Die Spaltung der FPÖ ist ein unschätzbarer Segen. Verschwörungstheorien oder der Stau in Kärnten lassen Hofer wie Strache dennoch hoffen.
Gott sei Dank hat das Verwaltungsgericht Wien sofort bestätigt, dass H.C. Strache in Wien kandidieren darf. Denn alles, was eine möglichst tiefe Spaltung der FPÖ gefährdet, sollte als nationales Unglück betrachtet werden. Das Urteil wird auch vor der obersten Instanz halten: Filippa Straches Aussage, dass ihr Mann angesichts einer Ehekrise in die verwaiste Wohnung seiner Mutter in Wien gezogen sei, ist kaum zu widerlegen und nicht einmal sonderlich unglaubwürdig. Am Rande meine ich, dass die Bestimmung, wonach jemand in Wien gemeldet sein muss, um hier das passive Wahlrecht zu genießen, gestrichen gehört: Wenn die Wiener VP die Salzburgerin Helga Rabl-Stadler statt Gernot Blümel als Spitzenkandidatin aufstellte, wollte ich sie wählen können, wenn sie mir die beste Bürgermeisterin der Bundeshauptstadt schiene.
Strache vom passiven Wahlrecht auszuschließen hätte nur Unklarheit geschaffen. Vermutlich hätte seine dennoch antretende Liste von der Mär profitiert, man hätte ihn aus Angst vor seinem Erfolg eliminiert. So wird er zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihm höchstens 4 bis 5 Prozent der Wähler die Treue halten, was nach „Ibiza“ und „Spesen“ immer noch gespenstisch ist: Vier Prozent erwachsener Wiener scheinen geistig nicht in der Lage, seine Aussagen im Ibiza-Video sinnerfassend anzuhören oder halten für selbstverständlich, dass man die Berichterstattung einer Zeitung mittels Geldes umfärbt und einem Unternehmen Staatsaufträge vorenthält, um sie einem anderen zuzuschieben.
Dennoch sind nicht nur die vorhergesagten vier Prozent für Strache gespenstisch- auch die von Norbert Hofer erhofften 12 Prozent für seine FPÖ sind ein Rätsel, das dadurch nur noch größer wird, dass sie 2015 über 31 Prozent verfügte. So wie Wien von der SPÖ regiert wird, wird es, seit es diesen Titel gibt, von unbefangenen Besuchern als „lebenswerteste Stadt der Welt“ empfunden: Parks sind gepflegt; fast nur in Wien ist der soziale Wohnbau nicht zum Erliegen gekommen- die Seestadt ist Europas größte Sozialbaustelle; und das kulturelle Angebot ist unschlagbar. Das alles sollten doch auch Bewohner nicht ganz übersehen.
Das Rätsel gipfelt darin, dass die Hälfte dieser Bewohner Migrationshintergrund hat, und dass diese Gruppe nirgends mehr Hilfe als in Wien erhält und nirgends größere Chancen auf eine Wohnung hat, während die FPÖ eben dies wütend bekämpft. Doch eingebürgerte „Ausländer“ ziehen in die Gemeindewohnung ein und wählen FPÖ. Diskriminierte und Modernisierungsverlierer wählen eine Partei, die in ihrem aktuellen Wirtschaftsprogramm endgültig nur für die Reichen da ist- die den Sozialstaat „schlank“ halten, Unternehmenssteuern senken und Vermögensteuern verhindern will. Gerade der „kleine Mann“ muss tatsächlich sein Hirn in der Garderobe abgeben, um diese FPÖ zu wählen, selbst wenn es ihn nicht stört, dass jemand wie Strache sie durch Jahrzehnte angeführt hat, dass sie seinen „Mietzuschuss“ von monatlich 2500 € natürlich bewilligen musste und dass ihr ein „Einzelfall“ nach dem anderen passiert.
