Kurz im Glück

Für den Kanzler war Krems zweifellos ein voller Erfolg. Die Steuersenkung für Geringverdiener funktioniert selbstverständlich auch ohne „Gegenfinanzierung“ bestens.

Sebastian Kurz ist ein PR-Genie. Kaum von Krems heimgekehrt, vermochte er den Österreichern die erste türkis-grüne Klausur bereits in der abendlichen ZIB2 als fulminanten Erfolg zu verkaufen. Die ökosoziale Steuerreform sei auf dem Weg und natürlich würde sein Versprechen eingehalten, die Bevölkerung steuerlich zu entlasten: Der erste Schritt, in dem die Steuer in der niedrigsten Einkommensstufe von 25 auf 20 Prozent gesenkt wird, beließe einer Familie mit zwei Kindern zusammen mit dem Kinder-Bonus im Jahr viertausend Euro mehr in der Tasche. Trotzdem würde die Regierung keine neuen Schulden. sondern Überschüsse machen.

Lou Lorenz Dittelbacher hielt ihm brav entgegen, dass die Experten von Arbeiterkammer, Agenda Austria oder WIFO „keine Gegenfinanzierung“ sehen könnten, aber Kurz blieb bei seiner Behauptung und wird Recht behalten: Denn er hat die Saldenmechanik auf seiner Seite.

 Steuersenkungen schaffen Aufschwung

Wenn von den drei großen Einkäufern einer Volkswirtschaft, Konsumenten, Unternehmen und Staat, einer, nämlich die Konsumenten, mehr Geld in der Tasche hat, so können sie mehr einkaufen und also können ihnen die Unternehmen auch mehr verkaufen. Das gilt insbesondere dann, wenn es, wie in diesem Fall, die Geringverdiener sind, die steuerlich entlastet werden, denn sie verwenden die zusätzlichen 4.000 Euro mit größter Wahrscheinlichkeit zu vermehrten Einkäufen, während das bei steuerlich entlasteten Großverdienern nicht zwingend der Fall ist.

Deshalb war die Koalition auch gut beraten, den Spitzensteuersatz nicht zu reduzieren, obwohl der Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch das „blamabel“ nannte. (Er hat dabei offenbar an sein, nicht unser Wohl gedacht.)

Satz eins der Saldenmechanik, der da lautet, dass es keinen Verkauf ohne gleich großen Einkauf geben kann, nicht aber Gernot Blümls „Budgetdisziplin“, wird dafür sorgen, dass Sebastian Kurz mit seiner Behauptung recht behält: dass die deutliche Absenkung der Steuer von Geringverdienern funktionieren wird, obwohl derzeit „keine Gegenfinanzierung“ in Sicht ist. Es funktioniert nämlich genau umgekehrt wie er denkt: Man muss nicht zuerst eine gesicherte Gegenfinanzierung im Talon haben, um dann die Steuern von Geringverdienern zu senken, sondern indem man die Steuern von Geringverdienern senkt, beflügelt man die Wirtschaft und schafft die Gegenfinanzierung. (Deshalb war es zum Beispiel so verfehlt, dass Finanzminister Michael Spindelegger die von der SPÖ geforderte Steuersenkung ewig hinausschob, weil er sie erst gegenfinanziert wissen wollte, denn er hat die wirtschaftliche Entwicklung damit gehemmt.)

Die Saldenmechanik ist das einzige wirtschaftliche Gesetz, auf das Verlass ist – deshalb gehe ich nicht davon ab, sie bis zum Überdruss zu predigen.

Leider kommt sie Sebastian Kurz eher zufällig und nicht dank überlegener volkswirtschaftlicher Kenntnisse zu Gute, sonst hätte er in einem Nachsatz nicht formuliert, dass seine Regierung weiterhin Überschüsse an Stelle von Schulden produzieren würden.

Denn dabei hat er die Saldenmechanik gegen sich: Wenn der Großeinkäufer Staat sich mit Einkäufen zurückhält, um Überschüsse anzusparen, dann müssen aus Gründen der Mathematik auch die Verkäufe zurückgehen – die Wirtschaft kann denkunmöglich wachsen.

Man muss also hoffen, dass die Beflügelung der Wirtschaft durch die Steuersenkung die Hemmung der Wirtschaft durch „Sparen des Staates“ überwiegt.

In Österreich wird man das nicht ermitteln können, denn ein weiterer Mechanismus verzerrt das Bild: Wie Deutschland hat Österreich seit zwanzig Jahren „Lohnzurückhaltung“ geübt und seine Löhne nicht mehr im Ausmaß von Produktivitätssteigerung plus Inflation, sondern weit weniger erhöht. Damit erzielt es, wenn auch nicht ganz im Ausmaß Deutschlands, einen Lohnstückkostenvorteil. Nicht weil seine Produkte noch hochwertiger oder noch effizienter produziert wurden, sondern weil ein Teil seiner Arbeitnehmer sogar Reallohnverluste erlitt, vermochte Österreich daher wie Deutschland seinen Konkurrenten innerhalb wie außerhalb der EU Marktanteile abzujagen: In diesen konkurrierenden Volkswirtschaften, die, wie etwa Frankreich, mit adäquaten Lohnerhöhungen agierten, entstehen daher die Schulden, die wir nicht machen und grassiert die Arbeitslosigkeit, die wir vermeiden.

Denn der Euro verhindert einen Ausgleich durch Auf- oder Abwertung.

Das macht die die Eurozone meines Erachtens zu einem höchst krisengefährdeten Gebilde – aber es führt wahrscheinlich dazu, dass Österreich wie Deutschland Überschüsse erzielt, obwohl der Staat spart.

Fraglich ist nur, wie lange die Eurozone dieses Ungleichgewicht aushält.

