Walter Rosenkranz will als Bundespräsident die Regierung entlassen, wenn sie unverändert bei „Sanktionen“ bleibt. Er könnte das und es ist unvereinbar mit Demokratie.
Sollte Walter Rosenkranz wider alle Umfragen zum Bundespräsidenten gewählt werden, so kann er sich vorstellen die Bundesregierung entlassen, wenn sie unverändert an den Sanktionen festhält. Die Wahrscheinlichkeit, das gleich bei Amtsantritt zu tun, so ließ er die Tiroler Zeitung wissen, läge „über 50 Prozent“.
Die Drohung ist keineswegs absurd. Die Unzufriedenheit mit den „Sanktionen“ nimmt täglich zu, weil Teile der Bevölkerung sich einreden lassen, dass Wladimir Putin den Gashahn ohne Sanktionen offen ließe – so sehr das ein grober Irrtum ist. Denn selbstverständlich wäre es immer zentrales Ziel seiner Kriegsführung, die EU an jedweder Unterstützung der Ukraine mit Waffen und Geld zu hindern – und der einfachste Weg das zu erreichen bestünde immer darin, der Bevölkerung zu demonstrieren, dass sie frieren wird, wenn die EU ihre Politik beibehält.
Die FPÖ als Putins fünfte Kolonne wird das täglich weiter predigen. Daher ist es keineswegs abwegig, für möglich zu halten, dass ein Bundespräsident Rosenkranz die Regierung wegen „selbstbeschädigender“ Beteiligung an den Sanktionen entlässt – denn es ist leider auch keineswegs sicher, dass eine ÖVP, in der Thomas Stelzhammer Landeshauptmann ist, das quittiert, indem sie für Rosenkranz` Amtsenthebung stimmt.
Wer Rosenkranz wählt, nimmt einen GAU in Kauf.
In Wirklichkeit war es fahrlässig seitens aller der Demokratie verpflichteten Politiker in ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen, das Recht des Bundespräsidenten, die Regierung zu entlassen, nicht längst mit Zweidrittelmehrheit beseitigt zu haben. Denn Alexander Van der Bellen hat nach seiner Wahl erklärt, dass er für diese Beschneidung seiner Rechte durchaus Verständnis hätte. Dass ein Einzelner das Recht hat, das Votum von Millionen auszuhebeln, ist unerträglich, weil unvereinbar mit dem Wesen der Demokratie als Herrschaft des Volkes,
Dass auch der Bundespräsident vom Volk gewählt ist, ist kein Gegenargument: Die Wahl der Regierung hat das ungleich höhere Gewicht, denn sie ist das Gremium, nach dessen Vorstellungen das Volk fünf Jahre hindurch regiert werden will. Demgegenüber wurde der Bundespräsident bei allem Respekt nur zum Repräsentanten des Staates nach außen hin und zum „Notar“ gewisser Regierungsaktivitäten bestellt. Sein Recht die Regierung zu entlassen ist daher meines Erachtens am Besten ersatzlos zu streichen.
Allenfalls kann man darüber nachdenken, es massiv zu reformieren. So wäre theoretisch denkbar, dem Bundepräsidenten das Recht einzuräumen, eine Volksabstimmung über die Entlassung der Regierung anzuordnen. In der Praxis befürchte ich darin das Einfallstor sachfremder Emotionen, wie sie in Großbritannien zum Brexit führten. Norbert Hofer hat 2016 zum Beispiel angedeutet, dass er die Regierung wegen der Unterlassung in seinen Augen wichtiger Reformen entlassen könnte und natürlich könnte der Bundespräsident auch eine Volksabstimmung so begründen. Doch schon ein durchschnittlicher Demagoge – Bundeskämmerer Christoph Leitl- war in der Lage, die Regierung von Werner Faymann und Josef Pröll reif zur Abwahl zu reden, indem er ihr trotz erfolgreicher Wirtschaftsdaten „Österreich ist abgesandelt“ vorwarf – wie sehr erst Herbert Kickl, indem er einer Regierung „Reformstau“ oder eben „selbstbeschädigende Sanktionen“ zum Vorwurf macht. Es ist eine sinnvolle Sicherheitsbarriere, dass er erreichen müsste, dass die Mehrheit der Parlamentarier sich seinem Vorwurf anschließt, damit die Regierung durch ihr Misstrauensvotum vorzeitig entlassen werden kann.