Dass die Zahl der Enthirnten nach wie vor erstaunlich groß ist, zeigt eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Marketagent in Bezug auf Corona: 27 Prozent der 500 Befragten denken, dass das Corona-Virus nicht schlimmer als ein normales Grippevirus ist, aber 21,8 Prozent sind der Meinung, dass es sich bei Covid-19 um eine „biologische Waffe“ handelt. 14 Prozent stimmen der These zu, dass „Geheimgesellschaften“ die Krise nutzen, um eine autoritäre Weltordnung zu errichten und 11 Prozent glauben, dass Bill Gates den Menschen mit einem Impfstoff einen Mikrochip implantieren möchte.
Strache und FPÖ könnten also nicht ganz falsch liegen, wenn sie in der kurzen Zeit bis zur Wiener Wahl ganz auf „Corona“ setzen. Es gibt die begreifliche Unzufriedenheit nicht so weniger vor allem kleiner Wirtschaftstreibender mit der praktischen Durchführung der Corona-Hilfe. Es gibt die nicht abwegige Kritik des Gesundheitsexperten Martin Sprenger, dass die „Maßnahmen“ der Regierung in keinem allzu rationalen Verhältnis zur Todesrate von Covid -19 gestanden wären. Und der Erfolg, mit dem die Regierung der Bevölkerung in der ersten Phase der Pandemie jeden Schritt vorgeschrieben hat, zeitigt nun seine Kehrseite: Ein Teil der Menschen fordert jetzt permanent „eindeutigen Regeln“, obwohl sie angesichts der mittlerweile so unterschiedlichen Manifestationen der Seuche- ihres so unterschiedlichen Auftretens aus so unterschiedlichen Gründen- kaum möglich sind. Zumal die Regierung ständig Angst haben muss, neuerlich Verfassungsbestimmungen zu verletzen, die einer Pandemie meines Erachtens einfach nicht angemessen sind: ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos schützten die Bevölkerung, wenn sie das Epidemie-Gesetz dahingehend reformierten, dass es- zwar mit sehr klarer Befristung- nicht ganz soviel Rücksicht auf „persönliche Freiheit“ und „Datenschutz“ nimmt. Man kann sich im Kampf gegen eine Seuche nicht vom „Datenschutz“ daran hindern lassen, Menschen gelegentlich vorzuschreiben, Name und Adresse zu hinterlassen.
Ein anderer Teil der Bevölkerung ist der durch drei Monate so strikt befolgten Maßnahmen müde und wird ihrer auch nur punktuellen neuerlichen Verschärfung Widerstand entgegensetzen. Es kann daher relativ erfolgreich sein, solche Maßnahmen als „Corona-Wahnsinn“ zu diffamieren- schon gar, wenn sie, wie der Wochenend-Stau in Kärnten, nicht weit davon entfernt sind.
3 Kommentare
Eine Partei für Alle?
Nein für alle Unzufriedenen. Eine Anbieder-Partei. Man testet wöchentlich aus, wo drückt momentan der Schuh und flugs hat man eine Problemlösung. War es früher der Haider-Hunderter für´s alte Muattterl, so sind es heute die „verfolgten Raucher“, man bietet ein Stück der A1 zum Schnellfahren an, verscherbelt Staatseigentum an dubiose, ausländische Oligarchen oder ist einfach gegen die Maskenpflicht. Eine WENDE-Partei für Wendige. Aber eines können alle Galliosfiguren an der Spitze, reden, reden…reden. Dreinreden, Ausreden erfinden. Alle sind schuld, nur WIR NICHT! Jetzt warte ich auf die AusREDE nach der Wien.Wahl.!!
So sehr ich die Argumente verstehe und teile, Wien wird in den nächsten Jahren mit der Schande leben müssen, einen H. C. Strache in den Gemeinderat gewählt zu haben.
Schon jetzt bekommt er mehr mediale Aufmerksamkeit als irgendein anderer in Wien kandidierender Politiker. Das ist eindeutig zu viel, auch wenn er hauptsächlich den verhaltensoriginellen FPÖ-Kandidaten dadurch Stimmen wegnimmt.
Sich Strache aus wahlstrategischen Gründen zu wünschen, kommt mir so vor, wie wenn man sich Kopfschmerzen wünscht, damit einen die Rückenschmerzen nicht so stören.
erfrischend klare worte!