Die Regierung will nicht von der vorbeugenden Sicherheitsverwahrung lassen- obwohl sie das sicherste Kennzeichen eines faschistoiden Polizeistaates ist.
Wie um Reinhold Mitterlehners Kritik an der Entwicklung des Landes zu bestätigen, forderte FP-Generalsekretär Christian Hafenecker letzte Woche von der Opposition, ihre „Blockadehaltung“ in Sachen Sicherheitsverwahrung aufzugeben. Ich habe persönliche Erfahrung mit vorbeugender Sicherheitsverwahrung: Als ich zwei Jahre alt war wurde meine Mutter im KZ verwahrt weil sie mehrfach das Verbrechen der Judenbegünstigung begangen hatte. Beamten der geheimen Staatspolizei gelangten zu der Überzeugung, dass sie dieses Verbrechen wiederholen oder ein ähnliches begehen könnte und verfügten zum Schutz der Bevölkerung ihre Überstellung nach Auschwitz. Erst mit fünf habe ich sie wiedergesehen. Das erklärt meine vorbeugende Abneigung gegen vorbeugende Sicherheitsverwahrung.
Sebastian Kurz und Herbert Kickl werden einwenden, dass dies ein völlig unzulässiger Vergleich sei und ich die „Faschismus-Keule“ nutzte, um ihr seriöses, rechtsstaatliches Unternehmen zum Schutz der Bevölkerung zu diskreditieren. Ich will Kurz die seriöse Absicht nicht absprechen, nur die Rechtsstaatlichkeit in Frage stellen und zumindest diskutieren, wie zulässig der Vergleich ist.
„Vorbeugende Sicherheitsverwahrung“ war zu allen Zeiten zentrales Instrument faschistischer Staatswesen. Hitler nutzte im Falle meiner Mutter die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ beziehungsweise „zum Schutz des deutschen Volkes“ vom Februar 1933, mit denen die Bürgerrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt wurden. In Österreich genügte Engelbert Dollfuß die „Anhalte-Verordnung vom 23. September 1933“ um die „vorbeugende Anhaltung sicherheitsgefährlicher Personen“ in seinen (freilich nie mörderischen) Anhalte-Lagern zu ermöglichen.
Der Vergleich mit dem aktuellen Anlass ist also insofern unzutreffend, als „Judenbegünstigung“ kein Verbrechen mehr ist und als es keine Lager mit unzumutbaren Zuständen und schon gar keine Vernichtungslager mehr gibt. Aber die KZ´s Hitlers wie dienten immer auch der vorbeugenden Sicherheitsverwahrung von vorbestraften Kriminellen – von Drogendealern, Vergewaltigern, Einbrechern, Mördern – also von Tätern, die dem Täter von Dornbirn absolut vergleichbar sind und über die Kickl in Zukunft ebenfalls verbeugende Sicherheitsverwahrung verhängen können will.
In Burschenschaften oder der Neonaziszene haben Vortragende, die die Gaskammern bestreiten, diesen edlen Zweck der Hitler-KZ´s kaum unerwähnt gelassen: Es ist in keiner Weise auszuschließen, ja wahrscheinlich, dass KZ´s auf dem Weg vorbeugender Sicherheitsverwahrung diesen oder jenen neuerlichen Einbruch oder Mord verhindert haben. So wie es laut Umfragen in der Bevölkerung derzeit eine Mehrheit gibt, die vorbeugende Sicherheitsverwahrung daher für eine gute Sache hält, hat es sie zweifellos auch damals gegeben. Das „Volk“ – schon gar in Österreich- war diesbezüglich nie sonderlich heikel.
Aber die deutschen wie österreichischen Regierungen der Nachkriegszeit waren es Gott sei Dank an seiner Stelle. Beide Staaten kennen zwar eine „Sicherheitsverwahrung“ für psychisch kranke Rechtsbrecher, aber sie ist von einem Gericht immer nur im Zusammenhang mit einem gleichzeitig abgeurteilten schweren Verbrechen anzuordnen und erfordert mindestens zwei psychiatrische Gutachten. Im Fall des Täters von Dornbirn waren diese Voraussetzungen nicht gegeben: Es gab zwar relativ schwerwiegende Verurteilungen, aber sie waren nicht mit nachfolgender Sicherheitsverwahrung verbunden. Ein zusätzlicher Tatbestand wie „verbotene Einreise“ hätte daran nichts geändert.
