Die Dimension der digitalen Revolution

Die Politik unternimmt alles, um Menschen, die sie für arbeitsscheu hält, dazu zu zwingen, möglichst rasch wieder zu arbeiten – obwohl sie über jeden froh sein müsste, der auf Arbeit verzichtet.

Kein Wort steht bekanntlich so häufig im Regierungsprogramm wie „Digitalisierung“. Infrastruktur-Minister Norbert Hofer verglich die digitale Revolution zu Recht mit der durch Dampfkraft und Elektrizität ausgelösten. Dramatischer als die Ähnlichkeit ist nur der Unterschied: Dampfkraft und Elektrizität ließen die Zahl der Arbeitslätze explodieren – die Digitalisierung lässt sie implodieren.

Zur Erinnerung: Das Institut für Höhere Studien sieht die Beschäftigung in den nächsten 20 Jahren “nur“ um 10 Prozent schrumpfen, die Unternehmensberatung A.T. Kearney rechnet, wie die meisten großen internationalen Studien mit 45 Prozent: Schließlich lässt sich nicht nur körperliche, sondern mindestens so sehr geistige Arbeit durch digital gesteuerte Roboter bzw. künstliche Intelligenz (KI) ersetzen. Roboter können Werkstücke nicht nur besser als Hilfsarbeiter transportieren, sondern auch besser als Facharbeiter zusammensetzen. KI-Computer spielen nicht nur besser Schach oder Go, sondern lösen auch Verwaltungsfragen besser als Beamte.

 Was geschieht mit immer mehr „überflüssigen“ Menschen?

Die Politik wäre m.E. gut beraten, sich in Zukunftsfragen auf die „Phantasten“ (die Nachfolger Jule Vernes) zu verlassen: Was man denken kann, kann/wird man auch machen. Es ist nicht phantastisch, sondern realistisch, sich auf eine Zweiklassengesellschaft vorzubereiten: Die winzige Klasse derer, die Roboter bzw. künstliche Intelligenz herstellt, und die riesige Klasse derer, die dadurch in absehbarer Zeit sehr viel weniger Arbeit hat. Auch wenn in den nächsten Jahren „nur“ die schlecht Ausgebildeten gar keinen Job mehr finden.

Es ist notwendig, sich jetzt schon zu fragen, was mit immer mehr Menschen geschieht, die Ilija Trojanow in seinem Bestseller „Der überflüssige Mensch“ überflüssig nennt. Denn sie werfen zwei Jahrtausend-Probleme auf: Wie wird erstens, ihr Leben finanziert? Und womit werden sie, zweitens ihre Zeit verbringen? Weder im Regierungs- noch einem Parteiprogramm steht dazu ein Wort.

Fast das ganze Steueraufkommen basiert auf der Leistung von Maschinen

Nur gerade Christian Kern hat zu 1. immerhin einen Gedanken gewagt. Seinen Vorschlag, Sozialleistungen via Wertschöpfungsabgabe zu finanzieren, als „linkslinke Maschinensteuer“ zu diffamieren, entsprang hoffentlich bloß wahlkampfbedingter rechtsrechter Kopflosigkeit: Fast unser gesamtes Steueraufkommen basiert voran auf der Leistung von Maschinen. Allenfalls Dichter oder Maler brauchen zu ihrer Wertschöpfung keine – schon Musiker brauchen die digitalisierte Musikindustrie.

Das Leben der Bevölkerung kann gar nicht anders als durch eine Art Wertschöpfungsabgabe finanziert werden. Die Frage ist nur, ob die Klasse der Überflüssigen davon mehr als ein Minimum bekommt. Denn im Kampf um die Aufteilung herrscht ein nie dagewesenes Ungleichgewicht: Bisher konnten Arbeitskräfte ihren Anteil notfalls durch Streiks vergrößern – gegen Roboter kann man nicht streiken.

Nicht einmal ein physischer Aufstand der Überflüssigen verspräche Erfolg: Die Beherrscher der künstlichen Intelligenz könnten ihn jederzeit durch Kampfroboter ersticken.

Gegen Computer kann man nicht streiken

In Wirklichkeit wird die Bevölkerung eine für sie erträgliche Wirtschaftsordnung in naher Zukunft nicht mehr erzwingen, sondern nur mehr erhoffen können: Das Teilen der Zukunft wird ein weitgehend freiwilliges sein müssen. Wenn ich diesbezüglich relativ optimistisch bin, dann weil der Mensch ein soziales Wesen ist und weil „Gemeinsinn“ bei den Anführern der digitalen Revolution (Bill Gates & Co) eher entwickelter als beim Durchschnitt ist.

