Wiederholt sich Griechenlands Fiasko in Italien?

Griechenland geht es nach seiner angeblichen „Rettung“ schlecht wie nie. Geht es nach Deutschland, wiederholt die EU diesen Wahnsinn in Italien und  Kurz und Löger möchten, dass auch Österreich mitmacht.

Sämtliche Medien haben in der vergangene Woche das Ende der „Griechenland-Hilfe“ vermeldet – der deutsche „Stern“ mit den Worten: „Mit dem Ende der Hilfe für Griechenland beweist die Europäische Union, dass sie Krisen überwinden kann.“ Das ist für deutsche Leser derzeit deshalb so wichtig, weil sie befürchten, dass demnächst Italien geholfen werden muss und Deutschlands Medien jetzt schon klarstellen wollen, dass das natürlich wieder nur nach deutschem Rezept geschehen kann: indem Italien „spart und endlich seine Hausaufgaben macht.“

Die vernichtenden Zahlen einer „Rettung“

In Wirklichkeit gibt es kein krasseres Beispiel für das völlige Versagen dieses Spar-Rezeptes als Griechenland. In von niemandem bestreitbaren Zahlen: Um Griechenland zu „retten“ wurden in Summe von EU-Mitgliedern und vom Internationalen Währungsfonds seit 2010 in mehren Tranchen 298 Milliarden Euro vergünstigter Kredite erteilt. Wie ist es nun um das solcherart gerettete Land bestellt?

  • Sein reales BIP, das 2010 noch 299,92 Milliarden Dollar betrug, hat sich bis 2017 um ein Drittel auf 200,69 reduziert.
  • Seine Staatsschuldenquote, die 2010 noch 146,25 Prozent betrug, ist im Zuge des Sparens auf 181,91 Prozent gestiegen.
  • Seine Arbeitslosenrate, die 2010 bei 12,73 Prozent lag, ist bis 2017 auf 21,45 Prozent angestiegen.
  • Das Realeinkommen der Griechen ist in diesem Zeitraum um mehr als ein Viertel, um 26,5 Prozent gesunken.

Möglicherweise hat sich im gleichen Zeitraum die Führung des griechischen Grundbuches verbessert, ist die Steuerbehörde besser organisiert – auch wenn sich die Steuereinnahmen drastisch verringert haben, und gibt der Staat nicht mehr nur an eine bevorzugte Klientel Konzessionen für Apotheken aus – auch wenn sich die Versorgung mit Medikamenten lebensgefährlich verschlechtert hat.

Außerdem kann Griechenland sich am Finanzmarkt refinanzieren – was es immer gekonnt hätte, wenn 2010 nicht über seine Pleite spekuliert worden wäre und die EZB schon damals klargestellt hätte, dass sie hinter Griechenlands Banken nicht anders als hinter denen Österreichs oder Frankreichs steht.

Nur ein Konjunktur-Programm hilft Italien

Man muss wahrhaftig die EU-Kommission, Deutschlands Finanzminister oder ein deutscher Ökonom sein, um diesen Daten eine gelungene „Griechenland -Rettung“ zu entnehmen. Wenn die EU ihr Griechenland-Rezept tatsächlich auch über Italien stülpen sollte, ist ihr ein Billionen- Mausoleum gewiss, neben dem sich die Griechenland- Milliarden wie ein Maulwurfshügel ausnehmen werden- der Olymp des ökonomischen Schwachsinns.

Zu meinem Erstaunen bin ich ausgerechnet in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf ein Interview mit einem Fondsmanager gestoßen, der das begriffen zu haben scheint. Im totalen Gegensatz zur Blattlinie meint Michael Browne, der für eine US-Vermögensverwaltung einen europäischen Aktienfonds verwaltet: „Wenn Italien etwas retten kann, dann ist es ein Konjunkturprogramm.“ Als Sofortmaßnahme empfiehlt er wie die amtierende Regierung eine Senkung der Einkommenssteuern und höhere Mindestlöhne, weil ein staatliches Investitionsprogramm, etwa im üblichen Straßenbau-Bereich „zu langsam wirkte“. Ich persönlich meine, dass es beides braucht: Erhöhung der Einkommen bis hin zu den Mindestlöhnen und staatliche Investitionen, wobei Genua zeigt, dass der Straßenbau dabei durchaus auch Sinn hat.

Trotzdem wird nichts funktionieren, wenn Deutschland nicht anders als bisher agiert: wenn es nicht durch höhere Löhne die Lohnstück-Kosten Differenz zu Italien verringert; und wenn es nicht endlich investieret statt zu sparen

 Wir glauben weiter an den Unsinn

Der gleiche Mechanismus, der Griechenland sein Fiasko beschert hat- das Fehlen staatlicher Nachfrage als Wachstumsmotor- hat natürlich die wirtschaftliche Performance aller EU-Staaten negativ beeinflusst. Groß-Britannien, das sich, wie übrigens auch Tschechien, nicht am Spar-Pakt beteiligt hat ist prompt besser gefahren: BIP/Kopf wie Arbeitslosigkeit haben sich deutlich positiver als in der EU entwickelt (siehe Grafiken). Auch Deutschland hätte sich ohne Spar-Pakt noch besser entwickelt- nur dass der Vorteil, den es sich durch sein Lohn-Dumping verschafft hat, die negative Wirkung des Sparens überkompensiert hat.

Um seine volkswirtschaftliche Ahnungslosigkeit zu verewigen, hat Wolfgang Schäuble den Spar-Pakt als „Ausgabenbremse“ allerdings im Grundgesetz verankert und alle Parteien mit Ausnahme der „Linken“ (die mit Ex-Finanzminister Oscar Lafontaine freilich einen Experten in ihren Reihen hat) sowie alle schwäbischen Hausfrauen haben dem zugestimmt.

