Die Naivität der Putin-Versteher

„Wladimir Putin ist ein gewalttätiger Mann. Einer wie sie ihre Frau prügeln“. Es wird so lange Kriege geben, wie es das Patriarchat gibt.

Alle Welt rätselt, was Wladimir Putin bewegt? Die Antwort gab die ukrainische Bachmann-Preisträgerin Tanja Maljartschuk: „Er ist ein gewalttätiger Mann. Einer, wie sie zwanzig Jahre ihre Frau prügeln. Einer, der mit seiner Aggression nicht zu Rande kommt.“ Man muss das leider verallgemeinern: Krieg ist Männersache – untrennbar verbunden mit dem Patriarchat. Alle Kriege wurden von Männern losgetreten; nur Männer waren so blöd, jubelnd in den 1. Weltkrieg zu ziehen – auch wenn Frauen sie dafür bewunderten; Hitlerjungen waren stolz, schon Männer zu sein, als Adolf Hitler sie in den „Volksturm“ berief. Auch wenn manche Feministinnen gravierende Unterschiede der Geschlechter leugnen, gibt es die höhere männliche Aggression abseits sozialer Rollenbilder: Buben raufen von Geburt an mehr als Mädchen. Hier  lohnt ein Blick auf unsere nächsten Verwandten, die Affen: Wenn man Schimpansen Stäbe zum Spiel anbietet, nehmen Weibchen sie in den Arm – Männchen werfen und fechten mit ihnen. Siegreiche männliche Gorillas trommeln gegen ihre Brust um allen „ich bin der größte“ zu sagen – das ist Putins zweites Motiv.

Was sonst über Putins Motive behauptet wird, widerlegt sich bei jeder Konfrontation mit den Fakten. Voran die Version der „Putin- Versteher“, die nirgends so zahlreich wie in Österreich und Deutschland sind: Es sei doch verständlich, dass er Russland durch die NATO-Osterweiterung bedroht fühle – ein kluger, Frieden suchender Westen hätte sie unterlassen. Weil, so setze ich boshaft fort, Russland allen Grund hat, sich vor Polen, Estland oder Lettland zu fürchten, während diese Länder nicht den geringsten Grund zur Furcht vor Russland haben, nachdem sie im Zuge des Hitler-Stalin Paktes (über den zu sprechen Putin soeben verbietet) auf Befehl des Kremls überfallen wurden.

Für Putin-Versteher verkörpert die NATO das Böse, obwohl sie laut einsehbarer Verträge, ein Verteidigungsbündnis ist. Obwohl sie in ihren Mitgliedsländern nie, wie der Warschauer Pakt in Ungarn, einen Volksaufstand mit Panzern in Blut oder den Prager Frühling im Keim erstickt hat. In den wenigen Fällen, in denen die NATO militärisch agierte, besaß sie die Bewilligung des UN-Sicherheitsrates, in dem Russland ein Veto-Recht besitzt. Es gab einen einzigen „Out of Area“ -Einsatz der NATO ohne solche Bewilligung, weil sie an Russlands Veto scheiterte: er richtete sich gegen Slobodan Milosevic, um zu verhindern, dass nach tausenden Bosniern auch tausende Albaner serbischen Massakern zum Opfer fallen. Aus dieser Aktivität auf besondere Aggressivität der NATO zu schließen, überlasse ich dem Leser.

Es ist ein Märchen, dass jemand Russland zugesichert hätte, die NATO nicht nach Osten zu erweitern – das war mit Russland abgesprochen, und das Abkommen enthält die NATO-Zusage, im Osten keine Atomwaffen zu lagern und voran die Selbstverteidigungsfähigkeit neuer Mitglieder zu stärken – deshalb wurden US-Kontingente dort stets gering gehalten. Dieses Abkommen setzt Putin jetzt aufs Spiel, denn die NATO bräche kein Völkerrecht, wenn sie es angesichts seines Einmarsches in der Ukraine als hinfällig erachtet. Tatsächlich ist das Teil der „Sanktionen“, die die NATO verwirklichen kann: sie kann von nun an in Polen, im Baltikum oder Rumänien zu ihren Raketen ebenso Atomsprengköpfe dislozieren, wie Putin sie auf der anderen Seite der Grenze bei seinen jüngsten Manövern vorgeführt hat.

Dass Putin dieses Risiko eingeht, widerlegt ein anderes Märchen: Dass er nämlich ein brillanter Taktiker sei. In Wahrheit hat sein Säbelrasseln das Gegenteil dessen bewirkt, was er fordert: Die NATO wird sich zwar nicht in die Ukraine ausdehnen, in die sie sich gar nicht ausdehnen wollte,  aber er hat die Ukrainer nun wirklich zu überzeugten militärischen Gegnern; alle NATO-Staaten erhöhen ihr Verteidigungsbudget; Polen oder Balten werden am massivsten aufrüsten; In Rumänien verstärkt die NATO ihre Präsenz.

