Kurz wagt – und wird gewinnen

Alle Zeitungen sind darin einig, dass Sebastian Kurz ein riskantes Spiel gewagt hat, indem er sich nicht mit dem Rücktritt H.C. Straches und Johann Gudenus` zufrieden gegeben, sondern auch den Rücktritt von Herbert Kickl gefordert hat, so dass auch die restlichen FP- Minister ihren Abschied genommen haben. Damit ist denkbar dass er den von der Liste JETZT eingebrachten Misstrauensantrag nicht übersteht und nicht als “amtierender Bundeskanzler”, sondern als “gescheiterter Bundekanzler” in den Wahlkampf ziehen muss.

Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass er die September -Wahlen dennoch mit noch größerem Vorsprung auf die SPÖ gewinnen wird.

Taktisch und sachlich richtig

Denn obwohl seine Wirtschaftspolitik in meinen Augen (und aus Gründen, die ich hier ein Duzend Mal erläutert habe) eine miserable ist, wurde das von er Bevölkerung nicht so empfunden, weil sie den von der abgewählten rot-schwarzen Regierung eingeleiteten Aufschwung erlebt. Und Kurz rigorose Anti-Migrationspolitik genießt sicher weiterhin volle Zustimmung, die eher noch zunehmen wird, wenn sie nicht mehr mit in Kickl´s sinnloser Härte verbunden ist.

Die volle Trennung von der FPÖ war für Kurz daher in jeder Hinsicht richtig. Taktisch richtig, weil sie in einem geeigneten Moment aus einem für jedermann einsichtigen Grund erfolgt ist und weil er damit demonstrieren konnte, dass es für ihn doch “rote Linien” gibt. Sachlich richtig, weil Kurz  mittlerweile gelernt hat, was andere schon immer wussten: dass Keller-Nazis eben niemals regierungsfähig sind, weil sie früher oder später immer entgleisen. Und wohl auch richtig getimed, weil weitere Videos, (am Rande auch solche Gottfried Küssel´s über die Neonazi-Zeit Straches) vor allem aber solche über mögliche Russland- Verbindungen Gudenus` im Raum stehen.

 Kickl aus gutem Grund war untragbar

Deshalb war auch die Entlassung Kickls sachlich zwingend und mich wundert, dass der Stratege Kurz sie nicht besser begründet hat: Hätte er Kickl schon nach der BVT- Affäre in Frage gestellt, so hätte man ihm das als Schutz für das von Kickl bei der Staatsanwaltschaft angezeigte “ÖVP-Netzwerk” auslegen können.

Mit Ibiza-Gate hingegen ist klar geworden, in welchem Ausmaß FP-Politiker österreichische Interessen an Russland zu verkaufen bereit sind. Haben unsere westlichen Nachbarn Österreichs Geheimdienst bis dahin nur mit Sorge betrachtet, so ist er seit Ibiza mit Sicherheit von jeder Information ausgeschlossen. Kickl im Amt zu belassen, so könnte Kurz demagogisch aber nicht ganz falsch argumentieren, hätte die “Terror- Gefahr” (Kickl) in Österreich massiv erhöht, weil der Nachrichtenfluss zu unserem Nachrichtendienst endgültig abgerissen wäre.

Hofer könnte stärker als Kickl sein

Was sind demgegenüber die Risiken die Kurz jetzt eingeht? Das größte habe ich eingangs beschrieben. Aber abgesehen davon, dass ich es politisch für halb so groß halte, bin ich auch nicht sicher, dass es eintritt: Herbert Kickl hat zwar erklärt, dass er sich nicht vorstellen kann, einer Partei das Vertrauen auszusprechen, die seiner Partei gerade das Misstrauen ausgesprochen hat. Aber sein Obmann Norbert Hofer war wesentlich vorsichtiger: Ich glaube nicht, dass er die Türe gegenüber der ÖVP derart lautstark und endgültig zuschlagen will. Da ihn Oberösterreichs Manfred Haimbuchner in dieser Hinsicht unterstützt , ist fraglich, ob sich Kickl mit seiner radikalen Absicht durchsetzt.

Meinl -Reisinger scheint mit gewitzter als Rendi-Wager

Pamela Rendi-Wagner hat zwar bekanntlich behauptet, sie würde die Regierung nur dann bis September im Amt akzeptieren, wenn sämtliche Minister durch Experten ersetzt werden, aber meine Erachtens ist Beate Meinl Reisinger einmal mehr gewitzter, indem sie es ablehnt für dieses Experiment zu stimmen.

  • Rendi-Wagner hingegen verstieße mit dem Misstrauensvotum gegen Alexander van der Bellens Ersuchen, den Zeitraum bis zu den Neuwahlen möglichst “stabil” zu  überbrücken und die Interessen des Landes vor die der Partei zu stellen.
  • Ich glaube nicht, dass ihre Wahlgemeinschaft mit der FPÖ nach Ibiza-Gate besonders gut ankommt;
  • Vor allem glaube ich, dass Rendi-Wagner die Chance vergibt, zu demonstrieren, dass eine vernünftige, dem Land dienende Zusammenarbeit zwischen SPÖ und der ÖVP sehr wohl möglich ist.