Wie wenig die aktuelle Politik die künftige Massenarbeitslosigkeit berücksichtigt zeigt die Auseinandersetzung um neue Arbeitsgesetze: Hartz IV setzt alles daran, Menschen, von denen man meint, dass sie arbeitsscheu wären, dringend zur Arbeit zu bewegen. Obwohl man in Zukunft über jeden froh sein müsste, der freiwillig auf Arbeit verzichtet. Obwohl man viel eher mit DM-Chef Götz Werner davon ausgehen sollte, dass nur die Arbeit übernehmen sollen, die es begeistert und daher viel erfolgreicher tun – was am ehesten über ein bedingungsloses Grundeinkommen zu erreichen ist.

Was tun mit der vielen gewonnenen Zeit?

Das leitet zum zweiten m.E. weit schwerer zu lösenden Problem über: Was werden die vielen Menschen, die beim besten Willen keine Arbeit mehr finden, mit der gewonnenen Freizeit tun? Schließlich haben sie sich durch Jahrhunderte vor allem über ihre Arbeit definiert und müssen jetzt damit fertig werden, in dieser Funktion „überflüssig“ zu sein.

Wie wenig wir damit rechnen, zeigt unser Bemühen Erwerbsarbeit vor allem für Frauen mit Kindererziehung vereinbar zu machen – obwohl in Zukunft mindesten so viele Väter arbeitslos sein werden. Muss Kindererziehung unter diesen Voraussetzungen nicht vor „Arbeit“ für beide zentraler Lebensinhalt werden?

Müssen wir den Schulunterricht nicht völlig verändern? Genau die Unterrichtsgegenstände forcieren, deren Stundenzahl wir derzeit ständig reduzieren: Musik, Zeichnen, Turnen, Werken- um kreatives Genießen zu trainieren.

Ich weiß: Vorläufig suchen wir dringend Naturwissenschaftler, Techniker, voran IT-Fachleute – aber selbst die IT-Technologie der Zukunft wird viel weniger Menschen brauchen, denn sie wird sich aus sich selbst heraus weiterentwickeln, weil Roboter absehbar denken und sich selbst reproduzieren können.

 

8 Kommentare

  1. Es ist logisch wie Sie in diesem Artikel die Schlüsse ziehen,
    Und es wird doch ganz anders kommen.
    Warum?
    Der sprachliche Graben zwischen Fachabteilung und IT, speziell der Graben zu Programmiersprachen wird, geebnet und so wird programmieren von Verwaltungs- und Geschäftssoftware , logisch anspruchsvoll, doch so einfache sein wie die Verwendung eines Smartphones.
    Fazit unsere Service orientierten Wirtschaftssegmente bleiben Menschen zentrisch, auch alle anderen Segmente werden Menschen zentrisch und auf den Mensch als Akteur und dessen Arbeit als Differenzierung pochen.
    Durch diese Entwicklung wird Einsicht in AI und Roboter einer breiten Menschenmenge moeglich gemacht und schnell wird vielen klar was AI und Roboter machen können und was nicht.
    Es wird klar das diese Element sehr hilfreich sein können aber noch mehr als bis lang den Mensch, seine Arbeit seinen Verstand, in den Mittelpunkt stellen werden.
    AI und Roboter also das fremde ist was Angst macht.
    Überflüssig Menschen sind wie überflüssige Nahrung es scheitert gerade mal an der Umverteilung und Menschen können umverteilen in dem andere Foci ins Auge gefasst werden.
    Programmieren ist nur ein Werkzeug genau so wie das Smartphone.

    Hm dagegen spricht, das wir mehr Computerleistung heute in der Hose tragen als die Mondlandefähre the „eagle“ bei der Mondlandung an Board hatte, naja zumindest verwenden wir diese ganze „computing power“ als moderne Schreibmaschine ja und zum telefonieren, das ist Fortschritt. 😉

    1. „naja zumindest verwenden wir diese ganze “computing power” als moderne Schreibmaschine ja und zum telefonieren, das ist Fortschritt“

