Es verhindert eine bessere Wirtschaftspolitik im gleichen Ausmaß in dem es ökonomisch ahnungslose Populisten fördert
Die Regierung Kreisky-Androsch war die letzte, die sich offensiv zum Defizit-Spending des Staates bekannte, das Österreich den Öl-Schock 1973 so viel besser überwinden ließ, als Länder die sich mit Margaret Thatcher dem Sparen des Staates verschrieben.
Auch 2008 wurde die Krise durch Defizit-Spending abgewehrt. Aber sie war noch nicht überwunden, da propagierten Merkel & Schäuble im Einklang mit Deutschlands populärsten Ökonomen „Sparen des Staats“ als wahre Krisenmedizin und verordneten sie via Spar-Pakt der ganzen EU. Der Widerspruch führender US- Ökonomen beeindruckt sie so wenig, wie die viel schnellere viel deutlichere Erholung der USA.
Schon gar nicht beeindruckt beides Kurz & Strache.
Nur billigstes Geld der EZB führte zur dürftigen Erholung der EU
Dabei ist die Argumentation (z.B. Paul Krugmans) logisch unwiderlegbar: Mehr Geschäft – und darin besteht „Erholung“- kann nur machen, wer mehr verkauft. Mehr verkaufen kann man nur, wenn mehr eingekauft wird. Die Bürger kaufen nicht mehr ein, weil ihre Reallöhne seit 2000 kaum stiegen und Krisen eher zum Sparen animieren. Das musste dazu führen, dass auch Unternehmer nicht mehr einkauften, weil sie blöd wären, wenn sie trotz stagnierenden Absatzes Anlagen erweiterten. Bleibt, wenn man dennoch mehr verkaufen will, auf Grund der puren Mathematik, nur der Staat als Mehr-Einkäufer.
Die EU hätte ihre dürftige aktuelle Erholung nicht erlebt, hätte Deutschland sich vollends durchgesetzt und die EZB gehindert, Bürger und Unternehmer durch QE (quantitative easing) und gemeinsame Verschuldung aller Staaten doch zu einem Minimum an Mehr-Einkäufen zu zwingen. Trotzdem stieg die Schuldenquote der einzelnen Staaten, weil ihre Wirtschaft kaum wuchs bzw. schrumpfte. Einzig Deutschland vermochte Schulden abzubauen, weil es besonders viele Produkte verkauft, die auch Reiche außerhalb der EU, Amis, Chinesen, Russen, unbedingt haben wollen, so dass deren Einkäufe die EU-Flaute überkompensieren.
Seither gilt Deutschland als Vorbild – obwohl es ihm ungleich besser ginge, wenn auch in der EU mehr eingekauft würde.
Wieso stoßen Investitionen (Einkäufe) des Staates auf so viel Misstrauen?
- Weil viele Leute meine Skepsis gegen Staats-Projekte teilen – es ist kein Zufall, dass der Sky-Link soviel mehr als nötig kostete. Aber Skandinavien führt vor, dass Staaten Geld auch sparsam ausgeben können. Indem sie es nämlich voran privaten Unternehmen überantworten und sich auf Kosten-Kontrolle, nicht aber personelle Einflussnahme konzentrieren.
- Auch staatlicher Verwaltung wird misstraut, obwohl es dafür hierzulande abseits des Föderalismus wenig Grund gibt – es ist auch kein Zufall, dass man Pässe am selben Tag bekommt. Auch zu viele Staatsangestellte haben wir nicht: Wenn weniger Beamte Bewilligungen langsamer erteilen oder weniger Richter Verfahren langsamer entscheiden, kostet das mehr als deren Gehälter. Und welch enormen Wert die materielle Infrastruktur eines Staates darstellt, kann man daran ermessen, dass Deutschland Jahrzehnte brauchte, um sie im Osten dem Westen anzugleichen.
- Es gibt das Lehrbuch-Argument, dass mehr Kredite für staatliche Investitionen das Kreditvolumen für Unternehmer verknappten. Doch es ist derzeit irrelevant: Die Unternehmen schwimmen in eigenem Geld, weil ihre Gewinne in dem Ausmaß stiegen, in dem die Löhne zurückblieben. Daher ist auch unsinnig, wenn Kurz & Strache die Unternehmenssteuern weiter senken wollen. Denn trotz ständig gesenkter Gesellschaftsteuern stagnieren die Unternehmens-Investitionen seit langem mit gutem Grund – siehe oben. Trotzdem könnte es in der EU einen diesbezüglichen Wettlauf geben, weil der neoliberale Schwachsinn, dass es den Menschen umso besser ginge, je heftiger die Unternehmer applaudieren, keine Grenzen kennt.
- Der einzig seriöse Einwand gegen mehr Investitionen des Staates lautet, dass auch John M. Keynes Defizit-Spending gemäß seiner „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung„ nur zum Ankurbeln der Wirtschaft gefordert hat, und wollte, dass der Staat dieses Geld wieder hereinbringt, wenn sie läuft. Dem wäre konkret entgegen zu halten, dass sie noch längst nicht lief, als Merkel & Schäuble 2012 den Spar-Pakt diktierten. Aber es gibt einen grundsätzlichen Einwand: Keynes war, als er seine Theorie 1930 verfasste, nicht damit konfrontiert, dass Unternehmen Riesensummen auf der hohen Kante haben, also Netto-Sparer sind, statt Kredite zu brauchen. Genau das aber ist heute der Fall – daher wird der Staat in Zukunft ständig mehr ausgeben müssen, wenn er die Konjunktur trotz sparender Unternehmen aufrechterhalten will.
