Die Überwindung des Shutdown der Wirtschaft ist so wichtig wie die Überwindung der Pandemie. Der Staat muss Schulden nicht stunden sondern übernehmen.
Exzellente Öffentlichkeitsarbeit, die stets Sorge, nie aber Panik schürte, hat für erstaunliche Disziplin gesorgt. In Wahrheit war nie wahrscheinlich, dass wir „italienische Zustände“ erleben würden, denn „Sparen des Staates“ hat die Zahl unserer Akut-Intensivbetten zwar von 7auf 5,5 je 1000 Einwohner gesenkt, nicht aber wie in Italien von 5 auf weniger als eines. Zudem hatten 99,2 Prozent der italienischen „Corona-Toten“ Vorerkrankungen und waren im Median 81 Jahre alt – in Österreich ist die Altersstruktur günstiger und sind Vorerkrankungen dank höherer Volksgesundheit seltener. Wenn es gelang die Zahl der Infektionen auch nur annähernd im Ausmaß Südkoreas zu senken, war auszuschließen, dass die Zahl schwer Covid-19 Erkrankter die Kapazität unserer Intensivbetten übersteigt. Mittlerweile scheint klar, dass das gelungen ist – dazu ist Türkis-Grün zu gratulieren.
Auch wirtschaftlicher Absturz produziert Massengräber
Die Zukunft der Wirtschaft besorgt mich mehr. Laut „Armutsbericht“ der Regierung ist die Lebenserwartung Armer bis zu zehn Jahren geringer als die Wohlhabender. Derzeit gibt es in Österreich 1,5 Millionen Armutsgefährdeter – im Falle einer EU-weiten Depression wären es Abermillionen die vorzeitig sterben.
Ich führe das an, um klar zu machen, dass die Überwindung des Corona-Shutdown der Wirtschaft mindestens so wichtig ist, wie die Überwindung der Pandemie.
Leider sind alle meine in der Vorwoche geäußerten Befürchtungen eingetroffen: Die Antragstellung ist viel zu kompliziert, ihre Bewilligung dauert viel zu lang, viel zu wenig Geld fließt viel zu langsam. Ich habe hier mehrfach erklärt, warum Sparen des Staates widersinnig ist, aber nun gilt es zu begreifen, dass der Staat gewaltige Schulden machen muss, um eine Depression zu verhindern.
Die Vorstellung Gernot Blumel´s, dass wir die Rückkehr zum „Nulldefizit“ zwar leider verschieben aber dann natürlich so bald wie möglich wieder sparen müssen ist absurd: wir müssen auf Jahrzehnte hinaus jede Menge Schulden akzeptieren, um eine Katastrophe zu verhindern – wenn wir in hundert Jahren schuldenfrei sind, können wir von mir aus darüber diskutieren, ob das erfreulich ist.
Die unsinnige Angst vor Staatsschuldenquoten
Ich möchte die Unbedenklichkeit von Staatsschulden einmal mehr am Beispiel Japans belegen. Japan hat seit Jahrzehnten angeblich untragbare Staatschuldenquoten – derzeit sind es 237,1 Prozent. Aber Japans Wirtschaft funktioniert tadellos und die Zinsen, zu denen es sich Geld leiht, sind im Laufe der Jahre nicht gestiegen sondern gesunken. Die Staatsschuldenquote ist in Wirklichkeit eine völlig unbedeutende Ziffer gemessen am realen Funktionieren der Wirtschaft – nur wenn deren Motor zu stottern beginnt ist es gefährlich.
Und diese Gefahr ist derzeit gegeben weil der aktuelle Shutdown Wirtschaftsstrukturen zu zerstören droht, indem Unternehmen zu Grunde gehen, Lieferketten zerbrechen und Investitionen aufgeschoben werden. Unser dringendstes Anliegen muss es daher sein, dass in den kommenden Monaten nur ein Minimum dieser Strukturen zerstört wird. Und das geht nur, indem der Staat sich ohne Rücksicht auf Verluste verschuldet.
Die unsinnige Sorge, zu viel zu unterstützen
Bürokratisches Bemühen, gefährdeten Unternehmen nur das unbedingt nötige Geld zuzuteilen ist völlig fehl am Platz. Die Maßnahmen, die ich hier vorige Woche angeführt habe sind nicht das Maxi- sondern das Minimum: Kein Unternehmen darf – entgegen der absurden Ansicht unseres Nationalbankpräsidenten- daran zugrunde gehen, dass es die aktuelle Krise nicht durchsteht.
