Was bringt eine Übergewinnsteuer?

Übergewinnsteuern haben ihre Tücken. Aber generell sollte man über die Besteuerung hoher Gewinne nachdenken: in den USA war sie bis Donald Trump progressiv.

“Unmoralisch ” nennt UN-Generalsekretär António Guterres die Rekordgewinne, die Unternehmen derzeit angesichts des Ukrainekrieges verbuchen. Ich begnüge mich mit der neutralen Sicht der EU Kommission: Das Abschöpfen übermäßiger Gewinne ist gemäß einer im März erlassenen Leitlinie zur Energieversorgung legitim. In Großbritannien, das keine Richtlinie abwarten musste, gab es schon im Mai eine “Windfall-Tax” für Energieproduzenten, von der man sich 5 Milliarden Pfund zur finanziellen Entlastung der Bevölkerung erhofft. Mittlerweile erhofft auch Italien 6,5 Milliarden Euro aus den “Übergewinnen” seiner großen Ölindustrie.

Was bewirken “Übergewinne”?

Hierzulande stehen folgende Probleme Übergewinnsteuern entgegen:

  • Die größten Energieproduzenten befinden sich im Ausland, sind also von Österreichs Gesetzen nicht betroffen. An Verbund oder OMV ist der Staat sowieso erheblich beteiligt.
  • Es ist nicht leicht, Übergewinnsteuern verfassungskonform zu gestalten: Warum soll ein dank des Ukrainekrieges extremer Gewinn der OMV abgeschöpft werden, während extreme Gewinne von Pharmafirmen dank Covid-19 verschont bleiben? Und hätten Pharmafirmen die Covid-19-Impfung so schnell entwickelt, wenn sie nicht mehr mit extremen Gewinnen rechnen können?
  • Nicht zuletzt verschaffen extreme Gewinne Unternehmen wie OMV oder Verbund das Kapital, möglichst rasch zusätzliche Energiequellen zu erschließen und so die Preise zu senken.

Allerdings wirft das sofort eine Gegenfrage auf: Ist es für CIOs nicht viel attraktiver, dank sensationeller Bilanzen sensationelle Boni zu kassieren, als neue Energiequellen zu erschließen? Und vor allem: Sind extreme Unternehmensgewinne nicht ein grundsätzliches Problem?: Ausfluss jener neoliberalen Wirtschaftsreligion, die da behauptet, dass es den Menschen um so besser ginge, je besser es den Unternehmen geht –  obwohl der Anteil der Löhne am Bruttoinlandsprodukt seit Jahrzehnten in dem Ausmaß sinkt, in dem der Anteil der Gewinne steigt?

Explodierende Gewinne als Treiber der Inflation

Bekanntlich herrscht die Sorge, dass die aktuelle Inflation sich wie jene der 70er Jahre verselbständigten könnte: dass Löhne und Preise einander hochtreiben. Aber bei näherem Hinsehen ist der Unterschied gewaltig: In den 70er Jahren folgte die Preisentwicklung zu 61,8 Prozent den Lohnkosten, zu 26,8 Prozent den steigenden Preisen von Vorprodukten und zu 11,4 Prozent den Gewinnen. Ganz anders jetzt: Löhne sind nur zu 7,9 Prozent an der Inflation beteiligt, importierte Rohstoffe zu 38,3 Prozent – der große Preistreiber sind mit 53,9 Prozent die Gewinne. Offensichtlich schafften es viele Unternehmen, die aktuellen Probleme – von der Pandemie bis zum Ukrainekrieg – zu weit überproportionalen Steigerungen von Preisen und Gewinnen zu nutzen. In den USA gibt es dafür einen Namen: „Greedflation“ (Inflation durch Gier).

Der deutsche Ökonom Gerd Gräzinger hat zur Übergewinnsteuer Überlegungen angestellt, die meines Erachtens für die gesamte Besteuerung von Unternehmen relevant sind. Da die Verfassung fordert, dass die steuerliche Belastung gleicher Einkommen gleich ist, könne die “moralische” Frage, ob ein extremer Gewinn durch den Ukrainekrieg, durch eine Pandemie oder durch ein Monopol zustande gekommen ist, nicht für seine Besteuerung ausschlaggebend sein: Wenn “Übergewinne” zu besteuern sind, dann sind (auch meines Erachtens) alle “Übergewinne” zu besteuern. Allerdings erlaubt vertikale Steuergerechtigkeit sehr wohl, dass unterschiedlich große Einkommen unterschiedlich hoch besteuert werden – so wird die progressive Einkommensteuer begründet. Bei Kapitalgesellschaften wird aber auf eben diese Progression verzichtet – sie unterliegt dem Einheitstarif der Körperschaftssteuer (den die ÖVP dringend senken will). Ausgerechnet in den urkapitalistischen USA war das bis zu Donald Trump anders: Dort variierte die Besteuerung der Gewinne je nach ihrer Höhe zwischen 15 und 35 Prozent. Daraus leitet Gräzinger ab: Der Steuersatz auf Übergewinne sollte progressiv gestaltet sein.

Eine sinnvolle Bemessungsgrundlage

Als Bemessungsgrundlage schlägt Gräzinger vor, von den Gewinnen vor Steuern, zuzüglich Abschreibungen, Rückstellungen, Zahlungen für Zinsen, und Lizenzen an Tochterfirmen im Ausland auszugehen – davon abzuziehen wären die Investitionen in neue Sachanlagen, aber auch in Humankapital. Obwohl die Unternehmenssteuern in den letzten Jahrzehnten nämlich ständig mit der Begründung gesenkt wurden, dass das die Investitionen erhöhte, war das Gegenteil der Fall: sie sind niedrig wie nie – am niedrigsten im neoliberalen Musterland Holland. Gräzingers Bemessungsgrundlage scheint mir daher mit Bedacht gewählt, wobei er “Investitionen in Humankapital” so berechnet sehen will, dass man den Zuwachs an neuen Stellen mit dem Durchschnittslohn des Unternehmens multipliziert. Ein Unternehmen wie Biontech, das mehr  qualifizierte (teure) Mitarbeiter einstellt, könnte die Bemessungsgrundlage für seinen Übergewinn also auch reduzieren – der “Verbund”, der derzeit kaum investiert, könnte das kaum.

Lohnt der Aufwand?

Wie WIFO und IHS glaube ich dennoch nicht, dass es unter den speziellen Gegebenheiten Österreichs den Aufwand lohnt, eine Übergewinnsteuer einzuführen, so populär das bei der Bevölkerung auch wäre. Wohl aber scheint mir eine Senkung der Körperschaftssteuer absurd, und halte ich Gräzingers Überlegungen bezüglich einer sinnvollen Bemessungsgrundlage und allenfalls Progression von Unternehmenssteuern für bedenkenswert.

PS: Ich muss diesen letzten Absatz auf Grund von Erklärungen des Ex-Verbund- Vorstands und Ex Kanzlers Christian Kern in der ZIB korrigieren: Wenn der “Verbund” jetzt tatsächlich nur 400 Millionen Dividende ausschüttet und seinen Milliarden-Gewinn dazu verwendet, in alternative Energiequellen in Spanien statt in Österreich zu investieren, dann plädiere ich trotz ihrer ökonomischen Probleme für die Übergewinnsteuer: Es ist zwar ökonomisch (und aktienrechtlich) richtig, wenn Gewinne am lukrativsten Ort eingesetzt werden und der befindet sich dank seiner riesiger Flächen und seine vielen Sonne zweifellos in Spanien – aber im Moment ist Österreich bedürftiger. Wir brauchen jeden Euro um Gas zu kaufen.

 

 

 

 

 

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