      Möglicherweise schreiben und telefonieren Sie nur damit. Ich sage ich Ihnen gerne was ein Handy noch alles ist und kann. Barometer, Beschleunigungssensor, Bluetooth, elektromagnetischer Sensor, Fingerabdrucksensor, GPS, Gyroskop, Helligkeitssensor, Rundfunkempfänger, Audio Aufnahme/Wiedergabe, Video Aufnahme/Wiedergabe, Mikrofon für diverse Verrichtungen, etc… Und jetzt will ich nur kurz diverse Google Dienste erwähnen wie Google Translate (Englisch-Deutsch), bis vor kurzem ein Gestammel, jetzt mit Hilfe von AI fast literarische Qualität. Schon „Google Now“ ausprobiert. Stellen Sie einfach eine Frage (wie alt war der jüngste Präsident der Vereinigten Staaten bei seiner Inauguration), das Netz ist längst semantisch und gibt Ihnen eine gesprochene Antwort. Handy-Schach spielen unter 2000 Elo Punkten ist sinnlos ausser Sie haben Freude am Verlieren und diverse VR Applikationen lassen bereits erahnen was sich hier in Kürze abspielen wird. Das neue Google Earth ist auch nicht ohne und haben Sie schon einmal bei Nebel eine CAT III Landung miterlebt, das kann kein Mensch. Neue Bild gebende Verfahren in der Medizin mit Diagnose, sinnverstehende Software für Rechtsanwälte um Tonnen von Schriftsätzen in kurzer Zeit zu bewältigen etc… Ich möchte Ihnen keine Angst machen, aber gerade jetzt werden Milliardenbeträge im Silicon Valley aufgewendet zur Verlängerung des Lebens. Für wen, für alle? Mit Sicherheit vorläufig nur für die, die das nötige Geld haben.

      Einfach gesagt: Immer weniger Menschen wissen immer mehr über Technik und die Masse im Vergleich dazu immer weniger mit dem Argument das Handy „weiß es eh“… Es hilft nichts, die Zukunft, die auf uns zukommt wird spannend um es einmal freundlich auszudrücken.

      1. Guten Morgen Gotfried
        alles was Sie sagen ist richtig. Ich habe mich auf die CPU Leistung bezogen und Sensoren wie Barometer bis GPS habe nicht direkt was mit der CPU Leistung zu tun auch das CAT III hat weniger CPU Leistung an Board eines Fliegers als neue Handies und die „virtual reality“ (VR) und andere online Services brauchen sehr viel Rechenleistung am Server, fragen Sie mal die Betreiber. Aber das ist nicht mein Punkt.

        Wir haben eine Chance, und die Generation nach uns wird offener für Neuheiten sein, mit dem Handy, Tablets und Servern der online Dienste direkt zu kommunizieren und diesen Maschinen direkt Anweisungen zu geben, über eine relative einfach visuell Programmiersprache, und so maßgeschneiderte Software auf diesen Maschinen in der täglichen Arbeit direkt zur Automatisierung einzusetzen. Direkter schneller und effizienter automatisieren, also den Computer dazu verwenden wozu er eigentlich gemacht ist, diesen zu programmieren, in der Arbeit, egal ob in der öffentlich Verwaltung oder in der Privatwirtschaft.

        Auch die Softwareentwicklung entwickelt sich weiter durch Innovationen!

        So werden die Benutzer von Anwendern zu Machern von Software und sind dann nicht nur beschränkt auf das was einige wenige den Benutzern als Software vorsetzen.

        Vom Anwender zum Macher!

  2. Ich habe keine so grosse Angst, dass uns die Arbeit ausgeht. Schliesslich schafft es China z.B. gerade, ein paar hundert Millionen ueberfluessig gewordene Landarbeiter in andere Arbeitsverhaeltnisse zu bringen. Ich erinnere mich noch gut, wie in den 50er Jahren bei uns ein Feld abgeernet wurde ( ohne Maehdrescher, ohne Traktor ) und wie das Korn gedroschen wurde. Alle unsere Landarbeiter ( gerade war uebrigens Maria Lichtmess, der Tag, an dem die Landarbeiter ihre Arbeitgeber wechselten ) haben im Endeffekt andere Jobs gefunden. In Oberoesterreich sehe ich Folgendes: alle Betriebe suchen Arbeitskraefte. Baecker, Dachdecker, Spengler, Installateure, Koeche etc. werden auch in Zukunft gebraucht, aber wenige wollen diesen Job machen. Dafuer gibt es in jedem Landort Massage, Physiotherapie, Psychologen etc., die es frueher nicht gab. Ausserdem sind die Kindergartengruppen und Schulklassen kleiner, also braucht es mehr Lehrer. Auch mehr Altenbetreuer, Pflegekraefte u.s.w.
    Tempura mutantur, et nos in illis.

