Braucht es den Mietpreisdeckel?

Oder genügte es, wenn die Mieter geförderter Wohnungen die Mieten bezahlen, die ihrem Einkommen entsprechen?

Der jüngste Anstieg der Inflation gibt Politkern neuen Anlass, den Anstieg der Mieten zu beklagen: Wohnen sei kaum mehr leistbar – voran junge Paare hätten keine Chance erschwinglich zu wohnen.

Im Vergleich mit ähnlich wohlhabenden Ländern – Deutschland, Schweden, Holland, Dänemark, Schweiz- ist Wohnen zwar teurer. Es sind auch nicht nur die gestiegenen Mieten, die jungen Paaren das Wohnen erschweren: Dass die Reallöhne erheblicher Teile der Bevölkerung um bis zu 20 Prozent gesunken sind und prekäre Arbeitsverhältnisse bei jungen Leuten zur Regel gehören, erschwert es kaum minder. Nicht zuletzt scheint der Höhepunkt des Problems überschritten: Die Neubautätigkeit hat in den letzten Jahren derart zugenommen, dass zumindest der Bevölkerung Wiens schon demnächst ausreichend neuer Wohnraum gegenübersteht, so dass die Mieten wieder sinken dürften.

Aber das alles ändert nichts daran, dass am Wohnungs-Markt einiges schiefläuft: Neumieten sind ein Fünftel höher als Bestandsmieten –Wohnungs-Kaufpreise haben sich in Wien seit 2000 verdoppelt.

Die türkis-grüne Koalition will als erste Maßnahme die Vermietung via Airbnb auf 90 Tage begrenzen: Angeblich wird das tausende Wohnungen zurück auf den Miet-Markt bringen und jedenfalls killt es diese Art Städtetourismus.

Angesichts der nahenden Wiener Wahlen werden aber ganz andere Stimmen laut. SP-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch: „Die SPÖ hat im Gegensatz zur türkis-grünen Regierung die richtigen Rezepte für leistbares Wohnen – ihre Forderung nach einer Mietpreisobergrenze wird von 83 Prozent der Österreicher unterstützt“.

Mehr Sozialbau ist entscheidend

Obwohl ich bekanntlich nicht zu den Leuten zähle, die wollen, dass der Markt unser Zusammenleben dominiert, halte ich diese rote Forderung für ein grundlegendes Missverständnis: Wien dankt seine relativ tragbaren Mieten nicht der extremen Regulierung seines Miet-Marktes, sondern dem Umstand, dass der „soziale Wohnbau“, anders als etwa in Deutschland, hier nie ganz abgerissen ist – Aspern blieb Europas größte Sozialbauprojekt – dass er zuletzt jedoch vernachlässigt wurde, hat die aktuellen Probleme heraufbeschworen.

Denn diesbezüglich gilt der Markt: Wohnungen sind umso teurer, je weniger davon gebaut werden.

Mit der SPÖ bekenne ich mich freilich dazu, dass Wohnen unter die Menschenrechte zählt: Die Gemeinschaft hat auch denen Wohnraum zu garantieren, die ihn nicht aus eigener Kraft finanzieren können – sie hat das durch entsprechende Steuern sicherzustellen.

Nicht einsehen kann ich allerdings, warum ich zu diesem Zweck als zufälliger Eigentümer einer Altbauwohnung gesondert herangezogen werde, indem Wiens Mietrecht mein Eigentum, mit ständig sich verschärfenden Bedingungen, immer stärker beschneidet. (was mir beim Kauf von Aktien erspart geblieben wäre.)

Und nicht verstehen will ich, warum ich mit meinem Beitrag auch Leute darin unterstützen muss, billig zu wohnen, die das keineswegs nötig haben.

Eben dies besagt eine eigehende Untersuchung, die 2015 zwar für den Verband der Haus und Grundbesitzer, aber federführend von der langjährigen Mitarbeiterin der Arbeiterkammer Agnes Streissler durchgeführt wurde und im Ergebnis mit einer aktuellen Studie der Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsforschung Innsbruck übereinstimmt: Ein erheblicher Teil der Bewohner staatlich geförderter Wohnungen ist keineswegs einkommensarm.

