Er vertritt zentrale ökonomische Anliegen der Sozialdemokratie konsequenter als Pamela Rendi-Wagner – aber Ökonomie ist nicht alles.

Hans Peter Doskozils Behauptung, dass sich die SPÖ im gleichen Zustand wie die ÖVP unter Reinhold Mitterlehner befinde, ist insofern richtig, als Dokozils ständige Querschüsse Pamela Rendi-Wagner genauso massiv beschädigen, wie die ständigen Querschüsse Wolfgang Sobotkas Mitterlehner beschädigt haben. Nur dass Letzteres der durchdachten Strategie Sebastian Kurz` entsprach und zu Neuwahlen mit seinem fulminanten Wahlsieg führte, während Doskozils Querschüsse dazu führen, dass die SPÖ die Chancen, die ihr die „Chats“ der „Familie Kurz“ eröffnen, nur ungenügend nutzen kann: Sie landete bei Neuwahlen derzeit um rund 15 Prozent hinter der ÖVP, und könnte nicht einmal mehr eine rot-grün- pinke Koalition anführen.

Wie wahrscheinlich sind Neuwahlen?

Ob es in absehbarer Zeit zu Neuwahlen kommt, hängt von der Justiz ab. Wenn sie Kurz wegen Falschaussage anklagt, tritt er bekanntlich nicht zurück – und wenn sie ihn in erster Instanz verurteilt, auch nicht. Aber dann dürften es die Grünen wohl fordern und damit Neuwahlen auslösen.

Ich persönlich glaube nicht an die Verurteilung und nicht einmal an die Anklage. Denn die setzt laut (abwegiger) Strafprozessordnung voraus, dass die Staatsanwaltschaft von einer Verurteilung überzeugt ist. Das aber kann sie meines Erachtens kaum sein, weil es extrem schwer ist, jemandem willentliche (vorsätzliche) Falschaussage nachzuweisen, dem nicht das Geringste passiert wäre, wenn er einfach ausgesagt hätte: „Selbstverständlich habe ich mich als Bundeskanzler dafür interessiert, dass ein guter Mann Chef der ÖBAG wird.“

Ich halte baldige Neuwahlen daher für unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Sobald man sie aber auch nur für möglich hält, muss man es, wenn einem die Sozialdemokratie am Herzen liegt, für extrem dringlich halten, dass sie sich rasch auf einen Spitzenkandidaten/Kandidatin einigt.

Die Gegenüberstellung

Für Pamela Rendi-Wagner spricht, dass sie trotz so vieler Querschüsse so energisch daran festhält, es zu werden, dass sie in jüngerer Zeit zunehmend professioneller agiert und dass sie mit der „Millionärssteuer“ sicher und mit der „Viertagewoche“ wahrscheinlich populäre Ziele vorträgt.

Gegen sie spricht, dass sie mit Christian Deutsch ohne Not einen wenig attraktiven Bundesgeschäftsführer bestellt hat, dass sie „Opposition“ anfangs wenig professionell, und nie wirklich zündend betrieben hat und dass es ihr an innerparteilichem Rückhalt mangelt.

Den hat auch Doskozil nur begrenzt. Gegen ihn spricht sein unklares inneres Verhältnis zu FPÖ (im Burgenland mit ihr zu regieren war ein Wahlversprechen), und dass er öffentlich- ohne jede Rücksicht auf die SPÖ- gegen Rendi-Wagner querschießt, ohne offen gegen sie anzutreten.

Für ihn spricht, dass er populäre sozialdemokratische Anliegen nicht nur vorträgt, sondern im Burgenland sogar mit Erfolg umsetzt: 2400 Euro brutto Mindestlohn für Landesbedienstete sind Gesetz, seine Forderung nach 1700 Euro Mindestlohn für alle ist so richtig wie populär, beides hat sich bei den burgenländischen Wahlen bewährt. Jetzt trat die exzellente Idee hinzu, pflegende Angehörige seitens des Landes anzustellen und trat hinzu, dass Doskozil sich volkswirtschaftlich von Christian Kern beraten lässt. Der war, bei aller Eitelkeit und Wehleidigkeit, einer der wenigen Staatschefs, die die zentralen wirtschaftlichen Probleme der EU verstehen: Die (deutsche, österreichische oder holländische) „Lohnzurückhaltung“ vermindert die Kaufkraft und verzerrt den Wettbewerb; und das Sparen des Staates kostet Wirtschaftswachstum- und Leben bei Pandemien.

