen als auch eine zunehmende Ungleichverteilung innerhalb der Lohneinkommen”. Ähnliches gilt für Holland und Österreich: Der Anteil der Löhne am BIP ist in dem Ausmaß gesunken, in dem der Anteil der die Gewinne gestiegen ist, und nicht anders hat der Abstand zwischen niedrigen und hohen Einkommen zugenommen. Alle drei Volkswirtschaften haben nicht deshalb so viele Aufträge, weil sich ihre Bevölkerung immer mehr kaufen kann – sie kann im Gegenteil immer weniger kaufen, weil ihre Löhne seit 23 Jahren nicht mehr wie davor um Produktivitätszuwachs plus Inflation gestiegen sind.

Aber genau dadurch sind ihre Waren unschlagbar preiswert und haben den Volkswirtschaften, die keine “Lohnzurückhaltung” – kein Lohndumping- geübt haben, durch 23 Jahre Marktanteile weggenommen und all die Aufträge hinzugewonnen, die deren Unternehmen verlieren mussten.

Entsprechend groß ist dort die Arbeitslosigkeit: in Frankreich liegt sie offiziell bei 7,3 Prozent, nur dass viele Menschen die Arbeitsuche schon aufgegeben haben, während die Arbeitslosigkeit der 15 bis 24 jährigen 17 Prozent erreicht. In Italien gibt es 8 Prozent Arbeitslose und 22 Prozent sind unter 24. Und in Spanien mir der größten Zahl qualifizierter Arbeitskräfte der EU liegt die allgemeine Arbeitslosigkeit bei 12,8 Prozent und erreich unter 15 bis 24jährigen gespenstischen 29 Prozent – gegenüber 5,7 Prozent in Deutschland.

Man kann, wie voran in Deutschland, die eigene Lohnpolitik für optimal halten – oder in ihr wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz eines der zentralen Probleme der Wirtschaft sehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die globalen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, laut Stiglitz “nicht zuletzt auf die Wirkungen zunehmender Einkommensungleichheit in den einzelnen Ländern zurückführen”. Folgt man dieser Analyse, bedarf es – insbesondere auch in Deutschland – einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung, um die latente Nachfrageschwäche und damit die gesamtwirtschaftliche Krisenanfälligkeit zu überwinden.

Diese Schlussfolgerung steht im Widerspruch zu gängigen wirtschaftspolitischen Empfehlungen in Deutschland. Diese bleiben bisher weitgehend einer Prä-Krisenstrategie mit Forderungen nach Lohnzurückhaltung und größerer Lohnspreizung verhaftet, d

Der im internationalen Vergleich außergewöhnlich star-ke Anstieg der ökonomischen Ungleichheit in Deutsch-land während des letzten Jahrzehnts ist mittlerweileausführlich dokumentiert. War Deutschland (Österreich) in der Vergangenheit traditionell
in geringerem Ausmaß von Einkommensungleichheit und -armut betroffen als der Durchschnitt der OECD-Länder,so ist es in den letzten Jahrzehnten zu einer
drastischen Verschärfung der Ungleichheit gekom-
men: „

 

 

deutschen Banken standen nach den vielfältigen
Deregulierungsmaßnahmen im letzten Jahrzehnt un-
ter erheblichem Renditedruck und wandten sich bei
schwacher Kreditnachfrage im Inland zunehmend der
Spekulation mit riskanten Produkten im Ausland zu. Im
Ergebnis wurden die deutschen Banken – ebenso wie
die deutsche Exportindustrie – stark von der amerikani-
schen Immobilienkrise erschüttert.
Schlussfolgerungen
Die Weltwirtschaftskrise erzeugt für die Zukunft eine
Reihe von schwierigen gesamtwirtschaftlichen Her-
ausforderungen, die zwar von einigen Autoren seit lan-
gem erkannt wurden, 62 aber erst mit der globalen Wirt-
schaftskrise ins allgemeine Bewusstsein gerückt sind.
Es geht um nichts weniger als die Suche nach globaler
wirtschaftlicher Stabilität durch internationale Koopera-
tion.
Wie von Fitoussi und Stiglitz 63 ausgeführt, lassen sich
die globalen außenwirtschaftlichen Ungleichgewich-
te nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Wirkungen
zunehmender Einkommensungleichheit in den einzel-
nen Ländern zurückführen. Folgt man dieser Analyse,
bedarf es – insbesondere auch in Deutschland – einer
gleichmäßigeren Einkommensverteilung, um die latente
Nachfrageschwäche und damit die gesamtwirtschaftli-
che Krisenanfälligkeit zu überwinden.
Diese Schlussfolgerung steht im Widerspruch zu gän-
gigen wirtschaftspolitischen Empfehlungen in Deutsch-
land. Diese bleiben bisher weitgehend einer Prä-Kri-
senstrategie mit Forderungen nach Lohnzurückhaltung
und größerer Lohnspreizung verhaftet, die keines der
derzeitigen Probleme lösen, dafür aber die Gefahr wei-
terer Instabilitäten hervorrufen. Sie beruhen zudem auf
empirisch fragwürdigen und teilweise widersprüchli-
chen Argumentationen. Statt eines „Weiter so“ bzw. ei-
ner „Erhöhung der Dosis“ sollte es zu einem – möglichst
international koordinierten – Richtungswechsel in der
Lohn- und Verteilungspolitik kommen. Dies ist eine we-
sentliche Voraussetzung für die künftige Stabilität der
globalen Wirtschaft.

63 J. P. Fitoussi, J. Stiglitz, a.a.O.
scheidend mit befördert hat. 55 Anders als in den USA ist
es in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit nicht
zu einem nennenswerten Anstieg der Verschuldung
der Privathaushalte relativ zu ihren Einkommen gekom-
men. 56 Vielmehr hat ein Großteil der Bevölkerung auf
fallende Reallöhne und die sozialpolitischen Einschnitte
der vergangenen Jahre mit Konsumverzicht reagiert. 57
Neben der offenbar ausgeprägten sozialen Norm der
vorsichtigen persönlichen Finanzplanung, die auf die
Kreditnachfrage wirkt, sind auch die Kreditvergabe-
praktiken deutscher Banken traditionell eher konserva-
tiv. 58 Im Ergebnis ist für Deutschland, im Unterschied
zu den USA, kaum ein signifikanter Vermögenseffekt
auf den privaten Konsum zu beobachten; die Haushalte
finanzieren ihren Konsum ganz überwiegend aus den
laufenden Einkommen.
Selbst während des letzten Aufschwungs sind aber die
real verfügbaren Einkommen bzw. die Nettolohnsumme
nicht mehr gestiegen. Die Reallöhne sind sogar wäh-
rend des Aufschwungs gefallen, eine in der Geschich-
te der Bundesrepublik einmalige Entwicklung. 59 Der
private Verbrauch ist dieser stagnativen Einkommens-
entwicklung bestenfalls passiv gefolgt. Zwar wurden
durch die schwache Lohnstückkostenentwicklung die
internationale Wettbewerbsfähigkeit und somit die Ex-
porte befördert. Zugleich folgte aber aus der Einkom-
mensumverteilung gleichsam mechanisch ein Anstieg
der privaten Sparquote, da die oberen Einkommens-
gruppen einen deutlich größeren Teil ihres Einkom-
mens auf die Ersparnis verwenden als die unteren
Einkommensgruppen. 60 Dies schwächte die Entwick-
lung der Binnenwirtschaft. Nicht nur dürfte der Netto-
effekt von Exportsteigerungen und Konsumstagnation
auf das Wachstum in einer großen Volkswirtschaft wie
Deutschland negativ ausgefallen sein. 61 Auch beding-
te diese Entwicklung hohe Kapitalexporte und somit
eine starke Auslandsorientierung des Bankensystems.

 

im Februar 2023 verzeichnet Spanien mit rund 12,8 Prozent die höchste Arbeitslosenquote innerhalb der Europäischen Union (EU-27). Im Durchschnitt sind 6 Prozent der EU-Bürgerinnen im Februar 2023 als arbeitslos registriert, während die durchschnittliche Arbeitslosenquote in den Ländern der Eurozone² mit rund 6,6 Prozent, signifikant höher liegt. In Deutschland, Polen und Tschechien herrscht mit Arbeitslosenquoten zwischen 2,4 bis 2,9 Prozent nahezu Vollbeschäftigung.

 

Jugendarbeitslosigkeit 29%   Arbeitslosigkeit 26% im Jahr 2013 aber nur 8,3 % 2007

 

Der Ausfuhrüberschuss im Handel mit Spanien belief sich im Jahr 2021 auf rund 9,75 Milliarden Euro. Der Gesamtwert der deutschen Exporte nach Spanien lag damit um 9,75 Milliarden Euro höher, als die spanischen Importe nach Deutschland.

 

 

Im Jahr 2022 hat die Arbeitslosenquote in Italien geschätzt rund 8,09 Prozent betragen. Für das Jahr 2023 wird die Arbeitslosenquote in Italien auf rund 8,30 Prozent prognostiziert Jugendarbeitlosigkeit zwischen 15 und 24 Jahren…..22,3%

 

2023 Laut den Daten des italienischen Statistikamts Istat exportierte Italien Waren im Wert von 77,5 Milliarden Euro nach Deutschland (ein Plus von 15,8 Prozent). Der Import aus der Bundesrepublik wuchs sogar um rund 20 Prozent – und steigt damit auf 91 Milliarden Euro.

