Der Sinn erhöhten Arbeitslosengeldes

US-Finanzministerin Janet Yellen und zwei Wirtschafts- Nobelpreisträger halten die Erhöhung derzeit für sehr sinnvoll. ÖVP und Martin Kocher glauben es besser zu wissen.

Das erste Gesetz, das Joe Biden unterzeichnet, wird sich, man staune, in einem wichtigen Bereich an Donald Trump orientieren. Der hatte bekanntlich das Arbeitslosengeld befristet um gewaltige 600 Dollar pro Woche erhöht. Als das Gesetz zur Verlängerung anstand, wollten seine republikanischen Parteifreunde diesen ihrer Ideologie so fremden Zuschuss freilich prompt abschaffen. (So wie sie Trump auch kaum Infrastruktur-Investitionen zugestanden.) Das aber hätte die Zustimmung der Demokraten ausgeschlossen, die sie brauchten, weil sie im Repräsentantenhaus keine Mehrheit mehr hatten. Eine Weile wurde erfolglos verhandelt. Weil aber im selben Gesetz auch die Finanzierung der Administration geregelt werden sollte und die ab Neujahr stillgestanden wäre, wenn es keine Einigung gegeben hätte, gelangte man im letzten Moment zu folgendem Kompromiss: Das Arbeitslosengeld wurde um wöchentlich 300 Dollar erhöht; dazu kam eine Einmalzahlung an Mittellose von 600 Dollar.

Letztere bot Trump die Chance, sich einen Tag lang zu sträuben, das Gesetz zu unterzeichnen, weil 600 $ Einmalzahlung „eine Schande“ und 2.000 Dollar das Minimum wären. Nachdem er den entsprechenden Applaus geerntet hatte, unterschrieb er freilich doch, weil ihn der sonst unvermeidliche Shuttdown der Administration und das Ausbleiben jeglicher Erhöhung des Arbeitslosengeldes alle Sympathien gekostet hätten.

Biden erfüllt Trumps Wunsch

Jetzt beschließen Bidens Demokraten, dass Mittellose tatsächlich eine Einmalzahlung von 2.000 Dollar erhalten und dass das Arbeitslosengeld um 400 Dollar pro Woche erhöht wird. Bekanntlich hatte schon Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman das so deutlich erhöhte Arbeitslosengeld eine ausnahmsweise richtige Maßnahme Trumps genannt, und jetzt hat Janet Yellen, Ex-Chefin der FED, Professorin für Wirtschaftswissenschaften und Ehefrau des Wirtschaftsnobelpreisträgers George Akerlof dem Gesetz ihre Zustimmung als Finanzministerin gegeben. Die zugehörige ökonomische Überlegung: Weil die Pandemie die Arbeitslosigkeit massiv erhöht, würden die Einkäufe der Bevölkerung massiv sinken und das würde massive Einbußen des Handels und der Produktion nach sich ziehen, wenn man die vor der Pandemie gegebene Kaufkraft nicht durch eine massive Erhöhung des Arbeitslosengeldes wieder herstellte. Da die Personen, die in den Genuss dieser Erhöhung kommen, meist gezwungen sind, jeden Cent für ihren Lebensunterhalt auszugeben, ist höchst unwahrscheinlich, dass sie jetzt etwas anders tun- ihr erhöhtes Arbeitslosengeld würde Handel und Produktion also fast voll zu Gute kommen und die Einbrüche dort in Grenzen halten.

Wessen Überlegungen treffen zu?

