Ibiza: Voyeurismus ist kein öffentlicher Anspruch

Die Opposition ist empört, dass der Untersuchungsausschuss nicht das gesamte Ibiza-Video zu sehen bekommt. Es sei unverständlich, dass die grüne Justizministerin dieser Forderung des Vorsitzenden Wolfgang Sobotka nachkomme.

Ich halte Sobotka´s Vorsitz zwar für ein Problem – grundsätzlich sollte U-Ausschüssen ein Angehöriger der Opposition vorsitzen – aber die Entscheidung, dem Ibiza-Ausschuss nur vorzulegen, was die Staatsanwaltschaft thematisch für relevant hält, scheint mir richtig und möchte das an folgendem erfundenen Beispiel illustrieren: Gesetzt den Fall Strache und Gudenus unterhalten sich in den sieben Stunden, die dieses Video umfasst, über die sexuellen Eigenheiten dieses oder jenes Politikers – der oder jener hätte eine geheime Freundin, der oder jener suche ständig Bordelle auf – dann wäre es absolut unerträglich, dass alle Mitglieder des U-Ausschusses von diesen fürs Thema des Ausschusses völlig irrelevanten Spekulationen über das Intimleben von Politikern Kenntnis erhalten. Zumal wenig Zweifel besteht, dass diese Kenntnis dann nicht auf sie beschränkt bliebe.

Schon die Süddeutsche Zeitung, der Spiegel und der Falter haben aus den absolut richtigen Gründen darauf verzichtet, das gesamte Video publizistisch zu verwerten.

Wir müssen der Staatsanwaltschaft und der Justizministerin das Vertrauen entgegenbringen, dass nichts unterschlagen wird, was für den Ausschuss relevant sein könnte. Meines Erachtens wird es nicht sehr viel mehr, als die Sequenzen sein, die wir sowieso alle kennen. Aber vielleicht gibt es dieses oder jenes nützliche Detail – dann wird der Ausschuss es zur Verfügung haben. Dass manche Ausschussmitglieder neugierig sind und gerne auch hörten, was Strache und Gudenus sonst noch mit lockerer Zunge von sich gegeben haben verstehe ich – aber Voyeurismus darf keine Maxime öffentlichen Handelns sein.

9 Kommentare

  1. Ein paar Kleinigkeiten wären aber über die veröffentlichten Teile hinaus schon interessant. Etwa die angebliche Passage, wo Strache das pauschale „Novomatik zahlt alle“ auf ein „Novomatik zahlt drei“ einschränkt. Das lässt Grüne und Neos besser dastehen.

  2. Das Problem ist einfach, dass viele Mensche – wie ich – dieses Vertrauen nicht mehr haben. Auch wenn ich Ihnen inhaltlich grundsätzlich völlig Recht gebe.

  3. Ich denke, es ist ein offenes Geheimnis, um welche intime Details es geht. Man muss es der österreichischen Presse hoch anrechnen, dass sie solche Tatsachen, die Privatsache sind, nicht breit tritt. Und es zeigt die politische Hilflosigkeit der Opposition, wenn sie über diesen Weg versucht, einen beim Wähler erfolgreichen (ob er in der Sache erfolgreich ist, lasse ich mal dahingestellt) Politiker über den Umweg seines verschämten Umgangs mit seinem Privatleben in die Ecke zu drängen.

  4. Ich finde es auch unerträglich, dass vertrauliche SMS zwischen Kurz und Strache veröffentlicht werden und die NEOS samt SPÖ noch weitere SMS Korrespondenzen einfordern.

    Genauso gut kann man dann die Offenlegung der SMS Korrespondenz zwischen SPÖ Altkanzler Kern und seinem Berater Silberstein fordern.

  5. Sehr geehrter Herr Lingens, prinzipiell haben Sie recht, wenn allerdings die persönlichen Neigungen – welcher Art auch immer – mancher Personen ein gemeinsames Muster ergeben, dann kann man davon ausgehen dass es sehr wohl von Interesse für die Aufklärung ist. Alles andere wäre lebensfremd. Mit freundlichen Grüßen L.P.Exner

  6. ,Ja, dem stimmme ich zu! Das ganze Parlament entartet immer mehr zu einem traurigen Kasperltheater, wo übe Nebensächlickit widelich gestriiten wird, und eine sachliche inhaltreiche Debatte über die wirklich anstehenden Probleme der Coraona- Klima – und Wirtschafstkrise nicht zu erwarten ist. Gestritten wird über 6.stellige Euro-Beträge, nicht aber um die 12-stelligen. Da geht es um zu viele Nullen

  7. Diesen Artikel kann man nur vollinhaltlich bestätigen.
    Leider sind unsere Politiker so überhaupt nicht in der Lage Parteitaktik einmal hintan zu halten. Es geht doch nur darum dem politischen Gegner eins auszuwischen.
    Ich frage mich ob das Wahlvolk einverstanden ist dass die Abgeordneten für diese „Arbeit“ mit unserem Geld entlohnt werden.

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