Selbstverständlich ist angesichts 12,2 Prozent Arbeitsloser das Arbeitslosengeld dringend deutlich zu erhöhen. Es ist ein lächerliches Problem, wenn Personen und Unternehmen mehr Geld bekommen, als sie zum nackten Überleben brauchen. Das wahre Problem wird sein, dass die Bevölkerung nach der Wiedereröffnung der Geschäfte zwar kurzfristig Nachhol-Einkäufe tätigen, dann aber doch aus Angst vor der Zukunft eher sparen wird – während die Unternehmen nichts dringender als boomende Einkäufe brauchten um die Verluste von Monaten aufzuholen. Das wahre Problem wird sein, dass sie Investitionen nicht nur im Moment aufschieben, sondern womöglich den Optimismus verloren haben, in die Zukunft zu investieren.
Deshalb dürfen Unternehmen am Ende des Shutdown auf keinen Fall Schulden haben deren Rückzahlung ihnen nur gestundet ist -der Staat muss ihre Schulden vielmehr auf sich nehmen. Steuerschulden sind nicht zu stunden sondern zu erlassen. Überbrückungshilfen sind nicht als „Kredite“ sondern als „staatliche Zuschüsse“ zu gewähren.
Ein historischer Moment für Sebastian Kurz
Eine solche „Schuldenpolitik“ zu vollziehen wird für Sebastian Kurz, so unternehmerfreundlich er ist und so gut er die Gesundheitskrise managt, insofern besonders schwer sein, als er Staatsschulden so besonders erfolgreich verteufelt und ihre Vermeidung als „die“ historische Leistung seiner Regierung gepriesen hat. Aber vielleicht ist ihm klar, dass es als historisches Versagen seiner Regierung in die Geschichtsbücher einginge, wenn sie die aktuelle Wirtschaftskrise nicht meisterte, weil der Staat zu wenig ausgibt. Vielleicht macht ihm zumindest diese Sondersituation klar, wie unverzichtbar Staatsausgaben sind. Bis zu einem gewissen Grade ist es sogar eine ideale Gelegenheit von seiner Austerity -Ideologie – denn eine solche und keine volkswirtschaftliche Erkenntnis ist es – abzugehen: Von mir aus soll er ständig sagen „Wir hätten natürlich wieder das Nulldefizit erreicht, wenn nicht höhere Gewalt in Gestalt einer Pandemie dazwischen gekommen wäre.“
Er muss nur anders handeln.
6 Kommentare
Armut als Ursache eines verfrühten Ablebens ist bestens dokumentiert und nicht zu verleugnen.
Umso mehr beunruhigen die Schlussfolgerungen von Herrn Faßmann, dass aufgrund der geringen Corona-Infektionsrate, welche selbstverständlich aus den diversen Kontaktreduzierungsmaßnahmen resultieren, die aktuellen Einschränkungen wohl noch „Wochen oder Monate“ dauern müssen!
Noch wähnt sich ein Gutteil der Arbeits – oder Einkommenslosen in Zweckoptimus, sind sie doch, perfekt inszeniert von Regierung und Medien, eingelullt worden von allerlei Kompensationsversprechen. Der Logik von Herrn Faßmann folgend werden wir also so lange nicht wieder frei leben und wirtschaften können, bis ein Impfstoff oder ein wirksames Medikament gefunden wurde. So droht uns heuer zu Weihnachten ein hartes Dejavu. „Kurz“arbeit wird in den nächsten Jahren wohl eine völlig neue Bedeutung bekommen…
Eine Beseitigung der offenbar gewordenen Unzulänglichkteiten im Gesundheitswesen wird Geld kosten. Nicht zu vergessen: eine europäische Produktion von Medizinprodukten gibt es auch nicht kostenlos. Die Vergaberechtspraxis darf schon einmal angepasst werden…
