Bei Gefahr im Verzug hat die Verfassung Nachrang

Wenn ein drei Mal wegen schwerer Körperverletzung vorbestrafter Gewalttäter eine Zeugin im Gerichtssaal mit dem Messer bedroht und es gelingt einem Justizwachebeamten, ihn mit einem Faustschlag, der ihm das Nasenbein bricht, außer Gefecht zu setzen, würde nachher schwerlich darüber diskutiert, ob er nicht leichter zuschlagen und den Nasenbeinbruch hätte vermeiden können.

Wenn der Täter nicht als gewalttätig bekannt gewesen wäre, wenn es nur das Opfer als Zeugin für den Vorfall gäbe, gäbe es eine solche Diskussion vielleicht – aber da sie vor mehreren Juristen und versammeltem Publikum stattfand, unterbliebe sie vermutlich. Allenfalls würde gefragt, wieso der Mann mit einem Messer ins Gericht gelangen konnte – was der Abwehr seines Angriffs also voranging.

Ich glaube, dass die Abwehr der Corona Pandemie durch den Gesundheitsminister diesem Beispiel ziemlich nahekommt – bis hin, dass sie im Parlament und jeden Tag vor Millionen Fernsehzusehern stattgefunden hat.

Das Betretungsverbot war verfassungswidrig- aber…

Man soll, glaube ich, in ein paar Monaten heftig diskutieren, warum die Regierung nicht bereits Abwehrmaßnahmen ergriffen hat, als die Pandemie sich über Chinas Grenzen hinaus verbreitet hatte. Warum man nicht schon damals Masken bestellte, sondern solche sogar -wenn auch sehr anständig- verschenkte. Vielleicht auch, warum man nicht mehr Beatmungsgeräte kaufte und natürlich, was in Tirol schief gegangen ist.

Was die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen betrifft -hier endet die Parallele mit dem Faustschlag – ist zwar natürlich dafür zu sorgen, dass alle Verordnungen ihr nunmehr genügen, dass Verordnungen, die nicht mehr zwingend sind, aufgehoben werden, von mir aus auch, – sehr viel später- warum Juristen des Gesundheitsministeriums die Betretungsverordnung nicht auch juristisch korrekt, sondern “nur” funktionierend abgefasst haben. Alfred Noll hat natürlich recht, dass sie nicht der Verfassung entsprach – Andreas Kohl hatte mit seinem diesbezüglichen Widerspruch sicher unrecht – aber er hatte recht, damit zu behaupten, dass es bei Maßnahmen, die Gefahr im Verzug abwehren, nicht so wichtig ist, ob sie auf Punkt und Beistrich der Verfassung entsprochen haben. Auch wenn es natürlich am besten und möglich gewesen wäre, dass es so gewesen wäre. Die Juristen des Gesundheitsministeriums waren schon mäßig, als meine Mutter dort noch das Seuchenreferat leitete, und vor allem macht die undurchsichtige Verschränkung von Bundes- und Landeskompetenzen die Gesundheitspolitik rechtlich seit jeher zu einem Irrgarten.

Kritik an Kurz war in der Vergangenheit angebracht

Es genügt meiner Meinung nach völlig, was derzeit geschieht: Dass Juristen unter der Führung von Clemens Jabloner die Verordnungen durchgehen und der Verfassungsgerichtshof sie natürlich nachträglich prüfen kann.

Ein ganz anders Kapitel ist meines Erachtens der Umgang Sebastian Kurz` mit Fragen, die verfassungskonform zu lösen er monatelang Zeit hatte: Natürlich ist bestürzend, dass so gut wie alles, was die türkisblaue Regierung im Zusammenhang mit “Migranten” beschloss, bereits als verfassungswidrig aufgehoben wurde oder vom EuGH als verfassungswidrig aufgehoben werden wird.

Kurz zeigte da tatsächlich in einem erschreckenden Ausmaß mangelnden Respekt vor der Verfassung, und man soll auch bemängeln, dass seine Wortwahl anlässlich seiner Verteidigung der ergriffenen Corona-Maßnahmen etwas von diesem mangelnden Respekt aufblitzen ließ – aber bei der Abwehr von “Corona” war das bei keinem Beteiligten der Fall.

5 Kommentare

  1. KURZ BETREIBT MIT UNS GEHIRNWÄSCHE MIT SEINEN STÜNDLICHEN WERBEBLOGGS! Sagt das dem Kurz und sagt das dem ORF!!
    Da ist ja die LUTZ-WERBUNG dagegen ein Lustspiel!!
    Jetzt fehlt nur mehr der VOLKSEMPFÄNGER wo es tagtäglich ausschließlich LANGE KURZ-Sendungen gibt! KURZ sagt das / KURZ meint das / KURZ will das / und so weiter und sofort.
    Wann finden die Österreicher endlich ZUM SPEIEN??
    Und wo sind die plausiblen Erklärungen von den wirklichen Fachleuten?
    KURZ hat keinen einzigen MedizinerIn in seinem Beraterstab!

  2. Der grüne “Gehilfe”für den “Meister” Kurz , kann sich nach wie vor mehrheitlich beim Bürger wohl fühlen!
    Die notwendigen Maßnahmen waren sehr angebracht ,das lamentieren sogenannter “Experten” bezüglich “Einschränkungen” der persönlichen” Grundrechte,für mich weniger!

  3. Lieber Hr. Lingens, da muss ich Ihnen spontan Recht geben. “Gefahr in Verzug” schlägt in diesem Fall “juristische Präzision”. Ich kann im Vorgehen der Regierung bei bestem Willen keine mutwillige Missachtung oder Geringschätzung unserer Verfassung erkennen. Eine Pandemie in diesem Ausmass hatte keinen Präzedenzfall und sollte nunmehr Anlass geben, die entsprechenden Gesetze für zukünftige Fälle zu rüsten (was aber unter der Führung von Jabloner jetzt ohnehin passiert). Was Noll allerdings meines Erachtens zu Recht angemerkt hat, war die Leistung des Parlaments. Dieses diente nur als gut geölte Abstimmungsmaschine, entwickelte aber keinerlei eigenständige Beiträge zur Lösung der Krise. Auch von der Opposition (der Noll als Mitglied der vom Wähler ausgelöschten “Liste Pilz” kurzzeitig angehörte) war diesbezüglich wenig zu hören.

  4. Der von mir überaus geschätzte Ferdinand von Schirach ist vermutlich anderer Ansicht und könnte das dann, falls ich Recht habe auch gut argumentieren.
    Aber nach all der von mir geäußerten Kritik, finde ich hier wieder einen Artikel in dem ich den „alten“ Lingens wieder erkenne. Man muss die Meinung nicht teilen, aber darüber nachzudenken und zu diskutieren ist allemal lohnend.

    1. Ich bin kein Jurist und will daher nicht die gleichen selbstüberschätzenden Fehler wie Herr Lingens in medizinischen Fragen machen.
      Daher hier keine Feststellungen oder Urteile, nur Fragen.
      Wäre es eventuell möglich gewesen das Gleiche verfassungskonform zu erreichen indem man die Opposition einbezogen hätte und manches mit 2/3 Mehrheit beschlossen hätte? (Alle Parteien waren anfangs sehr kooperativ)
      Sollte man eventuell für die Zukunft überlegen die Verfassung für solche Situationen zu adaptieren?
      Jedenfalls muss man sich genau überlegen was man juristisch ermöglichen kann und gleichzeitig eine Situation wie in Ungarn komplett verhindert!

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