In Wien sind 60 Prozent der Wohnungen gefördert- voran Gemeinde- danach Genossenschaftswohnungen. In Gemeindewohnungen sollten also fast nur Geringverdiener wohnen. Mit 25 Prozent bilden sie zwar tatsächlich die Mehrheit – aber immerhin 20 Prozent gehören einer mittleren und 10 Prozent der oberen Einkommensgruppe an. In Genossenschaftswohnungen lautet dieses Verhältnis 25 zu 41 zu 27 Prozent.

Das hat viele Ursachen. In meiner Jugend erhielten etwa Journalisten bevorzugt Gemeindewohnungen – erst Helmut Zilk installierte ein objektivierendes Punktesystem. Dennoch liegt das Gehalt, bis zu dem Singles Anspruch auf Gemeindewohnungen haben, bei für mich schwer begreiflichen 44000 Euro netto im Jahr; und vor allem bleibt man auch dann Mieter einer billigen Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung, wenn man in weit höhere Gehaltsklassen vorstößt oder als gut verdienender Nachkomme des Erstbewohners in dessen Vertrag eingetreten ist.

Eine Möglichkeit, das zu korrigieren wäre die Festlegung einer markt-konformen Miete, die alle bezahlen müssen, die den Bedingungen der Bedürftigkeit nicht mehr genügen. Die so erzielten Einnahmen könnte man perfekt verwenden, um junge Paaren den Wohnungskauf zu erleichtern.

Das Eintrittsrecht in bestehende Mietverträge ist aber grundsätzlich zu überdenken. Es kann am „normalen“ Wiener Miet-Markt noch absurdere Blüten treiben: Wer zufällig mit seiner Großtante eine 200 m² Hauptmietwohnung am Graben bewohnte, kann sie für 700 Euro monatliche Miete übernehmen.

Wien könnte auch anders

Obwohl die aktuelle politische Diskussion eine ganz andere Richtung nimmt, resümiere ich sachlich durchaus begründet: Das aktuelle Problem junger Paare mit steigenden Mieten wäre sofort zu lösen, wenn alle Mieter geförderter Wohnungen die Mieten bezahlten, die ihrem Einkommen entsprechen. Für den Rest der Wohnungen könnte Wien es getrost mit dem Widerspiel von Angebot und Nachfrage probieren. Denn auch das legt die Streissler-Untersuchung nahe: Mehr Regulierung ist – im Gegensatz zu mehr sozialem Wohnbau – nicht zwingend mit billigerem Wohnraum verbunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4 Kommentare