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Emmanuel Macrons unlösbare Aufgabe

Die Wut gegen Frankreichs Präsidenten entlädt sich aus einem absurden Grund. Frankreichs eigentliches wirtschaftliches Problem kann er beim besten Willen nicht lösen.

Dass man das Pensionsantrittsalter etwas erhöhen muss, wenn die Lebenserwartung dramatisch steigt, scheint relativ einsichtig. Dass die Anhebung von 62 auf 64 Jahre in Frankreich seit Monaten zu Straßenschlachten führt, hat einen simplen Grund: Nach Frankreichs Rechter, die sich Marine Le Pen als Präsidentin wünscht, wollen auch Frankreichs Sozialisten, aus deren Reihen er kommt, nichts mehr von Emmanuel Macron  wissen. Selbst dass er Frankreichs Größe (Grandeur) im Gespräch hält – bei seinem jüngsten Chinabesuch erklärte er, dass die Franzosen nicht daran dächten, die Taiwan – Politik der USA wie Vasallen zu kopieren- stieß zu Hause auf kleinliche Kritik: Es sei vielleicht ganz gut, dass die USA Taiwan schützen wollten.

Dennoch ist die Weltpolitik den Männern und Frauen auf der Straße reichlich egal. Sie demonstrieren gegen zwei Jahre weniger Pension, weil sie das Gefühl haben, dass ihr ohnehin geringer Wohlstand einmal mehr beschnitten wird. Die Überlegung, dass die massiv gestiegene Lebenserwartung rechnerisch nichts anderes zulässt, ist diesem Gefühl nicht gewachsen. Die Franzosen wollen, dass es ihnen besser, statt schlechter geht und sie können den wirtschaftlichen Zustand ihres Landes nicht nur aus Zahlen ablesen, sondern erleben ihn täglich: Die Arbeitslosigkeit liegt noch immer bei 7,1 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit verharrt bei 17,4 Prozent – in Deutschland gibt es ganz drei Prozent Arbeitslose.

Es war die Hoffnung, dass Macron diesen wirtschaftlichen Zustand grundlegend verändern würde, die seiner inhomogenen “Bewegung” 2017 als Partei “En Marche” eine satte parlamentarische Mehrheit bescherte. Er setzte zwar durch, dass die Abfertigung Gekündigter nicht mehr so hoch ist, dass sie in Wirklichkeit Anstellungen verhindert und dass Eisenbahner nicht mehr mit 54 in Pension gehen dürfen, aber besser geht es den Franzosen nicht. Zuletzt war die zerstrittene Regierung nicht einmal mehr in der Lage, auch nur den Beschluss zur dringenden Anhebung des Pensionsalters zu fassen. Für diesen Fall kennt das französische Präsidialsystem die Möglichkeit des Präsidenten, sein Anliegen mit einer Art Notverordnung durchzusetzen und wie viele Präsidenten vor ihm machte Macron davon Gebrauch – was die Stimmung freilich noch mehr anheizte. Die Opposition focht die Verordnung an, aber die neun Verfassungsrichter, durchwegs ranghohe Ex- Politiker, beurteilten die Anhebung als verfassungskonform. Macron hat scheinbar einen klaren Sieg errungen.

Aber der Schein trügt. Die Unruhen dauern an; die Gewerkschaften haben Macron den totalen Krieg erklärt; er hat keine Mehrheit mehr im Parlament. Niemand weiß, wie er bis 2027 etwas weiterbringen soll. In deutschen Zeitungen kann man zutreffend lesen, woran Frankreich krankt: An der Weigerung so vieler Franzosen, strukturelle Reformen zu akzeptieren; an den zu starken Gewerkschaften; am zu großen Anteil der Landwirtschaft am BIP; an der zu geringen Bereitschaft einer abgehobenen Elite, sich mit den Problemen des kleinen Mannes zu befassen und Schonung der Elite vor Strafverfahren wegen Korruption.

Aber trotz all dieser traditionellen Schwächen wies Frankreich noch 2005 ein reales, kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf aus, das mit 36.703 USD nur um 1.198 USD unter dem deutschen von 37. 901 USD lag. Denn Frankreich besitzt gute, große Unternehmen, seine Klein- und Mittelbetriebe sind zwar schwächer als die deutschen, aber dafür hat es eine große konjunkturunabhängige Luxusindustrie und sind seine Banken weit stärker als deutsche Geldinstitute. Es hat gute Patente, sehr gute Schulen und sehr gute Universitäten. Aber während Deutschland sein BIP/Kopf bis 2017 auf 45.229 USD steigerte, legte das Frankreichs nur mehr auf 38.605 USD zu. Aus einem Abstand von rund 1.200 USD zu Gunsten Deutschlands im Jahr 2005 war 2017 einer von 6.000 USD geworden, der heute auf 7.400 USD weiter gestiegen ist.

Der so dramatisch vergrößerte Abstand hat zwar mehrere Gründe, aber  einen zweifelsfreien Hauptgrund, über den Deutschlands Medien kein Wort verlieren: Während Frankreich seine Löhne wie durch Jahrzehnte üblich, jedes Jahr um den Produktivitätszuwachs plus Inflation erhöhte und damit die in der EU vereinbarte Ziel-Inflation von 1,9 Prozent einhielt, übt Deutschland seit 2000 “Lohnzurückhaltung”. Daher die Reallohn Verluste vieler deutscher Arbeitnehmer – daher der gewaltige Konkurrenz-Vorteil der mit immer weniger Lohnkosten belasteten deutschen Waren, der sich gegenüber Frankreich zu einem Lohnstückkosten-Vorsprung von 20 Prozent addierte. Entsprechend massiv mussten französische Unternehmen in der EU, in Russland, in den USA oder in Südamerika Marktanteile an deutsche Unternehmen verlieren; mit Deutschland selbst wuchs  Frankreichs Handelsbilanz-Defizit um den Faktor 30.

Frankreichs Möglichkeit, Deutschland die verlorenen Marktanteile wieder abzujagen, ist eine rein theoretische. Denn  dazu müssten Frankreichs Unternehmen die deutschen Preise unterbieten, das heißt ihr Lohnniveau um mehr als 20 Prozent senken. Das provozierte selbst in Ansätzen eine Revolte, neben der die aktuellen Unruhen lächerlich sind. Zugleich verminderte es Frankreichs Inlands-Kaufkraft, die seine Inlands- Konjunktur aufrecht hält, derart, dass sie zusammenbräche. Aber ich soll nicht ständig wiederholen, warum ich in Deutschlands wirtschaftlichem Verhalten die größte Gefahr für die EU sehe.

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Wann und wodurch wanken Banken?

Die Pleiten von Banken könnten auch davon herrühren, dass sie mehr spekulieren, als sie Unternehmen Geld kreditieren. Hohe Zinsen können diese Gefahr verschärfen

Im Falter-Podcast zu  “Schwächen des Finanzsystems” habe ich die Frage, ob unsere Banken sicher sind, spontan mit “Ja”  beantwortet, weil ich mein eigenes Geld ohne zu Zögern auf jede heimische Bank legte.

Die richtige Antwort wäre gewesen: “In Österreich sind Einlagen bis 100.000 Euro absolut sicher. Aber man kann ein Finanzsystem nicht “sicher” nennen, in dem soeben zwei Großbanken Pleite gegangen sind. Es hat nur keinen Flächenbrand ausgelöst, weil richtig reagiert wurde:” Regierung und Notenbank der Schweiz haben bekanntlich dafür gesorgt, dass die größte Schweizer Bank, UBS, die wankende Credit Suisse übernommen hat; Joe Biden konnte verkünden, dass die Einlagen bei der Silicon Valley Bank (SVB) voll aus einem Topf gedeckt sind, den die US-Banken für solche Fälle gemeinsam gebildet haben. Auch wenn er nachschießen musste, dass die Regierung die Sicherheit aller Einlagen garantiert und das nur glaubwürdig war, weil die FED erklärte, jeder Bank, die sich in Schwierigkeiten befände, anonym zur Hilfe zu kommen.