 

Grüne Überschriften

 

Nicht ganz so leicht dürfte es Werner Kogler fallen, Krems als Erfolg zu verkaufen. Selbst der eloquente Sebastian Kurz vermochte Dittelbachers Behauptung, die Ökologisierung des Steuersystems bestünde nach wie vor aus nichts als Überschriften nicht ernsthaft zu entkräften. Meine Kollegin Barbara Toth sieht darin einen grünen Kardinalfehler: Die steuerliche Entlastung sei im Koalitionspakt festgeschrieben – bezüglich der Ökologisierung gäbe es nicht mehr als Absichtserklärungen.

Das stimmt. Nur ist es eben ungleich leichter, eine steuerliche Entlastung zu fixieren, als festzulegen, wie man das Pendlerpauschale abschafft und Menschen, die keine öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung haben, dennoch wirtschaftlich nicht benachteiligt.

Ich plädiere daher dafür, der Regierung diesbezüglich vorerst eine längere Schonfrist zuzugestehen.

2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Lingens, auch wenn ich annehme, dass sie nach ihrer Herz-OP Aufregung vermeiden sollen kann ich darauf keine Rücksicht nehmen und ihnen in einigen Punkten ihres Kommentars widersprechen. Warum sie z.B. meinen, dass jemand der über 60000 Euro verdient und ab dieser Summe schon einen Steuersatz von 48% an das Finanzamt abliefern muss keine Entlastung verdient hätte bzw. diese Steuerersparnis nicht auch in den Konsum stecken sondern sich dafür Aktien kaufen würde, ist mir ein Rätsel. Tatsächlich hat Kapsch recht wenn er meint, dass sowohl die Steuersätze gesenkt als auch die Grenzen ab denen sie wirksam werden, deutlich angehoben werden müssten.

    Zu ihrem “Lieblings-Feind” Deutschland und dem permanent kritisiert “Lohn-Dumping”. Zweifelslos würden sich deutsche Arbeitnehmer über höhere Löhne freuen und sie hätten sich diese auch verdient – ich widerspreche daher nicht ihrem Vorwurf des Lohndumpings – allerdings wird diese Maßnahme nicht den von ihnen erwarteten Effekt ergeben. Leider ist ihre Denkweise planwirtschaftlich und die eines Geringverdieners der da meint, wenn ein Produkt teurer wird dann kann ich es mir nicht kaufen oder muss auf ein billigeres ausweichen! Eigentlich sollten sie in ihrer Position auch Kontakt mit sehr reichen Personen haben und auch wissen wie diese ticken! Es ist Fakt, dass Reiche weltweit immer zahlreicher werden. Diese Reichen sorgen für ein permanentes Ansteigen des Anteils an Luxusartikel im internationalen Handel.

    Wenn man das Beispiel Autos her nimmt dann ist Deutschland im Bereich Luxusautos führend in der Welt. Diese Autos sind nicht billig aber sie würden auch gekauft wenn sie erheblich teurer wären – ganz einfach weil es sich um Statussymbole handelt die dem Besitzern die Genugtuung bringen sie sich leisten zu können und das seinem Umfeld wissen zu lassen. D.h. das Ergebnis höhere Löhne in Deutschland würde nicht zu einem Stagnieren (oder Zurückgehen) des Außenhandels-Überschusses Deutschlands führen sondern diesen noch weiter ansteigen lassen. Schon einmal habe ich das Beispiel Schweiz gebracht wo, nach der Freigabe des Franken-Kurses, dieser Fall schon durchexerziert wurde.

    Sie können den Deutschen nicht vorwerfen, dass sie die begehrenswertesten Autos (Maschinen etc.) bauen sondern den französischen Autobauern, dass sie das Feld den Deutschen überlassen haben. Der wahre Grund für den wirtschaftlichen Niedergang Frankreichs ist Unternehmerfeindlichkeit, wirtschaftlicher Protektionismus, zu hohe Staatsquote, die Lust französischer Arbeitnehmer am Streiken und ein Arbeitsrecht welches Kündigungen fast verunmöglicht, daher Neueinstellungen hemmt und dies der Grund ist für die hohe Arbeitslosigkeit und im Speziellen die exorbitant hohe Jugendarbeitslosigkeit.

    Ich muss immer den Kopf schütteln wenn Kommentatoren wie sie auf die positiven Auswirkungen von Lohnerhöhungen auf die Binnennachfrage verweisen jedoch die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Binnennachfrage mehr oder weniger ignorieren oder als gegeben hinnehmen.

    Diese Argumente gelten noch in viel höherem Maß für Italien wo ihr “Deutschlands Lohndumping ist schuld am Niedergang des Landes” schon geradezu absurd klingt. Fakt ist, die Politik dieser Länder ist für den Niedergang verantwortlich – ein nicht unerheblicher Grund sind sozialistische Parteien die in der Vergangenheit verhängnisvolle Entscheidungen getroffen habe welche die Länder bis heute fesseln und Reformen verhindern. Wenn man, so gehandicapt, dann noch gegen einen Technologieführer wie Deutschland antreten soll hat man von vorne herein keine Chancen. Das ist vergleichbar wie 100 m Läufern, mit Gewichtsmanschetten an den Beinen, die gegen Ursain Bolt antreten müssten!

    Vielleicht, Herr Lingens erreichen sie ihr Ziel – Deutschland bluten zu lassen – über Umwegen. Wenn man sich die Wahl- und Umfrageergebnisse so ansieht schaut es so aus als ob das Land demnächst eine grüne Regierung bekommt. Diese Partei wird es innerhalb weniger Jahre problemlos schaffen Deutschland auf das Niveau von Italien oder Frankreich zu drücken.

Schreibe einen Kommentar zu Christa Baumgartner Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.