Der große Auftritt des “Sparsamen”

Sebastian Kurz´ Agieren beim jüngsten Gipfel wird der EU entweder 110 Milliarden Euro ersparen oder sie – vor allem aber Österreich – Abermilliarden kosten.

Sebastian Kurz` Rolle beim jüngsten Gipfel der EU war auf jeden Fall “historisch”: Wenn Portugal, Spanien und Italien 2025 nach wie vor Mitglieder der Eurozone sind und Massenarbeitslosigkeit vermeiden konnten, kann er auf seine Fahne heften, dass dieser Erfolg billiger erreicht werden konnte, als von Emmanuel Macron und Angela Merkel veranschlagt, weil die “sparsamen Vier” die “Zuschüsse” von 500 auf 390 Milliarden Euro zu reduzieren vermochten. Wenn es anders kommt, wird er mit zu verantworten haben, dass die Eurozone zerfallen ist und Österreich einen wesentlichen Teil seines Exportmarktes verloren hat.

Ich wünsche Kurz und uns, dass ersteres Szenario eintritt.

Der populäre Erfolg

Bei den Österreichern hat er zweifellos weiter an Ansehen gewonnen. Sie bewundern fraglos, dass er 565 Millionen “Rabatt” auf unsere jährlichen Zahlungen an Brüssel herausgeholt hat. (Dass das die Mittel der EU für Bildung und Forschung und zum Kampf gegen den Klimawandel reduziert, irritiert zu meiner Überraschung die NEOS noch mehr als die SPÖ, während die Grünen es mit der Fassung tragen, zu der sie als Kurz` Koalitionspartner gezwungen sind.)

Dass Kurz die “Zuschüsse”, die wir, “die wir gut gehaushaltet haben”, an Staaten mit “kaputten Systemen” (Kurz) überweisen, nicht 500 sondern nur 390 Milliarden betragen, dürfte genauso positiv gesehen werden, verbindet es doch – wenn es gut geht- “Solidarität” mit “Augenmaß.” (Dass Kurz ursprünglich nur “Krediten” zustimmen wollte, war so gesehen erfolgreiche Verhandlungstaktik.)

Dass “Systeme” auch kaputt sind, weil ihnen “Sparen” verordnet wurde, wollen Kurz´ Jünger so wenig wie Hausfrauen glauben. Daher ist die Mehrheit zweifellos auch davon angetan, dass Kurz sich um strenge Kontrolle der Verwendung der gewährten Zuschüsse bemüht hat – noch energischer dafür gekämpft hat nur sein holländischer Kollege Mark Rutte, der 2021 vor Wahlen steht.

Beide sind indessen an Italiens Präsident Giuseppe Conte gescheitert, der die “Rettung Griechenlands” im Kopf hat: Dort wurden bekanntlich im vornherein nur “Kredite” statt “Zuschüsse” vergeben und “kontrolliert” wurde ihre Verwendung durch die von Deutschland angeführte “Troika”. Mit folgendem Erfolg: Griechenlands Staatsschuldenquote, deren Höhe Anlass zur “Rettung” gewesen ist, stieg von 146 Prozent im Jahr 2010 auf mittlerweile auf 181 Prozent; das BIP pro Kopf, das selbst nach dem Absturz in der Finanzkrise noch bei 28,726 USD lag, liegt mittlerweile bei nur mehr 19, 974 USD; und die Arbeitslosigkeit, die 14,7 Prozent betragen hat, liegt jetzt bei offiziellen 17,4 Prozent, die die Realität freilich nicht entfernt wiedergeben: denn 500.000 Griechen haben das Land auf der Suche nach Arbeit verlassen und andere haben die Arbeitssuche aufgegeben.

So glanzvoll kann “kontrollierte Sanierung” nach dem Rezept besonders “Sparsamer”, wie Deutschlands Wolfgang Schäuble, verlaufen. Nicht nur Conte wollte dieses Experiment nicht wiederholen. Rutte und Kurz haben sich daher mit ihrer Forderung nach strenger Kontrolle nicht durchgesetzt. Als Kompromiss wurde ihnen lediglich zugestanden, dass eine qualifizierte Mehrheit ein Veto gegen die Verwendung der Zuschüsse einwenden kann.