Obwohl es in der EU keinen gemeinsamen Topf gibt und nichts Vergleichbares gesagt wurde, ist auch hier Ruhe eingetreten. Der Ökonom Stefan Schulmeister hat aber  zu Recht sofort darauf hingewiesen, dass das aktuelle Bankensystem störanfällig bleibt. Er, die ATTAK -Ökonomin Lisa Mittendrein und ich waren auch eher einig, woran das liegt: Das Hauptgeschäft der Banken besteht nicht mehr darin, Konsumenten und vor allem Unternehmen das Geld für realwirtschaftliche Geschäfte zu kreditieren, sondern darin, Geld in die Geldwirtschaft zu stecken und dort um so größere Gewinne zu machen, je spekulativer diese Investition ist. Denn das zeichnet die “Börse” aus: Der Aktienkurs eines Unternehmens, etwa “Tesla”, kann auch nur deshalb immer mehr steigen – den sämtlicher anderer Autoproduzenten zusammen übertreffen – weil immer mehr Menschen Tesla-Aktien in der Hoffnung auf Kursgewinne kaufen. Vor allem wenn Geld billig ist, geschieht das öfter. Es entstehen riesige Scheinwert-Blasen, die mit den realen Gewinnerwartungen des betreffenden Unternehmens nichts mehr zu tun haben. Irgendwann platzen diese Blasen – die von Tesla ist bereits stark geschrumpft – aber bis dahin können gewaltige Gewinne oder Verluste erzielt werden. Wenn es an den Börsen sehr viele Unternehmen gibt, deren Kurse wenig mit ihrer realwirtschaftlichen Erfolgserwartung zu tun haben, dann kann es für Banken, die solche Wertpapiere halten, leicht zum Problem werden. Die Aktien von Start-ups, wie die SVB sie durchaus zu Recht finanzierte, bilden besonders leicht Blasen und wenn die Zinsen steigen wird es für sie kritisch. Die SVB deckte sich daher zum Ausgleich mit scheinbar todsicheren mäßig verzinsten Staatsanleihen ein. Aber deren Kurs musste dramatisch fallen, als die FED den Leitzinssatz drastisch anhob – das war bekanntlich der Todesstoß für die SVB. Das Problem ist die starke Zunahme relativ spekulativer Aktien und typisch für die aktuelle Situation ist, dass sogar Unternehmen mit ihren Gewinnen derzeit lieber an der Börse spekulieren, als sie ins eigene Geschäft  zu stecken.

Frägt sich, wie man ein zu hohes Maß an Spekulation und damit Unsicherheit reduzieren kann. Theoretisch dadurch, dass jeder, der sich verspekuliert, eben pleite geht. Aber wenn das einer große Bank wie Lehman Brothers passiert, mündet es in eine Finanzkrise, die zur Wirtschaftskrise wird – deshalb werden solche Pleiten bei großen Banken mit aller Kraft vermieden – vielleicht sollten sie nicht so groß sein?

In den USA mussten jetzt nur die Mittel aus dem gemeinsamen Bankentopf aufgewendet werden – in der EU gibt es diesen Topf vorerst nicht. Aber die EU-Bankenunion” soll noch viel mehr leisten: Schon jetzt sorgt sie, besser als in den USA für eine gemeinsame Bankenaufsicht und sieht auch einen Mechanismus für die Abwicklung strauchelnder Banken vor, damit sie nicht so teuer wie bei der Credit Suisse ausfällt. Was weiter fehlt ist die in allen Ländern gleiche Absicherung der Einlagen durch einen gemeinsamen Topf: Deutschland wehrt sich dagegen mit seinen Banken womöglich für die Pleiten “südlicher” Banken zu haften, obwohl die “Deutsche Bank” gelegentlich in Skandale verwickelt war, die an die Credit Suisse erinnern.

Vergleichbar nützlich erschienen mir für alle Unternehmen absolut gleiche, von jedem Unternehmen einzuhaltende Vorschriften der Bilanzierung: Es sollte undenkbar sein, dass, wie in Österreich geschehen, für ein Geschäftsjahr zuerst ein Verlust und dann einen Gewinn bilanziert wird. Wenn sich alle Unternehmen an Hand ihrer Bilanzen einfach bewerten lassen, bleibt weniger Raum für Spekulation.

Sehr unterschiedlich haben wir im Podcast die Rolle der Notenbanken beurteilt: Die Ökonomin Heike Lehner, die an der Wirtschaftsuni tätig ist, war der Meinung, dass sie durch ihr zu spätes Eingreifen Schuld an der aktuellen Inflation trägt und die Zinsen jetzt zu Recht endlich deutlich erhöht – Schulmeister und ich können unverändert nicht verstehen, warum eine Geldpolitik, die durch 13 Jahre fast mit Deflation verbunden war, plötzlich zentrale Ursache der Inflation sein soll und zweifeln auch am Segen der aktuellen massiven Zinserhöhung, von der ich fürchte, dass sie jedenfalls dann in eine Rezession münden wird, wenn die Staaten der EU weiterhin sparen, statt massiv in Digitalisierung und Klimaschutz zu investieren. Gegen Ende des Jahres könnten Sie es wissen.

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Wie Notenbanken unsinnig Risiken erhöhen

Silicon Valley Bank und Credit Suisse sind primär Opfer ihres schlechten Risikomanagements – aber massiv erhöhte Leitzinsen haben ihre Risiken zusätzlich erhöht.

Vor einem Monat habe ich hier getitelt: “Hoffentlich weiß die Geldpolitik, wohin sie führt?” Jetzt ist klar: Sie weiß es nicht. Die Silicon Valley Bank (SVB) ist, wie die Credit Suisse, zwar primär Opfer ihres schlechten Risikomanagements, aber angesichts massiv erhöhter Zinsen musste ihr Risiko schlagend werden: Im gegebenen Zinsumfeld erwiesen sich Schwächen als letal.

Ausgangspunkt der massiven Zinserhöhung von FED und EZB war die absurde These, dass ihre lockere Geldpolitik die Hauptschuld an der aktuellen Teuerung trüge, obwohl sie durch ein Jahrzehnt beinahe mit Deflation verbunden war. Aber während für Laien klar war, dass die aktuelle Teuerung voran der Verteuerung fossiler Energie durch den Ukrainekrieg geschuldet ist, beharren Wirtschaftswissenschafter wie Deutschlands “Starökonom” Hans Werner Sinn auf der zentralen Schuld der lockeren Geldpolitik, die er so begründet: Die Inflation hätte sich in zehn Jahren wie Catchup in einer Flasche angestaut und pflatsche nur auf einmal heraus.

Auch ich halte billiges Geld keineswegs für grundsätzlich gut, aber nach der Finanz- und der Corona- Krise erleichterte es die Erholung erheblich. Richtig wäre gewesen, den Leitzins nur in den viel besser erholten USA und erst nach ihrer völligen Erholung auch in der sparenden EU, in beiden Fällen aber denkbar behutsam, anzuheben – ihn massiv anzuheben war ein grober Fehler. In den USA wurde er dadurch begünstigt, dass die “Democrats” fürchten, die Teuerung könnte Joe Biden den politischen Erfolg kosten – in der EU geschah er, weil Christine Lagarde dem Druck nachgab, den voran Deutschlands Vertreter, aber auch Österreichs Robert Holzmann im EZB-Rat entfalteten. Gemeinsam war ihnen, den Unterschied von “Teuerung” und echter Inflation nicht zu sehen: Letztere liegt nur vor, wenn steigende Preise überhöhte Löhne bedingen, die zu noch höheren Preisen führen, und wenn das in einen sich selbst verstärkender Prozess mündet – das aber war weder in den USA noch in der EU der Fall und wäre die einzige Rechtfertigung, den Leitzins massiv zu erhöhen. Zudem hätte man gewarnt sein müssen: Genauso hat FED-Chef Alan Greenspan 2008 agiert, als er die Märkte zuerst aus einem falschen Grund, nämlich wegen bröckelnder Aktienkurse, mit billigem Geld flutete, um den Leitzins plötzlich aus Angst um den Dollar massiv zu erhöhen.

Die Pleite der SVB erinnert zwar an die so entstandene Pleite von Lehman Brothers, aber die Unterschiede sind doch erheblich. 2008 hatten nicht nur Lehman Brothers, sondern alle großen Banken der USA und der EU toxische Finanzprodukte im Tresor: “Derivate” vermischten auf undurchsichtige Weise Kredite von Hauskäufern bester Bonität mit Krediten an denkbar schwache (“subprime”) Schuldner. Als Greenspan den Leitzins plötzlich massiv anhob, konnte keiner diese schwachen Schuldner seine Kreditraten zahlen, der Wert der Derivate stürzte ab und zahllose Banken in den USA wie der EU wankten.

Das ist jetzt anders, auch wenn die hohen Aktienkurse einmal mehr mit zuvor billigem Geld zu tun haben. (Obwohl es nicht der Aktien, sondern der Pandemie wegen bis lange billig war). Der größte Unterschied zu 2008 besteht aber darin, dass die Probleme von SVB oder Credit Suisse nicht die Dimension haben, die die toxischen Derivate mit sich brachte. Die Credit Suisse wankte auf Grund einer einzigartigen Abfolge von Skandalen und hat sich dank 100 Milliarden aus der Schweizer Notenbank in der starken UBS aufgelöst. Die SVB hatte sich auf die Finanzierung von Startups spezialisiert und ihr Risiko unterschätzt, und es gibt zwar eine Menge US-Banken mit diesem Geschäftsmodell – aber nicht entfernt so viele, wie 2008 sowohl in der USA wie in der EU toxische Derivate in ihren Büchern hatten. Denn die Undurchsichtigkeit dieser Derivate war damals staatlich vorgegeben: Die USA hatten den Handel mit ihnen im Eivernehmen mit Greenspan als “Privatgeschäft” eingestuft und bewusst nicht reguliert. Komplettiert wurde dieser neoliberale Skandal dadurch, dass die großen Rating-Agenturen, die von den Banken gegen hohes Honorar mit der Bewertung der Derivate beauftragt wurden, sie als absolut sicher (tripple A) einstuften, obwohl sie oft völlig wertlos waren. Zum Flächenbrand wurde die Lehman – Pleite, weil George W. Bush sie bewusst nicht durch staatliches Eingreifen abwendete. Da unzählige Banken Derivate besaßen, hörten sie aus Pleiten-Angst auf, einander Geld zu borgen und die nötigsten Geldflüsse trockneten aus.

