Kommissionspräsidentin aus dem Hinterzimmer

Zum ersten Mal, solange ich mich zurückerinnern kann, herrschte am „Runden Tisch“ des ORF totale Einigkeit zwischen türkis, pink, grün, blau und rot: Die Art und Weise in der Ursula von der Leyen vom Europäischen Rat als Präsidentin der EU-Kommission nominiert wurde, macht die Wahlen zum EU-Parlament zur Farce.

Denn sie wurde von keiner dort vertretenen Fraktion als Kandidatin für dieses Amt nominiert und kein Wähler konnte wissen, was sie zu den wesentlichen Herausforderungen und offenen Fragen dieses Amtes und Europas denkt. Sie wurde im Hinterzimmer des Europäischen Rates ausgemauschelt. Es ist daher fraglich, ob das Europäische Parlament ihre Kür in der notwendigen Abstimmung bestätigt.

Was spricht für, was gegen die Zustimmung des Parlaments?

Dagegen spricht, dass es sich wie die Wähler düpiert fühlen muss. Dafür spricht, dass die Nicht -Bestätigung so etwas wie eine EU-Staatskrise auslöste: Die Europäische Gemeinschaft stünde in einer denkbar kritischen Situation – der Brexit steht vor der Tür und in der Krise Italiens steht der Euro auf dem Spiel -weiterhin ohne Führungspersonal dastünde. Eher glaube ich daher, dass das Parlament Von der Leyen zähneknirschend bestätigen wird, zumal sie für sich genommen eine anständige kompetente Politikerin ist die sich auf Netzwerken versteht und damit eine wesentliche Voraussetzung für ihr neues Amt erfüllt. Gewicht dürfte auch haben, dass die anderen Kandidaten, die der Rat mit ihr zu einem Paket schnürte, durchaus qualifiziert sind. So halte ich es für einen Segen, dass Christine Lagarde und nicht der Chef der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann zum Präsidenten der EZB ausersehen wurde, denn das eröffnet zumindest die Chance eine dramatische Krise Italiens und damit des Euro abzuwehren. Hat sich der IWF, dem Lagarde vorstand, doch kritisch zum Sparpakt geäußert, der dringend aufgeschnürt werden muss, wenn Italien im Euro überleben soll.

5 Kommentare

  1. Herr Weber hat mir auch nichts von seinen Vorstellungen verraten, nur dass er Orban in der EVP braucht, damit die „Konservativen“ Nummer 1 bleiben. Und wenn ich ihn als KomPräs gewollt hätte hätte ich Karas wählen müssen. Halte ich auch nicht für toll.

  2. Hier hat sich eine Situation ergeben, wo es einerseits Gute gibt (die gewählten EU Parlamentarier) und andererseits Böse (die „Hinterzimmer-Politiker“). Natürlich ist das Verfahren total schiefgelaufen und ich schließe mich vollinhaltlich der Kritik an der „Hinterzimmer-Politik“ an. Man sollte aber nicht das EU Parlament so rasch aus der Verantwortung entlassen.

    Soweit ich es mitbekommen habe, gab es zwar Spitzenkandidaten der einzelnen Gruppierungen (Weber, Timmermans, Vestager), aber das EU Parlament hat aus dieser Gruppe keinen für das Amt des Kommissionspräsidenten gewählt. Das EU Parlament hat m. E. hier versagt. Sie haben den Regierungschefs gesagt „hier sind 3 Spitzenkandidaten, einigt Euch auf einen dieser drei“. Und die Regierungschefs konnten sich auf keinen der 3 einigen und nahmen dann jemanden von außen.

    M. E. hätte das EU Parlament sagen müssen „hier ist der Kandidat, den wir mehrheitlich befürworten und wir erwarten Eure Zustimmung“. Dann wäre es echt eine Desavouierung des EU Parlamentes gewesen, hätten die Regierungschefs diesen Mehrheitsvorschlag abgelehnt.

    Es ist schon gut, dass jede einzelne Gruppierung ihren Spitzenkandidaten hat, aber am Ende des Tages sollte das EU Parlament insgesamt nur einen Spitzenkandidaten haben, den es mehrheitlich unterstützt. Wenn dies dem EU Parlament nicht gelingt, dann soll es sich bitteschön bescheiden zurückziehen und abwarten, was andere für es entscheiden.

  3. Die Düpierung des Europaparlaments ist meines Erachtens eine viel größere Gefahr. Denn dies macht offensichtlich, dass das Parlament ein zahnloser Tiger ist. Mit der Demokratisierung ist es also nicht so weit her. Die Bürger_innen haben nichts zu entscheiden.
    Aber selbst die Ergebnisse der Abstimmungen des Rates, dessen Mitglieder nicht wegen europäischer Entscheidungen gewählt wurden, werden dann von den nationales Regierungen mehr oder minder nach dem Freiwilligkeitsprinzip verfolgt. „Wenn ich nicht will, dann mache ich erstmal nichts und warte 15 Jahren….“
    Also gibt es offensichtlich keine europäische Institution, die wirksam alle Menschen in der EU vertritt. Was bleibt als verbindendes Element, sind Erbsenzählereien á la: die EU bringt uns mehr Vorteile als Nachteile. Das trägt weit weniger als der europäische Gedanke, dass alle Menschen in Europa zusammenstehen und durch gemeinsame Werte verbunden sind.

  4. Nun, van der Leyen soll ja auch Französisch sprechen – wie der ORF betont. Was wiederum bedeutet dass, nachdem die Briten entgültig die Union verlassen haben, die Leitsprache der EU in Zukunft Französisch sein wird. Obwohl auch Deutsch noch eine Option ist, sofern sich van der Leyen gegenüber Macron durchsetzen kann. Es bleibt spannend…..

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