„Inseln“ sind leichter zu kontrollierende „Hot Spots“.
Es hat sich doch etwas geändert: Christian Kern hat den Vorschlag Sebastian Kurz‘, Mittelmeer-Flüchtlinge nach australischem Muster auf einer Insel zu internieren, auf keinen Fall Asylberechtigte schnellstens zurück zu schicken und auch die anderen nicht automatisch weiterreisen zu lassen, nicht sofort schlechtgeheißen.
Das haben nur Grüne und FPÖ – und das spricht für den Vorschlag.
Wie schon in Bezug auf die Balkanroute hat Kurz richtig erkannt, dass man „Wirtschaftsflüchtlinge“ davon abhalten muss, einen bestimmten Weg nach Europa überhaupt zu beschreiten. Die australische Regierung tut das bekanntlich, indem sie Flucht- Boote, die sich der Küste nähern, mit ihrer Marine abdrängt, aufhält, gegebenenfalls rettet und die Aufgegriffenen auf einer Insel interniert. Dort unterscheidet sie zwischen Wirtschafts- und Konventionsflüchtlingen, lässt aber selbst Konventionsflüchtlinge nicht automatisch ins Inland weiterreisen, sondern erlaubt das nur im Rahmen von Quoten.
Nur Letzteres unterscheidet die australische Vorgangsweise von der, die wir derzeit von jedem Land mit einer EU-Außengrenze fordern: Auch in Griechenland soll ja endlich ein „Hot Spot“ entstehen, auf dem es zu einer „Selektion“ (ja, sie ist und bleibt grausam, ist aber unvermeidlich) kommen soll. Und auch in der EU ist ein Verteilungsschlüssel für die Asylberechtigten beschlossen, auch wenn er nicht funktioniert.
„Insel“ klingt nur erschreckender, weil man „Teufelsinsel“ oder „Alcatraz“ assoziiert.
Lampedusa ist schon jetzt eine solche Insel, nur dass es – leider- zu keiner ordnungsgemäßen „Internierung“ kommt, die eine einigermaßen seriöse Prüfung der Asylberechtigung ermöglichte.
Der Vorteil einer Insel als „Hot Spot“ bestünde darin, dass es den dort Eintreffenden oder dorthin Geretteten schwerer fiele, illegal weiter zu marschieren.
Bedeutsamer an Kurz‘ Vorschlag scheint mir die Forderung, dass die EU bzw. das betroffene Land festlegen möge, dass der, der es illegal betritt, das Recht auf Asyl verwirkt. Das sollte rechtlich möglich sein, denn der illegale Zutritt in ein Land steht unter Strafe und kann unter eine so hohe Strafe gestellt werden, dass sie die Asylberechtigung ausschließt.
Sobald sich eine solche Gesetzeslage herumspricht, werden die Versuche, illegal in die EU zu gelangen, drastisch zurückgehen.
Kurz hat seine Vorschläge (wie schon jene, die zur Schließung der Balkanroute führten) laut und deutlich mit der Forderung verbunden, Möglichkeiten zur legalen Einreise zu schaffen. Und zwar nicht nur für Konventionsflüchtlinge, sondern selbst für Wirtschaftsflüchtlinge, auch wenn die derzeit wohl sehr lange warten müssten.
Bedeutsamer an Kurz‘ Vorschlag scheint mir die Forderung, dass die EU bzw. das betroffene Land festlegen möge, dass der, der es illegal betritt, das Recht auf Asyl verwirkt.
Wenn das tatsächlich so gehandhabt würde, wäre der Vorwurf der Inhumanität absurd.
Christian Kern hat dennoch zu Recht empfohlen, nicht von einer „australischen Lösung“ zu sprechen. Denn wenn man Menschenrechtsorganisationen glaubt, sind die Zustände auf den Inseln, auf denen die australische Regierung „ihre“ Bootsflüchtlinge interniert, eher schwer erträglich. Auch Kurz fordert dennoch, dass die Internierung auf Europas „Inseln“ eher abschreckend sein möge:„Wer auf einer Insel wie Lesbos bleiben muss und keine Chance auf Asyl hat, wird eher bereit sein, freiwillig zurückzukehren, als jemand, der schon eine Wohnung in Wien oder Berlin bezogen hat.“ Rein sachlich hat er damit recht: Die „Insel“ darf nicht einladend sein, wenn sie Wirtschaftsflüchtlinge abhalten soll. Aber der Grat zwischen „nicht einladend“ und „unerträglich“ ist sehr, sehr schmal.
Dennoch ist die abschreckende Internierung auf einer Insel humaner, als weiterhin in Kauf zu nehmen, dass Abertausende, die in Europa ein besseres Leben suchen, obwohl sie keine Chance auf Asyl haben, in der falschen Hoffnung darauf, Boote besteigen, deren Überfahrt sie in der Hälfte der Fälle nicht überleben.
Wobei das Schlepper-Unwesen in Libyen noch brutaler als in der Türkei funktioniert: Die Betroffenen werden zu noch viel höheren Preisen von noch viel weiter her an die Küste gebracht und dann in Boote gesetzt, die sie von vornherein selber steuern müssen und die oft von vornherein zu wenig Treibstoff an Bord haben. Der „menschliche“ Schlepper verständigt dann nach einer Stunde per Handy die italienische Küstenwache und teilt ihr mit, wo das Boot demnächst in Seenot geraten wird.
Je besser das funktioniert – je öfter die Rettung gelingt und zur Eintrittskarte in Italien wird – desto mehr Menschen machen sich auf den Weg. Je mehr Menschen sich auf den Weg machen, desto mehr kommen um.
Kurz hat Recht, wenn er fordert, dass dieser fatale Zusammenhang unter allen Umständen gekappt werden muss. Und er kann nur gekappt werden, wenn die illegale Einreise in die EU unmissverständlich die Asylberechtigung verwirkt und Menschen, die dennoch versuchen „auf einer Insel wie Lesbos bleiben müssen“, wenn es unmöglich ist, sie zurück zu schicken.
P.S.: Bevor mir jemand Inhumanität vorwirft: Ich beherberge seit Jahrzehnten ständig Flüchtlinge bei mir in der Wohnung und derzeit tut das mein Sohn in einer Wohnung, die meiner Altersversorgung dienen sollte.
Humanität darf kein Gegensatz zu vernünftigem, den aktuellen Gegebenheiten Rechnung tragendendem Handeln sein: Wir müssen derzeit leider zwischen Wirtschafts- und Konventionsflüchtlingen unterscheiden. Und wir müssen den Flüchtlingsstrom unter Kontrolle bekommen, was nur möglich ist, indem wir verhindern, dass sich Menschen, die auf keinen Fall Asyl erhalten werden, sich dennoch auf den Weg machen. Und indem wir „Hot Spots“,bzw. „Inseln“- schaffen, in denen diejenigen abgefangen und gefiltert werden, die dennoch aufgebrochen sind.
Human können (sollen, müssen) wir sein, indem wir diejenigen aufnehmen, die am schutzbedürftigsten sind und legal – auf Wegen, die wir schaffen müssen – zu uns gelangen.
Dass das für eine EU mit fünfhundert Millionen Einwohnern ungleich mehr sein könnten (sollten, müssten) als wir derzeit aufnehmen, ist ein anderes Kapitel.