Italien befindet sich bereits fest in ihrem Griff. Selbst in Deutschland bröckelt die Konjunktur – Österreich wird folgen.
„Europas Austerity -Regel ist eine Entscheidung zur Rezession!“ Diese Headline überschreibt nicht vielleicht ein Kapitel meines Buches „Die Zerstörung der EU“ [1], sondern einen Text des Nachrichtenportals „Business – Insider“, das seit 2015 der Axel Springer AG gehört – es gibt also auch deutsche Medien, die um diesen Zusammenhang wissen. Soeben lässt die herbeigesparte Rezession nämlich selbst Deutschlands Konjunktur bröckeln. „Um knapp zwei Prozent schrumpfte die deutsche Industrieproduktion im April“ meldet die Frankfurter Allgemeine Zeitung „Zu den großen Sorgenkindern gehört die Autoindustrie. (Aber) selbst das Baugewerbe – bislang neben dem Dienstleistungssektor Gegenpol zur schwächelnden Industrie – trat den dritten Monat in Folge auf der Stelle. Bei den Exporten schlägt im April sogar ein Rückgang von vier Prozent ins Kontor“. Er wurde freilich im Mai aufgeholt – aber 8,5 Prozent der deutschen Industriebetriebe erwarten im dritten Quartal dennoch Kurzarbeit.
Nur ist das für die FAZ ausschließlich die Folge des Brexit und der von Donald Trump angezettelten Handelskriege. Obwohl Trump´s aktuelle Zölle Deutschlands Exporte nicht einmal hinter dem Komma treffen und der Brexit sie genau so wenig vermindert hat. Ungelöste Zollkonflikte bremsen zwar zweifellos Erweiterungsinvestitionen, aber ein Einbruch der Industrieproduktion, schon gar des Baugewerbes, ist damit kaum zu begründen.
„Business-Insider“ stützt sich bei seinem Urteil über den Sparpakt auf Untersuchungen der weltweit gewichtigsten Wirtschafts-Think-Tanks. Nachdem der konservative IWF schon 2017 eingestand, dass „Austerity“ der Wirtschaft „mehr Schaden als Nutzen“ („more harm than good“ ) zugefügt hätte, waren es die folgenden Untersuchungen von „Oxford Economics“ und des „Institute of International Finance“ (in dem sich die Großbanken der Industrienationen zusammengeschlossen haben) die für Klartext sorgten: „Die von Europa nach der Krise von 2008 ergriffenen Maßnahmen, die den Staat dazu aufforderten, seine Ausgaben zu kürzen, haben das Wirtschaftswachstum laufend beeinträchtigt. Europa (die EU) hat Sozialprodukt in der Größenordnung des spanischen BIP eingebüßt. Sein Schuldenstand im Verhältnis zum BIP hat sich erhöht statt verringert. Die industrielle Produktion in Italien, Spanien und Deutschland befindet sich bereits wieder im Minus.“
Unterlegt wird das mit der nebenstehenden Grafik, die zeigt, wie sich die industrielle Produktion dieser Länder 2019 wieder den Größenordnungen von 2013 annähert. Grafiken in meinem Buch zeigen die selbe Entwicklung an Hand des realen BIP pro Kopf : Ab 2011, dem Jahr in dem auf Anordnung Angela Merkels vom Staat gespart wird, verflacht dessen bis dahin ansteigende Kurve überall in der EU – auch in Österreich – unmissverständlich. (siehe Grafik)
In Wirklichkeit besteht unter internationalen Ökonomen längst Einvernehmen: Sparen des Staates ist (anders als Sparsamkeit) verfehlt. Die „Austerity“ vertretenden deutschen (österreichischen) Ökonomen stellen international betrachtet eine Minderheit dar. Ihre Blindheit ist nur insofern verblüffend, als ein führender, deutscher Ökonom, der 1987 verstorbene Wolfgang Stützel, den angeblichen Nutzen staatlichen Sparens mit seiner „Saldenmechanik“ so überzeugend widerlegt: Es ist denkunmöglich, dass weniger Einkäufe zu mehr Verkäufen führen.
