Die SPÖ braucht nichts radikal Neues- nur Tatkraft

Sie muss die Forderungen, die ihr Wirtschaftsprogramm aufstellt, auch ernsthaft vertreten

Pamela Rendi-Wagner fordert “die SPÖ radikal neu zu denken” – ich meine, dass es genügt, ihr aktuelles Wirtschaftsprogramm ernsthaft zu vertreten, nachdem sie die dringlichste Kurskorrektur bereits vorgenommen hat: Wie die ÖVP will auch sie die Zuwanderung minimieren. Das SP-Wirtschaftsprogramm ist nämlich das einzige innerhalb der europäischen Sozialdemokratie, das sich mit den zentralen Probleme der EU befasst: mit Deutschlands Lohnzurückhaltung die alle Mitglieder zu einem zu niedrigen Lohn- =Kaufkraft-Niveau zwingt und mit dem “Sparen des Staates”, das vor den “Handelskriegen” der Hauptgrund für das schwächelnde Wirtschaftswachstum ist.

Richtig – und in diametralem Gegensatz zur ÖVP -fordert das SP-Programm daher: “Im Zweifel ist der öffentlichen Hand eher zu viel als zu wenig Spielraum zuzugestehen, um Wachstum, Beschäftigung, Investitionen und Innovationen zu ermöglichen”. Ebenso richtig fordert es, dass die Lohnentwicklung “mit den Produktivitätsgewinnen einhergehen” müsse, um “die Leistungsbilanzen innerhalb der EU auszugleichen”.

Ich gebe zu, dass es nicht leicht ist, diese Positionen in einer EU zu vertreten, in der, das Gegenteil dominiert – dafür ist es zukunftsträchtig: Die EU wird diese Probleme lösen müssen, wenn sie nicht in eine Nord- und Süd-EU zerfallen oder implodieren will.

Rendi-Wagner agierte ebenso populär wie wirtschaftlich richtig, wenn sie offensiv die Rückkehr zur Benya-Formel forderte, wie sie bis Mitte 1990 EU-weit gegolten hat: Lohnerhöhungen müssen der Produktivitätssteigerung plus Inflation entsprechen, denn nur dann erlaubt die pro Jahr gesteigerte Kaufkraft die pro Jahr gesteigerte Produktion aufzukaufen. Allerdings müsste die Parteichefin dabei in enger Abstimmung mit den Experten der Arbeiterkammer handeln: Weil die deutschen Löhne seit 2000 nicht mehr nach der Benya-Formel gestiegen sind, ist Österreichs Spielraum begrenzt – Deutschland ist nun einmal sein wichtigster Handelspartner. Aber SPÖ und ÖGB müssen den Mut haben, diese Grenzen auszuloten. Nicht zuletzt weil sie damit Druck auf DGB und SPD machten: Vielleicht begriffe auch deren Führung, dass eine Sozialdemokratie ohne offensive Lohnpolitik auf verlorenem Posten steht.

Sie steht auch auf verlorenem Posten, wenn sie sich nicht endlich offensiv gegen das “Sparen des Staates” stellt. Ich gebe zu, dass auch das nicht leicht ist, weil das wirtschaftliche Denken der Wähler nun einmal von der “schwäbischen Hausfrau” beherrscht ist, die natürlich spart, wenn sie Schulden hat. „Sparen ist eine private Tugend – aber ein volkswirtschaftliches Verhängnis“, beschreibt der Papst der Nationalökonomie Paul A. Samuelson das zugehörige Paradoxon. Das freilich keines ist, wenn man die Mathematik bemüht: Es kann nur in dem Ausmaß mehr verkauft werden in dem auch mehr eingekauft =weniger gespart wird. Ich halte dazu gelegentlich Referate und behaupte, dass es nicht aussichtslos ist, diesen logischen Zusammenhang zu vermitteln. Dazu muss man ihn allerdings kennen und das war bei Christian Kern, so katastrophal er sonst agiert hat, der Fall – bei Rendi-Wagner bin ich dessen nicht so sicher.

Kern gebrauchte jedenfalls Argumente, die sehr wohl verkäuflich sind: Gerade die Wirtschaft brauche staatliche Investitionen ins Verkehrs- Strom- oder digitale Netz, in Schulen und Universitäten; sie braucht nicht minder als die Bevölkerung eine funktionierende Verwaltung und Gerichte, die rasch und richtig entscheiden. In Wirklichkeit stehen exakt diese staatlichen Institutionen den angeblich so schlimmen “Staatsschulden” gegenüber und ihr Wert ist messbar der weit größere.

