Dass Christian Kern bei seiner Kritik an der Regierung zu Vergleichen greift, die weit unter seinem Niveau sind – „zwei Besoffene, die sich gegenseitig abstützen“ –, zeigt, wie weit er und seine Partei von erfolgreicher Opposition entfernt sind. Sebastian Kurz und H.-C. Strache sind auf Jahre hinaus unantastbar.
Die solide Basis dafür hat die SPÖ in Jahrzehnten erfolgreicher rot-schwarzer Koalition geschaffen: Sie hat den beiden einen wirtschaftlich bestens funktionierenden Staat überlassen, den sie so schnell nicht ruinieren können, auch wenn sie mit der Abwertung der Sozialpartnerschaft einen energischen Anlauf genommen haben.
Kurz & Strache können sich in ihrem Bemühen, alle Institutionen dieses bestens funktionierenden Staates gemäß unüberlegten Wahlkampfversprechen „endlich zu reformieren“, zwar verheddern – ruinieren können sie vermutlich nicht einmal die AUVA. Ohne neuerliche Weltwirtschaftskrise wird es daher unmöglich sein, dieser Regierung wirtschaftliches Versagen vorzuwerfen. Denn niemand besitzt dafür das demagogische Talent Straches, und es gibt auch niemanden von der Unseriosität Christoph „abgesandelt“ Leitls, der ihn darin als Chef der Wirtschaftskammer unterstützte statt bekämpfte.
Die SPÖ – das unterscheidet sie von der FPÖ – ist unfähig zur Fundamentalopposition. Und weder Arbeiterkammer noch ÖGB – das unterscheidet sie von Wirtschaftskammer und Wirtschaftsbund – werden das Land wirtschaftlich heruntermachen, um rote Wahlerfolge zu ermöglichen.
Das wird sich nicht ändern.
„Wenn wir von Horden von Fremden lesen…“
Auch vom Flüchtlingsbonus werden Kurz & Strache unverändert profitieren, denn die Flucht hört sicher nicht auf. Gegen Fremde zu sein, die über die Grenze strömen, ist uns psychisch vorgegeben. Der deutsche Neurologe Hoimar von Ditfurth hat es 1989, lang vor dem aktuellen Problem, so erläutert: „Es gibt drei angeborene Handlungsanweisungen im Menschen. Sie stammen aus dem vor- und frühsteinzeitlichen Dschungel: Hab Angst vor jedem Menschen, den du nicht persönlich kennst! Die Rechte deiner Horde sind den Rechten aller anderen Kollektive übergeordnet! Du musst, wenn du glaubst, das Überleben deiner Horde nicht anders sichern zu können, den Konkurrenten totschlagen! Wenn wir von Horden von Fremden lesen, die hier einwandern, dann revoltiert dieses Gesetz der Steinzeit in uns. Deswegen sind wir keine Faschisten. Es ist menschlich, davor Angst zu haben. Nur muss dann die Hirnrinde tätig werden …“
Alles, was seit der Frühsteinzeit geschehen ist, musste in einer weniger tiefen Schicht – eben der Hirnrinde – erlernt werden: die Erweiterung des „Wir“-Gefühls von der Horde zum Stamm, vom Stamm zur ethnischen Gemeinschaft und von ihr zur Nation. Selbst auf die multinationale Monarchie – auf Ungarn, Serben, Bosnier usw. – vermögen wir dieses „Wir“ heute auszudehnen. Aber bei Syrern oder Afghanen hat ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung damit ein Problem – ich manchmal auch.
Die Gehirnrinde hat es schwer
Mitleid angesichts sichtbaren Leides von Frauen und vor allem Kindern kann diese Kluft kurzfristig überwinden – auch Leid von Kindern nicht mitansehen zu können ist uns angeboren. Doch auf die Dauer, und sobald diese Kinder nicht mehr so sichtbar sind, ist die Abwehrreaktion stärker. Linke und Grüne haben die Bevölkerung in der Frage der Zuwanderung überfordert. Sie hat, auch objektiv gesehen, eine Menge geleistet – jetzt will sie keine Zuwanderung mehr. Sie bejaht, dass Kurz & Strache bei Sozialgesetzen versuchen, sie so zu formulieren, dass Zuwanderer möglichst wenig davon profitieren. Die SPÖ muss heilfroh sein, dass die Regierung die Mindestsicherung selbst regelt, denn wenn sie in Wien tatsächlich auf den bisherigen Bedingungen beharrte und so den Zuwanderungssog in die Hauptstadt weiter verstärkte, könnte sie auch Wiener Wahlen nur verlieren.