Am Anfang des Sparpaktes stand bekanntlich Merkels Aussage man könne eine Krise die durch Schulden verursacht wurde doch nicht durch noch mehr Schulden beheben. Aber gerade diese Aussage ist empirisch falsifiziert: Die USA machten nichts als „Schulden“, druckten Geld, um die gigantisch Hochrüstung zu finanzieren, die letztlich die Weltwirtschaftskrise überwand – denn damit erreichten sie zwischen 1941 und 19 43 Wirtschaftswachstumsraten von 17,1, 18,5 und 16,4 Prozent.
Schulden, die der Staat macht, sind nämlich volkswirtschaftlich etwas völlig Anderes als Schulden, die Konsumenten (wie Käufer von Subprime-Immobilien) oder Banken (wie Lehman Brothers) machen. Denn Konsumenten oder Banken können pleite gehen- nicht aber ein Staat solange er Herr seiner eigenen Währung ist: er bewirkt durch sein bloßes Versprechen, mehr Güter oder Leistungen zu bezahlen, dass diese Güter oder Leistungen hergestellt werden und schafft damit den realen Gegenwert für das von seiner Notenbank mehr gedruckte Geld. Oder auch: Jeder Bürger vermag ungleich mehr zu produzieren, als er verbraucht, um seine Arbeitskraft zu reproduzieren. Eine Volkswirtschaft leistet also umso mehr, je mehr ihre Bürger sich in geeigneten Unternehmen produktiver Arbeit widmen. Das Versprechen des Staates, diesen Unternehmen ihre Produktion – etwa Rüstungsgüter- in erhöhtem Umfang abzukaufen, bewirkt, dass mehr Menschen in Arbeit sind- steigert also das BIP. Das ist die simple Ursache für die Wirtschaftsaufschwünge im Zuge der Hochrüstung. Leider schafft nur Kriegsgefahr die notwenige breite Akzeptanz dieses Zusammenhangs: Angesichts Pearl Harbours stellte niemand in Frage, dass die USA mehr Flugzeuge brauchten.
Das Problem ist mittlerweile nicht mehr mangelnde Einigkeit in der Welt international renommierter Ökonomen – es ist die volkswirtschaftliche Ahnungslosigkeit von Politikern wie Jean Claude Juncker, Angela Merkel, Emanuel Macron oder Sebastian Kurz, die sich von nationalen Mikro-Ökonomen beraten lassen, denen Schwabens Hausfrauen (die manchmal auch Wirtschaftsmedien leiten) applaudieren.
[1] In meinem Buch heißt das Kapitel: „Warum Sparen die Wirtschaft bremst.“
3 Kommentare
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Als Erfinder habe ich oft Gelegenheit, Menschen zu beobachten, die mit einem neuen Gedanken konfrontiert sind. Mit diesem Blick betrachte ich dann auch die Politik und die gesellschaftliche Diskussion. Fazit: Kollektives Nachdenken, das dauert. Wenn es überhaupt dazu kommt. Ein Beispiel:
238 Jahre nach Maria Theresia sollte das Leistungspotential von Frauen eigentlich allen bewusst sein. Ihr Leben bewies: bei gleichen Ressourcen (und sogar benachteiligt durch die Vielzahl ihrer Geburten) können Frauen genauso Überragendes erreichen und bewirken, auch eine liebende Gattin zu sein ist da kein Hindernis. Aber wen interessiert das, konsequent und undogmatisch durchgedacht, – bis heute – wirklich? In manchen Bereichen eher wenige …
Wenn das Motiv „was nützt uns?“ mitspielt, können auch wesentliche Denkvorgänge blockiert werden. Sparen kommt beim Wahlvolk gut an, das kennt man seit Kindesbeinen, das kann ja nur gut sein. In der modernen Demokratie ist es dienlich, die Zusammenhänge mehr Menschen näherzubringen, wie hier im Blog. Menschen sind dankbar dafür, wenn jemand diese Brücke schafft. Jede und jeder einzelne kann zu mehr Verständnis beitragen, alle tragen diese Verantwortung mit.