Denn eine solche Zusammenarbeit wird es nach den Wahlen im September nach menschlichem Ermessen wohl oder übel geben müssen. Ein vernünftiges Übereinkommen zwischen ihr und Kurz hätte zum Beispiel folgendermaßen aussehen können: Die SPÖ verzichtet darauf, Kurz vor dem Wahltermin zu stürzen, die ÖVP verzichtet darauf, in diesem Zeitraum Gesetze zu beschließen, die die SPÖ, wie etwa das “Arbeitslosengeld neu” eindeutig ablehnt. Die für die Konjunktur auf jeden Fall notwendige Steuerreform könnte dagegen demonstrativ gemeinsam bestätigt werden (auch wenn sie längst nicht das Meisterwerk ist, für das Kurz sie ausgibt.) Politik ist die Kunst des Möglichen.

 

17 Kommentare

  1. Meine Einschätzung: Die FPÖ wird noch bis Montag wiederholt sagen, sie wird nicht gegen den Misstrauensantrag stimmen.

    Die SPÖ glaubt das und am Montag stimmt die FPÖ tatsächlich nicht gegen den Misstrauensantrag sondern…… verläßt geschlossen das Plenum.

    Damit hat die FPÖ nicht gelogen, die rote Pechmarie Joy Rendi-Wagner macht einen Bauchfleck, Kurz bleibt Kanzler mit einer ÖVP Minderheitsregierung und geht in den kommenden Wahlkampf mit dem Kreisky-Slogan: „Lasst Kurz und sein Team arbeiten.“

    So wird’s laufen und die SPÖ steht belämmert da.

    Sorry, aber die Joy Rendi-Wagner ist eine klasse Fehlbesetzung!

  2. Ich wage auch eine Prognose:
    Wenn nicht durch dirty-campaigning der FPÖ ein weiterer Schlag versetzt wird, wird sie kaum geschwächt werden. Die Protagonisten Hofer und Kickl schätze ich höher ein als Gudenus/Strache. Dann haben wir im Oktober 2019 Türkis/Blau II.
    Da ich Herrn Kurz als sehr weit rechts stehend einschätze, kann man diese Konstellation durchaus als Gewinn für Herrn Kurz ansehen. Ob es ein Gewinn für das Land ist, wage ich zu bezweifeln.

    1. Für das Land wäre es ein Gewinn! Aber zu dieser Ansicht wird sich kein Linke – und auch nicht sie – je durchringen können!

      Wir hätten längst alle sozialen Ziele erreicht wären nicht so lange sozialistisch geführte Regierungen am Ruder gewesen!

  3. Ich muss immer lächeln, wenn “die Stimme des Volkes” ins Spiel kommt. Welches “Volk” denn?
    Und was soll den “umschlagen”?

    Die FPÖ-Wähler werden weiter FPÖ wählen (die einen, weil sie das rechtestmögliche Lager wählen, die anderen, weil sie ohnehin nicht verstehen, was da abging und die dritten, weil sie der Opferhaltung der F auf den Leim gehen.
    Einige weniger werden sich vielleicht der ÖVP zuwenden, weil sie zwar rechts sind, aber doch ein wenig mehr vom Horizont erblicken.
    Einige werden sich schmollend – von “den Politikern” abgestoßen – ins Nichtwählerlager zurückziehen.

    Die Türkiswähler werden zufrieden sein und immer zufriedener werden – und auch zahlreicher.

    Niemand wird zur SPÖ zurückkehren: Die mag die humanistischeren Konzepte vertreten, ist jedoch in allem ungeschickt, unstrategisch, schlecht beraten, überaltert und abgenützt.

    Was also könnte “umschlagen”? Österreich liebt Entrüstungen, noch mehr aber liebt es Mneschen, die es sich richten und damit “Machertum” zeigen – das war schon bei Grasser so.
    Die paar, die bekümmert sind, weil jemand ihnen das Wasser unter dem Hintern verkaufen wollte, erzeugen kein “umschlageffektives” Moment.

    Österreich sei nicht so, meint ein viel zu benevolenter Bundespräsident? Österreich ist so und war es immer. Immer rechtskonservativ, immer ostaffin und immer im
    Zweifel ein Opfer.

    1. Wenn es so wäre wie sie anführen dann müssen sie mir erklären warum seit Kreisky in den 70ern SPÖ-geführte Regierungen am Ruder waren!

      Ihr Linken wollt einfach der Wahrheit nicht ins Gesicht blicken und immerzu Ausreden suchen wenn es einmal nicht gut für die SPÖ läuft!

  4. Warum bringt man nie zur Sprache, mit welchen rethorischen Tricks Hr.Kurz arbeitet.
    Selbstlob, Vereinnahmung (ich und der Hr.Bundespräsident..), Angriff auf die Linken, mit antisemtischen Unterton(Silberstein).
    Ich erkenne sehr wohl seine narzisstische Persönlichkeit..aalglatt und vor allem fehlende Empathie.
    Die Menschen lassen sich blenden, leider !!
    Hinter die Fassade blicken wäre wichtig.

