Hofer ist kaum mehr zu schlagen

Er hat das “Momentum“ völlig auf seiner Seite – von den Flüchtlingen über TTIP bis zur wirtschaftlichen Entwicklung.


Wenn Körpersprache im Wettkampf zählt, ist Norbert Hofer der Sieg in der Stichwahl zum Bundespräsidenten nicht zu nehmen: Die Souveränität, mit der er verkündet, dass er der Regierung noch drei mal auf die Hände klopfte, ehe er sie zum Segen Österreichs entließe, ist nicht vom kleinsten Schatten eines Zweifels überschattet. Hier spricht ein Mann, der seiner Sache so sicher ist, dass seine Mine nicht einmal Triumph spiegeln muss, sondern Bescheidenheit vorspiegeln kann: Er weiß Österreich hinter sich.

Alexander Van der Bellen hat es hinter sich geglaubt – so wie auch ich den so gleichlautenden Meinungsumfragen so unterschiedlicher Institute geglaubt und mich mit ihnen gründlich geirrt habe. Jetzt ahnt Van der Bellen, dass er Österreich gegen sich hat und das sieht und hört man: Bei der ZIB2-Stellungnahme zu seinem Abschneiden wirkte sein immer schon blasses Gesicht schon beinahe fahl. Sein zögerliches Sprechen, das in der Vergangenheit als Nachdenklichkeit eines überlegenen Intellektuellen gedeutet werden konnte, wirkte jetzt nur mehr unsicher: Die Botschaft, dass der Wettkampf jetzt neue begänne, dass er zum Kampf entschlossen und nichts entschieden sei, war weithin hörbar von des Gedankens Blässe angekränkelt.

So problematisch es ist, wenn der ORF immer wieder nur einen und noch dazu immer den selben Politologen politische Entwicklungen einschätzen lässt, so schwer ist die Einschätzung durch Peter Filzmaier diesmal zu bezweifeln: Van der Bellen kann nur gewinnen, wenn sich die überwältigende Mehrheit der Griss – der Khol- und der Hundstorfer-Wähler für ihn entscheidet oder, wenn es bei einer höheren Wahlbeteiligung unter denen, die diesmal nicht gewählt haben einen Erdrutsch zu seinen Gunsten gibt.

Beides ist wenig wahrscheinlich. Das Gros derer, die diesmal Khol gewählt hat, wird weit eher Hofer als Van der Bellen wählen; es ist keineswegs sicher, dass die Mehrheit der Hundstorfer-Wähler zu ihm überläuft, weil Werner Faymann ihn wählen will; und wichtigstes Motiv der Griss-Wähler war sicher nicht ihr Widerstand gegen eine „Obergrenze“ oder gar ihre Aussage, dass weitere 90 000 Asylansuchen noch immer keinen „Notstand“ begründeten – beides hat ihr vielmehr zweifellos geschadet – sondern war die Unzufriedenheit mit der großen Koalition. Die aber lässt sich bei der Stichwahl weit eher durch eine Stimme für Hofer als für Van der Bellen ausdrücken.

Man kommt nicht um die rationale Feststellung herum, dass alles andere als ein Sieg Hofers bei der Stichwahl ein kleines Wunder wäre. (Ich persönlich kann diesbezüglich als Orakel dienen: Wenn ich jemanden für unwählbar oder eine Zeitung für unlesbar halte, kann man sicher sein, dass die Betreffenden die Mehrheit der Österreicher hinter sich haben.)

Ich glaube kaum, dass Griss sich doch noch energisch gegen Hofer stellen wird. Und selbst wenn sie es täte, zweifle ich, dass es Erfolg hätte.

Allenfalls Griss selbst könnte vielleicht noch für ein Wunder sorgen, indem sie ihre Wähler mit aller Emotionalität aufforderte, für Van der Bellen zu stimmen. Aber das hat sie nicht nur in der Wahlnacht nicht getan, sondern scheint mir auch nicht von ihrem Politikverständnis umfasst: Die FPÖ ist für sie kein rotes Tuch. Die Tatsache, dass so viele ihrer Funktionäre „national“ sind und dass man manche von ihnen „Kellernazis“ nennen darf, stört sie nicht in dem Ausmaß, in dem es mich stört, obwohl sie die blaue Polemik und ihre polarisierende Wirkung ablehnt. So unsinnig es war, ihr vorzuwerfen, dass sie die NS-Zeit falsch einschätze, so offenkundig ist, dass sie Gegenwartsbewältigung fortgesetzter Vergangenheitsbewältigung vorzieht.

Ich glaube daher kaum, dass Griss sich doch noch energisch gegen Hofer stellen wird. Und selbst wenn sie es täte, zweifle ich, dass es Erfolg hätte.

Denn um einmal mehr in der Sprache des Sports zu bleiben: Für Hofer spricht nicht nur die Körpersprache – er hat auch das „Momentum“ auf seiner Seite.

Dass Österreich nicht mehr Flüchtlinge als schon bisher aufnehmen kann ist vermutlich die Überzeugung von 95 Prozent der Bevölkerung – und dass es nicht einfach ist, werden selbst die verbliebenen fünf Prozent zugeben. Dass es Sebastian Kurz war, der die tatsächliche Eindämmung des Flüchtlingsstroms bewirkt hat, oder dass mittlerweile auch Werner Faymann nur mehr von Zäunen spricht, kommt ausschließlich der FPÖ und mit ihr Norbert Hofer zu Gute: Die haben das alles schon viel früher gefordert.

