Die indirekte Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft ist groß genug – wenigstens die direkte finanzielle Abhängigkeit von Großspendern darf es im Parlament nicht geben.
Hans Peter Haselsteiner ist ein ausnehmend sympathischer Unternehmer. Er hat nicht nur die Strabag zu einem führenden Bauunternehmen Europas gemacht, sondern zählt auch zu Österreichs (rare)führenden Mäzene: Gleich ob es um den Erhalt der Sammlung Essl, die Sanierung des Künstlerhauses oder Unterkünfte für Asylsuchende geht – Haselsteiner spendet. Auch zur Gründung des Liberalen Forums und der NEOS hat er durch Spenden entscheidend beigetragen. Und zwar sicher nicht, weil er sich von einem künftigen NEOS- Minister Aufträge erwartet, sondern weil er eine liberale Partei für einen wichtigen Beitrag zu Karl Poppers „offener Gesellschaft“ hält.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist eine ähnlich sympathische Politikerin. Ich halte zwar Teile ihrer Wirtschaftspolitik – „Ausgabenbremse „und „Nulldefizit“ – für verfehlt, schätze aber ihr Eintreten für eine CO2- Steuer und vermögensbezogene Steuern. Vor allem aber schätze ich den Anstand, der durchwegs aus ihren Äußerungen spricht: Es ist nicht vorstellbar, dass sie, wie H.C. Strache, jemals daran dächte, Spenden an ihre Partei mit Staatsaufträgen abzugelten.
Dennoch meine ich, dass es mit Großspenden Haselsteiners an die NEOS – wie vom neuen rot-blauen Gesetz gefordert- ein lückenloses Ende haben muss.
Die rasch noch überwiesenen 300.000 Euro haben die NEOS in meinen Augen mehr Image gekostet, als sie ihnen finanziell nützen. Haselsteiner scheint das gespürt zu haben, denn mittlerweile erklärte er, seine Spenden würden enden, wenn die NEOS mitregierten. Aber ein NEOS-Infrastrukturminister, wie es ihn nach dem 29. September durchaus geben kann, geriete, zumindest nach außen hin, dennoch in Schwierigkeiten, sooft er Aufträge an die Strabag abzeichnete.
Gesetze, lehrte Karl Popper, sollen nicht auf den Idealfall altruistischer Motive sondern auf den Normalfall abstellen: Normaler Weise erwartet jemand, der sehr viel Geld gibt, eine Gegenleistung. Die Millionenspende der Tiroler „Adlerrunde“, die sich seit Jahren für den 12-Stundentag und die 60-Stundenwoche einsetzt, an Sebastian Kurz` neue ÖVP erweckt, zumindest nach außen hin, den Schein einer solchen Gegenleistung – obwohl beides zweifellos Kurz´ ökonomischer Überzeugung entspricht.
Politische Parteien sollen nicht in Situationen geraten, in denen Unternehmer Gegenleistungen von ihnen erhoffen könnten oder auch nur der Eindruck ihrer Gewährung entsteht. Auch völlige Transparenz der Spenden, wie der Politologe Peter Filzmaier sie für eine brauchbare Möglichkeit hält, ist keine: Jeder Amerikaner weiß, welchen Politikern die NRA Millionen spendet, und es hat dennoch zur Folge, dass vernünftige Waffengesetze in den USA ohne Chance sind, so dass mehr Menschen durch privaten Waffengebrauch als durch Verkehrsunfälle sterben.
In Deutschland hat allein Mercedes CDU und SPD pro Jahr „transparent“ mit je 1,3 Millionen Euro, FDP, CSU und Grüne mit je 400.000 Euro, unterstützt. Glaubt wirklich jemand, dass solche Spenden der Autoindustrie ohne jeden Einfluss darauf waren, dass es auf deutschen Autobahnen trotz Klimawandels kein Tempolimit gibt, dass die Überschreitung der Abgaslimits so lang unentdeckt blieb, der Dieselskandal für Unternehmen so preisgünstig abgewickelt wurde oder Angela Merkel eigens nach Brüssel reiste, um allzu strenge neue Abgasnormen zu verhindern?
„Die Wirtschaft“ in Gestalt ihrer größten und wichtigsten Unternehmen hat kraft deren volkswirtschaftlicher Bedeutung ohnehin gewaltigen, (durchaus auch nötigen) Einfluss auf politische Entscheidungen – aber es ist (lebens)gefährlich, (siehe die Schusswaffen- oder Feinstaub-Toten) diesen Einfluss noch dadurch erheblich zu erhöhen, dass politische Parteien auch beim Ausmaß ihrer Wahlerfolge von Großspenden großer Unternehmen abhängen.
Österreichs gelegentlich populistisch diffamierte „welthöchste staatliche Parteienfinanzierung“ ist ein politischer Vorzug: Sie erhöht die Chance unparteiischer Sachentscheidungen.
Die Bevölkerung ist auch nicht zu dumm, den prinzipiellen Unterschied zwischen Großspenden an eine in Gründung befindliche Partei, wie die NEOS vor 2013, und an die NEOS des Jahres 2019 zu begreifen: Vor 2013 war diese Partei auf die Großspenden Haslelsteiners angewiesen, um sich überhaupt entwickeln und existieren zu können – seit 2013 und ihrem Einzug ins Parlament ist ihre Existenz durch die gesetzliche Parteienfinanzierung gesichert.
Weil auch Alexander Van der Bellens Präsidentschafts-Wahlkampf nicht durch gesetzliche Finanzierung gesichert war, hat auch er zu Recht von Großspenden profitiert – auch diesen Unterschied zu begreifen ist die Bevölkerung nicht zu dumm.
Das jetzt- rot -blau beschlossene Gesetz bedarf nur einer Ergänzung in diese Richtung:
- an eine Partei, die im Parlament noch nicht Klubstatus erreicht hat müssen Spenden jeder Höhe zulässig sein. Darüber hinaus sollte man die abgeschaffte Rückerstattung tatsächlicher Wahlkampf- Kosten wieder einführen, weil sie die Gründung neuer Parteien erleichtert.
- Das gleiche sollte für parteiunabhängige Kandidaten bei Wahlkämpfen zum Bundespräsidenten gelten.
- Trotz der Mehrkosten sollte man darüber nachdenken, den gesetzlichen Sockelbetrag, den Klubstatus und Parteiakademie garantieren, bei den kleineren Parteien etwas näher an den der größeren Parteien heranzurücken, um den Unterschied zwischen ihrer finanziellen Ausstattung stärker zu verringern.
Alle Großspenden gehören hingegen zu Recht energisch – unter Schließung aller denkbaren Schlupflöcher -verboten.
Ein Kommentar
Hier wird nur ein Teilaspekt eines grundsätzlichen Problems unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung angesprochen. Immer wenn einzelne Personen unvorstellbar reich werden können und unvorstellbar reich auf die Welt kommen können, ist keine Demokratie mehr möglich, weil diese wenigen unvorstellbar Reichen immer alles zu ihren Gunsten beeinflussen können, nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch die Justiz und die Verwaltung.