Die Handschrift Harald Mahrers

Sein Umgang mit Widersprüchen ist so beispielgebend wie die meisten seiner wirtschaftspolitischen Erkenntnisse

Dass Harald Mahrer meinen Kommentar zur Körperschaftssteuer (KöSt) erwidert hat, war doppelt nützlich: Einmal, weil ein bisschen Auseinandersetzung das eher sperrige Thema hoffentlich belebt; vor allem aber, weil sein Text die Möglichkeit bietet, die wirtschaftlichen Ansichten eines Mannes näher kennenzulernen, den Sebastian Kurz unter seine ökonomischen Experten zählt und zum Präsidenten der Wirtschaftskammer gemacht hat.

Wie also geht Mahrer damit um, dass ich in Zweifel ziehe, dass die von ihm geforderte Verringerung der KöSt auf 19 Prozent die Investitionsbereitschaft österreichischer Unternehmen entscheidend befördert und das wie folgt begründe:

  • Österreichs KöSt, die in den Neunzigerjahren bei 34 Prozent lag, wurde 2005 drastisch auf 25 Prozent reduziert. Die Investitionsquote, die dadurch steigen sollte, ist jedoch von 25,9 Prozent des BIP im Jahr 1996 auf heute 22,9 Prozent gefallen (siehe Grafik.) Diese Investitionsflaute sehe ich am ehesten darin begründet, dass Unternehmer blöd wären, wenn sie angesichts stagnierender Reallöhne und rundum sparender Staaten Erweiterungsinvestitionen tätigten.

Mahrer, so zeigt sich, reagiert, indem er die angeführten Zahlen negiert, dafür aber weiß, was meine Argumentation kennzeichnet: Ich bin “retro -jemand, der an die Segnungen der Verstaatlichung für Wirtschaft und Wohlstand glaubt und in maßloser Schuldenpolitik kein Problem” sieht.

Das bisschen Polemik irritierte mich in keiner Weise, wenn es stimmte – nur ergäbe ein Faktencheck, dass ich durch bald sechzig Jahre gegen “verstaatlichte Wirtschaft” angeschrieben habe. Was “Schulden” betrifft, so unterscheiden wir uns tatsächlich, wenn auch differenzierter: Ich befürworte Staatsschulden nicht grundsätzlich, wohl aber in einem Zeitraum, in dem Bürger und Unternehmen Netto-Sparer sind und begründe das mit der “Saldenmechanik”: Die Wirtschaft kann denkunmöglich mehr verkaufen, wenn nicht irgendwer mehr als bisher einkauft. Das begreift mittlerweile sogar der IWF: Sparen des Staates habe “nicht, wie erhofft”, zu einem Abbau der Schulden und einem Anstieg des Wirtschaftswachstums, sondern vielfach zum Gegenteil geführt.

Der einzige Satz, den man als Mahrers Reaktion auf meine KöSt-Ziffern werten kann, lautet: “Die aktuellen wirtschaftswissenschaftlichen Befunde kommen mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Körperschaftssteuersätzen und Investitionsverhalten zu eindeutigen Ergebnissen: Höhere Steuersätze bedingen sinkende Investitionen.” Weder führt er einen solchen Befund an, noch stört ihn, dass er durch Österreichs Entwicklung widerlegt wäre. Vor allem, wenn wir von “wissenschaftlich” reden: Der österreichische Philosoph Sir Karl Popper wurde für die Erkenntnis geadelt, dass die Widerlegung (“Falsifizierung”) einer These ungleich gewichtiger als ihre Bestätigung (“Verifizierung”) ist. Auch wenn es die von Mahrer angeführten Befunde also gibt (es sich nicht bloß um wissenschaftlich verbrämte Stellungnahmen von Interessensvertretungen handelt), hätte er ihre Falsifizierung durch die österreichische Entwicklung zu widerlegen.

Es gibt in seinem Text aber weit gewichtigere Behauptungen, die eingehender Diskussion bedürfen. Etwa: “Die vergangene Schuldenpolitik war nie eine Investition in die Zukunft, sondern Wirtschaften auf Kosten der jungen Generation.” Weil das zu den Standard-Behauptungen der ÖVP zählt, möchte ich möglichst konkret darauf eingehen: So hat Österreich zum Beispiel seit 2007 zehn Prozent (Deutschland 3 Prozent) seines Bahnnetzes elektrifiziert und liegt diesbezüglich auch insgesamt klar vor Deutschland – natürlich voran zu Gunsten künftiger Generationen. Auch dass Österreich eine der EU-weit höchsten Quoten für Forschung und Entwicklung ausweist, kommt voran künftigen Generationen zu gute. Wie – im Gegensatz zur schwarzen Behauptung – fast alles, was der Staat heute investiert- von Ganztagsschulen bis zum digitalen Netz. Selbst wenn dafür Zinsen anfallen, sind es künftige Generationen, die davon profitieren. Exakt so, wie die junge Regierung Kurz -Mahrer- Strache derzeit von der guten Konjunktur profitiert, die vorangegangene rot-schwarze Regierungen grundgelegt haben.

Ähnlich diskussionsbedürftig scheint mir folgende Mahrer-Behauptung: “Lohnerhöhungen alleine können in einer kleinen, offenen Volkswirtschaft die Nachfrage deshalb nicht massiv steigern, weil die Wertschöpfung zu einem großen Teil über die Exportwirtschaft läuft”. Denn gerade Österreich hat erst jüngst vorgeführt, wie sehr Lohnerhöhungen die Nachfrage beeinflussen: Dass Michael Spindelegger die Bevölkerung steuerlich nicht und nicht entlastete, um stattdessen dem Sparpakt zu genügen, führte 2013 zu Null- und 2014 zu nur 0,7 Prozent Wachstum – während die durch Hans Jörg Schelling 2015 endlich durchgeführte Steuerreform den aktuellen Aufschwung eingeleitet hat.

Gerade ich habe allerdings nie behauptet, dass “Lohnerhöhungen alleine” ausreichten, das Nachfrage-Problem zu beseitigen, sondern im Gegenteil gefordert, dass der Staat die Nachfrage durch seine Einkäufe ankurbeln, statt durch “Sparen” verringern möge. Weniger vornehm als der IWF habe ich es daher mit dem deutschen Wirtschaftsweisen Peter Bofinger besonders “blöd” genannt, dass der Sparpakt noch dazu alle Staaten der EU gleichzeitig zum Sparen vergattert, so dass insbesondere die von Mahrer zu Recht ins Treffen geführte Exportwirtschaft letztlich darunter leiden muss.

Aber mir ist klar: Diese Regierung wird die Saldenmechanik außer Kraft setzen.

 

4 Kommentare

  1. Es ehrt Sie, wenn sie auf eine Replik der ÖVP eingehen. Eine Diskussion mit der ÖVP scheint mir jedoch völlig sinnlos. Bei der ÖVP geht es immer nur um Klientelpolitik. Die Klientel der ÖVP besteht im Wesentlichen aus Erben, Beamten und Subventionsempfängern. Die ÖVP stellt immer nur die Frage: “Nützt es meiner – privilegierten – Klientel?” und niemals “Nützt es dem Land?”.

  2. Vollkommen richtig. Das Problem ist halt, dass die derzeitige Regierung ihre Politik nach Glaubenssätzen gestaltet, was für sie neben dem Umstand, nichts wissen zu müssen, den zusätzlichen Vorteil hat, das Spenderklientel zu bedienen.

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