Die Prüfungen der neoliberalen Religion

Dass es so vielen Amerikanern nicht besser ging, obwohl die US – Wirtschaft wuchs und wuchs, ermöglichte Donald Trumps Aufstieg. Doch der neoliberale Glaube wankt nur.

Psychisch besitzt Donald Trump etliche Qualitäten Adolf Hitlers: Sein Narzissmus ist dem Hitlers ebenbürtig; so grotesk sein Auftreten auf Außenstehende wirkt, so überzeugend wirkt es auf Anhänger; er vermag wie Hitler zu hetzen und wie Hitler zu lügen. Die Geringschätzung, die er der Verfassung entgegenbringt, indem er von „Wahlbetrug“ faselt, reicht freilich nicht entfernt an Hitlers Verfassungsbrüche heran, und sein Rassismus ist Hitlers Antisemitismus nicht entfernt vergleichbar. Bevor man dennoch fassungslos ist, dass Trump Präsident der USA werden und auch diesmal 70 Millionen Stimmen erringen konnte, sollte man sich erinnern, dass Hitler vor nur achtzig Jahren ähnlich viele Deutsche und Österreicher hinter sich vereinte.

Narzisstische Psychopathen, die das Zeug zu Rattenfängern haben gibt es immer – doch an die Spitze von Staatswesen gelangen sie nur, wenn wirtschaftliche Verwerfungen den Boden aufbereiten: Hitler wäre nicht ohne die Arbeitslosigkeit der Dreißigerjahre an die Macht gelangt – Trump erhielte nicht so viele Stimmen, wenn nicht so viele Amerikaner wirtschaftlichen Abstieg erlebten – und das in einem Land, in dem „Looser“ zu sein bedeutet: Man hat Gottes Gnade verloren.

Die religiöse Basis des erfolgreichen Kapitalismus

Man kann Amerika nur verstehen, wenn man sich der religiösen Basis seiner Wirtschaft erinnert: Fast alle primären Siedler waren Protestanten calvinischer Prägung. Das hatte enorme Vorteile: Sie drangen auf die Trennung von Staat und Kirche, die in katholischen Ländern wichtigster Garant autoritärer Herrschaft und wirtschaftlichen Rückstandes war. Die Habsburg-Monarchie war dafür ein Musterbeispiel: Gelderwerb galt der Kirche als mindere, profane Tätigkeit; „Zinsen“ waren verboten; der Kaiser hatte keine Interesse an Industrie und wenig Interesse an Wissenschaft. Nicht zufällig entwickelten sich protestantische Länder wie die Schweiz, Holland oder England wirtschaftlich ungleich besser, war man dort doch mit Johannes Calvin einig, dass wirtschaftlicher Erfolg ein äußeres Zeichen dafür ist, Gottes Gnade zu besitzen.

Diese protestantische Haltung zu persönlicher Freiheit und wirtschaftlichem Wohlergehen suchten die Gründerväter der USA in ihrem Staatswesen zu verwirklichen: Die Gleichheit der Bürger wurde in der „Erklärung der Menschen und Bürgerrechte“ festgeschrieben und das größtmögliche Glück (das größtmögliche Wohlergehen) der größtmöglichen Zahl zum Ziel guter Politik erklärt.

Was die Amerikaner uns voraus haben

Positive Hinterlassenschaft des calvinischen Protestantismus ist bis heute die Selbstverständlichkeit, mit der Amerikaner (wie Alon Musk) Unternehmen gründen – es ist keine Schande, selbst Pleiten (wie Donald Trump) zu erleiden, denn sie beweisen Unternehmergeist. So selbstverständlich wie ihres großen Vermögens rühmen sich Amerikaner ihres hohen Gehalts, statt es verschämt geheim zu halten. Kapitalismus hatte in den USA tatsächlich die besten emotionalen Voraussetzungen: Er akzeptierte zwar enorme Vermögensunterschiede als Ausfluss unterschiedlicher „Gnade“, aber er wollte Chancengleichheit seiner Bürger: Bis zu Ronald Reagan (1980) erreichte die Erbschaftssteuer 70 Prozent, weil Vermögen eigener Leistung entspringen sollte – nur dann war sie ein Zeichen der Gnade Gottes. Man konnte und sollte vom Tellerwäscher zum Millionär werden.

Der große Verrat

All das ist so nicht mehr der Fall. Die USA haben die Forderung der Gründerväter nach dem größtmöglichen Wohlstand der größtmöglichen Zahl verraten. Spätestens seit Reagan nahm die religiöse Grundströmung der US-Wirtschaft eine neue fatale Richtung. Reagan war zwar – durchaus traditionell- angetreten, um den Staat so schwach wie möglich und seine Ausgaben so gering wie möglich zu halten, aber sie fielen höher denn je aus: Indem er die UdSSR zu Grunde rüstete, erreichte er ungewollt einen keynesianischen Boom. Von seinem ursprünglichen Vorsatz blieb nur übrig, den Staat möglichst schwach zu gestalten und das gelang ihm dank umfangreicher Deregulierungen. Weil die Amerikaner diese Deregulierungen gleichzeitig mit dem Rüstungs- Boom erlebten, hielten sie sie fälschlich für seine Ursache.