Propagandistisch sollte die NATO Russland laut anbieten, auch NATO-Mitglied zu werden, wie das lange angedacht gewesen ist – es gibt bis heute ein eigenes NATO-Russland -Gesprächsformat diese Annäherung vorzubereiten. Die NATO wäre sicher bereit, Russland gegen Angriffe wessen immer zu verteidige – es sei denn es wäre die eigene Bevölkerung, die Putins Regime in Frage stellt.

Damit bin ich zurück bei seiner Einschätzung durch Tanja Maljartschuk: Putin ist einfach ein gewaltbereiter Macho. Mich wundert immer, wie man ihn anders einschätzen konnte: Er hat sich dem Geheimdienst KGB zu einem Zeitpunkt angeschlossen, zu dem der unter Leonid Breschnew und Juri Andropov nicht grundsätzlich anders als unter Stalin agierte – diese Art Agent zu sein, hat ihn gereizt. Mit den beim KGB erlernten Methoden hat er die Anarchie unter Kontrolle bekommen, die im Russland Boris Jelzins herrschte. Aber zu umfassender Macht ist er erst gelangt, indem er im brutalen Krieg gegen Tschetschenien, das Selbstständigkeit suchte, den Ausnahmezustand verhängte. Seither hat er diesen Ausnahmezustand zur Norm gemacht, indem er eine unabhängige Justiz so ausgeschaltete, wie unabhängige Medien oder zivilen Widerstand. Und natürlich konnten Morde und Mordversuche an politischen Gegnern nur mit seinem Einverständnis geschehen. Er ist einfach ein Mann, der Gewalt übt. Die einzige Sprache die er verstünde, ist die einer NATO die sehr viel stärker als er ist. Diese NATO hat Joe Biden leider nicht zur Hand.

 

 

 

 

 

 

7 Kommentare

  1. Ich bin begeisterter Leser dieser Zeitungen und den interessanten Artikeln. Nur diesmal liegt Her Lingens ein bisschen falsch! Vorweg, was Putin hier abliefert ist der blanke Horror und schärfstens zu verurteilen!
    Allerdings sollte man an die Geschichte und die Hintergründe kennen!
    Als Putin nach Jelzin an die Macht kam, hatte er krampfhaft versucht ein friedliches Miteinander mit dem Westen einzugehen!
    Dies hat aber dem Westen nicht zugesagt, ganz im Gegenteil, die USA hat unter Druck die EU dazu gezwungen die ehm Ostblockstaaten möglichst schnell aufzunehmen um sie gleichzeitig in die NATO aufnehmen zu können.
    Trotz Warnung und Bitte von Putin dies nicht zu tun. Zumindest bzgl NATO!
    Das nun die Rechnung die wir EU Vasalen der USA jetzt erhalten!
    Putins Vorgehen ist schwer zu verurteilen, aber die Greuel und Verbrechen der USA seit 1945 übersteigen die der Russen um das x-fache!!!

  2. Ausnahmen die die Regel bestätigen ? Boudicca, Zenobia, Fulvia,…..
    Und man sollte meinen, dass Menschen sich etwas weniger Triebgesteuert verhalten sollten, als andere Menschenaffen.

  3. Sehr geehrter Herr Lingens, sie haben mich Jahrzehnte als profil-Herausgeber politisch (mit)sozialisiert. Aber jetzt schreiben sie nur mehr wirres Zeug. Und ich bin kein “Putin-Versteher”, versuche aber die weltpolitische Entwicklung realistisch zu verstehen und entsprechend einzuordnen.

  4. Leider und ausnahmsweise ein schwacher Kommentar. Ich verstehe mich als Russland-Versteher, auch wenn „Versteher“ als Schimpfwort gilt. Vielleicht liegt es an meiner Profession, dass ich versuche ,anderer Menschen Motivation nachzuvollziehen, also zu verstehen. Dass Putin einfach ein gewaltbereiter Mensch ist, ist reine Spekulation und basiert leider so gar nicht auf Fakten wie man das von Herrn Lingens gewohnt ist. Es ist nun einmal so, dass sich die Nato als ein gegen die UdSSR gerichtetes Bündnis seit 1989 massiv Richtung Russland ausgedehnt hat. Gegen den Willen Russlands. Und nun ein Beispiel dafür, warum die kriegerische Reaktion Russlands nachvollziehbar ist. Man stelle sich vor, Russland würde Stück für Stück in Lateinamerika militärische Bündnisverträge abschließen, mit rein „defensiven“ Absichten selbstverständlich. Würde des ann noch Mexiko kassieren, würde die USA wohl ähnlich reagieren wie Russland im Fall der Ukraine. Das hat nichts mit Moral zu tun und nichts damit, ob Russland-Verstehenrdas goutieren oder nicht. das hat lediglich mit der Logik von Geopolitik zu tun.

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