  3. Sehr geehrter Herr Lingens,

    es freut mich immer wieder, interessante Wirtschaftsthemen von ihnen zu lesen, Die Digitalisierung wird ganz dramatisch auch unser Gesellschaftsleben beeinflussen. Ob 10 oder 45% der Jobs – und welche – in den nächsten Jahrzehnten wegfallen, kann niemand exakt voraussagen, auch nicht, was „Neues“ entstehen wird.

    Eines ist allerdings klar, wir werden keine „Zuwanderung“ brauchen – im Gegenteil!

    Die Sozialdemokratie (in Ö) hat ein gutes Programm: Wertschöpfungsabgabe, vulgo „Maschinensteuer“, Erbschafts- u. Vermögenssteuer machen wirklich Sinn und kommen „Gerechtigkeit“ sehr nahe. Aber leider, leider, …

    Die Sozialdemokratie (in Ö u. D) hat sich bei der entscheidenden Frage der „Wirtschaftsflüchtlinge“ (gut, da sind einige wirkliche Asylanten – Krieg ist jedoch kein Asylgrund – dabei) voll verrannt. Faymann sprach von „Seitentürln“ und machte vor Merkel den Diener. Die SPD fordert sogar verstärkten Familiennachzug. Deshalb ist auch der Stimmenanteil der Roten und Grünen, wie er ist. Und er wird weiter schrumpfen. Dann lässt sich auch kein vernünftiges Wirtschaftsprogramm mehr umsetzen, Darüber hinaus werden sich die wenigsten Migranten wirklich integrieren. Die allermeisten werden wir – und auch deren reichliche Nachkommen – durchfütter müssen.

    Wenn unsere „Bundespräsidenten“ eine verstorbene Flüchtlingshelferin verehren, im Mittelmeer ertrunkene Wirtschaftsflüchtlinge beweinen, sich über ungustiöse Nazilieder aufregen, wie wenn die Tiefbraunen morgen KZs aufgemacht würden. Viele unserer „Schöngeister“ (Medienleute, Künstler, Kabarettisten, …) machen sich überhaupt keine Gedanken darüber, wo die Wirtschaftsreise aufgrund der Digitalisierung hingeht.

    Die Sache wird nicht gut ausgehen! Und wenn wir einmal gefragt werden, wie es dazu gekommen konnte, denen müssen wir ehrlich sagen: Da waren sehr schwache Politiker bei den Sozialdemokraten am Werk. Dass bei uns Kurz Kanzler werden und sich Merkel in D so lange halten konnte, sind weitere Indikatoren.

  4. (Fortsetzung, weil versehentlich zu früh abgesendet)
    Die sogenannte Vollgeldinitiative, über die in der Schweiz am 10.Juni abgestimmt wird, wäre ein diesbezüglicher Innovationsschritt auf der Finanzseite (um die es letztlich immer geht). Eine Vollgeldreform ist, was die Innovationskraft betrifft, durchaus vergleichbar mit der noch in „Verdauung“ befindlichen Digitalisierung in der Produktivitätssteigerung. Die Tabuisierung der Geldthematik in der „öffentlichen Diskussion“ drückt jedoch das mangelnde Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Staatsbürgern aus. Ceterum censeo: Ein Staat darf sich nicht verschulden müssen (Betonung auf „müssen“!).

    Liebe Grüße, Ihr Günther Hoppenberger
    Und übrigens: Schmökern auf http://www.lifesense.at lohnt immer

  5. Ja, die Basis des Steueraufkommens rührt von der Produktivität der Maschinen. Die Steuern selbst, die ja eine kalkulatorische Größe sind, werden jedoch alle durch den Konsum geleistet. Der anhaltende Irrglaube, dass unser Geld durch Arbeit entsteht und dass deshalb (überspitzt gesagt) nur wer arbeitet auch ein Einkommen zugewiesen bekommen soll, verursacht unser irrwitziges Dilemma. Wenn Wachstum nur als relative Geldgröße verstanden wird, der „Markt“ jedoch auf immer weniger (noch) zahlungsfähige Konsumenten eingeengt wird, kommt fast zwangsläufig jede zivilisatorische Gesellschaftsentwicklung zum Erliegen. Diesen Weg scheinen wir nunmehr ja mehr denn je einzuschlagen. Der Schlüssel zur Problemlösung ist wohl in der unzeitgemäßen Konstruktion der Geldordnung zu verorten. Denn alle, wirklich alle Probleme, mit denen heutige Politik konfrontiert ist, haben ihren Ursprung in der mittlerweile versagenden Geldordnung.

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