Russlands militärische Rückschläge erhöhen die Gefahr des Einsatzes taktischer Atomwaffen. Er wäre nicht zwingend das Ende der Welt, wohl aber das Ende Wladimir Putins.
Sinnvoll ausgestaltet ersparte der Friedensplan von Tesla-Chef Elon Musk tatsächlich viel Blutvergießen: Die Ukraine wird in international garantierten Grenzen neutral; die Krim, die nur zu ihr gehört, weil Nikita Chruschtschow sie seiner Heimat schenkte, bleibt russisch; im Donbass gibt es nach der Rückkehr der Geflohenen neue, international überwachte Referenden.
Wladimir Putin begrüßte diesen Plan zwar als “positives Signal”, aber Ähnliches wäre längst ausgehandelt, wenn er es ehrlich akzeptierte – Wolodymyr Selenskij weist es aus bisheriger Erfahrung und im Rausch der jüngsten Erfolge brüsk zurück. Kompromisse haben kaum Chancen.
Der einzige meiner russischen Freunde, der noch in Russland lebt, glaubt zu wissen, warum Putins Truppen derart versagen: “Kein intelligenter Mensch wird Offizier oder auch nur Gefreiter. Das Heer ist korrupt und kaputt.” Catherine Belton, die mit “Putins Netz” das wichtigste Buch über den russischen Diktator schrieb, sieht ihn angesichts dieser militärischen Probleme und der nötig gewordenen Teilmobilmachung ernsthaft gefährdet. Nicht weil die Bevölkerung gegen ihn revoltierte – für sie ist er unverändert der Mann, der das Chaos bewältigte, in das der alkoholkranke Boris Jelzin das Land gestürzt hat ihr dank des vervielfachten Ölpreises zu bescheidenem Wohlstand verhalf – wohl aber, weil Putin den Rückhalt dort verlieren könnte, wo er herkommt: im Geheimdienst.
Angehörige des KGB, wie er zu Sowjetzeiten hieß, stellten immer eine intellektuelle Elite dar: Sie mussten ein Studium vorweisen, konnten reisen und hatten Zugang zu ausländischen Medien. Beauftragt, Daten zu sammeln, waren sie die ersten, die die Vorzüge des kapitalistischen Systems wahrnahmen und in der Folge Rohstoffe verkaufen durften, um dem kommunistischen System Devisen und technisch überlegene West- Waren zu verschaffen. Österreich spielte dafür eine wichtige Rolle: Eine Wiener Bank wickelte viele dieser Geschäfte ab, österreichische Kaufleute waren vielfach an ihnen beteiligt. Der Zufall wollte es, dass ich einen davon kannte, weil ein naher Verwandter seine rechte Hand war, ehe er sich selbstständig machte. Beide mussten in ihren Firmen Mitglieder des KGB beschäftigen, die ihrerseits einem für Österreich zuständigen Führungsoffizier unterstanden. So kam es, dass ich diesen Führungsoffizier in Moskau kennenlernte: Er hätte jederzeit ein perfektes Referat über Österreichs Politik halten können. Am meisten verblüffte mich, wie ungeniert er im “Klub der Offiziere” mit mir über eine mögliche Niederlage Russlands im Krieg in Afghanistan sprach. Als ich meinen Verwandten fragte, ob mein Gesprächspartner nicht fürchtet, dass jemand uns versteht und ihn anzeigt, gab er zur Antwort: “Die Anzeige landete auf seinem Schreibtisch”. Der russische Geheimdienst ist ein Staat im Staat und er ist kein Monolith. Selbst wenn er seither an Qualität verloren haben sollte, war er immer in der Lage, Putin präzise über die Nato zu informieren und hat ihm sicher nie gesagt, dass sie Russland angreifen will. Dass der Geheimdienst in Bezug auf den Widerstand der Ukraine so sehr versagt zu haben scheint, kann ich mir nur damit erklären, dass Putin nichts als die eigene Meinung hören wollte und nur “seinen” Männern vertraut. Dass der untergeordnete KGB-Mann Putin Chef des aktuellen Geheimdienstes FSB wurde, lag nämlich nicht daran, dass er innerhalb des KGB derart aufgestiegen wäre, sondern daran, dass Jelzin ihn aus Dankbarkeit in dieses Amt berief. Putin, der sich zuvor als Troubleshooter des Bürgermeisters von Sankt Petersburg bewährt hatte, brachte aus Petersburg ein paar Freunde mit nach Moskau und verhalf ihnen (und sich) durch seine gleichzeitige Politfunktion zu gewaltigem Reichtum. Diese Kollegen sind seine Hausmacht – aber sie sind nicht der ganz FSB. Deshalb meine ich mit Belton, dass ein Mann des FSB Putin ablösen könnte.
In ihren Augen könnte die nächste Zeit darüber entscheiden: Erlitte die russische Armee weitere Rückschläge, würde es für Putin eng. Da die 300.000 Mann die er mobil macht, frühestens in drei Monaten in die Kämpfe eingreifen können, sind solche Rückschläge denkbar wahrscheinlich. Damit befindet sich Putin exakt in der kritischen Lage, in der ihn alle westlichen Beobachter vermuten. Das aber erhöht leider die Gefahr, dass er, dem Rat interner Scharfmacher und des Tschetschenen Ramsan Kadyrow folgend, tatsächlich taktische Atomwaffen einsetzt. Sie bedeuten nicht gleich das Ende der Welt, denn ihre Sprengkraft ist nicht so viel höher als die konventioneller Waffen und sie machen Gebiete auch nicht ewig unbewohnbar – aber wenn das atomare Tabu einmal gebrochen ist, weiß niemand, bei welcher Sprengkraft und welcher radioaktiven Verseuchung der Einsatz endet.
Ex-General David Petraeus hat im zweifellosen Einvernehmen mit Joe Biden erklärt, wie die USA reagierten: Nicht atomar, sondern indem sie Putins Armee in der Ukraine aus der Luft vernichteten und seine Schwarzmeerflotte versenkten. Wenn Putin nicht allen Verstand verloren hat, belässt er es daher bei seiner Drohung und der Hoffnung, dass Politiker wie Herbert Kickl oder Marine Le Pen zumindest die Einheit der EU sprengen. Da in den USA aber selbst Demokraten und Republikaner einig in der Unterstützung der Ukraine sind, werden Putin dort militärische Erfolge sehr schwer fallen. Das kann dazu führen, dass der FSB tatsächlich einen neuen Mann installiert.
2 Kommentare
Putin ist ein gefährlicher Egomane, so wie Trump und andere Zeitgenossen. Die kennen nur eines: ICH, ICH, ICH…! Eigenartig ist aber an ihm, er hat sich seinerzeit dem NKWD angeboten. Normalerweise holt sich der NKWD seine Leute aus dem Angebot an Studierten.
Die Krux ist aber bei Putin, er wurde seinerzeit nicht vom NKWD geholt, sondern er hat sich selbst angeboten. Das war eigentlich unüblich beim NKWD. Dadurch hatte er anfangs keine Ausbildung. Was er hat, er geht über Leichen und alles was ihm dient, das nimmt er. Er ist überzogener Egomane, wie Trump, Kurz und andere politische Zeitgenossen.