Die Handschrift der ÖVP

Harald Mahrer will Unternehmen steuerlich entlasten, obwohl sie in Geld schwimmen. Er begreift nicht, dass ihnen die Nachfrage fehlt.

Die schwarz-blaue Regierung hat eine unbestreitbare Qualität: sie ist absolut berechenbar. Wenn sie eine sozialpolitische Initiative ergreift, kann man sicher sein, dass sie sich jedenfalls gegen „Ausländer“ (Flüchtlinge, Schutzbedürftige, Migranten) richtet, gleich ob es um die E-Card, die Mindestsicherung oder die Kinderbeihilfe geht.

Das ist die Handschrift der FPÖ.

Wenn die Regierung einen wirtschaftspolitische Initiative ergreift, kann man sicher sein, dass dabei Funktionären der „Wirtschaft“ ein Wunsch von den Lippen gelesen wird, gleich ob es um den 12-Stunden -Tag, die Verringerung des Arbeitgeber-Beitrags zur Krankenversicherung oder die Forderung nach „betriebsspezifischen“ Lohn- Vereinbarungen geht.

Das ist die Handschrift der ÖVP.

Insofern war mir klar, dass demnächst die Forderung nach „steuerlicher Entlastung“ der Unternehmen auf den Tisch käme und dass der neue Obmann der Bundeswirtschaftskammer, Harald Mahrer, sie noch energischer als sein Vorgänger Christoph Leitl vorbringen würde: Die Körperschaftssteuer (KÖST) sei von aktuellen 25 Prozent auf 19 Prozent zu senken, um Unternehmern Investitionen zu erleichtern, zumal ihnen solche in großem Umfang zum Zweck der Digitalisierung abverlangt würden.

Dazu folgende Erfahrungen aus der Vergangenheit: Österreichs KöSt betrug in den Neunzigerjahren 34 Prozent, die sich mit der mittlerweile abgeschafften Umsatzsteuer zu 39 Prozent Steuerbelastung summierten. In der Folge wurde dieser Prozentsatz auf insgesamt 35 Prozent gesenkt und schließlich 2005 drastisch auf 25 Prozent reduziert. Die Investitionsquote, die dadurch steigen sollte, ist von 25,9 Prozent des BIP im Jahr 1996 auf 23,1 Prozent im Jahr 2005 gefallen und liegt heute bei nur mehr 22,9 Prozent.

Die Behauptung, dass die geringere KÖST-Belastung von Unternehmen ihre Investitionslust steigert, ist zumindest bis zum heutigen Tag schlicht und einfach unwahr.

Weil ich ein großer Anhänger unternehmerischer Investitionen bin, frage ich mich seit zehn Jahren- lange vor Mahrer- warum das so ist und biete seit Jahren eine ziemlich logische Erklärung dafür an: Unternehmer wären blöd, wenn sie große Investitionen, sprich Erweiterungsinvestitionen, vornähmen, obwohl weit und breit kein Mehrabsatz zu erwarten ist, weil die Geringverdiener, die nur zu gerne mehr einkauften, dran durch Reallohnverluste gehindert werden, und weil der Staat durch die aktuelle Sparmanie sogar weniger als mehr einkauft. Diese Regierung hindert ihn sogar mehr denn je an Einkäufen, indem sie sogar Budget- Überschüsse anhäuft, statt Investitionen zu tätigen.

Jeder Sparüberschuss des Staates– das ist simple Mathematik- geht der Wirtschaft an Einkäufen bis auf weiteres verloren.

Aber Hartwig Löger und Sebastian Kurz glauben das so wenig wie Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Olaf Scholz, obwohl der zugibt, dass mittlerweile selbst die deutsche Konjunktur stottert. Die trotz Brexit viel bessere wirtschaftliche Entwicklung des nicht sparenden Großbritannien lässt sie ebenfalls keinen der Genannten die eigene Mathematik-Schwäche erkennen. Sie begreifen nicht, dass es ihre Politik ist, die die Investitionen der Unternehmen auf so niedrigem Niveau stagnieren lässt.