Die Diskussion, ob sein Vorleben auch gemäß der aktuellen Rechtslage ausgereicht hätte, ihn in Schubhaft zu nehmen, ist daher halb so relevant: Kickl hat möglicherweise durchaus recht, wenn er behauptet, es hätte keine Rechtsgrundlage für seine Sicherheitsverwahrung gegeben. Weil die eben gemäß umfangreicher Judikatur des EUGH denkbar restriktiv zu handhaben ist und nur in unmittelbarem Zusammenhang mit einer schwerwiegenden gerichtlichen Verurteilung und zwei übereinstimmenden psychiatrischen Gutachtern zulässig ist. (Und schon das ist heikel genug: In Österreich war der Psychiater, der durch Jahrzehnte am Häufigsten zu Gutachten heranzogen wurde, ein Dr. Heinrich Gross, der in der NZ-Zeit für die Ermordung hunderter behinderter Kinder verantwortlich war.)
Statt eine erweiterte Befugnis zu vorbeugender Sicherheitsverwahrung einzufordern, hätte eine dem freiheitlichen Rechtsstaat verbundene Regierung der Bevölkerung daher bei allem Mitleid mit den Hinterbliebenen des getöteten Dornbirner Beamten klargemacht, dass es die absolute Sicherheit vor Taten dieser Art nicht gibt. Dass sie allenfalls in totalitären Polizeistaaten zu erreichen ist: derzeit in Kuba oder China. Wenn eine dem freiheitlichen Rechtsstaat verbundene Regierung gefährdete Beamte schützen wollte, richtete sie daher allenfalls an Eingängen zu deren Ämtern, wie bei vielen Gerichten, Kontrollschleusen ein.
Wie glaubhaft die Aussage türkisblauer Politiker ist, dass ihnen „der Schutz der Bevölkerung“ eben über alles ginge, mag man an ihrer Reaktion auf den Tod jenes Neunjährigen ermessen, der im toten Winkel eines Lastwagens umkam. Um dergleichen erfolgreich zu verhindern, hätte Verkehrsminister Norbert Hofer kein Verfassungsgesetz gebraucht – er hätte nur das Gesetz über die Ausrüstung von Lastwagen ändern müssen. Und hat es unterlassen, obwohl es mit Sicherheit ein Vielfaches der Menschen gerettet hätte, die in Ämtern ermordet werden.
9 Kommentare
Sebastian Kurz hat Herbert Kickl zum Innenminister gemacht und Sebastian Kurz ist ein Befürworter der vorbeugenden Sicherheitsverwahrung.
Wenn man Sebastian Kurz beurteilen will, muss man ihn im Lichte dieser beiden Tatsachen betrachten und dann wird der Abstand zu FPÖ-Protagonisten erschreckend gering.
Sehr geehrter Herr Lingens, ich kann Ihren Schmerz und das Leid, das Ihrer Familie zugefügt wurde, nachvollziehen. Daher verstehe ich auch Ihren Hass gegen alles Braune und Ihre Abneigung gegen die Blauen.
Dennoch: Immer die Nazi-Vergangenheit und heutige Parallelen zu thematisieren, ist nur ein Teil der Entwicklung in unserem Land. „Sieger“ schreiben immer Geschichte, auch wenn diese Siege mit großem Leid verbunden waren. Heute weiß man sehr viel von „damals“. Wie alles und warum es begonnen hat. Wir wissen Verläufe, kennen die Schuldigen, sind bestürzt über die (Ver-)Leugner, …
Aber wie schaut es mit der Zukunft aus? 1950 hatte unser Planet 2,5 Milliarden Bewohner, 2000 6,1 Milliarden und die UNO prognostiziert für 2050 über 9 Milliarden. Und in unserem näheren Umfeld breitet sich der Islam – sogar per Ansage – gewaltig aus. Wer sich mit den Aussagen von Thilo Sarrazin auseinander gesetzt hat – ich hoffe auch Sie -, kann erahnen, wohin die Reise in Europa gehen wird. Sarrazin konnte man seine Fakten nicht wirklich widerlegen, deshalb sind auch seine dargebotenen Szenarien ziemlich schlüssig.