  1. Sie bekennen sich in einigen ihrer Kommentare zunehmend zu sozialistischem Gedankengut – „je älter ich werde um so linker werde ich“ (Zitat von Kreisky auf das sie sich beziehen) berücksichtigen dabei aber viel zu wenig zu welchen Verwerfungen die Umsetzung dieser „linken“ Politik häufig führt. (Ich brauche nicht die Zeit abzuwarten, bis Ergebnisse vorliegen, um zu wissen zu welchen Auswirkungen der Mietpreisdeckel in Berlin, eingeführt von der links-grünen Koalition, führt!) Hier in diesem Artikel gehen sie auf einige dieser Probleme ein. Einer der Hauptvorwürfe den ich den sozialistischen Parteien mache ist, dass sie die Ungerechtigkeiten von Personengruppen, die eigentlich der selben sozialen Schicht angehören und die sich daher alle im selben Maß Unterstützung verdienen, nicht abgebaut sondern sogar verstärkt hat. Ich habe beispielsweise kein Problem damit, dass es Reiche und nicht so Reiche gibt und das dem „ungerechten“ Kapitalismus zuzuschreiben ist. Ich habe jedoch ein massives Problem mit Fehlentwicklungen wie sie es in ihrem Kommentar aufgreifen. Es ist hochgradig ungerecht wenn Gutverdiener geförderte Wohnungen blockieren und Niedrigverdiener sich u.U. auf dem freien Wohnungsmarkt umsehen müssen. Die bekannten Ausreden der Wiener SPÖ – man möchte keine Ghettos schaffen sondern bewusst eine Durchmischung unterschiedlicher Bürger erzielen – kaschiert nur unzureichend, dass rote Politiker den Wählern, denen sie in der Vergangenheit die günstige Wohnung besorgt hat um von ihnen gewählt zu werden, nicht auf die Zehen steigen möchte indem sie ihnen jetzt höhere Mieten oder sogar das Ausziehen aus der Sozialwohnung abverlangen. Auch wenn sie so häufig rote Politik als vorbildhaft hinstellen ist eines der größten Mankos die mangelnde Reformfähigkeit dieser Parteien. Viel zu häufig erfolgen Entscheidungen der roten Parteien nicht nach sachlichen Überlegungen sondern nach ideologischen Vorgaben. Viel zu lange versucht man Probleme zu ignorieren, an den Symptomen herum zu doktern oder durch Drehen an der Steuerschraube zu lösen. (Oder man hofft insgeheim, dass die Probleme von einer konservativen Regierung gelöst werden um sie dann als neoliberal, sozial-kalt, menschenverachtend abwerten zu können und so wieder Wählerstimmen abzustauben. Ich erinnere sie in diesem Zusammenhang an ihren Profil-Artikel aus dem Jahr 2008 „Das schwarze Dilemma“)
    Wenn sie eingangs die niedrige Entlohnung jüngerer Arbeitnehmer als eines der Probleme mit der Wohnraumbeschaffung anführen ist das auch ein Punkt den man, in diesem Fall den Gewerkschaften, anlasten kann. So wie sie bin ich der Meinung, dass die Einstiegsgehälter deutlich erhöht werden müssten. Durch Abflachung der Einkommenskurven muss diese Erhöhung einkommensneutral umgesetzt werden. (Ältere verdienen am Ende ihres Berufslebens fast doppelt so viel wie Berufseinsteiger!) Das würde sogar 2 Probleme lösen – Junge erhalten höhere Löhne und die Älteren würden ihre Jobs, die sie viel zu häufig verlieren weil sie den Unternehmen zu teuer sind, behalten. (Auch das ein Problem bei dem sozialistische Politik Kosmetik betreibt in dem sie dem Steuerzahler Kosten aufbürdet die er nicht tragen müsste wenn man sinnvolle – gerechte(!) – Lösungen umsetzen würde. Oder, selbes Thema – gesetzliche Lösungen wie ein Kündigungsschutz für alle ab 50 der dazu führt, dass die Unternehmen die Personen dann vor dem 50. Lebensjahr freisetzen!
    Sie thematisieren in ihren Kommentaren immer Fehlentwicklungen und Missstände bringen jedoch (fast) nie Lösungsansätze! Ich mache welche: Für einen gewissen Zeitraum – so lange bis sich das Verhältnis Einstiegslohn zur höchsten Kollektivvertragsstufe auf maximal 40 % reduziert! Entweder nur Lohnerhöhungen für unteren Kollektivvertragsstufen. Fixbeträge – keine prozentuellen Lohnerhöhungen – für alle Arbeitnehmer. Keine Lohnerhöhungen mehr ab einem bestimmten Alter. Sozialpartnerschaftliche Abänderung der Kollektivverträge mit dem Ziel die Lohnkurven deutlich abzuflachen.

    Wenn es, am Beispiel Wien, einen Mangel an günstigen Wohnraum gibt ist selbstverständlich auch die Sogwirkung der höheren Sozialleistungen der Stadt ein Problem. Es müsste daher möglich sein diese höheren Beiträge nur an Bürger, die schon in Wien wohnen, zu leisten und Zuziehende, außer sie haben eine Jobzusage, davon auszuschließen. (Oder hat auch da wieder der VfGH etwas dagegen?)

  2. Sehr geehrter Herr Lingens, ich weiß schon, dass Sie sich Ihre Themen frei aussuchen (können). Ich habe aber noch – wehmütig – den „profil-Lingens“ mit wirklich „großen Themen“ vor meinen Augen, die da wären:
    – Corona-Weltwirtschaft und was jetzt wohl die Umweltbewegten dazu sagen, wenn dadurch das Wirtschaftswachstum zusammenbricht.
    – Türki-Öffnung der Grenzen für „Flüchtlinge“ in die EU, und was die EU – Ihrer Meinung nach – machen sollte.
    Aber man wird sich noch was wünschen dürfen …

  3. Ganz so einfach ist der Eintritt in einen bestehenden Mietvertrag nicht und es werden zunehmend Altbauten von „Immobilienentwicklern“ übernommen, mit heftigen Auswirkungen auf die Altmieter. Diese Spekulationen treiben einerseits die Immobilienpreise und erfordern andererseits immer höhere Mieten um die versprochene Rendite zu erwirtschaften.

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