Barack Obama und die Regierungen der EU lösten das Problem bekanntlich, indem der Staat “Systemrelevanten” Banken hohe Kredite gewährte. Die Banken mussten ihr Eigenkapital erhöhen und es wurden, in der EU mehr als in den USA, Stresstests eingeführt, die prüfen, wie widerstandsfähig sie sind. Gleichzeitig zahlen US-Banken in einen gemeinsamen Topf, aus dem die Kunden der SVB jetzt das Geld erhalten, das sie dort eingelegt haben – nur die Aktionäre der SVB verlieren Geld. Joe Biden garantiert im Wege der FED mittlerweile alle Bankeinlagen. In der EU gibt es das schon seit 2014 und dazu ein System für die Abwicklung kranker Banken. Zudem ist das Problembewusstsein geschärft: Die Credit Suisse ist bereits in der UBS aufgegangen und die Schweizer Notenbank hat dazu 100 Milliarden beigetragen. In Summe hat das in den USA wie in der EU gereicht, einen “Bankenrun” zu verhindern – eine demnächst kräftige Rezession verhindert es nicht.

 

 

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Wie Putin die FPÖ zu seinem Krieg nutzt

2016 wollte die FPÖ die Sanktionen im Parlament killen, sie bekämpft sie auf Corona-Demos und Herbert Kickl macht damit Wahlkampf. Uns machen sie falsche Hoffnungen.

Es war immer schon charakteristisch für die FPÖ und ihre Wähler, dass es sie nicht irritierte, dass sie unter Heinz Christian Strache einen „Freundschaftsvertrag“ mit Putins Partei „Einiges Russland“ geschlossen hatte, obwohl “Einiges Russland“ nicht demokratischem Wettstreit dient, sondern im Gegenteil das wichtigste Instrument zur Absicherung der Diktatur Wladimir Putins ist. Ein Freundschaftsvertrag mit der griechischen Militärjunta wäre die beste historische Entsprechung.

Aber der von einer internationalen Recherchegemeinschaft ermittelte, soeben im profil veröffentliche interne Mailverkehr unter Putin-Propagandisten scheint weit mehr als Freundschaft zu belegen: FP-Abgeordnete besuchten demonstrativ die Krim, schon auf Corona -Demos wurde Putins Krieg beworben; im März wurde ein Dokument bekannt, das dem Mail des führenden russischen -Putin Propagandisten Sargis M. an einen weiteren PR-Experten Moskaus angehängt war und dessen Titel übersetzt lautet: „Entschließung zur Aufhebung antirussischer Sanktionen im österreichischen Parlament“. Passieren sollte das laut Dokument, indem der FP-Abgeordnete Johannes Hübner einen solchen Antrag im Nationalrat einbringt. Als Kosten dafür wurden 20.000 Euro plus 15.000 Euro bei erfolgreicher Abstimmung veranschlagt.

Tatsächlich brachte Hübner am 6. Juli 2016 genau diesen, wenn auch vom Parlament abgelehnten Antrag ein. Dass er dafür Geld erhalten hätte bestritt er, als das Dokument im März 2022 noch ohne begleitenden Mailverkehr ruchbar wurde.

Aber gleich ob Zahlungen erfolgten, werfen die Vorgänge doch auch einiges Licht auf den so vehementen Kampf Herbert Kickls gegen die „Sanktionen.“ Konnte man bisher annehmen, dass er nur sofort begriff, wie erfolgreich es sein musste, der Regierung vorzuwerfen, dass sie die aktuelle Teuerung verantwortet, indem sie sich den Sanktionen anschloss, so drängt sich immer mehr der Verdacht auf, dass Kickl recht gut wissen könnte, wie sehr er Putins Agenda unterstützt.

Wie Kickls meiste Behauptungen ist auch die, dass die Sanktionen die Teuerung ausgelöst hätten, falsch:  Die massive Drosselung der Öl-Förderung, die ihr zu Grunde liegt, wurde von der OPEC und Putin schon 2018/19 in Vorbereitung seines Krieges beschlossen. Und er benützte die Abhängigkeit der EU von seinem Erdgas auch dann als Waffe, wenn ihm keine Sanktionen angedroht worden wären, weil es seine mit Abstand stärkste Waffe gegen die Unterstützung der Ukraine ist. Eigentlich müsste Kickl zugestehen, dass er gegen diese Unterstützung ist – Alexander Van der Bellen hat begreiflicherweise erklärt, dass er ihn deshalb nicht mit einer Regierungsbildung betraute- aber Kickl muss dieses Eingeständnis nicht machen: Die Gleichzeitigkeit von Sanktionen und Teuerung genügt FP- Wählern, das eine für die Ursache des anderen zu halten.

Wie sehr die Sanktionen Putin schmerzen, geht nicht zuletzt aus dem aufgezeigten Bemühen hervor, sie aufzubrechen. Aber natürlich schmerzen sie auch uns. Es gibt nur zwei Sanktionen, die große Wirkung entfalten und null Probleme bereiten: Russland jeden Zugang zu Hochtechnologie zu sperren, denn das wirft seine industrielle Produktion auf Jahrzehnte hinaus zurück und erschwert zugleich unmittelbar seine Waffenproduktion. Und die Vermögen Russlands und aller Unterstützer Putins einzufrieren und sie bei der Reise in die EU dem Risiko der Verhaftung auszusetzen.

Die Einigung der EU auf einen maximalen Ölpreis, mindert zwar seine Einnahmen, aber es gibt genug Abnehmer außerhalb der EU, um diese Minderung nicht dramatisch ausfallen zu lassen. Für die Wirtschaft der EU ist weniger russisches Öl zwar auch nicht lebensgefährlich, aber doch ein Problem, weil Putin und OPEC auf diesen Höchstpreis mit dem Versuch reagieren, die Ölförderung noch weiter zu drosseln, so dass der Ölpreis nur langsam fällt, obwohl die USA wieder mehr in ihr Fracking investieren. Nur befördert weiterhin eher teures Öl wie nichts anderes die Erschließung alternativer Energien, die uns alleine befähigt, eine Klimakatastrophe abzuwehren.   

Weit kritischer wäre ein Erdgas- Höchstpreis, den die EU denn auch nicht beschlossen hat: Zwar könnte Russland sein Gas mangels Leitungen nicht so leicht teuer an andere Abnehmer verkaufen, aber Europa, Deutschland und allen voran Österreich litten dramatisch unter einem Lieferstopp: LNG aus den USA, das die Lücke vor allem füllen müsste, kostet das Doppelte.

Gleichzeitig strotzt die Hoffnung, dass der russische Staat durch Embargos pleite gehen könnte, wie Ratingagenturen glauben machten, nachdem sie die russische Währung auf Ramschniveau heruntergestuft hatten, von ökonomischer Ahnungslosigkeit: Staaten, die über eine eigene Notenbank verfügen, können immer für genug Geld sorgen. (Im Übrigen hat Russland trotz Beschlagnahmen auch noch ausreichend Devisen.) Genauso falsch ist die Hoffnung, dass Putin dank Embargos zu wenig Geld für Waffen und Munition haben könnte. Russische Waffen kauft er mit Rubeln, die ihm seine Notenbank beliebig liefern kann – ausländische Waffen braucht er nicht. Waffenimporte machen nur gerade 0,7 Prozent der gigantischen russischen Waffenexporte aus, die die zweitgrößten hinter der USA sind.

Mit Abstand am ehesten kann (soll) man Putin mit größeren Waffenlieferungen an die Ukraine am Schlachtfeld zum Einlenken zwingen – mit Rohstoff- Embargos kann man es nicht.

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Weiß die Geldpolitik, wohin sie führt?

Die EZB glaubt, die mit dem Ukrainekrieg einsetzende Inflation am besten mit höheren Zinsen zu bekämpfen – vielleicht überschätzt sie sich und schafft nur Rezession

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Mitte Dezember die Leitzinsen erneut um 50 Basispunkte erhöht und EZB-Chefin Christine Lagarde hat weitere Erhöhungen angekündigt. Für das deutsche Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel ist das Ausdruck „energischer Entschlossenheit“ die Inflation in den Griff zu bekommen. Die damit verbundene Gefahr, „dass das Wachstum sinkt und die Arbeitslosigkeit steigt“, scheue sie nicht, denn es gelte die Glaubwürdigkeit der EZB zu wahren. Tatsächlich ist für die EZB, anders für die FED, Preisstabilität noch vor allgemeinem wirtschaftlichem Funktionieren das höchste Ziel.

