Österreichs mäßige Corona-Bilanz

Seit dem ersten Lock down stehen Rudolf Anschober und Sebastian Kurz dem Virus so unbeholfen gegenüber wie Gernot Blümel und Sebastian Kurz jetzt der Rezession.

Das Institut für höhere Studien Martin Kochers, dessen Expertise derzeit verhindert, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, hat den Wirtschaftseinbruch Österreichs im März auf 2,5 Prozent geschätzt. Geworden sind es mit mindestens 7,5 Prozent exakt soviel wie ich hier im März mit „5 Prozent pro Monat Lock down“ vermutet habe. Da wir uns mittlerweile im dritten Lock down befinden bewegen wir uns im ersten Quartal 2021 vermutlich auf einen fortgesetzten Wirtschaftseinbruch zu.

Wenn Sebastian Kurz und Rudolf Anschober dennoch behaupten, dass Österreich besonders gut durch die Corona-Krise käme, ist das zumindest kühn: Mit dem bisherigen Rückgang des BIP um 7,5 Prozent liegen wir nur gerade im Schnitt der EU, schneiden aber unter den wirtschaftlich starken Ländern des „Nordens“ am schlechtesten ab. Deutschland, dessen BIP/Kopf fast exakt dem Österreichs gleicht, beklagt nur ein Minus von fünf Prozent. Sechzig Prozent dieses schlechteren Abschneidens rechnet „Agenda Austria“ glaubhaft Österreichs viel größerer Abhängigkeit vom Fremdenverkehr zu – die restlichen 40 Prozent muss man im Unvermögen vermuten.

Die Fehler ab der ersten Welle

Verfehlt war von Beginn an die von Anschober wie diversen Experten vertretene Ansicht, dass „Masken“ nicht zur Eindämmung der Pandemie beitrügen- sie tragen, wie aus China, Japan und Südkorea gleichermaßen klar war, wesentlich dazu bei. Verfehlt war zweifellos die zu frühe Lockerung nach dem erfolgreichen ersten Lock down und die folgende Auf-Zu-Politik. Ähnlich verfehlt war demnach auch meine Empfehlung für „Schweden + Ampel“, auch wenn die Ampel nie grün geleuchtet hat.

Unter Ökonomen wird darüber gestritten, ob die Menschen so viel weniger eingekauft haben – ob die Wirtschaft soviel mehr Schaden gelitten hat – weil sie Angst hatten, sich anzustecken oder weil ein Lock down sie am Einkaufen gehindert hat. Die Entwicklung in Südkorea scheint mir diesen Streit hinfällig zu machen: Dort hat ein denkbar massiver Lock down bei allerdings ständigem Tragen von Masken die Wirtschaft nur ein einziges Prozent schrumpfen lassen. Ein kurzer massivster Lock down ist die zweifelsfrei beste Lösung des medizinischen wie des wirtschaftlichen Corona-Problems.

Das kostspielige Schifahren

Insofern dürfte uns das aktuelle Offenhalten der Skilifte und Seilbahnen durch Elisabeth Köstinger und Sebastian Kurz teuer kommen: die Ostergäste werden ausbleiben, und unser seit Ischgl angekratztes Tourismusimage erleidet nachhaltigen Schaden. Dass die Tiroler „Adler-Runde“ unter den größten Spendern der Kurz- ÖVP gewesen ist, entpuppt sich als Treppenwitz der Geschichte: Wenn man in der ÖVP gedacht haben sollte, dem Tiroler Fremdenverkehr durch die vermiedene Schließung von Liften und Seilbahnen etwas Gutes zu tun, so hat man das Maximum des Gegenteils erreicht.

Dunkelster Punkt der medizinischen Bilanz sind die 44 Prozent Covid-19 -Toten in Altenheimen, obwohl man aus den hohen Todeszahlen in schwedischen Altersheimen seit Beginn des Sommers wissen musste, dass dort die größte Gefahr lauert. Dass trotzdem nicht ununterbrochen jeder Beteiligte -Pfleglinge, Pfleger, Besucher- getestet wurde, ist unverständlich. Seit Sommer könnte man schließlich – nicht zuletzt zum Nutzen der Wirtschaft – Lüftungssysteme für Schulen angeschafft haben und könnten neun Impf-Plattformen programmiert sein, in die man Alter und Vorerkrankung einträgt, um Impftermin und Location zu erhalten.

In Summe: Ab Ende des ersten Lock down ist es ein Witz, wenn Anschober und Kurz sich ihres erfolgreichen Umgangs mit dem Virus rühmen.

Die vergessenen Konsumenten

Dass der Wirtschaftseinbruch auch abseits des mäßigen Umgangs mit dem Virus und unter Berücksichtigung der hohen Tourismusabhängigkeit so viel größer als in Deutschland ist, liegt nicht zuletzt an Österreichs höherem Anteil an Einpersonen-Unternehmen (EPUs). Ich hatte deshalb nach Rücksprache mit dem Ex-Staatsekretär im deutschen Finanzministerium, Heiner Flassbeck, im April hier vorgeschlagen, dass ihnen die Finanz (nicht die Wirtschaftskammer) durchwegs 20.000 Euro überweisen möge und nur von Unternehmen, denen das zu wenig ist, einen „Antrag“ fordern sollte. Das hätte diesen EPUs jedenfalls das Überleben gesichert- so hingegen haben viele von ihnen bis heute kein Geld gesehen. Während gleichzeitig größere Unternehmen absurde 80 Prozent ihres Vorjahres-Umsatzes- nicht vielleicht Gewinns- erhielten.

