Diktatoren nicht zu reizen fördert Krieg

Je klarer die USA Xi Jinping warnen, desto eher unterbleibt der Überfall auf Taiwan. In Österreich punktet Putin dank Kickl: Schon ist die Mehrheit gegen “Sanktionen”.

Die Präsidentin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi hat einen Staatsbesuch in Taiwan absolviert und ihn präzise begründet: “Angesichts der zunehmenden Aggression der kommunistischen Partei Chinas sollte der Besuch unserer Delegation als unmissverständliche Erklärung verstanden werden, dass Amerika an der Seite Taiwans, unseres demokratischen Partners steht, wenn es sich und seine Freiheit verteidigt.”

Deutschlands grüne Außenministerin Annalena Baerbock wusste das zu schätzen: Die Ukraine habe gezeigt, dass man potentiellen Aggressoren energisch entgegentreten müsse. Viel typischer war freilich die Reaktion des Chefredakteurs des liberalen Nachrichtendienstes, “The Pioneer Briefing” Gabor Steigart, der Pelosi eine “Brandstifterin” nennt. Sie hätte Chinas Staatschef Xi Jinping sinnlos provoziert, obwohl der mit deutlichen Worten vor dem Besuch gewarnt hat: “Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen”. Steingart nimmt damit exakt die Haltung ein, die Angela Merkel gegenüber der Ukraine eingenommen hat: Man möge Wladimir Putin nicht reizen, indem man die Ukraine, wie von den USA gefordert, in die Nato aufnimmt. De facto danken wir dem diesbezüglichen Veto Merkels den Ukraine-Krieg.

Zu vermeiden, potentielle Aggressoren womöglich zu reizen, signalisiert ihnen, dass man jede Konfrontation fürchtet und das ist der sicherste Weg, sie zur tatsächlichen Aggression zu ermutigen. Was man in Deutschland für weise, diplomatische Zurückhaltung hält, befördert in Wahrheit Krieg. China hätte Taiwan längst überfallen, wenn die USA nicht immer wieder bekundet hätten, dass das Krieg mit ihnen bedeutet. Das angesichts des aktuellen Verhaltens Xi Jinpings in Hongkong unmissverständlich zu wiederholen, dient sowohl dem Erhalt des Friedens wie eines freien demokratischen Taiwan. Pelosi ist Joe Biden damit auch kaum, wie Steingart annimmt, in den Rücken gefallen, sondern die beiden haben diese Rollenteilung ausnahmsweise geschickt abgesprochen: Er hat den Part übernommen, unmissverständlich zu erklären, dass die USA in keiner Weise Krieg mit China wollen. Wollen sie auch nicht: Die Nato will China so wenig angreifen wie Russland- sie will nur verhindern, dass freie Staaten in Vasallenstaaten verwandelt werden.

Wie Kickl Putin hilft

Auf Herbert Kickl ist Verlass. Wenn er die Chance sieht, Stimmen zu gewinnen, indem er die Österreicher darin bestärkt, dem Kriegsverbrecher Wladimir Putin mit „Neutralität“ statt mit „Sanktionen“ zu begegnen, weil die nichts brächten und ihnen nur überflüssige wirtschaftliche Opfer abverlangten, dann ergreift er sie.

Denn es ist leider auch Verlass auf eine Mehrheit der Österreicher: Sanktionen gegen einen Aggressor auch dann zu unternehmen, wenn die Preise steigen und wenn es womöglich dazu führt, die Wohnung nur mehr auf 19 Grad zu erwärmen, lehnt sie laut OTS-Umfrage mittlerweile mehrheitlich ab.

An Kickls Einwänden,  die wie in den Zeiten Hans Dichands auch die Kommentatoren der Kronenzeitung teilen, ist gerade so viel wahr, dass sie sich nicht in der Sekunde als falsch entlarven lassen. Laut “Statista”-Prognose wird Russlands Wirtschaft 2022 um 8,5 Prozent schrumpfen und die Inflation die bei uns 9,2 Prozent gegenüber dem Vormonat beträgt, liegt in Russland bei 15,3 Prozent. Da die OPEC bereits wieder mehr Öl fördert, sinkt der Ölpreis mittlerweile und nehmen Putins Finanzprobleme damit weiter zu. Am nachhaltigsten schadet ihm freilich, dass kein Hoch-Technologie-Transfer aus dem „Westen“ mehr stattfindet – darunter leidet schon jetzt seine Kriegsindustrie. Die „Sanktionen“ wirken also ohne Zweifel- anzunehmen, dass sie Putin rasch zum Waffenstillstand zwingen würden war immer eine Illusion.

Falsch ist natürlich auch  Kickls Behauptung, dass Österreichs Teilnahme an den Sanktionen seiner Neutralität widerspräche. Neutralität ist ausschließlich militärisch zu verstehen. Selbst die vorsichtige Schweiz, nach deren Muster wir neutral sind, nimmt sehr wohl an den Sanktionen der EU gegen Russland teil: „Der beispiellose militärische Angriff Russlands auf ein souveränes europäisches Land hat im Bundesrat den Ausschlag gegeben, die bisherige Sanktionspraxis zu ändern. Die Verteidigung von Frieden und Sicherheit und die Achtung des Völkerrechts sind Werte, die die Schweiz als demokratisches Land mit ihren europäischen Nachbaren teilt und mitträgt.“ Österreich dürfte mit den Sanktionen also kaum völkerrechtliche Probleme haben  – eher hat es sie damit Frieden und Freiheit zu verteidigen.

Putins Kriegsziel in der EU

Der entscheidende Denkfehler der Gegner der Sanktionen besteht jedoch darin, im Drosseln des Gasflusses vor allem die Retourkutsche für die Sanktionen zu sehen. Das sind sie zwar „auch“, aber in erster Linie sind sie Teil von Putins Kriegsführung. Er weiß, dass die Ukraine sich nur so lange gegen ihn wehren kann, als die USA und die EU sie mit Waffen und Geld unterstützen. Der finanzielle Beitrag der EU ist dabei so gewichtig wie der der USA. Putins Kriegsziel ist es daher, ihre diesbezügliche Haltung  zu spalten und der einfachste Weg dorthin ist die Drosselung des Gasflusses. In Viktor Orban oder Herbert Kickl hat er die besten Helfer, ihn in Ungarn und Österreich erfolgreich zu beschreiten.

In jenen Ländern der EU, die viel  ärmer als Österreich sind, wird die Bevölkerung noch viel anfälliger für eine Agitation à la Kickl sein: Die Rechte ist Putins fünfte Kolonne in Europa.

 

 

6 Kommentare

  1. Vermutlich sehr richtige Ansätze, aber ich denke, das funktioniert nur, weil USA oder ganz Europa wirklich gewichtige Mächte sind.
    Ein großer starker Junge würde einem kleinen schwachen einfach eine reinhauen…egal ob wegen solitärer Haltung oder Aufgeblasenheit.

  2. USA-Präsidenten waren keine Kriegsverbrecher? Nur eine Frage am Rande …
    Zum Glück leben wir in einer Demokratie. Die Mehrheit lehnt die Sanktionen – die uns noch gewaltig schaden werden – ab. Die Mehrheit lehnt auch weitere Migration ab. Und irgend wann wird sich das auch bei Wahlen und in Folge bei den Machtverhältnissen zeigen. Und dann werden die Naiven – zu denen zähle ich auch Sie, Hr. Lingens – fragen, wie es so weit kommen konnte …

Schreibe einen Kommentar zu e. michael brauner. Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.