Das vergleichbare Fehlen eines ORF und einer Haftung der digitalen Medien stand am Anfang des Sturms aufs Kapitol. Donald Trump dürfte wenigstens das passive Wahlrecht verlieren.
Am nachhaltigsten entmachtet wurde Donald Trump durch die Sperren bei Twitter & Co: Er verlor den Zugriff auf 80 Millionen Follower. Daneben dürfte das eingeleitete Impeachment ein eher symbolischer Akt bleiben. Zwar haben im Repräsentantenhaus bekanntlich 10 von 211 Republikanern die Anklage der Demokraten wegen Anstiftung zum Aufruhr unterstützt- aber dass im Senat 17 von 50 Republikanern die nötige Zweidrittelmehrheit zur Verurteilung herstellen, ist leider fast ausgeschlossen: Wie sollen sie die Lüge vom „Wahlbetrug“ als Begründung akzeptieren, obwohl sie sie selbst verbreitet haben?
Was den Demokraten bleiben dürfte ist der 14. Verfassungszusatz, wonach jemandem das passive Wahlrecht entzogen werden kann, der sich auch nur der Ermutigung zum Aufruhr schuldig gemacht hat. Darüber könnte das Repräsentantenhaus mit einfacher Mehrheit befinden, und auch das schlösse aus, dass Trump 2024 wieder antritt. Sowieso müsste, wenn Trump nicht mehr Präsident ist, die Strafjustiz tätig werden, denn Anstiftung zum Aufruhr ist auch ein ganz gewöhnlicher Straftatbestand, genau so wie Trumps Aufforderung an Mike Pence, das Wahlresultat nicht anzuerkennen oder an den Wahlleiter Georgias, die zu seinem Sieg fehlenden Stimmen aufzutreiben, eine Anklage wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch rechtfertigt. Joe Biden kann seinem Justizminister allenfalls ausreden, sie einzubringen.
Hoffnung auf eine Funktionierende Justiz
Trump dürfte zwar versuchen, sich wie seinen Schwiegersohn bezüglich vergangener Delikte zu begnadigen, aber der Supreme Court wird hoffentlich urteilen, dass Selbstbegnadigung unmöglich ist. Trotzdem warnen erstaunlich viele Demokraten vor Trumps strafrechtlicher Verfolgung, weil sie die von Biden erhoffte Versöhnung zwischen demokratischem und republikanischem Lager gefährden könnte. Ich halte wenig von diesem Einwand. Alle Kommentare zu Bidens Wahlsieg halten optimistisch fest, dass „checks and balances“ der USA der Belastung durch Trump letztlich standgehalten hätten- doch das ist nur der Fall, wenn sie ein Rechtsstaat bleiben, in dem Gerichte Straftatbestände klären.
Höchstgerichte bleiben ein wunder Punkt
Letztlich bürgt dafür der Supreme Court, und Trump hat bekanntlich alles versucht, ihn zu Gunsten der Republikaner umzubauen. Er hat sich nur verrechnet: Auch die von ihm gegen alle politischen Usancen rasch noch bestellte Amy Coney Barrett war nicht bereit, Bidens Wahlsieg in Frage zu stellen- die gläubige Mutter von sieben Kindern ist gegen Abtreibung, aber zu seinem Pech auch gegen Rechtsverdrehung. Dennoch ist es ein Problem, dass der Präsident nicht die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit braucht, um ein Gremium zu besetzen, das auf Jahrzehnte hinaus Politik mitentscheidet. Das gilt auch für Österreich: Auch bei uns, so meine ich, sollten Höchstrichter nur mit parlamentarischer Zweidrittelmehrheit bestellt werden können. Ich hätte ungern noch mehr FP-Verfassungsrichter wie sie bei Fortsetzung der türkis-blauen Koalition wohl ernannt worden wären.
Wieso öffentlicher Rundfunk so wichtig ist
Vor allem machen die Ereignisse in den USA hoffentlich klar, wie lebensgefährlich die Angriffe der FPÖ auf die Finanzierung = das Bestehen des ORF sind. Es wäre eine Katastrophe, wenn es, wie in den USA kein Medium gäbe, dessen Faktendarstellung doch von der großen Mehrheit der Bevölkerung geglaubt wird. Es ist ein hoher demokratischer Wert, dass es neben einer privaten Presse und privaten Sendern einen „öffentlichen Rundfunk“ gibt, der nicht diesem oder jenem Milliardär gehört und gesetzlich speziell zu korrekter Berichterstattung verpflichtet ist. Doppelt wichtig ist das in Zeiten, in denen er als einziges Medium in seiner Reichweite halbwegs an die „sozialen Medien“ heranreicht. Dass selbst CNN Twitter, Facebook & Co nicht an Einfluss übertraf, ermöglichte es Trump, so erfolgreich zu lügen und zu verleumden.
Die dringende Regelung der sozialen Medien
Ich kann nur hoffen, dass die Ereignisse in den USA ihre gesetzliche Regulierung bewirken. Es war nicht „basisdemokratisch“, sondern fahrlässig, dass USA wie EU digitale Medien aus der Haftung für die von ihnen veröffentlichen Beiträge entlassen haben. Es hat nämlich Sinn, dass analoge Medien wie der ORF oder der Falter verleumderische oder verhetzende Berichterstattung nicht nur aus Anstand vermeiden, sondern auch weil die Geldstrafen für fortgesetzte Mediendelikte ihre Existenz gefährdeten. Es kann nicht sein, dass es Mark Zuckerberg & Co überlassen bleibt, welche Regeln sie für die Berichterstattung ihrer Medien schaffen, auch wenn sie jetzt dazu führten, dass Trump gesperrt und eine haltlose Behauptung Herbert Kickls aus Youtube entfernt wurde. Prompt sprach nicht nur Kickl, sondern auch Alexei Nawalny von Zensur, obwohl auch härteste Kritik an Wladimir Putin nie medienrechtswidrig wäre. In traditionellen Medien, wie sie tumbe Konsumenten als Informationsquelle leider immer öfter hinter die „sozialen Medien“ reihen, findet man Kickls und Trumps Aussagen- freilich samt Begründung ihrer Unhaltbarkeit. In digitalen Medien muss Vergleichbares sichergestellt werden. Dazu braucht es Strafen, die Twitter & Co trotz ihrer Milliardengewinne schmerzen und nicht anders als Falter oder Standard zwingen rechtswidrige Beiträge nach Kräften zu vermeiden. Dazu müssen sie ihre EDV zu hohen Kosten mittels künstlicher Intelligenz eben weiter verfeinern und tausende Journalisten einstellen. Am Rande erhöhte das die Wettbewerbsgerechtigkeit – vor allem aber verhinderte es, dass die sozialen Medien zur asozialen Mega-Gefahr werden.