Pflege: Wenig Geld für wenig Ansehen

So lange der Staat sparen soll, kann er allenfalls Kasino-Angestellte, kaum aber Pfleger und Pflegerinnen, Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen adäquat bezahlen.

Die Koalition nimmt sich der Pflege an: sie will verhindern, dass einer wachsenden Zahl Pflegebedürftiger immer weniger PflegerInnen gegenüberstehen. Der Vorschlag Heinz Faßmanns, nach dem Muster der HTLs Schulen einzurichten, an denen man die Matura gleichzeitig mit einer Pflege- Lehre abschließen kann, hat zu Recht rundum Zustimmung erfahren. Aber der Knackpunkt bleibt ein anderer: ich bezweifle, dass genügend Personen diesen Beruf ergreifen, solange er mit 1.756 Euro entlohnt ist.

Eine meiner Jugendfreundinnen ist durch die letzten zehn Jahre in Wien als Altenpflegerin in exakt der Form unterwegs gewesen, die in Zukunft die häufigste sein soll: sie hat Menschen betreut, die ein Gutteil ihrer Aufgaben selbst verrichten können, für die schwersten aber Hilfe brauchen. Das hat bedeutet: Auf einem Tretroller als geeignetstem Gerät von Termin zu Termin zu hetzen, um dort Schwerarbeit zu verrichten und gelegentlich erschöpfter als der “Patient” zu sein: Ende des Vorjahres hat ein Herzinfarkt die “Karriere” meiner Bekannten beendet.

Bis dahin hat sie im Monat rund tausend Euro verdient.

Denn wie viele Alleinerzieherinnen wollte sie ihre Arbeit wenigstens in Teilzeit ausüben und hat daher ein Modell mit dreißig Wochenstunden gewählt – das hat zwar zum Herzinfarkt nicht aber zum Leben gereicht. So lange die Bezahlung für Pflege auf diesem Niveau bleibt, ist das Problem ungelöst.

Derzeit verhandelt die Gewerkschaft über eine Verminderung der Arbeitszeit auf 35 Stunden “bei vollem Lohnausgleich”, was einer Lohnerhöhung um 8 Prozent gleichkäme. Das wäre der Schwere der Arbeit wegen vernünftig, und die Bezahlung wäre -vor allem bei unverändert häufig gewählter Teilzeit – bei Gott nicht übertrieben. Arbeitgeber, von der Volkshilfe bis zur Caritas neigen daher zur Zustimmung – nur sind sie letztlich von der Dotierung durch die zum Sparen ermahnte öffentliche Hand abhängig: sie ist es, die mehr für “Pflege” ausgeben muss.

Ein unbestimmter Weg

Türkisgrün sucht nach einer neuen Pflegefinanzierung. Wie die genau aussehen soll, geht aus dem Koalitionsvertrag nicht hervor. Derzeit wird im Budget ein Gutteil Steuergeld für “Pflege” aufgewendet. Wenn ein steigender Rest nach Art der Krankenversicherung aufgebracht werden soll, dann bedeutete das eine weitere Verteuerung der Arbeit und einen weiteren Rückbau des Sozialstaates, weil die Belastung von Geringverdienern ähnlich hoch wie die von Großverdienern wäre.

Fairer wäre die volle Steuerfinanzierung, die freilich zu einem bekannten Problem führt: Wie soll das mit “Sparen des Staates” vereinbart werden? Zur Linken wird darauf verwiesen, dass sich Erbschafts- und Grundsteuern erhöhen ließen – aber das ist mit der ÖVP nicht zu vereinbaren.

Ich bin gespannt auf die Lösung.

Wer wie ich von einer Herzoperation kommt, kann “Pflege” unmöglich von “Krankenpflege” trennen: Auch die KrankenpflegerInnen, die mich in der “Notaufnahme”, in der Intensivstation und zuletzt auf der Bettenstation, (immer noch an zahllosen Geräten hängend) vor dem Tod bewahrten, genießen längst nicht das Ansehen und das Gehalt, das ihnen gebührt.

Auf der Intensivstation liegt das Einstiegsgehalt nach drei Jahren Ausbildung bei 2390 Euro Brutto und steigt mit den Jahren gegen 3.000 Euro. Dazu addieren sich eine Erschwernis-, eine Gefahren-und eine Intensivzulage von rund 500 € brutto; für Wochenend- und Nachtdienste, die man mindestens 12 mal im Jahr absolvieren muss, gibt es weitere rund 250 Euro.

Allerdings ist der Arbeitsaufwand mit dem anderer Berufen kaum vergleichbar: Den physischen Aufwand nennt ein Gesprächspartner glaubwürdig “gut doppelt so hoch wie in meinem erlernten Beruf.” Die psychische Belastung sei unvergleichbar: “Sie müssen zusehen können, wie eine 19-Jährige vor ihren Augen stirbt.”

Der Grund, der den Betreffenden dennoch in diesen schweren Beruf wechseln ließ: “Es ist auch unglaublich befriedigend, wenn Sie erleben, wie jemand, der fast gestorben ist, das Krankenhaus wieder gesund verlässt.”

Vor zwei Jahren hat die Stadt Wien das Besoldungssystem durch ein einfacheres ersetzt, das vor allem höhere Einstiegsgehälter sicherstellt: 3.000 Euro Brutto beträgt das Anfangsgehalt nunmehr. Die Zulagen sind auf Nacht- und Wochenenddienste (rund 4 Euro/Stunde) reduziert. Diese gut gemeinte Neuerung hat freilich dazu geführt, dass plötzlich jemand, der bereits seit Jahren im alten Besoldungsschema gearbeitet hat, weniger verdient als ein Anfänger im neuen Schema. Übers Jahr gerechnet kann der Unterschied für ein und dieselbe Arbeit mehrere Tausend Euro ausmachen.

Das hat für entsprechende Unruhe gesorgt und ist so nicht aufrecht zu erhalten: Die Altverträge müssen nachgebessert werden. Womit wir auch hier vor dem immer gleichen Dilemma stehen: Wie soll die öffentliche Hand diese Aufgabe lösen und gleichzeitig sparen? Anders gefragt: Wie lange werden wir weiter zusehen, dass der Anteil der Gewinne am BIP steigt während der von Staat und Löhnen sinkt?

Lichttage vom Arbeitsinspektorat

Am Rande aber passend: Der durchschnittliche Arzt arbeitet im AKH bis zu 12 Stunden täglich in einem 3 x 3 Quadratmeter großen fensterlosen Zimmer an seinem Bildschirm. Ich wollte wissen, was das Arbeitsinspektorat dazu sagt. “Wenn man das fragte, müsste man das AKH zusperren”, war die lachende aber falsche Antwort. Denn es gibt allen Ernstes eine Vereinbarung zwischen Arbeitsinspektorat und Stadt Wien, diesen Zustand zu akzeptieren, indem die Ärzte gelegentliche “Lichtersatztage” erhalten.

 

 

 

Ein Kommentar

  1. Ebenfalls am Rande aber auch passend:

    Spätestens mit der Einführung des Wehr-Ersatzdienstes, für junge Männer die aus unterschiedlichen Gründen keinen Dienst an der Waffe leisten wollten, wäre es sinnvoll gewesen diesen sozialen Dienst auch auf Frauen auszuweiten. Ich bin nicht der Meinung, dass man so das Problem der Pflege lösen könnte aber eine gewisse Entspannung hätte es gebracht.

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