Natürlich sollte die Gehirnrinde den Österreichern eingeben, dass jede gekürzte Sozialleistung auch sie selbst trifft und dass alles, was die Integration von Flüchtlingen erschwert, sie letztlich viel teurer kommen wird. Aber wie sollen sie das erkennen, wenn Kurz & Strache es nicht sehen? Wie sollen sie Abwehrreaktionen überwinden, die täglich geschürt werden?
Kein Mittel gegen die Begeisterung fürs „Nulldefizit“
Emotional fast so gut abgesichert ist der wirtschaftliche Kurs von Kurz & Strache, zumal sie ihn mit ihrem Zuwanderungskurs verwoben haben: je weniger Sozialleistungen, desto weniger Zuwanderung. Doch auch für sich genommen sind „Sparen des Staates“, „Nulldefizit“ oder „Senkung der Abgabenquote“ süffigste Slogans, auch wenn das diesmal nichts mit der Steinzeit, sondern der täglichen Lebenserfahrung allen voran jeder Hausfrau zu tun hat. Es ist vollkommen chancenlos zu erklären, warum „Sparen des Staates“ in der Gegenwart wirtschaftlich kontraproduktiv ist. Der neue deutsche Finanzminister Olaf Scholz, der aus der SPD kommt, hat sofort erklärt, daran nicht rütteln zu wollen. Er würde sonst ausgebuht.
Denn die Wirtschaft läuft in Deutschland (Österreich) jedenfalls besser als in fast allen anderen Ländern. Das liegt zwar nicht am Sparen, sondern daran, dass beide durch „Lohnzurückhaltung“ einen Wettbewerbsvorteil errungen haben, der ihre Exporte stärker steigen lässt, als zurückgehaltene Löhne die Inlandsnachfrage hemmen.
Dass angelsächsische Wirtschaftswissenschaftler meinen, dass es ihnen und der ganzen EU ohne Sparpakt und ohne Lohnzurückhaltung deutlich besser ginge, kann man im Falter diskutieren – es als wirtschaftspolitische Linie zu übernehmen, riskieren weder SPD noch SPÖ, obwohl Kern es anders als Scholz versteht. Es ist nicht mehrheitsfähig.
Weder Österreichs wirtschaftliche Entwicklung noch die eingeschlagene Wirtschaftspolitik der Bundesregierung noch die „Flüchtlingsfrage“ geben dem Oppositionsführer die geringste Chance
14 Kommentare
Zustimmung. Genau und verständlich wird im Artikel (und in vielen hier vorher) aufgezeigt, warum das Land so gut dasteht und wie die Flüchtlingskrise wirkt, wirken musste. Sebastian Kurz hat richtige Entscheidungen getroffen, kommuniziert und auf den Weg gebracht. Er hat Charisma, Talent, sagt in wenigen Worten Richtiges, ist jung und telegen.
In dieser Situation sehe ich ein exzellentes Wahlergebnis für Christian Kern und die SPÖ. Das bestmögliche nahezu, und verdient! Christian Kern hat das geschafft (trotz Eigenfehler im Wahlkampf), indem er glaubhaft und unverdrossen auf die traditionellen Werte der SPÖ pochte und mit einem Slogan provozierte, der – Skandal! – auch seine Klientel ermunterte, sich „zu holen, was ihr zusteht“. Also das zu tun, was „alle“ tun (sollen) in der Selfie-Gesellschaft. Und er blieb locker, unbeeindruckt, war „gut drauf“.
Damit müsste er fortfahren, unverdrossen again, entspannt, die richtigen Dinge für seine Wählerschaft sagend und tuend, die Zukunft (der Arbeitsverhältnisse) tat-sächlich in den Blick nehmend, und jetzt erst einmal geduldig. Letzteres könnte das Problem sein, denn in der Politik geht es oft nur noch um den Effekt-Sager im nächsten Interview. Wer nicht jetzt als Sieger „rüberkommt“, ist für manche „Blitzkneisser“ schon wieder passé.