Gegen die Mathematik (ökonomisch: “Saldenmechanik“) kann man nicht wirtschaften.
Nulldefizite sind auf absehbare Zeit kontraproduktiv
Null-Defizite zu planen, wird daher auf absehbare Zeit kontraproduktiv sein, weil es Staatsausgaben zurückhält und im ungünstigsten Fall (Italien) reale Defizite erhöht. Aber das Glück dieser Regierung ist – ich wiederhole mich – dass wirtschaftliche Entwicklungen (wenn nicht gerade Krisen hereinbrechen) langsam vor sich gehen; dass man lange von dem zehren kann, was zuvor gut gemacht wurde; und dass das „Lohndumping“ Österreich (Deutschland u.a.m.) solange einen massiven Export-Vorteil beschert, als die EU daran nicht zerbricht.
5 Kommentare
John Maynard Keynes 1931: „O patriotic housewives, sally out tomorrow early into the streets and go to the wonderful sales… Whenever you save 5 shillings, you put a man out of work for the day whereas whenever you buy goods you increase employment in this country!“
Keynes war aber sehr deutlich, dass es „British goods“ sein müßten, damit diese Regel funktioniert (seine Argumentation war maßgeblich dafür verantwortlich, dass England 1931 den Import Duties Act einführte). In der heutigen, weit verzweigten Wirtschaft sind Ursache und Wirkung nicht mehr so einfach auseinanderzuhalten. Eine Abwrackprämie für Altwagen fördert zu einem großen Teil den Import von Billigfahrzeugen.
Nur darauf (richtigerweise) hinzuweisen, dass man gegen die Saldenmechanik nicht wirtschaften kann, greift zu kurz. Man kann zwar gegen die Saldenmechanik nicht wirtschaften, aber eine falsche Verwendung der Saldenmechanik kann großen Schaden verursachen (siehe Griechenland). Es geht nie primär um das Mittelaufkommen (z.B. Schulden), sondern immer um die Mittelverwendung. Wenn die Rendite auf Investitionen höher ist als die Kosten der damit verbundenen Schulden, kann man nicht genug Schulden machen. Wenn fatales Misstrauen gegen den Staat eine besser Wirtschaftspolitik verhindert, dann muss man die Antwort beim Staat suchen und nicht beim populistischen Stimmenfänger.
Volle Zustimmung.
Vor Tagen hörte ich, dass es nach dem staatlichen Verbot, die Füße von Mädchen durch schmerzhafte Einschnürungen am Wachsen zu hindern, in China noch über 40 Jahre dauerte, bis das 1949 allgemein durchgesetzt war. Das historische Beispiel zeigt, wie lange es dauert, vermutlich überall etwa gleich lang, heute vielleicht ein klein wenig schneller.
Es freut mich, dass die Gedanken, die hier (und davor in Profil) schon öfter zu lesen waren, jetzt langsam doch Verbreitung finden, angestoßen vom Geschäftsmann Donald Trump … (https://www.lingens.online/2018/03/28/deutschland-kommt-zu-verstand-kommt-deutschland-zu-verstand/).
Falls erlaubt, hier noch ein Blick in die Zukunft: das Steuersystem muss DRINGEND auf Energieverbrauch (eine „E-Tax-Komponente“) umgestellt werden. Warum „muss“? Weil eine der nächsten Klimawandel-Katastrophen die letzten Leugner von den Mikrofonen verjagen wird. Die Ernteausfälle im Jemen, die Brandkatastrophen, die Felsstürze, Gletscherrückgänge etc. haben noch immer nicht genügt – für mich tönen da schon lange alle Sirenen.
Wenn man der Wirtschaft vertraut, was ich im Hinblick auf die vielen tragenden Mittel- und Kleinbetriebe 100%-ig tue (sie sind das Rückgrat der Wirtschaft, so wie der Staat immer Letztinstanz bleibt – faktisch), dann ist das langsame, behutsame, planbare Umstellen der Steuern auf den Energieverbrauch („E-Tax“ zu einem definierten Anteil von z.B. 50%) der für alle sichere Weg, künftige Investitionen in Richtung Energiesparen zu lenken, ohne Verlierer zu produzieren.
Diese Regierung verspielt leichtsinnig das Vertrauen in den Staat. Die, die nichts haben, werden bei Seite gelassen, nicht gefördert oder unterstützt. Die Unternehmer werden kaum die Steuerersparnis die sie bekommen haben in Beschäftigte und Modernisierung der Anlagen investieren und wenn nur ein Hauch von Rückgang kommt, beginnt man so wie immer, mit Entlassung und Reduktion. Das heißt aber auch, der Staat bekommt von diesen Unternehmern noch weniger Steuern und Abgaben wie bisher. Ein fatales Karussell des selbstverschuldeten Staatsdefizits. Alles Auswirkungen einer Regierung aus fast lauter Politneulingen und unerfahrenen Leuten, die bisher nie in diesen Bereichen Verantwortung hatten, die sie jetzt haben!
Wiederum sehr „treffende“ Analyse unserer verkehrten Wirtschaftspolitik ,nicht nur in unserem Kleinstaat !
Defizite sind meist unnötiger, nicht für die Zukunft sinnstiftender, Konsum auf Kosten der nächsten Generationen. Seit Kreisky sind wir da am falschen Weg – s. Schweiz, etc. Die nächsten Generationen werden sich insofern bedanken, in dem sie unsere Pensionen nur mehr stark reduziert zahlen werden/können.