Unternehmen haben für Investitionen in keiner Weise zu wenig Geld. Nicht nur sind Kredite so billig wie nie, die EZB kauft auch noch Unternehmensanleihen an, um Geld in ihre Kassen zu spülen. Und vielleicht erinnern Sie sich der Grafik, in der ich hier einmal die Entwicklung des Gewinnanteils am BIP im Verhältnis zum Lohnanteil dargestellt habe: Die Gewinnquote steigt massiv nach oben, die Lohnquote im selben Ausmaß nach unten. Die großen, erfolgreichen Unternehmen schwimmen angesichts relativ verminderter Lohnkosten in eigenem Geld.

Man kann allenfalls über die von Mahrer auch ins Spiel gebrachte vorzeitige Abschreibung von Digitalisierungs- Investitionen diskutieren.

Ansonsten ist es ausschließlich die fehlende Nachfrage, die von Investitionen abhält. Und diese Nachfrage ließe sich nur herstellen, wenn der Staat aufhörte zu sparen (so sehr er sparsam wirtschaften soll) und wenn die Lohnquote mit der Gewinnquote anstiege, statt zu fallen: Wenn vor allem Geringverdiener nicht Reallohnverluste, sondern Reallohn- Zuwächse erlebten.

Was die Ausgaben des Staates betrifft, so bleiben wir an den idiotischen Spar-Pakt gebunden, aber er ist mittlerweile gelockert: Infrastrukturinvestitionen werden nicht dem Defizit zugerechnet. Investitionen ins digitale Netz sollten jedenfalls von dieser Lockerung umfasst sein. Daher baue man es doch mit zehnfacher Geschwindigkeit aus, statt das Wort „Digitalisierung“ nur öfter als jedes andere in den Parteiprogrammen zu erwähnen.

In deutschen Umfragen unter Managern wurde festgestellt, dass die Hälfte von ihnen noch nicht einmal den Versuch unternommen hat, sie im eigenen Unternehmen voranzutreiben. Zum einen, weil der Ausbau innerhalb der Unternehmen den Ausbau des Netzes durch den Staat zur Voraussetzung hat. Zum anderen, weil die Unternehmen auch zu Rationalisierungsinvestitionen zu wenig Anreiz haben, solange die Löhne nicht stärker steigen. Marktwirtschaft braucht eine „Lohnpeitsche“, um sich maximal zu entwickeln.

Das Problem ist, dass Neoliberale wie Mahrer die Gesetzmäßigkeiten ihrer eigenen Marktwirtschaft so wenig verstehen – sonst befürworteten sie Ausgaben des Staates und verhinderten, dass „betriebsspezifische“ Vereinbarungen die Lohnentwicklung dämpfen.

 

5 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Lingens! Ich lese Ihre Zeilen immer mit großen Interesse und weitgehend auch mit Zustimmung. Allerdings verstehe ich im vierten Absatz nicht, wie sich die ehemalige KöSt von 34% mit der Umsatzsteuer auf 39% summieren konnte?

  2. Die lingens-online Blogs gehören zum Besten, was die Medienlandschaft derzeit in Österreich zu bieten hat. Den bisherigen Kommentaren kann nur zugestimmt werden. Aber wo bleibt ein
    adäquater Aufschrei in allen unseren sogenannten “Qualitätsmedien”. Deren Macher verstehen
    es entweder so wenig, was passiert, wie anscheinend viele Politiker, die bei einer solchen Politik mitspielen. Oder sie wollen es sich nicht verscherzen. Man weiß ja nie, was oder wen man da noch einmal brauchen könnte. Medien sind schließlich auch nur Gewinn-orientierte Wirtschaftsbetriebe. Da haben die vermutlich zahlreichen kritischen Stimmen der eigenen, wirtschaftlich jedoch abhängigen Mitarbeiter zu schweigen (“Ruhe ist die erste Bürgerpflicht”).
    Dabei ist die derzeitige Regierungspolitik die konsequente Umsetzung dessen, was in der letzten Vorwahlzeit versprochen worden und daher vorauszusehen war. Wenn der Großteil der Medien diesen Sozialabbau und diese Vernichtung einer sozialen Gesellschaftsordnung weiterhin so verständnisvoll milde begleitet, wird dieses beinharte, unchristlich-unsoziale und obendrein paradox wirtschaftsschädigende System auf Jahrzehnte hinaus zementiert werden. Anders hieße das, den Einfluss der Medien auf die tatsächliche, langfristige Meinungsbildung zu unterschätzen.