Die entscheidende Migration

Der fühlbarste Unterschied zwischen Doskozil und Rendi-Wagner besteht in ihrer Haltung zur Zuwanderung durch Wirtschafts-Migration. Dokozil lehnt sie mit der Deutlichkeit von Kurz und Herbert Kickl ab, Rendi-Wagner äußert sich kaum dazu. Michael Ludwig hat in Wien einen klaren Wahlsieg errungen hat, indem er sich diesbezüglich von Kurz und Kickl distanzierte.

Ich habe schon einmal ausgeführt, was die Zuwanderung von „Wirtschaftsflüchtlingen“ ökonomisch für Geringverdiener bedeutet: Sie drückt auf ihre Löhne, konkurrenziert sie bei Sozialleistungen und schafft in den Bezirken, in denen sie vor allem wohnen, ein gewaltiges Schulproblem. Ich sehe das als gravierend an – Florian Klenk stellt dem den Wiener Wahlerfolg Ludwigs gegenüber.

Mein Wunschkandidat

Der SPÖ- Kandidat, den ich mir persönlich wünsche, liegt ökonomisch auf der Linie Doskozils, der natürlich auch die „Millionärssteuer“ fordert. Bezüglich der Wirtschaftsimmigration ist er restriktiv, ohne Wirtschaftsflüchtlinge wie Kickl oder Kurz zu stigmatisieren: Er ließe nie Kinder oder integrierte Lehrlinge abschieben. Allerdings ist Politik, die nicht schwarz-weiß ist, der Mehrheit schwer zu verkaufen.

Nicht zuletzt leistete mein Wunschkandidat ernsthafte „Hilfe vor Ort“ und beschlösse nicht, wie Kurz, eines der relativ kleinsten Entwicklungshilfe-Budgets der Welt. Allerdings ist ein hohes Entwicklungshilfe- Budget der Mehrheit noch schwerer zu verkaufen.

Sozialdemokratische Politik in der Gegenwart ist schwer: Die herrschende neoliberale Wirtschaftsordnung fordert sparende Staaten, hält alle Löhne, die sich am Markt bilden, für die ökonomisch einzig richtigen und lässt für Humanität wenig Platz, weil die, im Gegensatz zu einer zur grünen Linken weit verbreiteten Meinung, viel Geld kostet und sich keineswegs automatisch rentiert.

2 Kommentare

  1. Solange die SPÖ in der Migrationsfrage ihre Haltung nicht radikal ändert, wird sie keine Wahl gewinnen. Selbst wenn S. Kurz zu 100jährigem schweren Kerker verurteilt werden sollte und sein allfälliger Nachfolger (oder In) ein ähnliches G’frast ist. Doskozil checkt das halt.

  2. Das große Problem der SPÖ besteht im Verhalten zur Asylpolitik. Das lässt sich an folgender Tatsache beweisen:

    Am 26. Juni hat die SPÖ auf ihrem Parteitag folgende Resolution beschlossen:

    “Die SPÖ fordert, dass Österreich keine Abschiebungen in Krisenregionen oder Länder, in denen der Aufenthalt vom österreichischen Außenministerium als Risiko eingestuft wird, durchführt (wie z.B Afghanistan).“

    Ein paar Stunden später kam es zu dem grausamen Mord von vier bereits straffälligen Afghanen an einem 13jährigen österreichischen Mädchen.

    Sofort kritisierten SPÖ Politiker den Innenminister, warum nicht verurteilte afghanische Asylwerber abgeschoben werden, erwähnten aber nicht diesen noch immer aufrechten Parteitagsbeschluss mit der Forderung auf Abschiebungs-Stopp!

    Genau an diesem schrecklichen Beispiel erkennt man die innere Zerrissenheit der SPÖ und warum sie deshalb nicht regierungsfähig ist.

    Hier der Faktencheck über diesen SPÖ Parteitagsbeschluss auf Seite 171:

    https://parteitag.spoe.at/wp-content/uploads/2021/06/Antragsheft_2021_GESAMT.pdf

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