Ich sehe die Lage nicht so aussichtslos. Auch BK Schüssel hatte seinerzeit eine stabile Regierung und relativ gute Wirtschaftsdaten. Und wurde dennoch von Gusenbauer abgelöst.
Großartiger auf den Punkt gebrachter Beitrag. Tatsächlich ist diese Urangst tief im Inneren verwurzelt und die Mehrheit der Bevölkerung sind keine Neonazis, Ultrarechte oder was auch immer. Nein, der Familienvater, eine Alleinerziehende oder ein Geringverdiener ohne großartige Ausbildung haben einfach Angst. Angst den Job zu verlieren, noch ungerechter als sie es sowieso schon bisher wurden, behandelt zu werden. Als erfolgreicher Künstler mit hohem Einkommens, Vermögen, Penthouse im 1. Wiener Bezirk, ohne Existenzängste können diese leicht reden. Die Kinder auf Privatschulen und abgeschottet vom Schmelztiegel der Nationen und Kulturen im Nobelviertel ist es einfach zu (ver)urteilen.
Um was geht es mir eigentlich? Ich wähle in erster Linie ein Weltbild. Auch wenn Herr Kern, dann und wann eine unpassende Aussage macht, wähle ich deswegen nicht Hr.Kurz oder Hr.Strache.
Das Problem der SPÖ hat zwei Namen: Werner Faymann & Christian Kern!
Das haben schon Andre Heller sowie Doris Bures – als sie noch Nationalratspräsidentin war – erkannt.
Andre Heller bescheinigte Faymann: „Beschämende Geistlosigkeit sowie radikales Fehlen an Einsicht und Würde“ und Doris Bures warnte bereits im Dezember 2014 im Kurier vor Christian Kern mit den Worten: „ÖBB-Boss Christian Kern ist sicher kein geeigneter Nachfolger an der Parteispitze.“ sowie in der PRESSE mit der Aussage: „Kern wäre kein guter Politiker. Kern ist intelligent genug um das selbst zu wissen.“
Quellen:
https://diepresse.com/home/innenpolitik/535736/Andre-Heller-kehrt-der-SPOe-den-Ruecken-zu
https://kurier.at/politik/inland/spoe-bures-sieht-faymann-fest-im-sattel/103.771.497
http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4623838/Bures_Kern-waere-kein-guter-Politiker
Der im Elfenbeinturm lebende „Gutmensch“ Heller beklagt den Mangel an „unpopulistischer sozialer Kompetenz und gelebter Solidarität gegenüber Schwächeren und Flüchtlingen. (Lt. Presse)
Mit dieser Einstellung – mit und ohne Heller – bewegt sich die SPÖ Richtung 15%. Darüber kann man natürlich entsetzt sein. Aber man solle nicht die Augen vor Tatsachen verschließen.
Ein durchaus populäres Thema für die SPÖ wäre, dass die WKÖ ständig versucht die Betrüger in ihren Reihen zu schützen. Damit verrät bzw. schädigt die WKÖ die Arbeitnehmer, die öffentliche Hand und nicht zuletzt die ehrlichen Unternehmer in ihren Reihen.
Ein anderes Thema wäre der Datenschutz. Die Regierung verhindert Sammelklagen gegen Facebook, Google und Co. Warum macht sie das? Aus Dummheit? Wurde sie bestochen? Wir erinnern uns noch an Strasser, Mensdorff, Hochegger und andere Lobbyisten.
Ein weiteres populäres Thema, nämlich CETA hat Kern leider schon als Kanzler vergeigt.
Es ist schwer, diesen Pessimismus zu glauben, doch Lingens hat dann recht, wenn die Regierung einerseits ständig die „Fremdenkeule“ schwingt und andererseits beginnt, den Sozialstaat und deren Proponenten zu verstehen.