In den USA verhinderte Donald Trump, den schlimmsten Wirtschaftseinbruch bekanntlich indem er das Arbeitslosengeld um wöchentlich 600 Dollar erhöhte und jetzt erhöht es Joe Biden um wöchentlich 400 Dollar und überweist Mittellosen einmalig 2.000 Dollar. Damit, so beschrieb ich beider Rechnung, schränkten die betroffenen Bürger ihren Konsum kaum ein, so dass das Minus für Geschäfte und Produzenten längst nicht so groß ausfiel: das US-BIP sank nur um 3,5 Prozent.

Blümel wie Kocher lehnen diese Strategie ab, und sie wird auch in Deutschland nicht verfolgt. Dort hat man allerdings die Mehrwertsteuer gesenkt und damit einen ähnlichen Effekt erzielt: Trotz gestiegener Arbeitslosigkeit wurde nicht soviel weniger eingekauft- auch wenn voran Wohlhabende ihre Auto-Käufe vorgezogen haben, was ökonomisch nicht so günstig wie der Weg Trumps und Bidens ist. Aber alles ist meines Erachtens besser als Österreichs Unterlassung jeglicher Hilfe für den privaten Konsum – wenn man von Wiens 25-Euro Gastro -Gutscheinen absieht.

 

6 Kommentare

  1. @ Staberl :

    Alles war nicht schlimm was Tramp anstellte. Aber geschätzte 98 % schon. Ich sag es nicht gern, aber soviel Scheiße, die Trump allein auf Twitter absonderte , kann ein einziger Darm gar nicht hervorbringen. Lol.

  2. Ja, Herr Lingens – wir haben es schon längst geschnallt – sie mögen die derzeitige Regierung nicht und vor allem mögen sie die ÖVP Regierungsmitglieder nicht weil die sich erfrechen nicht auf ihre Ratschläge zu hören. Es ist ja auch keine Frage, die Bekämpfung der Corona-Pandemie funktioniert nicht so, dass ein merkbarer Rückgang der Infektionen erfolgt und die Massenimpfungen scheitern am fehlenden Impfstoff. Kann man das aber wirklich alles der österreichischen Regierung anlasten? Sie führen die positiven Beispiele aus fernöstlichen Ländern an verschweigen aber die Tatsache, dass sie, würde man derartig drastische Maßnahmen in Österreich einführen, wieder auf der Seite der Kritisierer stehen und die Verletzung von Bürgerrechten, Demokratie und Datenschutz durch die Maßnahmen beanstanden würden. Offensichtlich gefällt es ihnen die Regierung in einer Doppelmühle gefangen zu halten – ein Teil der Kritik stimmt nämlich dann immer!
    Nennen sie mir ein Land – in Europa – wo die Pandemiebekämpfung funktioniert? In Deutschland meint Focus Kolumnist Fleischhauer die Merkel-Regierung würde aus „Trotteln“ bestehen die unfähig wäre die Pandemie zu bekämpfen! Selbst aus der wohlhabenden Schweiz erfährt man in der NZZ von den vielen Unzulänglichkeiten in der Pandemie-Bekämpfung. Frankreich, so kann man lesen, ist bei dem Impfungen massiv im Rückstand. Die Frage also noch einmal – an welchem Land kann man sich ein Beispiel nehmen? Wenn sich die österreichische Regierung nicht der EU-Strategie untergeordnet hätte wäre sie wiederum unter den Ersten die einen „österreichischen Sonderweg“ als egoistisch und unsolidarisch brandmarken würde und Vergleiche mit Orban gezogen hätten.

  3. Das kommt davon, wenn man von Anfang an das Ziel verfolgt, dass es möglichst wenig kosten soll. Wenn man die Politik unter diesm Gesichtspunkt betrachtet, wird auf einmal so manches logisch.

  4. Wie immer man den privaten Konsum fördert braucht es die Möglichkeit einzukaufen. Nämlich abseits des Online Shoppings, das zu einem guten Teil bei den big players und nicht bei den kleinen Boutiquen & Co landet. Ein Nebengedanke ist sicher auch, dass die klassischen Konsumgüter von Mode über Kosmetik einfach kaum nachgefragt werden, wenn man sich am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit bzw. bei Kulturveranstaltungen nicht selbst inszenieren kann. Damit will ich nicht sagen, dass die Lockdowns insgesamt falsch gewesen wären. Aber die Konsequenzen waren und sind absehbar. ceterum censeo TIROL GEHÖRT ABGERIEGELT.

  5. Herr Lingens, habe ich richtig gelesen, Sie schreiben tatsächlich: „In den USA verhinderte Donald Trump, den schlimmsten Wirtschaftseinbruch bekanntlich indem er das Arbeitslosengeld um wöchentlich 600 Dollar erhöhte“ und loben damit nachträglich Donald Trump?

    Trump hat auch viel schneller geschnallt wie wichtig rasche Impfungen sind und die EU hechelt jetzt hinterher.

    War wirklich alles so schlimm was Trump anstellte?

    1. Und sie hören auf sich auf gewisse Weise einem Identitäts-Diebstahl schuldig zu machen in dem sie hier unter dem Namen „Staberl“ kommentieren und sich dabei des Pseudonyms eines der bekanntesten österreichischen Kolumnisten bedienen. Nicht nur ich habe lange Zeit geglaubt sie wären tatsächlich Richard Nimmerrichter der hier zu den Artikeln von Lingens seine Kommentare abgibt. Wenn sie, wie zuletzt, anführen ich würde ja auch nicht unter meinem Klarnahmen posten ist das unzulässig da es ja keinen anderen Kommentator gab und gibt der „Nichtschweiger“ als Pseudonym gewählt hat.

      Ich denke, dass sie bislang nur Glück hatten noch nicht von einem Anwalt der Kronenzeitung kontaktiert zu werden – sie sind halt nur noch nicht mit ihrem Plagiat aufgefallen! Das kann sich schnell ändern!

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