Das Problem im Euroraum ist, dass die EZB die einzelnen Länder wie Drittländer behandelt. Diese können über ihre Währung nicht souverän verfügen. Japan und die USA verschulden sich in ihrer eigenen Währung und solange die jeweilige Notenbank mitspielt, können diese Länder nicht bankrott gehen, denn zusätzöiche Milliarden können ja auf Knopfdruck generiert werden. Italien kann aber nicht unbegrenzt Euro drucken und muss sich an gewisse Schuldenregeln halten. Man könnte natürlich auch anders vorgehen und z.B. jedem Land erlauben, sich z.B. bis zu 150 oder 200 % des BIP zu verschulden, die jeweiligen Anleihen dann in der EZB in Quarantäne lagern. Es ist leider von der Finanz- und Währungstheorie bis heute nicht geklärt, welche Konsequenzen das eventuell haben könnte. In Japan ist bisher wenig oder nichts passiert. Was wäre. wenn die Zentralbanken die Anleihen einfach abschreiben würden? Bankrott gehen, wie eine normale Bank, können sie ja nicht. Die Druckerpresse steht sozusagen im Keller. Ist das etwa das sagenhafte Perpetuum Mobile? Ich behaupte mal ( als These ), dass bei hoher Verschuldung über die Notenbank solange nichts passiert, als das zusätzliche Geld keine „Übernachfrage“ auslöst, sondern nur dazu dient, nicht genutzte Kapazitäten in der Wirtschaft auszunützen. Erst wenn die Billionen in den Kreislauf der Geldmenge geraten, wäre eine riesige Inflation die Folge. Dies kann allerdings von den Zentralbanken ganz gut gesteuert werden. Ich warte nun darauf, dass ein Professor meine These wissenschaftlich begründet und mit mathematischen Formeln unterlegt. Den Nobelpreis teile ich dann gerne mit diesem Professor.
…bravo Peter – jetzt bin ich wieder stolz auf einen ehemaligen Astgassler ….. 👍
0,3% – sollen wir uns freuen oder fürchten?
Das ist eigentlich die große Frage zum Karfreitag.
Gewiss ist Ihnen klar, dass die Tilgung der Staatsverschuldung auch in 100 Jahren nicht möglich sein wird, und im Prinzip auch gar nicht nötig ist. Das Problem der Verschuldung (die Frage ist ja, in wessen Geld?) zeigt sich jedoch in der Einschränkung demokratiepolitischer Handlungsräume. Deshalb wäre eben schuldbefreites Staatsgeld zur Überwindung der Krise so wichtig (So, wie es England jetzt macht, das jetzt einen ersten Schritt Richtung Vollgeld setzt).
Mit den Investitionen in die Zukunft ist das freilich so eine Sache, wenn jene aus de Vergangenheit sich zuerst nur durch Neuverschuldung rechnen können. Man darf auch nicht übersehen, dass „Investitionen“ stets unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten sind: Staatliche Investitionen für das Gemeinwohl (Bildung, Erziehung, Gesundheit, Umwelt,….) weisen selten eine pekuniäre Rendite auf. Betriebliche Investitionen müssen hingegen auf Rendite ausgelegt sein und zielen besonders auf Produktivitätssteigerung und Rationalisierung, also auf Personalabbau ab, was uns zur nächsten, systemimanenten Krise führt, in der der Staat neuerlich zur Bereitstellung der Kaufkraft der Arbeitslosenheere wird einspringen müssen (von der Corona-Krise zur Digit-Krise).
Schon aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes sollten wir uns davon verabschieden, die Wertgebung des Geldes an die Umwandlung von Natur in Güter und Leistungen zu binden. Das absurde Ziel des Kapitalismus ist es doch, Geld in mehr Geld zu verwandeln und für ihn stellen sich sämtliche Arbeitsprozesse nur als Transmission zur Zielerrreichung dar. Dass dabei durchaus auch gesellschaftlich Wertvolles herauskommt muss eher als Nebeneffekt erkannt werden. Das Problem der kapitalistischen Wirtschaftsweise liegt jedoch darin, dass man damit nicht mehr aufhören kann, wodurch letztlich geschaffene Werte und Strukturen wieder in nominell geldvermehrenden Arbeitsprozessen vernichtet werden.
https://lifesense.at/das-zeitfenster-fuer-zeitnotwendige-reformen-beginnt-sich-langsam-wieder-zu-schliessen-newsletter-5-2020/
Diese Diskussion in der fernen Zukunft erübrigt sich: „… wenn wir in hundert Jahren schuldenfrei sind, können wir von mir aus darüber diskutieren, ob das erfreulich ist!“, weil schon in der sehr langen Vergangenheit die Finanzwissenschaft mahnte: „Ein Staat ohne Schulden, macht zu wenig für seine Kinder!“