Die im Vergleich zu seinem deutschen Pendant so weit über „Repräsentation“ hinausgehenden Rechte des österreichischen Bundpräsidenten waren jedenfalls kein Anliegen des Architekten der Verfassung Hans Kelsen. Seine Verfassung des Jahres 1920 sah keinen Bundespräsidenten vor, der die Regierung entlassen kann. Aber die folgenden Jahre mit dem Brand des Justizpalastes ließen das bürgerliche Lager, in dem die Heimwehr eine immer größere Rolle spielte, deutlich erstarken und es forderte Änderungen, die ihrem Wusch nach autoritärer Führung des Landes Rechnung tragen sollten – in Vorwegnahme des Dollfuss-Regimes wünschte es einen möglichst starken Bundespräsidenten. Weil das linke Lager, (obwohl auch keineswegs lupenrein demokratisch) noch relativ stark war, kam es zu einem Kompromiss: Die Verfassung von 1929 räumte einem Bundespräsidenten das Recht ein, jemanden mit der Bildung der Regierung zu betrauen und das Recht sie zu entlassen.
Nach dem 2. Weltkrieg haben ÖVP und SPÖ die Verfassung von 1929 voran deshalb zum Ausgangspunkt der aktuellen Verfassung gemacht, weil es die letzte gemeinsame Verfassung war und sie die so unheilvolle Spaltung der politischen Lager dringend vergessen machen wollten. Ich meine, dass diese Spaltung heute inhaltlich wie emotional so erfolgreich überwunden ist, dass Entscheidungsträger von ÖVP, NEOS, SPÖ und Grünen sich beruhigt zusammensetzen könnten, um zu diskutieren, ob die Verfassung von 1920 nicht in manchen Bereichen das bessere Modell war. In Deutschland wird der Bundespräsident ohne teure Wahlen und dennoch demokratisch vom Bundestag bestellt, bezieht kein aberwitziges Gehalt und hat abseits seiner repräsentativen eine ausschließlich moralische Funktion: Er kann die Regierung kritisieren – aber natürlich nicht entlassen. Ein solcher Präsident wäre am Rande billiger, aber vor allem erheblich demokratischer.
7 Kommentare
Es ist für mich unvorstellbar das Herr Rosenkranz angelobt werden könnte. Allerdings, je mehr wir von und über ihn berichten umsomehr wird er, und die Partei hinter ihm, wahrgenommen – was bei einer Personenwahl nicht ganz unerheblich ist. Bei einem Kandidaten, der seinen angekündigten Machtmissbrauch mit dem Mittel einer demokratischen Wahl durchsetzen möchte, ist Schweigen Gold.
Zur Erinnerung:
Österreich brauchte vor 6 Jahren 7 Monate um einen neuen Präsidenten zu wählen. In Deutschland war die Sache in 2 Tagen erledigt. Kommt eindeutig billiger.
Ganz nach Schweizer Modell!Keinen Gehalt für den BP!
Es wäre jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, diese Veränderung vorzunehmen.
Und notwendig – das beweisen unsere „Kandidaten“ nahezu täglich mit ihren verstörend selbstüberschätzenden Aussagen. Auch wenn diese keine Chance bei der Wahl haben, so beschädigen sie dennoch das Verständnis einer demokratisch gewählten Regierung. Viele Menschen lesen und hören fast nur solche „Sager“.
Sehr geehrter Herr Lingens,
bei Nationalratswahlen werden Listen (in der Praxis identisch mit Parteien)
gewählt. Über ihr Verhalten bei allfälligen Koalitionsverhandlungen
machen die Parteien vor Nationalratswahlen meistens keine Aussage,
angeblich könne man aus dem Wahl-Ergebnis einen „Wählerwillen“ erschließen
– das ist natürlich völlig absurd.
Die demokratische Legitimation einer Regierung scheint mir beim jetzigen Wahlsystem daher immer ein wenig fragwürdig. Wenn ich mich nicht irre haben Sie selbst diese Problematik schon thematisiert.
Derzeit hat die Regierung eine Zustimmung von etwas über 30% und die Zustimmung war schon vor dem Ukraine-Krieg desaströs. Wie auch immer
man zur Entlassung dieser Regierung steht, ich meine ihre Legitimation ist
seit Veröffentlichung der Chat-Protokolle schwer angeschlagen.
Landeshauptmann Thomas Stelzer
Falls Rosenkranz gewählt wird, ist das die demokratische Entscheidung der Österreicher (ich spare mir das Gendern) – und seine „Ankündigung“ liegt klar am Tisch.
Warten wir einmal ab, wenn es im Herbst kälter wird, wenn sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten können und der Strom immer wieder für einige Stunden abgedreht wird …