Die entscheidende Frage wird sein, ob die Zuschüsse reichen. Denn auf ein einzelnes der vielen von Corona heimgesuchten Länder kommt natürlich nur ein Teil der 390 Milliarden – und zwar spät: die Auszahlung dürfte Mitte 2021beginnen und 30 Prozent werden erst 2023 vergeben. Es gibt daher Ökonomen, die das “zu wenig und zu spät” nennen. Zumal Italiens wirtschaftliches Kernproblem (abseits ewiger Korruption, Steuervermeidung und Rückständigkeit des Südens) unverändert ist: wirklich schlecht geht es den Italienern erst, seit große Marktanteile an Länder verloren gingen, die, wie Deutschland, Holland oder Österreich, “Lohnzurückhaltung” übten.

Heikle offenen Fragen

Ungelöst ist auch die Frage der Rückzahlung der Mittel des “Next Generation EU”- Fonds (so der offizielle Name des Corona-Fonds) durch die EU. Denn dieses Geld wurde bekanntlich nicht von der EZB “gedruckt” sondern die EU hat es – erstmals – am Kapitalmarkt aufgenommen. Die Hoffnung, dass der Gipfel ihr große zusätzliche Einnahmen bescheren würde, war trügerisch: Bisher wurde nur eine Plastikabgabe ab 2021 beschlossen, der 2023 eine Digital- und eine CO2-Steuer folgen sollen – die sich die Wirtschaft freilich möglichst niedrig wünscht. Mit einer Billion klingt der “mittelfristige (siebenjährige) Finanzrahmen” der EU zwar sehr eindrucksvoll, ist aber (freilich ohne Großbritannien) knapper als in der Vergangenheit dotiert, obwohl daraus ein “Green Deal” und eben auch die Rückzahlung des Corona-Fonds finanziert werden soll. Spätestens 2026 wird die EU daher überlegen müssen, ob sie, um ihren Schuldendienst zu bewältigen, Einschnitte im Gemeinschaftshaushalt vornimmt. Ursula von der Leyen ist optimistisch: sie meint, dass die Mitgliedsstaaten ihr dann doch mehr “Eigenmittel” genehmigen werden.

Auch meine Hoffnungen beruhen -seit jeher- darauf, dass die EU sich verändert. Dass insbesondere das kommt, was verhindert zu haben Sebastian Kurz für sein größtes Verdienst hält: Eurobonds.

Alle Bundesstaaten der USA – egal ob reich und potent wie Kalifornien oder arm und kaputt wie Louisiana – können sich nämlich auf vergleichbarem Weg zu den gleichen niedrigen Zinsen finanzieren.

PS: Der Widerstand des EU-Parlaments wird den Corona-Deal nicht wesentlich verändern.

 

 

 

 

13 Kommentare

  1. Das Geld horten die “Armen Reichen” steuerschonend im Ausland und betrügen so den Staat um Mio. an Steuern! Das hat nichts mit Linksdenken zu tun, auch die kath. Kirche ist fürs Teilen, aber da dürften Sie anscheinend selten hineingehen. Was spenden Sie, außer nutzlose Worte??

  2. Der Kurz und seine Helfeshelfer verkaufen Österreich ohne mit der Wimper zu zucken immer wieder nach dem Motto: KOSTE ES WAS ES WOLLE”! Eine perfide und maßlos egoistische Aussage. Später kann er dann sagen: NACH UNS DIE SINTFLUT!” Und so wie es aussieht, wird es leider so kommen. Weil heute jeder unpolitischer Trottel diesem Rattenfänger auf dem Leim geht!

  3. Wieviele Milliarden muss man in Staaten wie Italien,Spanien, Frankreich Ungarn und Portugal hineinbuttern damit sie mit Deutschland mithalten können?
    Es ist mir schon klar, dass man mit Geld viele Probleme lösen kann. Ich verstehe wenig von Wirtschaft, aber ich glaube, dass es nicht besonders tiefsinnig ist, einfach nur einen warmen Geldregen niedergehen zu lassen, ohne genau zu prüfen wohin dieses Geld fließt.
    Jedenfalls vermisse ich Informationen und Garantien darüber, wofür genau letztlich auch für unsere Infrastruktur hilfreiche Steuergelder ins Ausland investiert werden sollen. Jede Bank würde solche Investitionspläne und Garantien verlangen bevor sie Geld ausschüttet (außer vielleicht im Burgenland)

  4. Hilfe bei Schicksalsschlägen ist nobel. Aber Italien leidet an jahrzehntelanger staatlicher Misswirtschaft. Südlich von Rom saugen drei Mafia Organisationen den Großteil aller Hilfsgelder auf. Die EU funktioniert gut als EWG aber das meiste, was darüber hinausgeht, ist ohne Erfolgsaussicht. Irgendwann kracht das Konstrukt dann zusammen. Leider. Man würde ein Gegengewicht zu USA und China brauchen. Aber die EU ist dazu nicht in der Lage, denn sie geht von unrealistischen Voraussetzungen und Gleichheitsfantasien aus.