Prompt wollen Sebastian Kurz und Hartwig Löger die „Ausgabenbremse“ bekanntlich auch in unserer Verfassung verankern. Und vermutlich wird ihnen die Bevölkerung wie in Deutschland applaudieren- so weise wie die Türken der Verfassungsänderung Tayyip Erdogans.

Noch ein paar Idiotien

Weil die Regierung bis zu diesem Mega-Unsinn noch Zeit hat, versucht sie sich derzeit in kleineren wirtschaftlichen Idiotien: Sie verbieten selbst Asyl-Werbern Lehrverhältnisse in Mangelberufen einzugehen. Lieber zu wenig IT- Fachkräfte als der Ruf, Flüchtlinge womöglich doch integrieren zu wollen.

Dafür darf man hoffen, dass ihr beabsichtigtes Sparen des Staates dank des Widerstandes vernünftiger Landesfürsten vorerst nicht ernsthaft gelingt: Die Leistungen der AUVA werden nach einem Sturm im Wasserglas kaum weniger als bisher kosten. Und das Budget der Kindergärten, das Familienministerin Bogner- Strauß um ein Viertel kürzen wollte, bleibt nun doch auf der alten rot-schwarzen Höhe. Wofür sich Kurz und Strache prompt feiern ließen – Chuzpe muss man haben.

6 Kommentare

  1. Entweder schaue ich mir die falschen Daten an oder ich beobachte bei Italien etwas ganz Sonderbares. Normalerweise – oder zumindest in jenen Fällen, die mir bekannt sind – beginnt eine Auslandsschuldenkrise mit dem Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und dem sich daraus ergebenden Leistungsbilanzdefizit. Italiens Ziffern, die ich aus dem Internet geholt habe, zeigen das Gegenteil: die Handelsbilanz entwickelt sich seit 2012 ganz prima und die Leistungsbilanz sogar noch besser (heuer könnte ein Plus von 60 Mrd.EUR möglich sein!). Wenn also Italien über die Leistungsbilanz Überschüsse ins Land gebracht hat, wenn aber die Auslandsschulden trotzdem in den letzten Jahren stark gestiegen sind, dass muss sich das – laut Theorie – alles innerhalb der Kapitalbilanz abgespielt haben. Mögliche Erklärungen könnten sein: Kapitalflucht und hohe Auslandsinvestitionen. Ich weiß es aber nicht und wäre dankbar für Aufklärung.

    1. Der Leistungsbilanzüberschuss Italiens resultiert leider nicht so sher aus gestiegenen Exporten als aus stark gesunkenen Importen, Die Italiener hatten kein Geld, auslänsiche Waren zu kaufen.

      1. Das habe ich zwischenzeitlich auch festgestellt, obwohl man sagen muss, dass der 10-Jahrestrend bei Exporten stetig aufwärts geht (mit Ausnahme des post-Lehman Einbruchs) und dass Exporte vor allem in den letzten 1-2 Jahren deutlich gestiegen sind. Was immer die Ursachen sind, es gibt einen großen Leistungsbilanzüberschuss und wenn die Auslandsschulden trotzdem steigen, dann kann ich mir das nur mit Kapitalflucht und/oder Auslandsinvestitionen erklären. Ich vermute mehr Kapitalflucht als Auslandsinvestitionen.

  2. Zustimmung! Anders als Griechenland ist Italien allerdings immer noch ein äusserst produktives Land. Die Verschuldung ist, wie fast überall, wieder einmal den Banken zu verdanken, die sich verspekuliert haben. Allen voran die UniCredit, die in der Türkei Geld versenkt hat. Um die Banken, die seit Jahren die zahlungskräftigen Italiener, die Unternehmer und Landwirte dazu gebracht haben, ihr Geld im Ausland anzulegen. Die vielen Investoren, die unter Monti und kurz danach freudig hier investiert haben, ebenfalls. Und wieder einmal geht es darum Banken zu retten.
    Diese idiotische Spar-Politik trifft vor allem die ärmere Bevölkerung. Das sind aber die, die den täglichen Staatshaushalt am laufen erhalten. Wenn die nicht mehr einkaufen können, nützt auch die 22% Umsatzsteuer nicht mehr. Auch das hat übrigens Monti schon bei seinem Abtritt gesagt, dass das Maximum ein Einsparungen und Kürzungen erreicht sei – und jetzt eine Regierung her muss, die es ermöglicht, dass die Bevölkerung wieder was verdient. „Geiz ist geil“ mit Discountern, die gerade wie Schwammerln aus dem Boden schiessen, ist nicht die Lösung. Ganz im Gegenteil.

  3. Auch aus der FAZ!

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/italien/die-unkuendbarkeit-italiens-entzauberte-arbeitsmarktreform-11893790-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_1

    Solange man das Arbeitsrecht in Italien nicht GRUNDLEGEND ändert (nicht die paar Alibi-Reformen die bislang gemacht wurden) können sie Konjunkturpakete schnüren so viel sie wollen – es wird sich am Zustand des Landes nichts ändern.

    Im übrigen sollte sie seriöserweise auch schreiben, dass der zitierte Fondsmanager im Falle Griechenland gemeint hat, dass das dort NICHT funktioniert hätte.

  4. Schon in absehbarer Zeit wird sich das alles – in Europa – selbst erledigen. Und Deutschland wird Vorreiter sein. Jetzt kommen einmal die Wahlen in Schweden …

    Aber seien wir zufrieden, wir hatten Jahrzehnte lang eine schöne friedliche Zeit. Aber nichts hält ewig. Die Linke hat leider versagt – auch aufgrund der „Flüchtlings“-Krise – und wird deswegen überall abgewählt.

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