Die Abneigung gegen TTIP spielt unverändert eine erhebliche Rolle: Während Hofer sich sogar weigerte, dieses Abkommen zu unterschreiben, wenn das Parlament es befürwortete, hat Van der Bellen sich erst im letzten Moment unter die TTIP–Gegner gereiht. (Wie emotional gefestigt diese Abneigung in einer Nation ist, die den 2. Weltkrieg gegen die USA verloren hat. mag man daran ermessen, dass sie sich insbesondere auch um den in Europa so viel stärkeren Verbraucherschutz sorgt – auch, wenn US-Käufer stinkender VW-Modelle derzeit 5000 $ Schadenersatz erhalten, während EU-Käufer nach Jahren Prozessierens vielleicht einen Bruchteil erhalten werden.)

Und natürlich spielt eine entscheidende Rolle, dass die rot-schwarze Regierung nicht zu liefern vermag, was jede Bevölkerung vor allem von ihrer Regierung erwartet: Schutz vor steigender Arbeitslosigkeit und Schutz vor Reallohnverlust.

Weil die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen vor allem als Sache der SPÖ angesehen wird, geht die schlechte Entwicklung in diesem Bereich vor allem zu ihren Lasten, obwohl Finanz- und Wirtschaftsminister „schwarz“ sind. Vertreter der SPÖ, von Hundstorfer bis Werner Faymann, leiden darunter noch etwas mehr als Vertreter der ÖVP von Khol bis Reinhold Mitterlehner. Die Grünen, als bevorzugter SPÖ-Koalitionspartner, leiden entsprechend mit.

Mit einem Bundespräsidenten Hofer können die Wahlen zum Nationalrat sogar schon demnächst kommen.

In Wirklichkeit ist Österreichs wirtschaftliche Entwicklung natürlich unmöglich von der der EU zu trennen: Überall mit Ausnahme Deutschlands steigt die Arbeitslosigkeit und sinken die Realeinkommen der Unterschicht. Das liegt – wie ich nicht aufhören werde zu schreiben – an der von ihr verfolgten Wirtschaftspolitik. Die FPÖ verfolgte zwar schwerlich eine andere –allenfalls eine noch schlechtere – aber, dass sie ganz allgemein gegen die EU-Mitgliedschaft ist, kommt ihr und kommt Hofer auch in diesem Bereich zu Gute.

Es nutzt der Regierung nichts, dass Österreich unverändert eines der Länder ist, denen es innerhalb der EU am besten geht. Dass sein Wachstum derzeit ein besonders geringes ist liegt zwar auch an Hans Jörg Schellings viel zu später, viel zu geringer steuerlicher Entlastung der Einkommen, vor allem aber daran, dass es zuvor weniger als in anderen Ländern eingebrochen ist. (Österreich hat die Krise von allen EU-Ländern mit Ausnahme Schwedens wachstumsmäßig am erfolgreichsten bewältigt)

Restlos absurd ist der Vorwurf, dass es Österreich an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit mangle: Nach Luxemburg, Irland und Holland hat es unverändert das höchste kaufkraftbereinigte BIP pro Person, (wie es Wirtschaftswissenschaftlern als mit Abstand aussagekräftigstes Maß dieser Leistungsfähigkeit gilt.) Ja, Österreichs Position hat sich seit der Krise von 2007 sogar verbessert: Damals lag es 23 Prozent über dem EU-Durchschnitt – zuletzt lag es 28 Prozent darüber und der Abstand zu Irland und den Niederlanden hat sich massiv verringert. Aber in den Ohren der Bevölkerung gelten nicht die Kriterien der Wirtschaftswissenschaften, sondern hallen die Sager von Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl nach, der bei jeder Gelegenheit vom „abgesandelten“ Wirtschaftsstandort Österreich spricht und diese Aussage statt mit wirtschaftswissenschaftlich tragfähigen Zahlen mit „Rankings“ begründet, deren groteskes Zustandekommen einen eigenen Artikel wert ist.

Österreich ist weit davon entfernt, als Wirtschaftsstandort „abgesandelt“ zu sein, es verzeichnet vielmehr, wie Deutschland, dank „Lohnzurückhaltung“ einen Rekordüberschuss seiner Leistungsbilanz und exportiert damit, wie Deutschland, das Gros der Arbeitslosigkeit von der es sonst heimgesucht würde, in andere Länder.

Dass sie trotzdem höher denn je ist, liegt einmal mehr an der allgemeinen europäischen (=deutschen) Wirtschaftspolitik und am Rande der hohen Zahl schon bisher aufgenommener Flüchtlinge.

Außerdem hat „Lohnzurückhaltung“ natürlich eine zweite Seite: Sie steigert zwar das BIP und das Einkommen der sehr Reichen ganz gewaltig, aber das geht vor allem zu Lasten des Einkommens der schlecht ausgebildeten Unterschicht. Insofern ist nur logisch, dass vor allem um ihren Arbeitsplatz bangende und schlecht verdienende Männer Norbert Hofer wählen, um gegen die Entwicklung zu protestieren, die ihr Arbeitsleben genommen hat.

Diese wirtschaftliche Entwicklung wird die FPÖ auch zwingend die nächsten Wahlen zum Nationalrat gewinnen lassen – obwohl eine regierende FPÖ das Problem allenfalls verschärfen, sicher nicht verringern wird. Mit einem Bundespräsidenten Hofer können diese Wahlen sogar schon demnächst kommen: Er braucht nur einen brauchbaren Vorwand die Regierung abzulösen und die Zusage sei es der Roten, sei es der Schwarzen im Gegenzug zu einer fix vereinbarten Regierungsbeteiligung Neuwahlen zu veranstalten.

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