Lopatka – Straches bester Mann

Dass nun auch Reinhold Mitterlehner demontiert wird, wäre nicht so schlimm – wenn es nicht gleichzeitig die Chance minimierte, dass die Regierung des Jahres 2018 doch nicht von Heinz-Christian Strache angeführt wird. Über schwarzen Ehrgeiz und intrigante Krampusse.

Im Mai, unmittelbar nach dem Amtsantritt Christian Kerns, schrieb ich in einem Kommentar für Profil: „Ich traue Kern und Reinhold Mitterlehner zu, dass sie Österreichs Politik in Zukunft anders handhaben. Aber ich zweifle, dass Reinhold Lopatka dazu in der Lage ist. Wenn Mitterlehner Lopatka nicht austauscht, könnte der ,neue Stil‘ eine Worthülse bleiben. Mit letalen Folgen.“

Mitterlehner hat Lopatka nicht ausgetauscht – die Folgen sind letal. Vorerst nur für Mitterlehner selbst: Er ist nach der aktuellen Auseinandersetzung mit seinem Klubobmann innerparteilich unheilbar beschädigt. Dass er ihn nicht loswerden konnte, wird zu Recht dahin interpretiert, dass er die Partei nicht mehr in der Hand hat.

Das ist primär nur gegenüber der Person Mitterlehner ungerecht: Innerhalb der ÖVP gehört er zu ihren anständigsten und herzeigbarsten Funktionären. Aber es ist noch keine nationale Katastrophe: Sebastian Kurz, der ihn zweifellos ablösen wird, ist in meinen Augen der bessere VP-Spitzenmann.

Aber es geht nicht um die ÖVP – es geht um Österreich. Und Österreichs Schicksal hängt in meinen Augen entscheidend davon ab, ob es nach den Wahlen von 2018 noch einmal eine Regierung geben kann, in der SPÖ und ÖVP den Ton angeben, statt dass Heinz-Christian Strache sie mit der FPÖ anführt.

Mangelnde Analyse

Im Gegensatz zu jenen meiner Kollegen, die die Wiedergabe wirtschaftspolitischer „Sager“ der Analyse wirtschaftlicher Daten seit Jahren vorziehen, bin ich nämliche nicht der Meinung, dass vergangene rot-schwarze Regierungen „versagt“ haben: Die Regierung Faymann/Pröll hat die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit bis 2012 besser – mit weniger Einbuße an Wachstum und Zunahme an Verschuldung – als fast alle anderen Staaten gemeistert.

Ein Einzelfall

Das Hypo-Alpe-Adria-Debakel, so dramatisch es ist und so sehr es Österreichs Staatschuld erhöht hat, ist keine Folge grundsätzlich verfehlter Wirtschaftspolitik, sondern ein – bestürzender – Einzelfall. Heinz-Christian Strache hat eine Meisterleistung vollbracht, indem er die Hauptschuld daran Faymann und Pröll zuwies, obwohl seine Parteifreunde das Desaster grundgelegt haben.

Österreich ist auch in der Folge in keiner Weise wirtschaftlich „abgesandelt“, sondern nach den Niederlanden und vor Deutschland unverändert das wirtschaftlich leistungsfähigste EU-Land. (Sein Abstand zum Durchschnitt der EU hat sich sogar vergrößert.)

Wirklich verfehlt war nur die von Hans Jörg Schelling zu gering und zu spät vorgenommene Steuerreform, die die Konjunktur in dem Ausmaß beschädigte, in dem sie die Konsumenten Kaufkraft gekostet hat. Aber selbst Schelling betrieb diese Politik nicht in erster Linie aus eigenem Antrieb, sondern in Befolgung jenes ruinösen „Sparpaktes“, den Wolfgang Schäuble und Angela Merkel der EU aufgezwungen haben.

Dramatische eigene Fehler hat Österreichs rot-schwarze Regierung in der Wirtschaftspolitik – anders als in der Bildungspolitik – nicht begangen. Dass es beispielsweise hierzulande erstmals eine höhere Arbeitslosigkeit als in Deutschland gibt, kann ihr einmal mehr nur als wirtschaftliches Versagen ankreiden, wer sich nicht für Wirtschaftsdaten interessiert: Deutschlands arbeitsfähige Bevölkerung schrumpft – die Österreichs wächst.