Deregulierung wiederum war eines der Anliegen einer ökonomischen Strömung, die Milton Friedman zum brillanten Hohepriester hatte: des Neoliberalismus. Die „Chicago Boys“, wie seine Jünger genannt wurden, glaubten, die Forderung nach dem größtmöglichen Wohlstand der größtmöglichen Zahl optimal durch „Angebotsorientierung“ zu verwirklichen: Die Wirtschaft würde umso besser funktionieren, je niedriger Unternehmens- und Vermögenssteuern und je geringer die Regulierungen wären. Vereinfacht: Geht´s der Wirtschaft gut, geht`s allen gut.

Glaube zeichnet sich dadurch aus, dass gegenteilige empirische Erfahrungen ihn nicht erschüttern: So kräftig die Unternehmensgewinne stiegen, so dürftig wuchs der Wohlstand der Menschen; immer mehr Amerikaner überwintern in Caravans, während immer weniger Amerikaner immer größere Vermögen anhäufen; das teuerste Gesundheitssystem der Welt sorgt für nur 78,5 Jahre Lebenserwartung (Schweden: 82,5); die US-Infrastruktur, die der Gemeinschaft dienen sollte, verfällt gespenstisch. Zu Recht nennt Joe Bidens künftige Finanzministerin Janet Yellen die Ungleichheit Amerikas größtes Problem. Die Bevölkerung besteht immer öfter aus „Loosern“, die Gottes Gnade verloren haben. Dieser Verlust einstiger Gewissheit ist leider der beste Nährboden für Rattenfänger, die behaupten“ Make America Great Again“.

 

 

6 Kommentare

  1. Wir müssen leidvoll begreifen, dass es der Wirtschft und somit auch den Erdbewohnern nicht gut gehen kann, wenn wir immer mehr Schadgase produzieren. 400 ppm Co2 in der Luft sind eindeutig zuviel. Die Natur kann ja mit diesem Dünger gut umgehen. Wenn weltweit Ackerböden monatelang umgepflügt der Erosion preisgegeben werden, nutzen wir die Kraft der Natur CO2 in kohlestuffhaltigen Humus umzuwandeln nicht. Wir fördern immer noch eine Landwirtschaften, die sich nicht an einer Co2 Bindung beteiligen. China betreibt vorbildhafte Aufforstungsprogramme. Mehr Holz und weniger Beton im Bauwesen ist ein Beitrag zu einem notwendigen Energiebewusstsein. Subsidiarität in der Produktion schafft Arbeitsplätze und kann den Energieeinatz reduzieren. Bisher fand der Wettbewerb nur über den Preis statt. Die Qualität wird oft niedrig gewählt und Obsoleszenzen eingefügt. Das Diktat der Wirtschaft ist skandalös.

  2. Trump hat wenigstens keinen Weltkrieg begonnen wie Herr Hitler.
    Ich gebe zu, dass ich die Latte bewusst tief gelegt habe, und Donald ist drüber gekommen. So mancher US-Präsident – auch in der jüngeren Vergangenheit – ist schon beim Anlauf gestolpert …

  3. Brillant auf den Punkt gebracht! Ergänzen würde ich nur, dass die amerikanische Elite durch die vom Washington Konsensus sanktionierte Auslagerung großer Teile der industriellen Produktion einen Verrat an der eigenen Bevölkerung beging. Nicht China ist schuld an dem Niedergang der Vereinigten Staaten (der asiatische Riese hat die ihm gebotene Chance nur überaus erfolgreich wahrgenommen) sondern diese sogenannte Elite, die dann andere Staaten, auch Europa, dazu zwang, diesem Trend zu folgen, weil die eigene Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt nur so zu gewährleisten war.

  4. „Vereinfacht gesagt: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ – Und genauso ist es! Auch Kreisky hat das verstanden, nämlich: wenn man Kuhmilch verteilen möchte, dann muß man darauf achten, dass die Kühe gut ernährt werden.

    1. Kreisky hat, was Wirtschaft anbelangt, gar nichts verstanden. Bringen sie daher Kreisky nicht als Beispiel für überlegte Wirtschaftpolitik. Viel mehr steht Kreisky für den Satz „Lieber ein paar Milliarden Schulden als hunderttausende Arbeitslose“ mit dem er den Niedergang der Verstaatlichten Industrie in Österreich eingeleitet hat. Die Folge war, dass Österreich dann nicht nur höhere Schulden sondern, auf Grund der verschleppten Reformen in den Betrieben, auch steigende Arbeitslosenzahlen hatte.

      ….und im übrigen stammt der Satz mit den Kühen, die man füttern muss um Milch zu bekommen, auch nicht von Kreisky sondern von dessen Finanzminister Staribacher!

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