Schöne neue digitale Welt

Anlässlich der Versteigerung der Hälfte seiner Mobilfunkfrequenzen hat Österreich 2013 zwei Milliarden Euro eingenommen. In der Folge hat Finanzminister Michael Spindelegger erklärt, in den nächsten 5 Jahren eine Milliarde davon für den Ausbau des Glasfasernetzes aufzuwenden.

Diese 200 Millionen pro Jahr (heuer waren es dank eines energischen Infrastrukturministers 332.000 Euro) sind der Staus quo bei der Förderung der für die Zukunft unserer Wirtschaft wichtigsten Technologie.

Wobei dieser Betrag nicht automatisch fließt, sondern es funktioniert umgekehrt: Wenn eine Gemeinde ein entsprechendes Projekt anmeldet, werden 50 Prozent der Kosten ersetzt.

Dies, obwohl wir dem Rest Europas bei Glasfaseranschlüssen dramatisch hinterhinken: In Lettland sind 43 Prozent, in Schweden 40,7 Prozent, selbst in Spanien 24 Prozent und im EU-Durchschnitt 9,4 Prozent der Haushalte direkt an ein superschnelles Glasfasernetz angeschlossen – in Österrreich 1,2 Prozent.

Wir können uns allenfalls damit trösten, dass es in Deutschland auch nur 1,6 Prozent sind.

Nur dass Deutschland dabei ist, diesen Rückstand drastisch zu verkürzen: bis 2025 wird der Staat den Ausbau des Glasfasernetzes zwar pro Jahr auch nur mit drei Milliarden Euro (also seiner Bevölkerung entsprechend circa dem Zehnfachen der österreichischen Summe) fördern, aber die Industrie hat sich verpflichtet, zusätzlich pro Jahr acht Milliarden Euro aufzuwenden – die Hälfte davon zahlen Telekom-Unternehmen.

Damit wird Deutschland pro Jahr mindestens 11 Milliarden Euro in ein flächendeckendes Gigabit-Glasfasernetz investieren – Österreich bestenfalls 600 Millionen wenn sie beantragt werden.

Das ist zu ungewiss und zu wenig.

“Der Ausbau des Glasfasernetzes hat für die wirtschaftliche Entwicklung eine ähnliche Bedeutung wie seinerzeit der Ausbau des Bahnnetzes, des Straßenetzes oder des Stromnetzes als Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung”

Industrie oder Dienstleistung hängen ebenso davon ab wie IT-Ausbildung oder effiziente Verwaltung. Wir haben es mit einer klassischen Infrastruktur Aufgabe des Staates zu tun und wenn er darin versagt werden es alle büßen.

Das politische Problem der Digitalisierung liegt darin, dass sie vorest immer aus dem Blickwinkel der Vernichtung der Arbeitsplätze gesehen wird – statt zu begreifen, dass der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen die eigentliche Basis wirtschaftlichen Fortschritts ist.

Gelegentlich findet dieser Fortschritt in Schüben statt – der Ausbau des Glasfasernetzes hat für die wirtschaftliche Entwicklung eine ähnliche Bedeutung wie seinerzeit der Ausbau des Bahnnetzes, des Straßenetzes oder des Stromnetzes als Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung, die Erfindung der Dampfmaschine war der zweifellos größte, der folgende Ausbau des Eisenbahnnetzes stand ihm nicht nach – der Ausbau des Glasfasernetzes als Basis der Digitalisierung ist die größte Annäherung daran.

Ich möchte noch einmal an die Äußerung des VW-Personalvorstandes Horst Neumann anknüpfen: “Von den 100.000 taktgebundenen Beschäftigten des Konzerns wird es in 20 Jahren nur mehr die Hälfte geben.” Denn: “Die Roboter-Arbeitsstunde kostet drei bis sechs Euro, die menschliche Arbeitsstunde das Zehnfache.

Natürlich kann man diese Aussage als gefährliche Drohung auffassen, wenn man in der Vorstellung befangen ist, Mühe und Schweiß entschieden über wirtschaftlichen Erfolg. Aber das ist sympathischer Unsinn – es ist die maschinelle Ausstattung, die darüber entscheidet.

Und entscheidend für diese maschinelle Ausstattung wird nicht nur in der Industrie, sondern auch in den Dienstleistungen der Einsatz digital gesteuerter Roboter sein.

Davor muss man sich nur fürchten, wenn die Politik es versäumt, einen Weg zu finden, wie das so geschaffene BIP, das sich ja keineswegs verringern wird, sozialverträglich auf die Bevölkerung verteilt wird.

Um das Problem im Gedankenexperiment zuzuspitzen: Es zieht eine Zukunft herauf, in der nur die Techniker gebraucht werden, die immer bessere, sich selbst wartende, lernfähige digital gesteuerte Maschinen entwickeln.

Dazu reicht vermutlich das diesbezüglich begabteste Promille der Bevölkerung. Weitere zehn Prozent mag man als Richter, Lehrer Ärzte, Pfleger oder Entertainer beschäftigen. Die Politik wird wissen müssen, wie sie den riesigen Rest versorgt. Denn Streiks gegen Roboter funktionieren nicht.

Ich weiß, dass einen Denkexperimente hierzulande rasch in den Geruch eines Narren (“Utopisten”) bringen, aber vielleicht kann ich immerhin zu einer gewissen Nachdenklichkeit bezüglich der Digitalisierung beitragen. Sich etwas mehr mit ihr- und etwas weniger zum Beispiel mit der”Kammer-Zwangsmitgliedschaft”- zu befassen scheint mir keine wirklich utopische Forderung.

Wobei ich mein Gedankenexperiment ausweiten möchte: Wir haben die Chance, fast alle öden, ermüdenden Arbeiten in absehbarer Zeit loszuwerden.

Menschen können sich mehr denn je der Erziehung ihrer Kinder, ihren Freunden, Hobbys oder den Künsten widmen und vielleicht sogar “Muße” wiederentdecken.

Eine der größten aktuellen Ängste – die Angst, dass uns Billigarbeitskräfte armer Länder unseren Wohlstand kosten, weil sich alle Produktion zu ihnen verlagert – würde obsolet: Niemand arbeitet billiger und besser als digital gesteuerte Roboter.

Unsere entwickelte “westliche” Industriegesellschaft ist in der Lage, den Schritt “aus der Notwendigkeit in die Freiheit” zu tun, wenn wir ein bisschen nachdenken würden, wie wir das Stolpern vermeiden.

2 Kommentare

  1. Ja, Herr Lingens, Sie sind halt einer der – (zu) wenigen – Narren.

    Aber verraten Sie uns bitte, welche politische Parteien Ihre (wie auch meine) Gedankengänge weitgehend unterstützt. Ich – für meinen Teil – kann behaupten, dass es die Grünen auch nicht sind. Und von der SPÖ hört man seit dem Unfalltod von Sozialminister Alfred Dallinger 1989(!) auch nicht viel von Arbeitszeitverkürzung, obwohl sich “technisch” gewaltig viel getan hat und auch weiter sehr viel tun wird.

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