Für mich nicht. Mich besorgt das Risiko, dass uns steigende Arbeitslosigkeit und sinkendes Wachstum in eine vermeidbare Krise führen. Zugleich ist mir ein Rätsel, warum eine Inflation, die für mich offenkundig auf der Verteuerung von Öl, Gas und Getreide im Zuge des Ukrainekrieges beruht, voran der lockeren Geldpolitik (QE) der Notenbanken angelastet wird. Denn durch volle 13 Jahre war QE ganz im Gegenteil fast mit Deflation verbunden: Statt dass die Preise „durch die Decke schossen“, wie der heutige Agenda Austria Chef Franz Schellhorn in der Presse vermutete, lag die Teuerung fast bei null. Schellhorn ist freilich nicht zufällig zu seiner Vermutung gelangt, sondern der These von Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman gefolgt, wonach jede Erhöhung der umlaufenen Geldmenge Inflation erzeugt. Denn QE erhöht sie zweifellos: Die EZB kauft voran von Banken Staatsanleihen und zwingt sie, das erhaltene Geld so schnell wie möglich als Kredite zu vergeben, indem sie ihnen Strafzinsen verrechnet, wenn sie es bei ihr parken. Die FED, die QE 2008 als erste Notenbank einsetzte, war auf Grund ihrer Beobachtungen nämlich zuversichtlich, dass Friedmans These nicht stimmt und sah sich darin durch 13 Jahre bestätigt: Den meisten US-Ökonomen gilt Friedmans These als falsifiziert. Lagardes Vorgänger Mario Draghi hat QE 2015 jedenfalls unbesorgt und aus gutem Grund übernommen: Er sah, wie schwer sich die Wirtschaft der EU von der Finanzkrise erholte, weil der Maastricht-Vertrag ihre Staaten zwingt, sich bei ihren Investitionen zurückzuhalten, um ihre Schulden nicht über 60 Prozent des BIP zu erhöhen – einer Grenze, der erwiesen falsche Berechnungen des Ökonomen Kenneth Rogoff zu Grunde liegen. Draghi hoffte zu Recht, dass QE der Wirtschaft der EU das Geld zuführt, das Maastricht ihr vorenthält und dass der Kauf von Staatsanleihen höher verschuldeter Länder wie Italien darüber hinaus die sogenannten „Spreads“ minimiert: Sie mussten auf den Kapitalmärkten nicht soviel höhere Zinsen als Österreich oder Deutschland zahlen. Manche Juristen sehen darin eine unlautere Begünstigung Italiens, statt wie ich eine sinnvolle Stabilisierung der EU in ihrer Gesamtheit. Sicher aber ist es keine Erklärung dafür, dass QE plötzlich wesentlich zu einer Inflation um die zehn Prozent beigetragen haben soll. Während ich meine, dass sie mit der fast so hohen Verteuerung von Öl, Gas und Getreide im Zuge des Ukrainekrieges hinreichend erklärt ist, bietet der deutsche „Starökonom“ Hans Werner Sinn folgende Erklärung an: Die Inflation habe sich wie Katchup in einem Flaschenhals angestaut und pflatsche nun auf einmal heraus. Ich sehe einen umgekehrten solchen Mechanismus nur am Aktienmarkt: Dort hat QE zweifellos zu einer „Blase“ geführt, die jetzt rasch geschrumpft ist.

Entscheidend ist freilich, ob die nunmehr massiv erhöhten Zinsen die aktuell richtige Politik für die EU sind. In meiner Vorstellung hätte die darin bestanden, die Maastricht-Kriterien nicht bloß befristet auszusetzen, sondern endlich so abzuändern, dass sie höhere Staatsschulden und damit höhere Investitionen zulassen. Erst dann könnten Anleihekäufe der EZB sich darauf beschränken, große Spreads zu verhindern. Denn grundsätzlich ist es natürlich sinnvoll, wenn Geld die Banken wieder mehr kostet, so dass ihre Kunden es voran an der richtigen Stelle einsetzen.

Ansonsten senken erhöhte Zinsen wie Schnabel richtig sagt, das Wachstum und erhöhen die Arbeitslosigkeit. Letzteres wird von den Notenbanken logisch begründet: Inflation ist dann gefährlich, wenn steigende Preise nur immer höhere Löhne nach sich ziehen, die die Preise noch mehr erhöhen, so dass daraus ein sich selbst verstärkender Prozess wird. Der wird durch erhöhte Arbeitslosigkeit zweifellos gebremst, weil die höheren Löhne dann nicht mehr durchsetzbar sind. An der Inflation der USA mögen überhöhte Löhne vielleicht einen Anteil haben – an der Inflation der EU sicher nicht: Die Löhne breiter Schichten sind durch über ein Jahrzehnt gesunken.

Nunmehr durch die FED erhöhte Arbeitslosigkeit wird daher nur das BIP senken und womöglich weiterhin von Teuerung begleitet sein. Besonders kritisch kann das für ein Land wie Italien werden: die Rückzahlung seiner Schulden wird durch die deutlich erhöhten Zinnen deutlich teurer, gleichzeitig drohen erhöhte „Spreads“ die Aufnahme neuer Schulden zu erschweren. Das kann der Beginn der nächste Eurokrise sein.

P.S.: In die USA ist die Inflation bereits deutlich, in der EU etwas gesunken. FED wie EZB schreiben sich das gut. Ich vermute respektlos, dass es voran ausgeweitetem Fracking zu danken ist, sowie dem Umstand, dass die EU ihre Abhängigkeit von Erdgas reduziert konnte und dass ihre Staaten einander beim Kauf von Erdöl nicht mehr überbieten.

 

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Was Sanktionen können- und was nicht

Die Teuerung wurde nicht, wie die FPÖ behauptet, durch die „Sanktionen“ ausgelöst– aber es werden falsche Hoffnungen an sie geknüpft. Ein Gas – Embargo wäre ein Eigentor

Dass die FPÖ bei den NÖ- Wahlen erstmals vor der SPÖ landet, war zu erwarten – dass alle Umfragen sie bundesweit vorne sehen ist eine sozialdemokratische Leistung: Indem Pamela Rendi-Wagner die Regierung mit den gleichen Worten wie Herbert Kickl kritisiert, bestärkt sie Ahnungslose in der Meinung, dass er rundum Recht hätte.

Die FPÖ kann noch so oft versagen – sie kommt zurück und wächst. H.C. Strache konnte einer angeblichen Oligarchin eben erst versprechen, ihr die Staatsaufträge zuzuschanzen, die er politischen Gegnern entzieht – die Wähler haben es vergessen. Es gibt keine Partei, die im Verhältnis zu ihrer Regierungsbeteiligung mehr Korruption verantwortet – die Vorgänge in der Grazer FPÖ sind symptomatisch – dennoch nehmen Wähler ihr ab, dass sie die Korruption beendet. Es gibt kein anderes Land, in dem eine faschistoide Grundhaltung ähnlich verbreitet wäre: die Überzeugung, dass „die da oben“ – die Politiker – unfähig wären, dass ein „starker Mann“ alles besser machte, und dass „wir“ – die Österreicher – ungleich besser als alle „anderen“ – Migranten und Ausländer – wären. Herbert Kickl wird H.C. Strache an Erfolg noch übertreffen, denn er hat die aktuell optimale Strategie entdeckt: Er behauptet, dass „die da oben“ – die Regierung – schuld an der aktuellen Teuerung wäre, indem sie sich an den „Sanktionen“ beteiligt hat, die nur „anderen“ – den Ukrainern – nützen. Wie Kickls meisten Behauptungen ist auch diese im Kern falsch: Die massive Drosselung der Öl-Förderung, die der hohen Inflation zu Grunde liegt, wurde von der OPEC und Putin schon 2018/19 in Vorbereitung seines Krieges beschlossen. Und Putin benützte die Abhängigkeit der EU von seinem Erdgas auch dann als Waffe, wenn ihm keine Sanktionen angedroht worden wären, weil es seine mit Abstand stärkste Waffe gegen die Unterstützung der Ukraine ist. Eigentlich müsste Kickl zugestehen, dass er gegen diese Unterstützung ist, und Alexander Van der Bellen hat zu Recht erklärt, dass er so jemanden nicht mit der Regierungsbildung betraute. Aber Kickl muss dieses Eingeständnis nicht machen: Die Gleichzeitigkeit von Sanktionen und Teuerung genügt FP-Wählern, das eine für die Ursache des anderen zu halten.

Dennoch gibt es in Kickls Argumentation auch ein Korn Wahrheit, auf das ich eingehen möchte. Es gibt nur zwei gegen Wladimir Putin gerichtete Sanktionen, die große Wirkung entfalten und uns mit Sicherheit null Probleme bereiten: Russland jeden Zugang zu Hochtechnologie zu sperren, denn das wirft seine industrielle Produktion auf Jahrzehnte hinaus zurück und erschwert zugleich unmittelbar seine Waffenproduktion. Und die Vermögen Russlands und aller Unterstützer Putins einzufrieren und sie bei der Reise in die EU dem Risiko der Verhaftung auszusetzen. Beides wird zwar nach menschlichem Ermessen weder Putin stürzen noch den Ukrainekrieg beenden, aber es kann dazu beitragen, ihn doch nach einem Kompromissfrieden suchen zu lassen.

Dagegen mindert ein Öl-Embargo der EU zwar Putins Einnahmen, aber es gibt genug Abnehmer außerhalb der EU, um diese Minderung nicht dramatisch ausfallen zu lassen. Für die Wirtschaft der EU ist weniger russisches Öl zwar auch nicht lebensgefährlich, aber doch mit Problemen verbunden. Dass der „Westen“ sich im Rahmen der Sanktionen auf einen Maximalpreis für russisches Öl zu einigen vermochte, beantworten Russland und OPEC seit 2022, indem sie die Förderung weiter zu drosseln suchen, so dass der Ölpreis nur in Grenzen fällt, obwohl die USA ihr Fracking ausweiten. Allerdings befördert weiterhin eher teures Öl wie nichts anderes die Erschließung alternativer Energien, die uns alleine befähigt, eine Klimakatastrophe abzuwehren.