Ich behaupte: Bruno Kreisky hätte eine wirtschaftliche Performance wie die Österreichs seit 2009 als überragenden Erfolg in schwerster Zeit verkauft, und die gleichen Journalisten, die die rot-schwarzen Regierungen totschreiben, hätten ihm aus der Hand gefressen.

Rot-Schwarz war gut

So sehr das rundum bestritten wird: Die rot-schwarzen Regierungen der jüngsten Zeit haben, die Wirtschaft betreffend, in erster Linie ein substanzielles Kommunikationsproblem. Und dass sie es haben, liegt in erster Linie an ehrgeizzerfressenen VP-Funktionären.

Lange Zeit war Bundeswirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl diesbezüglich der führende Mann. Niemand machte eine Wirtschaftsentwicklung, die nicht zuletzt von seiner Wirtschaftskammer gemeinsam mit der Arbeiterkammer gemanagt wurde, in den Ohren der Bevölkerung so madig wie er. Sein „Abgesandelt“-Sager stellte jede noch so wüste Kritik durch Strache in den Schatten.

Aber mittlerweile hat ihn Reinhold Lopatka an destruktiver Wirkung eingeholt: Indem er Mitterlehner meuchelt, versetzt er dem „neuen Stil“ der Regierung den Todesstoß.

Ehrlich bereit

Denn wenn Mitterlehner etwas auszeichnete, dann dass er, wie Christian Kern, ehrlich bereit war, den Erfolg der gemeinsamen Regierung kleinlichen Gebietsgewinnen der eigenen Partei vorzuziehen.

Das aber war für Lopatka unmöglich – er musste den besseren SP-Kandidaten für den Rechnungshof zugunsten der VP-Kandidatin austricksen. Entsprechende Zeitungskommentare – „ÖVP und SPÖ können das Streiten nicht lassen“ – waren unausweichlich.

Aber noch besaßen ÖVP und SPÖ die vage Chance, in einer andren, wichtigeren Personalentscheidung interne Einigkeit zu demonstrieren.

Das konnte Lopatka nicht zulassen: Er musste öffentlich vorführen, dass er, anders als Kern und Mitterlehner, Norbert Hofer für den besseren Bundespräsidenten hält. Das ist zwar eine Ansicht, die insbesondere seine wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit demonstriert, aber man kann sie im Stillen äußern. Sie in diesem Moment und in dieser Form unabgesprochen auszuposaunen konnte hingegen nur einen Zweck haben: Mitterlehner aufs Schwerste zu beschädigen. Und das ist gelungen.

Denn nun werden Monate mit der medialen Kommentierung der restlosen Demontage Reinhold Mitterlehners vergehen, statt dass die Zeitungen vielleicht doch darüber schrieben, dass die Regierung das Flüchtlingsproblem in den Griff bekommen hat, der soziale Wohnbau angekurbelt wurde oder Ganztagsschulen flächendeckend ausgebaut werden.

Irrationale ÖVP

Wie hätte eine rationale ÖVP die 21 Monate bis zur Wahl gestaltet?

Ihr wäre klar gewesen, dass Kurz, wenn er jetzt schon übernimmt, Gefahr läuft, bis dahin so beschädigt wie noch jeder VP-Obmann zu sein. Vernünftigerweise sollte er daher erst sieben, acht Monate vor den Wahlen und dann möglichst geordnet übernehmen. Etwa indem Mitterlehner wahrheitsgemäß erklärt, dass er in ihm den besseren Kanzlerkandidaten sieht. Das beförderte Kurz’ Strahlkraft und ehrte Mitterlehner als noblen Elder Statesman, dem das Wohl der Partei über die eigene Karriere geht.

Bis dahin hätte eine rationale ÖVP ihn so erfolgreich mit Christian Kern abreiten lassen, wie das seine redliche Absicht war.

In den verbleibenden Monaten hätte Kurz Kern an Popularität einholen, vielleicht auch überholen können – in jedem Fall hätten SPÖ und ÖVP eine faire Chance besessen, doch gemeinsam wieder die absolute Mehrheit zu erlangen oder zumindest nur knapp darunter zu bleiben. (In einem Ausmaß, das eine Ampel zur akzeptablen Alternative macht.)

Zum Wohle Österreichs.

Aber die ÖVP ist keine rationale Partei: Sie ist eine Partei der Wadlbeißer, Grabenkämpfer und Intriganten – der Lopatkas eben.

Knapp nach (oder knapp vor) Christoph Leitl ist Reinhold Lopatka Straches bester Mann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.