  5. Lingens ist – so wie Kurz bewußt oder unbewußt- nicht ganz am Laufenden. Ich empfehle daher in der Zeitaschrift “Wirtschaftsdienst” den Beitrag – Staatsfinanzierung durch Geldpolitik – Wirtschaftsdienst – nachzulesen, Hier ein kurzer Auszug daraus;

    Aber selbst Mitte 2020 wird das Public Sector Purchase Programme wohl nicht enden. Zum einen wegen der erwähnten Sequenz des Ausstiegs. Zum anderen ist fraglich, ob es überhaupt zu einem Abbau der Anleihebestände kommt. Mario Draghi hat die Anleihekäufe auf der turnusmäßigen Pressekonferenz am 14. Juni 2018 zu einem künftig normalen Instrument der Geldpolitik erklärt, das jederzeit erneut eingesetzt werden kann. Dies deutet folglich eher auf eine Wiederaufnahme der Nettoerwerbungen hin, selbst wenn die selbstgesteckten Grenzwerte in einigen Fällen schon gefährlich nahekommen. Gegen einen Abbau der Anleihebestände spricht außerdem, dass die hochverschuldeten Mitgliedstaaten höhere Zinsen kaum verkraften würden. Bereits am 26. April 2018 hatte darüber hinaus der damalige EZB-Vizepräsident Vitor Constâncio auf einer Pressekonferenz Zweifel daran geäußert, dass die Zentralbanken jemals zu Vorkrisenzeiten mit
    An einen Abbau der Anleihebestände ist auf absehbare Zeit somit nicht zu denken. Constâncios Aussage lässt sogar den Schluss zu, dass das Eurosystem mindestens einen Teil der Staatsschulden dauerhaft in seinen Büchern halten wird. Die Anleihekäufe kämen dann einem dauerhaften Schuldenschnitt gleich, weil die Zinserträge aus den vom Eurosystem gehaltenen Anleihen jedes Jahr zurück an die Finanzminister gehen würden. Diese Staatsschulden wären also faktisch gestrichen. Selbst wenn man der EZB benevolent unterstellt, dass sie mit dem Anleihekaufprogramm ihr Inflationsziel erreichen will, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass sie mit dem Public Sector Purchase Programme mindestens gleichberechtigt „monetäre Fiskalpolitik“betreibt.”

    Zusätzlich erweise ich noch auf – https://www.wikiwand.com/de/Geldsch%C3%B6pfung- Hier ein Auszug: Der Staat als Teilnehmer am Kapitalmarkt

    “Seit Gründung der Europäischen Währungsunion ist es den teilnehmenden Staaten nicht mehr gestattet, wie Geschäftsbanken Kredite direkt von der Zentralbank zu erhalten (Art. 123 AEUV). Falls Staaten sich über ihre Steuereinnahmen hinaus Geld beschaffen wollen, können sie Staatsanleihen mit verschiedenen Laufzeiten auflegen. Diese werden zunächst von Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld gekauft, welches sie durch Vorlage der erworbenen Anleihen als Sicherheit von der Zentralbank zum Leitzins erhalten. Der Staat behält das Zentralbankgeld jedoch nicht, sondern es fließt mit seinen Ausgaben an Bankkunden zurück an das Bankensystem.
    Die Anleihen gelangen durch Weiterverkauf der Banken teilweise in die Hände von privaten oder anderen Anlegern. Kaufen nun Zentralbanken im Rahmen von Offenmarktgeschäften oder in großem Ausmaß in Programmen zur „quantitativen Lockerung“ Staatsanleihen auf, ist der Unterschied zur direkten Staatsfinanzierung gering. Der Unterschied ist, dass Geschäftsbanken bei der Emission der Anleihen mitverdienen und mitbestimmen. Die Geschäftsbanken sollten ursprünglich in Zusammenarbeit mit den Ratingagenturen die Bonitätsprüfung der einzelnen Staaten durchführen. Die unterschiedliche Bonität würde dann in den Zinsen auf die Anleihen der verschiedenen Staaten zum Ausdruck kommen. Dieses System führte jedoch 2010 zur Eurokrise.
    Zu ihrer Beendigung signalisierte die Europäische Zentralbank in einer Rede ihres Präsidenten Mario Draghi (whatever it takes), dass sie eine Unterversorgung der Mitgliedsstaaten mit Zentralbankgeld oder gar einen Staatsbankrott nicht hinnehmen werde. In der Folge sanken die Zinsen für alle Staatsanleihen in der Währungsunion auf ein sehr niedriges Niveau-“