Griechenland geht es nicht deshalb so schlecht, weil es so hohe Staatsschulden hat, sondern weil diese Institutionen dort soviel viel schlechter als bei uns funktionieren.

Ich weiß aus meinen Referaten um die enorme Schwierigkeit, Zuhörern die geringe Aussagekraft der “Staatsschuldenquote” vor Augen zu führen. Am ehesten funktioniert eine Frage die man auch Sebastian Kurz stellen sollte: “Wem borgen Sie lieber Ihr Geld: Japan mit seiner Horror-Schuldenquote von 235 Prozent oder Rumänien mit 35 Prozent, von der Hartwig Löger nur träumen kann?” Zumindest einem Teil meiner Zuhörer konnte ich dann im Allgemeinen klarmachen, dass die niedrige Schuldenquote Rumäniens vor allem davon herrührt, dass es viel zu wenig in seine Infrastruktur investiert hat, während die fast gleich niedrige Quote der Schweiz ihrem überragenden BIP und der Vermeidung zweier Weltkriege geschuldet ist. Darin eine entscheidende volkswirtschaftliche Messgröße zu sehen ist schlicht schwachsinnig.

Schwachsinnig ist es auch, angesichts eines auf Jahrzehnte hinaus gesicherten extrem niedrigen Zinsniveaus, (das nicht die EZB verursacht, sondern das sich aus dem Überhang des Spar-Geld-Angebotes über die Kredit-Nachfrage ergibt) zusätzliche Staatsschulden zu vermeiden, obwohl Österreich dank seiner hohen Bonität weniger Geld zurückzahlen müsste, als es aufnimmt. Wir könnten ohne jedes Risiko ungleich mehr ins digitale Netzt, in Ganztagschulen und sozialen Wohnbau, in E- Mobilität, in Eisen- und U-Bahnen stecken. Unsere Wirtschaft profitierte davon gewaltig, und am meisten profitierten “künftige Generationen” weil sie diese denkbar günstig finanzierte Infrastruktur schon demnächst nutzten könnten. Vor allem ließen sich fast nur auf diese Weise jene Klimaziele realisieren, denen das aktuelle SP-Programm als einziges etwas zu wenig Aufmerksamkeit schenkt.

 

 

 

 

 

 

4 Kommentare

  1. Die Wirtschaftsthemem sind nicht wahlentscheidend. Es ist – noch immer – die Zuwanderung, bereichert durch die Messermorde unserer neuen Bürger, die die Wähler nach rechts treibt. Da kann die SPÖ den lieben Gott an der Spitze haben, wird sie nichts (mehr) gewinnen.

    Und der Grüne Hype wird auch vergehen, wenn die ersten Einschränkungen kommen und greifen …

  2. Also mir fällt in diesem Zusammenhang immer der oft geäußerte Spruch von Vranitzky ein, der auch jahrzehntelang ein Werbeslogan der Sparkassen war: “Spare in der Zeit, dann hast du in der Not”.

    Im übrigen bin ich der Meinung, dass Joy Rendi-Wagner mit einem Wirtschaftsprogramm, egal wie es zusammengestellt ist, derzeit überhaupt keine Chance hat. Die SPÖ ist dermaßen innerlich zerstritten dass man gar nicht andenken soll, dass diese Partei in den nächsten zehn Jahren überhaupt in eine Regierungsverantwortung kommt.

    Das, was sich da derzeit abspielt, vor allem die Porsche- und die 20.000,- EURO Beraterverträge, etc., wird die SPÖ noch jahrelang mit sich selbst beschäftigen.

    1. Also wirklich – hab grad gelesen, dass HC 100-tausende für sein Video angeboten haben soll – woher kommt der Zaster? Hat er sich das von der FP-Wohnbeihilfe abgespart? Wieso wird bei der SPÖ immer ein höherer Maßstab angelegt – ein 20 Jahre alter Porsche, ein geleaster Porsche…. Und: eine wertvolle Uhr……so eine haben Viele, und viele können sich die von einem normalen Monatsgehalt ersparen – was ist das Nächste? Die Briefmarkensammlung eines SP-Mandatars? Alle zusammen sollten wir wieder mehr Denken anstatt sofort loszuprusten und mit den “Heute-Österreich”-Wölfen heulen…..worum gehts eigentlich? All das bringt uns nicht weiter und ich denke, Herr Lingens hat recht in seiner Einschätzung!

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