Österreich geht bekanntlich einen anderen Weg. Die Regierung hat die Forderung von SPÖ wie ÖGB nach Erhöhung des Arbeitslosengeldes bekanntlich stets zurückgewiesen, und neuerdings kann auch Finanzminister Gernot Blümel sich auf die Expertise eines Professors für Volkswirtschaftslehre, nämlich des neuen Arbeitsministers Martin Kocher stützen. Begründet hat Kocher seine Ablehnung damit, dass man Arbeitslose nicht unterschiedlich behandeln könne. Das stimmt in Grenzen, aber man könnte den allenfalls Benachteiligten (Personen, die schon wieder Arbeit haben) die Erhöhung ja nachzahlen. Eher scheint mir die Ablehnung Kochers wie Blümels Sorge vor höheren Staatsschulden zu entsprechen, denn die werden durch ein erhöhtes Arbeitslosengeld primär natürlich erhöht- nur dass Krugman/Yellen eben meinen, dass es in der Folge zu einer Verringerung der Staatszuschüsse an Unternehmen käme.

Ich halte deren Überlegungen jedenfalls für überzeugender als die Blümels und Kochers. Österreich, so fürchte ich, wird relativ weit mehr für die Rettung von Unternehmen ausgeben müssen als die USA für die Erhöhung des Arbeitslosengeldes.

Wie lernfähig ist Blümel?

Kocher und Blümel eint auch die Forderung, die Staatsschuld ab Ende der Krise durch „Sparen des Staates“ in absehbarer Zeit- Blümel: „in zehn Jahren sollte das möglich sein“- wieder zu reduzieren. Ich halte diesen Versuch für so chancenlos wie verhängnisvoll: Es ist noch nie in der Geschichte gelungen, die Wirtschaft durch Sparen des Staates zu beleben. Dem einzigen gelegentlich vorgebrachten Beispiel, Schwedens Sanierung 1993, lag nicht Sparen, sondern die Abwertung der Schwedenkrone zugrunde.

Ich hege die Hoffnung, dass Gernot Blümel sich von der Sparverblendung Sebastian Kurz` löst. Er bringt für sein Amt einen scharfen eigenen Verstand mit und könnte sich ja auch einmal mit Experten wie Ewald Nowotny, Agnes Streissler oder Stephan Schulmeister beraten- denn Krugman/Akerlof/Yellen werden schwer zu erreichen sein.

Wo Blümel sicher Recht hat

Dass er dazulernen kann, hat Blümel mit der deutlichen Verbesserung der Hilfsmaßnahmen im Rahmen der zweiten Covid-19-Welle bewiesen: Es fließt mehr Geld und das schneller. Und derzeit kämpft er mehr als berechtigt mit der Europäischen Kommission um die Erhöhung der Zahlungen an Unternehmen. Die Kommission lehnt das mit der absurden Begründung ab, dass Covid-19 nicht mehr als Naturkatastrophe einzustufen sei, die allein dergleichen zuließe. Sie fürchtet, dass Unternehmen unlautere Subventionen und damit Wettbewerbsvorteile erhalten könnten. Blümel meint, dass dieses Risiko vernachlässigbar gering ist neben dem Risiko, dass Unternehmen mangels ausreichend hoher Zahlungen zu Grunde gehen. Ich meine das auch. Blümel, den mittlerweile auch Finanzminister anderer Länder unterstützen, wird sich hoffentlich durchsetzen.

3 Kommentare

  1. Und wieder pfuscht die EU Bürokratie den Staaten ins Handwerk. Und dann noch das Impfstofftheater! Langsam denkt man wirklich, eine Rückkehr zur EWG wäre das Beste für uns alle.

  2. Sehr geehrter Herr Lingens, gibt es da nicht einen wichtigen Unterschied: wir haben ein umfangreiches Programm für die Kurzarbeit, das es in den USA (m.W.) so nicht gibt. Dadurch wird eine noch größereArbeitsllosigkeit vermieden. Hinzu kommen Stundungen und andere Unterstützungen. Außerrdem hatte Hr. Koch noch andere Argumente, die Sie ignorieren.

  3. Völlige Zustimmung! Allerdings ist in Österreich die Neidgenossenschaft besonders stark. Ich befürchte daher, dass die Regierung in dieser Frage nicht rational agieren wird.

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