  6. “sparen” ist halt ein positiv besetztes Wort. Und Sebastian Kurz tut alles, was – mehrheitlich – seiner Beliebtheit hilft.

    Es ist immer wieder nett zu lesen, wie Herr Lingens sich in Details vertieft. Was mir jedoch fehlt, ist sein “großes Bild” der Wirtschaft und Gesellschaft.

    Sehr viele Meldung aus der “realen Wirtschaft” aus vielen Bereichen deuten auf Zusammenbruch. Dass es in den nächsten Monat überall in der “westlichen Welt” zu Massenarbeitslosigkeit kommen wird, ist sehr wahrscheinlich. Da sind unsere Kurzarbeitsmaßnahmen nur eine gelinde – aber sicher richtige – Hilfe. Nur wird sich der Staat das auf Dauer auch nicht leisten können.

    Wenn man von der “westlichen Welt” spricht / schreibt, sollte man auf China nicht vergessen. Die werden – weiter – durchstarten und wir “im Westen” werden philosophieren, dass “Demokratie” doch das beste System ist, … und dabei vor die Hunde gehen, weil China bald alles dominieren wird. Aber in Schönheit sterben hat auch was.

    Europa – die EU – wird nie etwas wirklich “Wirksames” zusammenbringen. Wir brauchen Wachstum und wollen gleichzeitig unseren Planeten vor “Erhitzung” schützen, und dabei treten wir nicht ganz klar gegen die Welt-Überbevölkerung auf, die auch sehr schnell unseren Wohlstand und unsere Güter haben will. Da hat sogar der dämliche Trump ein besseres Bauchgefühl auf diese Fragen als viele unserer Staatslenker.

  7. Herr Lingens, eine simple Frage: Warum soll eine österreichische Supermarktkassierin den italienischen Staat retten hingegen die italienischen Milliardäre wie Agnelli, Berlusconi, Benetton, etc. suhlen sich wie Dagobert Duck in ihren Geldschränken?

        1. Es wäre schade um den Staat Italien. Die Berlusconi`s und Benetton`s werden Ihn derzeit noch nicht retten. Es sei denn, dass sie sich früher oder später einmal schämen dafür, nicht`s oder zu wenig für das Gemeinwohl getan zu haben. Derzeit machen das halt die Supermarktkassiere*. Irgend jemand muss es ja tun!! Die Leute mit den dicken SUV`s schämen sich ja derzeit auch noch nicht, dass sie zwei Parkplätze brauchen und nur für einen zahlen.

  8. … ich frage mich – und viele andere – woher eigentlich das Geld kommt, das die Linksdenkenden so gern verschenken wollen ? Üblicherweise bezahlen das die nächsten Generationen – wie erklärt man das unseren Kindeskindern ?
    Und kann uns Herr Lingens garantieren, das diese Gelder nicht sofort von den südlichen Banken aufgesaugt wird ?

    1. Was soll das mit links und rechts zu tun haben? Es wird unter den Konservativen auch Leute geben, die wissen, dass Kredite und Zuschüsse die umlaufende Geldmenge erhöhen. Die Reichtümer der Agnellis ist nur für eine Neiddebatte gut viel Geld von denen ist angelegt und kaum aktiv. Es passiert täglich dass die ärmsten Länder Kredite für Rüstungsgüter und Kriege erhalten. War in Europa nicht anders? Schon vergessen? Wenn wir in erneuerbare Energien, Schulen, Infrastruktur investieren sparen wir Petrodollars und ermuntern eine neue Generation. Zu Tode gespart ist auch gestorben. Sparen ist keine Perspektive. Sinnlos Geld verpulvern in Kriegsmaterial und Flughäfen wirkt zwar, wie Herr Lingens eindrucksvoll am Beispiel Amerika darstellt, ist aber auch nicht anzustreben.

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