    1. Der Verweis auf Silberstein hat KEINEN antisemitischen Unterton – das ist eine niederträchtige Unterstellung!

      Was kann Kurz dafür, dass die SPÖ derzeit keine geeigneten Kandidaten zur Verfügung hat die es rhetorisch mit Kurz aufnehmen können.

      Es waren die sozialistischen Parteien welche den Populismus erfunden und erfolgreich in Wahlkämpfen eingesetzt haben. Das ist erst in dem Moment zum Problem und kritikwürdig geworden als es andere Parteien (FPÖ) genau so rücksichtslos und erfolgreich eingesetzt haben wie es vorher der SPÖ gelungen ist.

      Hören sie auf sich die SPÖ schön zu reden. Silberstein hat für die SPÖ gearbeitet – auch diese Partei ist bereit für Wahlerfolgen alle Hemmungen fallen zu lassen!

    1. Etwas erbärmlich angesichts der Schwäche von Rendi-Wagner Kurz die Popularität anzulasten! Ich hoffe sie müssen sich noch lange über die Erfolge von Kurz ärgern!

  5. Joy Rendi-Wagner hat gezeigt dass sie als Politikerin völlig unfähig ist.

    Da ist NEOS Meinl-Reisinger aus einem ganz anderen Holz geschnitzt.

    Die SPÖ zählt zu den Verlierern bei dieser Krise.

  6. Herr Lingens, gegen ein “Ersuchen” kann man nicht “verstoßen”. Soviel sprachliches Feingefühl sollten Sie sich doch bewahrt haben.

    Übrigens: Beim “Ibiza-Gate” kann die Stimmung des Volkes auch schnell umschlagen, wenn man die ganz aktuellen Meldungen dazu verfolgt. Klar, die Deppen Strache und Gudenus mussten weg und werden keine allzu große Lücke hinterlassen. Bei Kickl war das – auch für Spezialisten aus dem Nicht-FPÖ-Lager – nicht so eindeutig. Und Kickl hatte bis rein in die SPÖ und ÖVP sogar seine Anhänger. Dass ihn “Gutmenschen” hassen und die “Zivilgesellschaft” (er immer das sein möge) jetzt jubelt, kann ich aber schon nachvollziehen.

    Zu Sebastian Kurz: Dieses aalglatte Auftreten muss nicht auf Dauer positiv bei den Menschen / Wählern ankommen.
    Und Pamela Rendi-Wagner: Eine klassische Fehlbesetzung – leider …

    1. Ich stimme Ihnen vollinhaltlich zu dass Joy Rendi-Wagner eine klassische Fehlbesetzung für den kommenden Wahlkampf ist. Offenbar war von der SPÖ angedacht, dass die Joy einige Jahre lang eine Übergangslösung mit einem netten Gesicht und einem charmanten Lächeln für Plakate ist und erst 2021 ein SPÖ-Vorsitzendenwechsel erfolgt für einen knallharten Wahlkampf.
      Diese Rechnung ist jedenfalls nicht aufgegangen, die SPÖ wird untergehen. Wohingegen die NEOS Vorsitzende Meinl-Reisinger zeigt, wie Opposition funktioniert.

      Neben der FPÖ wird also auch die SPÖ die große Verliererin dieser Staatskrise sein.

      1. Lieber Staberl, das mit Rendi-Wagner sehe ich so wie sie. Sie war immer nur als Platzhalter gedacht. Darauf, dass die Koalition nach so kurzer Zeit platzen würden war die SPÖ nicht vorbereitet. Ich denke, dass Doskozil als nächste SP-Kanzler-Kandidat bedacht war. (Kann sein, dass sie den Wechsel noch vor dem September vornehmen da bald in den Umfragen zu sehen ist, dass die Partei mit Rendi-Wagner keinen Blumentopf gewinnt!

  7. Um die bittere Pille Kurz schlucken zu können, müsste er noch einige Zugeständnisse machen:
    1. Er muss sich entscheiden als BK zu agieren und nicht als wahlkämpfender VP-Obmann
    2. Diese (!) Reform der Sozialversicherung muss gekippt werden, über eine sinnvolle kann man diskutieren.
    3. Die besonderen Grauslichkeiten des BMI (wie zuletzt die 1,50-Verordnung) müssen zurückgenommen werden und eine sachlich vertretbare Asylpolitik eingeschlagen werden.
    4. Mindestversicherung neu zurück an den Verhandlungstisch, ebenso das geplante WGG

    Das wäre das Mindestmaß!

    1. zu 2) was ist der Unterschied zwischen einer “sinnvollen” Reform der Sozialversicherung und der geplanten? Es geht um die Zusammenlegung aller BL-Versicherungen – die ist in jedem Falle sinnvoll und nicht sinnlos!
      zu 3) die 1,50 Verordnung wurde bereits zurück genommen – sollte man wissen!
      zu 4) die Reform der Mindestsicherung ist gelungen – da braucht man nichts neu zu verhandeln. (Vorher war das ein Wählerstimmen-Kauf-Konzept der SPÖ)

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