Das glaube ich nicht, da die Regierung mit der angedachten Reform der Sozialversicherung, unser System eher schwächer macht, als stärker. Das hängt mit der Unwissenheit der Akteure zusammen, obwohl Frau BM Hartinger unser System sehr gut kennt, war sie doch viele Jahre im Hauptverband tätig. Trotz des Wissens von Hartinger und ihrer persönlichen Meinung, wird das System – zwar nicht zerstört – aber völlig ineffizient reformiert, sodass am Ende ein Chaos übrig bleiben wird.
Das werden die betroffenen Menschen merken und – so hoffe ich – politisch reagieren.
Wenn nicht, dann fließt Milch und Honig und alles ist gut.
Nach seiner deutlichen Niederlage ,sollte die „Prinzessin“ den Sessel räumen,bei der Mehrheit der Bevölkerung hat Kern sowie so keinerlei Chancen ,jemals ,trotz seines noch „jüngeren“ Alters,wieder einmal Bundeskanzler“ zu werden.Ja ,Sie haben vollkommen recht Herr Lingens,seine speziellen Äußerungen ,kommen nirgends gut an !
Mit seiner Aussage „Zwei B’soffene“ hat Kern den Simmeringer Proleten hervorgekehrt. Zu bewundern ist nur die SPÖ, wie lange sie sich von diesem Versager noch führen läßt.
Bewundern? – eher bedauern.
Ein Kurswechsel beim – alles entscheidenden – „Flüchtlingsthema“ ist jedoch nahezu ausgeschlossen. Deswegen ist es eigentlich egal, wer diese Partei anführt.
Stichwort „gekürzte Sozialleistungen“:
Leider werden / müssen(!) – auch wegen EU-Regeln – Sozialleistungen auch für „unsrige“ Menschen gekürzt und nicht nur für „Ausländer“, wenn man diese reduzieren möchte. (Die Diskussion über die Kinderbeihilfe für im Ausland lebende Kinder ist da ein hervorragendes Beispiel.)
Nur soll niemand glauben, dass das auf Sicht ohne Folgen für unsere – die der „einfachen Bevölkerung“ – Einstellung zu EU bleiben wird. Wer hätte wohl vor fünf Jahren je gedacht, dass es zu einem Brexit kommen würde?
Zurück zur SPÖ: Die hat vor vielen Jahren – leider – nicht erkannt, wohin die Reise gehen wird. Und jetzt bekommt sie halt auf viele Jahre hinaus – demokratisch – die Rechnung präsentiert …
Und die Grünen: Wenn die vernünftige Kandidaten aufstellen – und nicht mit aller Gewalt Frauen – können sie sogar (wieder) erfolgreich sein …
Es ist nicht nur die aktuelle Zuwanderung (vom Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten) sondern auch der „Vermehrungsunterschied“ der Zugewanderten (zurück bis zu 3. Generation). Ein Blick in (Wiener) Schulklassen sollte jedem die Augen öffnen.
Wenn die (autochthone) österreichische Frau im Schnitt 1,4 Kinder bekommt und Menschen „anderer Kulturen“ bei uns das Doppelte, kann man sich schon ausrechnen – die normale Gehirnrinde wird da nicht reichen – wie sich die Bevölkerungszusammensetzung in einigen Dekaden verändern wird. Klar kann man das auch wollen – oder es kann einem zumindest wurscht sein …
(Warum Ö-Frauen so wenige Kinder bekommen, ist sicher ein eigenes Thema. Aber wenn man Frauen „Karriere“ als Lebensziel vorgaukelt, bleibt halt der Nachwuchs oft auf der Strecke.)
Durch ÖVP-FPÖ wird sicher nicht der „wirtschaftliche Niedergang kommen“. Aber durch reduzierte Bildung (aufgrund „zu vieler Ausländer“ in Schulklassen) wird unsere Wettbewerbsfähigkeit leiden. Dass sich eine größer werdende Anzahl Fremder – mit anderer Kultur – weniger integriert / integrieren muss, ist logisch. Ein auffälliges Zeichen ist da sicher auch die Kleidung – Stichwort Kopftuch.
Eine Möglichkeit wäre natürlich, dass sich die Geschichte wiederholt und die FPÖ als Koalitionspartner implodiert. Dann wäre die SPÖ schnell wieder im Rennen.