Berechtigte Angst vor Trump

Amerikanische Strafzölle brächten Deutschland und Österreich in die größte Verlegenheit.


Sollte Donald Trump die niedrigen Zölle zwischen EU und USA tatsächlich zu Strafzöllen erhöhen, so wird die „Kronen Zeitung“ TTIP fordern und Hundertausende, die gegen Freihandel demonstrierten, werden ihm nachweinen. Denn dann würde klar, wie viele Arbeitsplätze und wie viel Wohlstand am beinahe freien Handel hängen: Die EU, voran Deutschland oder Österreich, exportiert weit mehr in die USA als umgekehrt.

Entsprechend groß ist derzeit, voran in Deutschland, die Sorge, dass Trump sein Wahlversprechen wahr macht – und Österreich ist Deutschlands größter Zulieferer.

H. C. Strache und Eva Glawischnig, die den freien Handel zwischen den beiden Wirtschaftszonen so heftig wie Trump ablehnten, sollten vielleicht doch darüber nachdenken, wie klug ihre Haltung ist.

Die Grundidee freien Handels lautet, dass jedes Gut dort produziert werden möge, wo seine Produktion die günstigsten Voraussetzungen vorfindet: von der Arbeitsleistung über die Bodenschätze bis zum Klima. Natürlich sind die Arbeitskosten dabei der heikle Punkt. Ich erinnere mich noch, welche Aufregung es hervorrief, als die Reifenproduktion von Semperit wegen der sehr viel niedrigeren Arbeitskosten nach Ungarn ausgelagert wurde und in Österreich Hunderte Arbeitsplätze verloren gingen. Vergeblich habe ich damals eingewendet, dass diesen in Österreich verlorenen Arbeitsplätzen Hunderte in Ungarn geschaffene gegenüberstehen und man sich hierzulande auf die medizintechnischen Produkte Semperits konzentrieren möge.

In der Praxis ist in der Folge genau das geschehen, und in Summe bezweifelt heute kein vernünftiger Mensch, dass die Entwicklung der EU zu einer einzigen großen Freihandelszone allen Beteiligten wirtschaftlichen Aufschwung beschert hat. (Die Probleme, die ihnen Finanzkrise, Sparpakt und Euro eingebrockt haben, sind keine Freihandelsfolgen.) Gegen die „Europäisierung“ des Handels erheben daher nicht einmal mehr Grüne ersthafte Einwände. Allenfalls gegen dessen CO2-Bilanz: Spanisches Joghurt 3000 km nach Österreich zu transportieren, ist nicht rasend sinnvoll. Aber es wird auch CO2 eingespart: In Spanien werden heute deutsche Autos aus spanischer Produktion gekauft, statt dorthin transportiert zu werden. Jedenfalls begegnen rationale Menschen den Negativa des Transports nicht mit Ressentiments gegen den Freihandel, sondern mit der Forderung nach Transportkosten, die der Umweltbelastung Rechnung tragen, wie ein EU-Weißbuch es theoretisch verlangt. Für die Umsetzung dieses Weißbuches auf die Straße zu gehen, macht Sinn. Freihandel abzulehnen, bleibt Unsinn.

Hundertausende, die gegen Freihandel demonstrierten, werden ihm nachweinen.

Mittlerweile ist der freie Handel freilich „globalisiert“: Auch dort, wo es keine Freihandelsabkommen gibt, findet er in mehr oder minder intensivem Ausmaß statt: Österreichische Versicherungen lassen zum Beispiel in Indien rechnen, weil dortige Versicherungsmathematiker ungleich weniger kosten.
Österreichische Mathematiker mögen das empörend finden – aber wo ist eigentlich die moralische Rechtfertigung dafür, dass sie (bezogen auf die Lebenshaltungskosten) ungleich mehr als indische verdienen müssen?

Globalisierung bedeutet Chancengleichheit für alle Menschen der Welt – kann man das als anständiger Mensch wirklich ablehnen?

Letztlich müssen bei freien Märkten österreichische Versicherungsmathematiker langsam billiger und indische langsam teurer werden, bis sich ihre Kosten auf ein für alle Beteiligten (auch für die von den Grünen gern vergessenen Kunden verbilligter Versicherungsleistungen) optimales Maß eingependelt haben.

Natürlich ist die Praxis ungleich hässlicher: Arbeitskräfte der Dritten Welt sind nicht gewerkschaftlich organisiert und lassen sich daher noch lange ausbeuten. Arbeit ist zudem wegen der viel geringeren Umweltauflagen billiger. Trotzdem: Kann man deshalb dagegen sein, dass die freie Beweglichkeit des Kapitals in der Dritten Welt Abermillionen Arbeitsplätze geschaffen hat? Dass sie letztlich doch zur dramatischen Verringerung der Armut und, etwa in China, sogar zu breitem Wohlstand geführt hat?

Muss man nicht, statt den freien Handel zu bekämpfen, viel eher für gute Freihandelsabkommen werben, die ihn zivilisieren, Umweltstandards vorschreiben, Gewerkschaften fördern?

Die gegenwärtige Ablehnung des Freihandels beruht auf der Zuspitzung eines Verteilungsproblems: Durch die Verlagerung in Billiglohnländer haben Arbeitnehmer in der EU wie der USA zwangsläufig Einkommensverluste erlitten. Ihnen stehen zwar verbilligte Güter gegenüber, aber in Summe ergab sich vor allem für mäßig Qualifizierte ein „Reallohnverlust“, auf den sie mit begreiflicher Wut reagieren. Gleichzeitig stiegen ebenso zwingend die Gewinne der „Konzerne“.

Daraus leiten vernunftbegabte Menschen eine politische Forderung ab: Aus diesen erhöhten Gewinnen sind die Reallohnverluste zu kompensieren. Dazu bedarf es einer intelligenten Steuerpolitik und der Einsicht intelligenter Wirtschaftsführer: Wenn sie keine Revolte wollen, sollten sie etwas verringerte Gewinne der immer größeren Wut breiter Bevölkerungsschichten vorziehen.

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