Weit kritischer wäre ein Erdgas- Höchstpreis, den die EU denn auch nicht beschlossen hat: Zwar könnte Russland sein Gas mangels Leitungen nicht so leicht teuer an andere Abnehmer verkaufen, aber Europa, Deutschland und allen voran Österreich litten dramatisch unter einem Lieferstopp: LNG aus den USA, das die Lücke vor allem füllen müsste, kostet das Doppelte von russischem Gas. Für Deutschland vermochten deutsche Ökonomen für den Fall des Lieferstopps in ihrer Modellrechnung überhaupt keine tragfähige Zahl für das zu erwartende BIP-Minus zu ermitteln – für Österreich sähe es noch schlimmer aus.

Gleichzeitig strotzt die These, dass der russische Staat durch Embargos pleite gehen könnte, wie Ratingagenturen glauben machten, nachdem sie die russische Währung auf Ramschniveau heruntergestuft hatten, von ökonomischer Ahnungslosigkeit: Staaten, die über eine eigene Notenbank verfügen, können immer für genug Geld sorgen – sie können Geld nur schwer am Kapitalmarkt aufnehmen oder ihre Währung gegen Devisen tauschen. (Im Übrigen hat Russland trotz Beschlagnahmen auch noch ausreichend Devisen.) Genauso falsch ist die Vorstellung, dass Putin dank Embargos zu wenig Geld für Waffen und Munition für seinen Krieg haben könnte. Russische Waffen kauft er mit russischen Rubeln, die ihm seine Notenbank beliebig liefern kann – ausländische Waffen braucht er nicht. Waffenimporte machen nur gerade 0,7 Prozent der gigantischen russischen Waffenexporte aus, die die zweitgrößten hinter der USA sind.

Man kann (soll) Putin durch größere Waffenlieferungen an die Ukraine am Schlachtfeld zum Einlenken in seinem Krieg zwingen – durch Rohstoff- Embargos kann man es nicht.

 

 

 

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Die Leiden der Technik unter der Emotion

Kann Kernenergie grün sein? Können E-Autos das CO2 -Problems verschärfen? Kann Technik den Klimawandel am besten bekämpfen? Die Schwierigkeit, es sachlich zu diskutieren.

Wenn man Österreichs Krieg gegen Kernkraft für verfehlt hält, weiß man, dass man auf heftigsten sachlichen wie emotionalen Widerstand trifft. „Die Enttäuschung, dass der anlassgebende Beitrag redaktionell freigegeben wurde ist groß“, schrieb Falter-Leserin Christa Wieland an Florian Klenk. Ich muss hoffen, dass man auch in der Vielfalt redaktioneller Information einen Wert sehen kann: Texte, wonach Kernkraft gefährlich und unwirtschaftlich sei, sind so zahlreich, dass es erlaubt sein sollte, einmal auch die Argumente vorzubringen, die Hannes Androsch, Science Buster Werner Gruber, die EU- Kommission oder mich die Kernkraft nicht abschreiben lassen, seit gesichert ist, dass man ihren strahlenden Müll zu tragbaren Kosten endlagern kann, indem man ihn mit Neutronen beschießt.

Zu meinem Erstaunen bin ich auf vergleichbar emotionalen Widerstand gestoßen, als ich argumentierte, dass Technik den Klimawandel erfolgreicher bekämpfe, als „systemische Veränderung“.  Solarparks auf einem Hundertstel der Fläche der Sahara, so schrieb ich, könnten mehr CO2 vermeiden, als Energiesparappelle.

„Alle paar Wochen“, entgegnet Falter -Leser Jürgen Gehbert, „öffnet uns P.M. Lingens ein Schaufenster ins letzte Jahrtausend, als man gemeinhin noch dachte, Technologien könnten die Klimamisere ohne Notwendigkeit für systemische Veränderung lösen…Bei den meisten Menschen in der Energiebranche verursacht das höchstens Kopfschütteln… Trotz des Glaubens an neue Technologien bezweifelt er… dass ein E-Auto seinen CO2-Ausstoß senken könnte. Na ja, was will man da noch sagen?“

Statt etwas zu sagen zitiere ich Georg Brasseur, emeritierter Professor für elektrische Messtechnik der TU Graz: „Woher sollen wir genug Strom nehmen, um E-Autos sinnvoll zu betreiben? Es ist unverantwortlich von der Politik ein System durchsetzen zu wollen, von dem klar ist, dass es bei Vollausbau nicht funktionieren kann, da mehr Stromverbraucher ans Netz kommen, als grüne Kraftwerke gebaut werden“.

Bei der zentralen Frage, ob Technik mehr bringe, als systemischer Wandel vertiefte Falter-Leser Alexander Tillinger Gehberts Kritik an meiner Sicht so „Merken Sie denn nicht, dass Sie technisch und ökologisch in einem vergangenen Jahrhundert leben? Woran erkennt man Verbohrtheit? Daran, dass der Betroffene es selbst nicht merkt. Tragisch.“

Mittlerweile führen Tillinger und ich eine gewinnbringende sachliche Auseinandersetzung zu dieser Frage. So wusste ich, als ich meinen Text schrieb, nicht, dass es das Sahara-Projekt, das ich vorschlug bereits gibt und dass es unter dem Namen „Desertec“ beinahe verwirklicht worden wäre. Siemens -Ingenieure hatten nicht anders als ich errechnet, dass ein Solarpark auf einem Hundertstel der Fläche der Sahara genügend Energie für den ganzen Erdball liefern könnte. Die Anlage sollte in Tunesien errichtet werden und über ein Kabel durchs Mittelmeer Strom an Europa liefern.

Tillinger kannte das Projekt und wusste, warum es aufgegeben wurde. Den letzten Stoß versetzte ihm ein tunesischer Polit-Aktivist, der erklärte, dass es „kolonialer Ausbeutung“ diene – Tunesien solle Europa Strom liefern und nichts davon haben – doch Siemens bestreitet das glaubwürdig, denn der gemeinsame Vorteil ist evident. Entscheidend war vielmehr zweifellos, dass sich in Europa zum errechneten Preis nicht genügend Abnehmer für den Wüsten-Strom fanden.

Tillinger und mein Kollege Erwin Iwaniewicz nannten mir dafür gute Gründe: Es sei nicht mehr richtig, dass Großkraftwerke sich am besten eigneten, grüne Energie zu liefern, denn es entstünden zu große Verluste bei ihrem Transport an die Stelle, wo sie gebraucht wird. Zugleich wären Solarpanele so effizient und preiswert, dass es günstiger sei, sie vor Ort zu installieren. Zudem wären dezentrale grüne Stromquellen sicher vor militärischen Angriffen.

In Summe hätte mich das um ein Haar überzeugt, dass Wüstenstrom tatsächlich von gestern ist, wenn Professor Brasseur nicht behauptete: „Grüne Energie sollte dort hergestellt werden, wo sie gut geerntet werden kann. Die gleichen Solarzellen erzeugen in Nordafrika bei gleichem Ressourceneinsatz zwei bis dreimal soviel Energie wie in Mitteleuropa.“

Davon geht der Brite Simon Morish aus, dessen Firma Xlinks derzeit in Marokko auf 15.000 km2 einen Solarpark errichtet, der grünen Strom nicht mehr wie Siemens mit Parabolspiegeln, sondern mit Solarpanelen erzeugt und ab 2028 an Großbritannien liefern soll. Marokko hat Xlinks die dafür benötigte Fläche verpachtet, obwohl kein Strom nach Marokko fließt, denn es hat genügend eigene Solarparks und freut sich über die von Morish geschaffenen Jobs. Die Megawattstunde Strom soll nicht einmal ein Zehntel des für Desertec errechneten Betrages kosten und über ein neuartiges Hochspannungs-Gleichstromkabel mit minimalen Verlusten acht Prozent des britischen  Bedarfs decken.

Das diesbezüglich führende Frauenhofer Institut für Solare Energiesysteme hält das Projekt für erfolgversprechend, statt es dem vergangenen Jahrhundert zuzuordnen. Für das aktuelle Jahrhundert erhoffe ich daher ein gleichermaßen von weltpolitischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen geformtes, maximal ergiebiges Nebeneinander von Wüsten-Solarparks, Windparks im Meer, Kernkraft und lokalen Solarpanelen und Windrädern. Die jeweils verwirklichte Lösung wird immer eine technische sein – aber es bedarf vermutlich eines systemischen Wandels, sie sachlich zu diskutieren.

 

 

 

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Teure Geschenke für die ÖVP- Klientel

Die Regierung unterstützt Unternehmen, die weder durch die hohen Energiekosten noch durch Konkurrenz gefährdet sind. Das vermindert Investitionen gegen den Klimawandel

Die Aktionen der „letzten Generation“ sind mir denkbar unsympathisch: Wenn Gemälde angeschüttet oder Konzerte gestört werden, wird das Beste entwertet, was die Menschheit geschaffen hat: Kunst. Gleichzeitig habe ich für diese Aktionen größtes Verständnis: Zehn Minuten Unterbrechung des Neujahrskonzerts wären keine Katastrophe gewesen – die Klimakatastrophe kostete Millionen Menschen das Leben. Sie zu verhindern ist die mit Abstand wichtigste Aufgabe unserer Generation und wir sind damit dramatisch im Rückstand: Ohne Lockdowns hätte sich der CO2-Ausstoß der EU um nichts verringert – in Österreichs ist er sogar gestiegen.