Und jetzt zum aktuellen „Problem“:
Die „Linken“, die „Guten“, die „Naiven“ schauen dieser Entwicklung mehr oder weniger tatenlos zu, verstärken sie sogar teilweise (Fluchthilfe), sehen sie fast als „gottgegeben“ – oder mit Merkel zu sprechen „alternativlos“.
Die „Rechten“ – bei uns die FPÖ – möchten das ändern, was wie mit jeder Änderung verbunden auch schmerzlich sein wird. Und der schlaue Fuchs Sebastian Kurz hat die offensichtliche Mehrheitsmeinung der Ö-Bevölkerung erkannt und wurde daher mit Einbindung der FPÖ Kanzler unserer Republik.
Die leidvolle Geschichte unseres Kulturkreises hat mit 1933 / 1938 (bei uns) – aber eigentlich schon vorher – begonnen. Übrigens war sie für die allermeisten – einfachen – Menschen immer leidvoll. Aber wie wird unsere Zukunft ausschauen, wenn der Islam – demografisch – bei uns in der Mehrheit sein wird? Wie werden wir es dann mit der Demokratie halten, wenn der „Gottesstaat“ das Sagen hat, werden sich die Frauenrechte rückentwickeln, …?
Von den Linken (Ausnahme in D Sahra Wagenknecht), Grünen und unserer SPÖ hört man dazu sehr wenig bis gar nichts. Man hört fast nur eines: Trommeln gegen „Nazis“ wegen Liederbüchern und kotzigen Gedichten. Und als „Nazis“ werden auch schon Mitbürger, die sich Sorgen um die Zukunft machen, bezeichnet, wenn sie diese auch artikulieren …
Es ist eben nicht weit zu den orwell’schen Szenarien : es reicht ein – vorbeugend festgestelltes – „Gedankenverbrechen“.
Sehr geehrter Herr Lingens,
ich habe Angst. Angst vor diesen deutlichen Ansätzen, die durch zahlreiche „Einzelfälle“ und Gedankengut, konkrete rechtsstaatliche Veränderungs-Absichten dieser (gesamten!) Regierung, aber im besonderen des „kleinen“ Koalitionspartners.
Danke für diesen Artikel und insbesondere Danke für die Erwähnung, dass man den freien Rechtsstaat nicht dem (heute stärker politisch-populistisch – medial massiv manipulierten) „Volk“ überlassen dürfe. „Nicht heikel“ gilt -fürchte ich – nach wie vor.
Das Weltbild dieser Regierung und teilweise auch das der Bevölkerung, basiert auf Kontrolle,Mißtrauen, Abwertung Andersdenkender, ja und diese enzsetzliche Heuchelei. Es ist wirklich wichtig sich mit dieser Art des Denkens auseinanderzusetzen.Das Buch v. Hannah Arendt „die Banalität des Bösen“ oder „Hitler in uns selbst“ v.M.Picard haben mir sehr geholfen. Die subtile Unterdrückung heute – nicht zu vergleichen mit damals- aber von der gleichen Qualität ist wichtig zu erkennen.
Den Attentäter von Christchurch – u. a. Spender unserer Identitären – hätte man schon gerne vorsorglich eingesperrt sehen wollen, ist wohl die Mehrheitsmeinung (nicht nur bei uns).
Im Nachhinein ist man immer klüger …
Und wie ist im Moment die Stimmung gegenüber islamistischen Selbstmordattentätern?
Nur immer auf die Nazizeit zurückblicken, ist auch eindimensional …
Super Artikel, es ist immer eine Freude Sie zu lesen
Danke für diese Zeilen!
Leider werden die „Adressaten“ sie wahrscheinlich nicht lesen, und wenn, wird es ihnen egal sein. Das Grauen überkommt mich, wenn ich daran denke, was in Zukunft unter dieser Regierung noch alles passieren könnte.
Dieses Problem taucht ja nur auf, weil offenbar ein Asylantragsverfahre alle anderen Bedenken ruhend lässt, bis der Asylentscheid getroffen ist. Vielleicht sollte man bei Personen, die als gefährlich eingeschätz werden , daran etwas ändern können.