Die grüne Desinformation

Wenn es um CETA geht, scheuen die Grünen auch vor der völligen Ver­drehung der Tatsachen nicht zurück.


Grüne, FPÖ und „Kronen Zeitung“ können triumphieren: CETA ist trotz Österreichs Einlenken noch nicht durch: Wallonien, die französischsprachige Provinz Belgiens, hat es verhindert.

Belgiens Regierung, die CETA befürwortet, kann das Abkommen nicht unterschreiben, weil es durch die Verfassung an die Zustimmung Walloniens gebunden ist.

Ein winziger Fleck auf Europas Landkarte – 16.844 Quadratkilometer, 3,6 Millionen Einwohner – verhindert, dass die EU – 4,2 Millionen Quadratkilometer, 450 Millionen Einwohner, wenn man Großbritannien bereits abzieht – ein Abkommen unterschreibt, das ihre sämtlichen Regierungen für nützlich halten.

Wenn man wissen will, warum die EU so viel schlechter als die USA funktioniert: wegen dieses gespenstischen Ausmaßes an Nationalismus.

Die Grünen sehen die Chance, in einer von der „Kronen Zeitung“ aufbereiteten Stimmung mit ihrer CETA-feindlichen Haltung zu punkten – und die nehmen sie wahr, auch wenn sie die Tatsachen damit verdrehen müssen.

Ich nehme an – bin dessen aber keineswegs sicher –, dass Wallioniens Widerstand in letzter Sekunde so wie der Widerstand Österreichs durch eine weitere Zusatzerklärung Kanadas überwunden wird. Auch wenn sich Kanadas grüner, linksliberaler Premierminister Justin Trudeau bereits fragend an den Kopf gegriffen hat: Ist die EU wirklich ein ernstzunehmender Vertragspartner?

Aber auch, wenn das Wallonien-Problem überwunden ist, müssen sich Grüne, FPÖ und „Krone“ längst nicht geschlagen geben: Es gibt ja noch Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen. Einer der beiden muss zwangsläufig Bundepräsident werden: Beide haben ihr Manneswort dafür gegeben haben, CETA nicht in Geltung zu setzen.

Bei Norbert Hofer wundert mich das nicht. Es war klar, dass er sich eine Position, die durch die „Kronen Zeitung“ derart populär ist, zu eigen machen würde, und sie fügt sich nahtlos in die nationale Linie seiner Partei.

Aber Alexander Van der Bellen ist Professor für Volkswirtschaftslehre, und die Grünen sind eine anti-nationalistische Partei. Bei der ersten Wahlkampfdebatte mit seinen Konkurrenten hat er denn auch wie Irmgard Griss primär erklärt, er könne CETA nicht grundsätzlich ablehnen, ohne zu wissen, was das Abkommen enthält.

Am Ende der Debatte wusste er das zwar genauso wenig, hatte aber erlebt, welchen Applaus Norbert Hofer mit seiner energischen CETA-Ablehnung eingeheimst hatte, und so schwenkte er ein: Ihm sei zu Bewusstsein gekommen, dass er eigentlich doch auch entschieden gegen CETA sei. Ich werde ihn trotz dieser Verwindungsfähigkeit wählen, weil mir Norbert Hofers Glaubwürdigkeit in allen ihm gestellten Fragen die noch viel größere Sorge einflößt – aber es wird mir unendlich schwer fallen. Nicht, weil ich CETA für so lebenswichtig halte – die EU kann ohne CETA leben –, sondern weil ich bestürzt bin, in welchem Ausmaß Politiker jegliche Sachlichkeit beiseite schieben, sobald sie sich von einer aktuellen populären Haltung mehr Erfolg erwarten. Leider sind die Grünen darin bei CETA führend. Sie sehen die Chance, in einer von der „Kronen Zeitung“ aufbereiteten Stimmung mit ihrer CETA-feindlichen Haltung zu punkten – und die nehmen sie wahr, auch wenn sie die Tatsachen damit verdrehen müssen.

CETA wird die Regierungen nicht dazu zwingen, dass sie Dienstleistungen privatisieren, noch hindert es sie daran, die Bandbreite der von ihnen für die Öffentlichkeit erbrachten Dienstleistungen zu erweitern.

So begründete der Abgeordnete Werner Kogler die unveränderte Ablehnung CETAs durch die Grünen zuletzt damit, dass die Frage der „Vorsorge“ (der öffentlichen Dienstleistungen) noch immer nicht ausreichend geklärt sei.

(Dass „unser Wasser“ privatisiert werden könnte, war bekanntlich eine der Schlagzeilen, mit denen die „Kronen Zeitung“ die Österreicher am erfolgreichsten aufhetzte, obwohl es natürlich nie um das Wasser selbst, sondern immer nur um die Unternehmen ging, die die Leitungen pflegen, über die es zu uns kommt, sodass sie mancherorts, wie die Müll-
entsorgung, privatisiert sind, weil die jeweiligen Gemeinden es für billiger halten.)

Was also steht zu diesen „öffentlichen Dienstleistungen“ rechtsverbindlich in CETA:
„Die EU und ihre Mitgliedstaaten und Kanada bekräftigen und anerkennen das Recht der Regierungen – auf allen Ebenen – auf Erbringung und Unterstützung der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, auch in Bereichen wie öffentliche Gesundheit und öffentliches Bildungswesen, Sozialdienstleistungen und Wohnungswesen sowie Gewinnung, Reinigung und Verteilung von Wasser. CETA hindert die Regierungen nicht daran, die Erbringung dieser Dienstleistungen im öffentlichen Interesse zu regulieren.

CETA wird die Regierungen nicht dazu zwingen, dass sie Dienstleistungen privatisieren, noch hindert es sie daran, die Bandbreite der von ihnen für die Öffentlichkeit erbrachten Dienstleistungen zu erweitern. CETA wird die Regierungen nicht hindern, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen, die zuvor von privaten Dienstleistern erbracht wurden, oder Dienstleistungen, zu deren Privatisierung die Regierungen sich entschlossen hatten, wieder unter öffentliche Kontrolle zu bringen. CETA bedeutet nicht, dass die Vergabe einer öffentlichen Dienstleistung an private Erbringer diese Dienstleistung unwiderruflich zu einem Teil des gewerblichen Sektors macht.“ Man vergleiche diesen Wortlaut mit der Behauptung der Grünen. Dann weiß man, was von ihrer Sachlichkeit und Redlichkeit in dieser Frage zu halten ist.

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