Meines Erachtens bestünde die wirksamste Gegenmaßnahme darin, die Chinesen bei der Errichtung eines Mega-Solarparks in der Wüste Gobi zu unterstützen, mit dessen grünem Wasserstoff sie den CO2-Ausstoß ihrer gigantischen Stahlproduktion verringern könnten. Dass die von der EU mit dem Programm „Fit for 55“ ergriffenen Maßnahmen ihren CO2-Ausstoß ausreichend verringern, bezweifle ich: Die Investitionen in grüne Energie sind weiterhin zu niedrig, die CO2-Steuern nicht hoch genug. Auch der Erfolge der aktuell prominentesten Maßnahme, die sündteure Förderung der E- Mobilität scheint mir unverändert problematisch: Mit dem Professor der TU Graz Georg Brasseur fürchte ich, dass der für Millionen E- Autos zusätzlich benötigte Strom in den meisten Ländern noch lange mittels Kohle hergestellt werden muss. Denn zusätzlichen grüner Strom verbrauchten künftig ja auch Millionen Wärmepumpen, die großen Stahlschmelzen, vor allem aber alle Produktionsanlagen die bisher mit fossiler Energie betrieben wurden und „grün“ werden sollen. Zwar hat Österreichs Regierung die Förderung betrieblich genutzter E-Fahrzeuge heuer etwas reduziert, aber das reduziert einen meines Erachtens grundsätzlichen Fehler nur marginal.

Dennoch musste ich der Regierung einen bisher vernünftigen Umgang mit verteuerter Energie bescheinigen: Sie hat begriffen, dass der Staat nicht Jedem finanziell beistehen, sondern nur die Schwachen unterstützen kann. Mindestens die Hälfte der Österreicher kann die höheren Benzin- Gas- Strom- oder Nahrungsmittelpreise, wenn auch verärgert, stemmen. Sie mit Steuergeld zu unterstützen, hieße, Ihnen Geld zu geben, das ihnen als Steuerzahler gleich wieder abgenommen werden müsste. Als besonders dumm hat sich die „Deckelung“ durch Abschaffen einer Steuer erwiesen. Dass Deutschlands Finanzminister die Mehrwertsteuer auf Treibstoff senkte hat den Staat rund drei Milliarden Euro Steuereinnahmen gekostet und den Preis von Treibstoff kaum gesenkt – nur die Gewinne der Unternehmen erhöht, die damit handeln. Das gilt im Prinzip auch für die von der SPÖ unverdrossen geforderte Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Der mögliche Steuerausfall wäre aber so gering, dass man diese Maßnahme, um ihrer Popularität willen, riskieren kann: vielleicht reagiert der Lebensmittelhandel nicht ganz wie der Treibstoffhandel. Normalerweise ist es immer kostengünstiger, die Beihilfen für die wirklich sozial Schwachen deutlich zu erhöhen, wie das die Regierung getan hat, und der Gesamtbevölkerung nur gewisse Mindestkontingente an Energie verbilligt zur Verfügung zu stellen. Die Treffsicherheit war damit nicht optimal – aber das war sie nirgends.

Jetzt aber geht es um die noch viel schwierigere Unterstützung der Industrie. Anders als bei den Bürgern muss ihre Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. Deutschland hat zu diesem Zweck große Beträge lockergemacht, obwohl das nicht automatisch einleuchtet: Die Verteuerung der Energie hat ja selbst die USA oder China nicht viel anders als die EU getroffen, so dass sich an den Konkurrenzverhältnissen nicht so viel geändert haben sollte – schon gar nicht innerhalb der EU oder innerhalb Österreichs. Aber wenn Deutschland „wummst“, müssen wir als wichtigster Handelspartner nachziehen. Freilich nur bei den Unternehmen, die mit deutschen Unternehmen in Konkurrenz stehen und denen die hohen Energiepreise auch ernsthaft schaden. Bisher hat man diesbezüglich unterschieden- jetzt hat die ÖVP durchgesetzt, dass es kaum mehr Unterscheidungen gibt: Auch Unternehmen ohne jede deutsche Konkurrenz und ohne übermäßige Energiekosten- etwa Hotels- erhalten gewaltige Unterstützung. Dürften einem Unternehmen im deutschen Modell heuer 14 Prozent der Energiekosten ersetzt werden, so dürften es im österreichischen Modell 45 Prozent sein.

Zwar hat Österreich gemäß EU-Vorgabe wie Deutschland fünf Förderstufen, in denen mit der Höhe der Förderung und deren Länge auch immer strengere Bedingungen erfüllt sein müssen, aber in Österreichs unterster Förderstufe ist sind Unternehmen nicht gezwungen, eine gewisse Mindest- Energie-Intensität nachzuweisen. Damit steigt die für Unternehmensförderung vorgesehene Summe von 1,5 auf fünf bis zu neun Milliarden.

Gleichzeitig wird die Körperschaftssteuer von 25 Prozent auf 23 Prozent im Jahr 2024 gesenkt, weil das angeblich die Investitionen fördert. Die Realität: in den letzten Jahrzehnten wurden die ursprünglich auf Unternehmensgewinne entfallenden Steuern halbiert und die Investitionen sind so gering wie nie zuvor, weil sie von ganz anderen Kriterien abhängen. In Summe erfüllt die grün-schwarze Regierung damit unnötig Forderungen schwarzer Klientel – das kostet den Staat Geld für nötige Investitionen in grüne Energie.

 

 

 

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Was bekämpft den Klimawandel am besten?

Technologie als Waffe im Kampf gegen den Klimawandel klingt weniger fortschrittlich als die Forderung nach systemischer Veränderung. Ist das so? Ein Versuch es zu prüfen

Meine Kommentare zu “Wasserstoff” und einem “gangbaren Ausweg aus der Klimakrise” haben einen kritischen Leserbrief provoziert, auf den ich eingehen möchte. “Alle paar Wochen”, so schrieb Ingenieur Jürgen Gebert, “öffnet uns P.M. Lingens ein Schaufenster ins letzte Jahrtausend als man gemeinhin noch dachte, Technologien könnten die Klimamisere lösen. Die Probleme mit seinen Vorstellungen einer techno-ökologisch sauberen Zukunft ohne Notwendigkeit für systemische Veränderungen:

  • Bei Menschen in der Energiebranche (wie mir) verursacht es höchstens Kopfschütteln, wenn er die Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit von Technologien völlig übertrieben darstellt. z B sind künstliche Treibstoffe (E-Fuels) so lächerlich ineffizient, dass sogar Autoklubs ihnen keine Zukunft voraussagen.
  • Trotz des Glaubens an neue Technologien bezweifelt er …dass ein E-Auto oder eine neue Therme seinen CO2-Ausstoß senken könnten. Na ja, was will man da noch sagen? Der wissenschaftliche Konsens ist halt ein anderer.”

Diese Kritik ist im Kern substanziell: Ich halte den Einsatz moderner Technologie im Kampf gegen den Klimawandel in der Tat für weit erfolgsversprechender, als “systemische Veränderung”. Daher möchte ich nur so kurz wie möglich auf Geberts Detailkritik eingehen. In Bezug auf E-Fuels schrieb ich: “Genau so wenig werde ich mein Auto hysterisch gegen ein E-Auto tauschen. Voran weil ich zweifle, dass das den CO2-Ausstoß senkt, solange der für Millionen E-Autos zusätzlich gebrauchte Strom selbst in Österreich mittels Öl, Gas und Kohle erzeugt werden muss …am Rande, weil Österreich mit AVL List ein Unternehmen besitzt, das in der Lage ist, bezahlbare künstliche Treibstoffe herzustellen…” Das Wort “bezahlbar” war in der Tat übertrieben: Lists- E-Fuels kosten derzeit das Dreifache von Benzin. Ob sie in Zukunft irrelevant sind, sehen Autoklubs offenbar unterschiedlich: “Langfristig setzt der ADAC auf E-Fuels und Wasserstoff aus regenerativen Quellen.” schrieb 2022 der deutsche Autofahrerklub. Das Industriemagazin, meint “dass E-Fuels”, in denen ich nur ein Randphänomen sehe, “früher den Ton angeben könnten, als bisher angenommen.” Die Meinung dass E- Autos den CO2 Ausstoß nicht senken, teile ich mit dem Ingenieure Kai Ruhsert, der das in dem Buch “Der Elektroauto-Schwindel” wie ich, aber mit exakten Zahlen, begründet. Bezüglich Gasthermen schrieb ich dass ich auch sie “nicht überhastete gegen eine Wärmepumpe tauschen werde”, und glaube dafür folgende Gründe zu haben: An klassizistischen Fassaden wird man Wärmepumpen nicht befestigen dürfen und auf den Dächern werden ihnen die dort erhofften Solarpanele im Weg sein. Darüber hinaus sind die Kosten trotz Subvention gewaltig, so dass ich für sinnvoller halte, die Thermen zu geringen Kosten für den Betrieb mit einem Gemisch aus Erdgas und 30 Prozent Wasserstoff zu adaptieren. Der CO2 Ausstoß wird damit zwar nur um 30 Prozent verringert, aber die Lösung ist erschwinglich. Besser kann nur überlegene Technologie das Problem lösen: Wien plant bekanntlich ein wesentlich erhöhtes Angebot von Fernwärme indem man zu ihrer Erzeugung in Großanlagen Klärschlamm und ein unter der Stadt vermutetes Reservoir heißen Wassers nutzt.