  3. Offener Brief an BK Kurz

    Hr. Kurz, ich muß es Ihnen nach einem ¾ Jahr nochmals sagen, Sie haben weder eine fundierte Ahnung, wie man ein Kabinett mit ungelernten MinisternInnen führt, noch haben sie nur im Geringsten eine Ahnung, wie es einem Arbeitslosen wirklich geht. Ihr Spruch vom nicht Aufstehen wollen in der Früh ist weltfremd und für einen BK, der ernst genommen werden will, untragbar. Sie haben es sich in Ihrem bisherigen Leben so ziemlich „gerichtet“ wie es nur ging. Inskribiert, aber nicht studiert! Als Obmann der Jungen ÖVP haben die „Wasserträger“ für Sie gearbeitet und Sie haben es sich im „Sexomobil“ bequem gemacht! Ich behaupte, Sie haben bis heute noch nicht die harte, tagtägliche Arbeit kennengelernt. Ein guter Freund von mir wurde in einem Großkonzern der Lebensmittel-industrie im Sommer nach fast 15 Jahren Mitarbeit, fristlos gekündigt, weil er aufgezeigt hatte, daß sein Chef stiehlt! Ohne Intervention der AK hätte man ihm auch noch bei seiner Abfertigung gelinkt. Jetzt ist er über 50, hat 3 schulpflichtige Kinder und bekam bis Ende 2018 keine Arbeit. Vielen Unternehmen war er „schon zu alt“. Sie haben sicherlich bis heute keine echte Arbeitslosigkeit kennen gelernt, weil Sie es sich bisher immer mit Ihren politischen Förderern gerichtet haben. Und Sie stellen sich hin und plappern etwas von „Spätaufstehern“. Das ist so etwas von weltfremd wie nur was. Stellen Sie sich in die Schlange der Wartenden beim AMS und fragen sie diese Menschen, wie und warum sie gekündigt wurden. Ihre Freunde und Wahlspender in der Industrie sollen Ihnen einmal erzählen, wie sie diese „Mitarbeiter“ behandeln, wenn jemand von ihnen seine ihm zustehenden Rechte einfordert. Der kann gar nicht so schnell schauen, ist er gekündigt. Und Sie wollen mit Ihren blauen Partner FPÖ, Politik für die Österreicher machen? Ihr habt die Sozialpartnerschaft schon fast zerstört, eine unfähige Sozialministerin ruiniert die jahrzehntelang gewachsenen Strukturen der KK und die Beihilfen für Kinder wurden wesentlich reduziert. In Mauerbach stellt sich Hr. Löger hin und faselt etwas von Steuererleichterung. Ja sicher für die Industriellen, weil die zahlen jetzt weniger, aber die Arbeitnehmer mit Mindestlohn haben nichts davon. Ich könnte diese Liste Ihrer verfehlten Politik noch weiter fortsetzen, aber ich glaube: „ES REICHT HERR KURZ“!
    F. Schramböck, Linz

    PS: Sie haben meinen ersten „Offenen Brief“ vom 25.4.18 auch nicht beantwortet, also nehme ich an, auch dieser bleibt unbeantwortet

  4. Eine exzellente Analyse der aktuellen Situation mit den richtigen Lösungsansätzen. Doch diese Regierung zieht ihre Sache beinhart durch. Sie wurde demokratisch gewählt, es gibt eine nur sehr schwache Opposition – und Kurz macht eine schulbuchartig richtige Pressearbeit. Ob das allein Österreich weiterbringt, ist mehr als fraglich.

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