„kommende Generationen“

Ihre angebliche Belastung durch staatliche „Schuldenpolitik“ ist in den meisten Fällen widersinnige Polemik.

Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner tut im Budget des Jahres 2016 mehrheitlich höchst Vernünftiges:
Sie investiert 2,9 Milliarden in die Sanierung der U4, den Ausbau der U5 und den Bau des Krankenhauses Wien-Nord. Damit trägt sie dazu bei, die Auswirkungen des Sparpaktes in den ihr möglichen Grenzen zu lindern: In einer Phase, in der private Aufträge an die Bauwirtschaft leider nur spärlich fließen, sorgt wenigstens sie für nützliche Arbeit.

Ebenso vernünftig ist der Ausbau von Gratiskindergärten, der allein im nächsten Jahr 767 Millionen kosten soll und ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Neuverschuldung Wiens, die im „Stabilitätspackt“ vorgesehene Grenze um rund 340 Millionen überschreitet. Schließlich sind Kindergärten der wichtigste Beitrag zum besseren Erlernen der deutschen Sprache, die ihrerseits die wichtigste Voraussetzung für bessere Bildung und damit vermehrte „Innovation“ ist.

Die Stadt wächst stärker den je – zwangsläufig wachsen ihre Aufgaben und damit Ausgaben mit.

Dass die FPÖ dieses Budget kritisiert, weil es die „unkontrollierte Massenzuwanderung“ fördere und dass die ÖVP es jedenfalls ablehnt, entspricht meinen Erwartungen. Dass allerdings auch die NEOS ihre Zustimmung verweigern, bestürzt mich vor allem wegen der Widersinnigkeit des pinken Arguments: „Dieses Budget“, so Klubchefin Beate Meinl –Reisinger „ist eine Fortschreibung der Wiener Schuldenpolitik und damit eine große Last für die kommenden Generationen“.

Wer, wenn nicht die „kommenden Generationen“, profitiert vom Ausbau der U-Bahn, vom Neubau eines Großkrankenhauses oder von der besseren Sprachkenntnis in Kindergärten betreuter Kinder?

Wann denn, wenn nicht jetzt, soll die öffentliche Hand Kredite aufnehmen, um zu investieren.

So oft die „Belastung kommender Generationen“ durch aktuelle Verschuldung auch in Politiker-Reden kritisiert wird, so widersinnig ist das gerade bei Investitionen in die Infrastruktur: Es sind ja vor allem die „kommenden Generationen“, die von neuen Universitäten, Krankenhäusern, Spitälern, Kindergärten, Kläranlagen, Wasserleitungen usw. usw. profitieren. (Obwohl schon die aktuelle Generation daran mit zahlt – auch wenn sie ihrerseits von den Investitionen der vorangegangenen Generation profitiert.)

Die einzig sinnvolle Kritik an einer Investition kann doch nur darin bestehen, sie für grundsätzlich verfehlt zu halten oder die notwendige Sparsamkeit bei ihrer Abwicklung zu vermissen.

Nur in Deutschland und Österreich spricht man übrigens bei Investition in die Infrastruktur ständig davon, dass sich der Staat, das Land oder die Stadt damit „verschulden“ – in angelsächsischen Ländern spricht man von der Aufnahme von Krediten zum Zweck von Investitionen. (Deren jeweilige Berechtigung und Abwicklung man selbst verständlich auch dort heftig diskutiert.)

Und natürlich gibt es auch Grenzen, bis zu denen sich ein Staat (eine Stadt) verschulden kann: Sie liegen dort, wo er (sie) Gefahr läuft, keine Kredite mehr zu erhalten, weil ihre Rückzahlung bezweifelt wird. Österreichische Staatsanleihen werden aber derzeit mit Negativ-Zinsen gehandelt: Wie Deutschland müssen wir für diese Kredite keine Zinsen zahlen, sondern bekommen im Gegenteil welche gutgeschrieben.

Wann denn, wenn nicht jetzt, soll die öffentliche Hand daher Kredite aufnehmen, um zu investieren.
Aber selbst in Zeiten, in denen wir Zinsen zahlen mussten, ist das Argument mit der „Belastung künftiger Generationen“ meist so dumm wie es populär ist: Käufer Österreichischer Staatsanleihen sind ja vornehmlich Österreicher – sie sind also in Zukunft auch die Nutznießer der dafür bezahlten Zinsen. Nur wenn wir lauter Auslandsschulden hätten und das Ausland umgekehrt lauter uneinbringliche Schulden bei uns, wäre Österreichs Verschuldung kritisch.

Die Negativzinsen für österreichische Anleihen sprechen denkbar handfest dagegen, dass wirtschaftlich informierte Menschen diese Sorge ernsthaft hegen- so oft Politiker und Wirtschaftsjournalisten sie auch äußern mögen.

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