Damit bin ich beim Kern unsrer Auseinandersetzung: Meiner Überzeugung, dass Technologie den Klimawandel erfolgreicher bekämpft, als “systemischer Wandel”, obwohl ich das herrschende System wie jeder ökonomisch Interessierte, natürlich auch hinterfrage: Warum halten Geräte so schlecht, dass man sie alle 5 Jahre unter hohem CO2 Ausstoß neu produziert? Weil die Menschen das Neueste haben wollen und der CO2 -Preis es nicht entfernt verhindert! Wieso kostet CO2-intensiver Transport so wenig, dass es lohnt schwere deutsche Autos in den USA zu verkaufen? Weil der globale Freihandel so große Serien zulässt, dass sich Autos erheblich verbilligen! Warum muss die Wirtschaft jedes Jahr wachsen, obwohl unser Wohlstand auch durch bloße Akkumulation ständig wächst? Weil wir nie genug Wohlstand haben und glauben, Arbeitslosigkeit nur so in Grenzen zu halten! Nicht dass ich diese Begründungen immer für richtig halte – ich halte “systemische Änderungen” nur für extrem schwierig und langwierig.

Um es an der Reduktion des CO2-Ausstoßes der EU festzumachen: Die diesbezüglichen Fortschritte waren in dreißig Jahren groß genug, um das Ziel einer Senkung von 20 Prozent unter das Niveau von 1990 zu erreichen. Allerdings nur dank Covid-19 Lockdowns. Eine Fortsetzung des durchschnittlichen Tempos der Senkung zwischen 1990 und 2018 reicht nicht entfernt, das für 2030 angestrebte Ziel einer Reduktion um 40 Prozent zu erreichen.

Dem stelle ich gegenüber, was ich empfohlen habe und hier detailliere: man möge eine Million von 90 Millionen Quadratkilometern der Sahara zur Erzeugung grüner Stroms nutzen. Die Technologie ist erprobt. Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, über die sich die Sahara voran erstreckt sind keine düsteren Diktaturen – mit ihnen ein Viertel des erzeugten Stroms als Pacht zu vereinbaren nützt ihnen mehrfach. Die Errichtung einer solchen Photovoltaikanlage dauert auch nicht zu lang: Eine der bisher größten, der Pavagada Solar Park, wurde in Indien auf 53 Quadratkilometern in acht Monaten errichtet und leistet 2.050 Megawatt. Der aktuelle Strombedarf der Welt liegt bei 25.000 Terawattstunden. Der empfohlene Sahara- Solarpark deckte also sogar einen kräftig wachsenden Bedarf ab.

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Wenn Biden auf Trump macht

Wie sein Vorgänger will (muss) Joe Biden traditionelle Industriejobs in die USA zurückholen. Nicht zuletzt auch zu unseren Lasten. Ein Wirtschaftskrieg unter Verbündeten.

Voran die gute Nachricht: Joe Biden zählt zu den engagierten Klimaaktivisten. Es ist eines der Paradoxa der USA, dass die Amerikaner stets Vorreiter im Kampf gegen CO2 waren, obwohl sie unverändert den größten CO2-Fußabdruck der Welt hinterlassen. Schon vor Jahrzehnten erließ Kalifornien die ersten wirksamen Gesetze gegen Luftverschmutzung. US-Organisationen und Behörden deckten auf und verurteilten als Betrug, dass die Fahrzeuge von VW ungleich mehr CO2 ausstoßen, als ihnen die offiziellen Tests der EU bescheinigen, während der EUGH die dazu genutzte Software erst jetzt für “illegal” erklärte. Elon Musk hat mit Tesla den aktuellen Boom der Elektromobilität erst ausgelöst.

Wie in der EU straft die Zahl der in den USA neu zugelassenen Batterie-elektrischen Autos meine Behauptung Lügen, dass die Zukunft dem Brennstoffzellenauto gehört. Denn nicht nur Musk, sondern auch General Motors hat lange vor VW Milliarden in die Entwicklung von Batterie- Antrieben investiert – sie sind viel weiter fortgeschritten als der E-Antrieb mittels Brennstoffzelle. Und jetzt belohnt Bidens Regierung diese Investitionen, indem sie den Kauf eines E-Autos mit der für amerikanische  Verhältnisse und US-Autopreise gigantischen Summe von 7500 Dollar subventioniert. Zwar kauft im Moment nur der kleinere Teil der Neuwagen-Käufer tatsächlich ein E-Car, aber die Hälfte der Amerikaner zieht den Kauf  in Betracht. Mit massiv verschärften CO2-Normen, die ab 2026 gelten sollen, ist Biden zuversichtlich zu erreichen, dass 2030 die Hälfte aller US-Autos elektrisch fährt.

Jetzt die vorsichtige Einschränkung dieser Erfolgsstory: Auch in den USA muss der für so viele zusätzliche E-Autos benötigte Strom vorwiegend mit Hilfe kalorischer Kraftwerke erzeugt werden. Beim Aufladen einer Tesla -Batterie entsteht mehr CO2 als beim Fahren eines herkömmlichen Skoda Oktavia; die mit Abstand geringste Menge CO2 – geringer als bei allen E- Autos – entsteht beim Fahren eines herkömmlichen Renault Clio.[1]

Die so optimistische Sicht Bidens wird aber sofort verständlich, wenn man  sein Förderprogramm genauer liest:

  • unter dem irreführenden Namen “Inflation Reduction Act” kommt die 7500 Dollar Subvention für den Kauf eines E-Autos nur in Frage, wenn es in den USA endmontiert wurde.
  • die Batteriekomponenten müssen zu 50 und ab 2029 zu 100 Prozent in den USA produziert werden, um die ersten 3.750 Dollar zu erhalten.
  • und um die zweiten 3.750 Dollar zu erhalten müssen jetzt 40 Prozent und ab 2028 80 Prozent der kritischen Mineralien der Batterie aus den USA oder einem der Länder stammen, mit denen sie ein Freihandelsabkommen haben.

Einen “Wirtschaftskrieg unter Verbündeten” nennt es der Ökonom Paul Steinhardt, richtet er sich doch gegen die Autoindustrie Japans, Südkoreas und vor allem Deutschlands. Österreich ist als dessen größter Zulieferer entsprechend mitbetroffen. Allerdings ist diesem Krieg ein Angriff Deutschlands auf die US- Industrie vorangegangen, so wenig Deutsche das so sehen: Dass sie ihre Löhne seit 2000 nicht mehr im Ausmaß des Produktivitätszuwachses erhöhen, hat deutschen Autos ebenso einen unschlagbaren Kostenvorteil beschert wie der Umstand, dass der Euro dank des Austerity-Paktes gegenüber dem Dollar derart abgewertet hat, dass sich Waren der Eurozone für Amerikaner generell um ein Drittel verbilligten. 50 Milliarden Dollar Defizit der US-Handelsbilanz gegenüber Deutschland haben schon Donald Trump veranlasst, mit Zöllen auf deutsche Autos zu drohen – Joe Biden hat den hier beschriebenen Weg gewählt.

Es war immer verfehlt, Trumps Wirtschaftspolitik mit seiner faschistoiden Innenpolitik gleichzusetzen. Jeder US-Präsident musste sich irgendwann des Problems annehmen, das der globale Freihandel für die traditionelle Industrie der USA schuf: Das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China stieg voran wegen dessen billigen Stahls auf 45 Milliarden Dollar und blieb mit 50 Milliarden gegenüber dem kleinen Deutschland das absolut wie relativ größte. Das musste die USA Millionen Arbeitsplätze in ihrer traditionellen Industrie kosten und hat deren Löhne seit 25 Jahre relativ sinken lassen. Es waren die Arbeiter dieser in eine zunehmend prekäre Lage geratenen traditionellen US-Industrie, die Donald Trump dafür wählten, dass er sie durch Zölle schützen wollte und erreichte, dass ausländische Autokonzerne ihre Filialen in den USA ansiedelten. Auch die Demokraten können diese Wähler nicht rechts liegen lassen, wenn sie 2024 gewinnen wollen: “Buy American” ist ihr Weg.

Deutsche Medien werden demnächst wieder empört erklären, dass dieses Abgehen vom globalen Freihandel eine Sünde wider aller Menschen Wohlstand sei und dass die EU Gegenmaßnahmen ergreifen müsse- etwa bei der World Trade Organisation klagen. Tatsächlich bestünde die Ideallösung nicht in Bidens Protektionismus, sondern darin, dass die boomende digitale Industrie der USA die finanziellen Probleme der traditionellen Industriearbeiter abfederte und letztlich gegenstandslos machte. Aber die deutsche Empörung wäre berechtigter, wenn Deutschland und die EU nach 22 Jahren endlich zu einer Politik fänden, die nicht die wesentlichste Ursache des aktuellen amerikanischen Protektionismus ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

[1]  Diese Vergleiche wurden für Deutschland berechnet und sind Basis des Buches “Der Elektroautoschwindel” von Kai Ruhsert. Der in den USA verfügbare Strom ist sicher nicht “grüner” als der deutsche.

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