Wenn Biden auf Trump macht

Wie sein Vorgänger will (muss) Joe Biden traditionelle Industriejobs in die USA zurückholen. Nicht zuletzt auch zu unseren Lasten. Ein Wirtschaftskrieg unter Verbündeten.

Voran die gute Nachricht: Joe Biden zählt zu den engagierten Klimaaktivisten. Es ist eines der Paradoxa der USA, dass die Amerikaner stets Vorreiter im Kampf gegen CO2 waren, obwohl sie unverändert den größten CO2-Fußabdruck der Welt hinterlassen. Schon vor Jahrzehnten erließ Kalifornien die ersten wirksamen Gesetze gegen Luftverschmutzung. US-Organisationen und Behörden deckten auf und verurteilten als Betrug, dass die Fahrzeuge von VW ungleich mehr CO2 ausstoßen, als ihnen die offiziellen Tests der EU bescheinigen, während der EUGH die dazu genutzte Software erst jetzt für “illegal” erklärte. Elon Musk hat mit Tesla den aktuellen Boom der Elektromobilität erst ausgelöst.

Wie in der EU straft die Zahl der in den USA neu zugelassenen Batterie-elektrischen Autos meine Behauptung Lügen, dass die Zukunft dem Brennstoffzellenauto gehört. Denn nicht nur Musk, sondern auch General Motors hat lange vor VW Milliarden in die Entwicklung von Batterie- Antrieben investiert – sie sind viel weiter fortgeschritten als der E-Antrieb mittels Brennstoffzelle. Und jetzt belohnt Bidens Regierung diese Investitionen, indem sie den Kauf eines E-Autos mit der für amerikanische  Verhältnisse und US-Autopreise gigantischen Summe von 7500 Dollar subventioniert. Zwar kauft im Moment nur der kleinere Teil der Neuwagen-Käufer tatsächlich ein E-Car, aber die Hälfte der Amerikaner zieht den Kauf  in Betracht. Mit massiv verschärften CO2-Normen, die ab 2026 gelten sollen, ist Biden zuversichtlich zu erreichen, dass 2030 die Hälfte aller US-Autos elektrisch fährt.

Jetzt die vorsichtige Einschränkung dieser Erfolgsstory: Auch in den USA muss der für so viele zusätzliche E-Autos benötigte Strom vorwiegend mit Hilfe kalorischer Kraftwerke erzeugt werden. Beim Aufladen einer Tesla -Batterie entsteht mehr CO2 als beim Fahren eines herkömmlichen Skoda Oktavia; die mit Abstand geringste Menge CO2 – geringer als bei allen E- Autos – entsteht beim Fahren eines herkömmlichen Renault Clio.[1]

Die so optimistische Sicht Bidens wird aber sofort verständlich, wenn man  sein Förderprogramm genauer liest:

  • unter dem irreführenden Namen “Inflation Reduction Act” kommt die 7500 Dollar Subvention für den Kauf eines E-Autos nur in Frage, wenn es in den USA endmontiert wurde.
  • die Batteriekomponenten müssen zu 50 und ab 2029 zu 100 Prozent in den USA produziert werden, um die ersten 3.750 Dollar zu erhalten.
  • und um die zweiten 3.750 Dollar zu erhalten müssen jetzt 40 Prozent und ab 2028 80 Prozent der kritischen Mineralien der Batterie aus den USA oder einem der Länder stammen, mit denen sie ein Freihandelsabkommen haben.

Einen “Wirtschaftskrieg unter Verbündeten” nennt es der Ökonom Paul Steinhardt, richtet er sich doch gegen die Autoindustrie Japans, Südkoreas und vor allem Deutschlands. Österreich ist als dessen größter Zulieferer entsprechend mitbetroffen. Allerdings ist diesem Krieg ein Angriff Deutschlands auf die US- Industrie vorangegangen, so wenig Deutsche das so sehen: Dass sie ihre Löhne seit 2000 nicht mehr im Ausmaß des Produktivitätszuwachses erhöhen, hat deutschen Autos ebenso einen unschlagbaren Kostenvorteil beschert wie der Umstand, dass der Euro dank des Austerity-Paktes gegenüber dem Dollar derart abgewertet hat, dass sich Waren der Eurozone für Amerikaner generell um ein Drittel verbilligten. 50 Milliarden Dollar Defizit der US-Handelsbilanz gegenüber Deutschland haben schon Donald Trump veranlasst, mit Zöllen auf deutsche Autos zu drohen – Joe Biden hat den hier beschriebenen Weg gewählt.

Es war immer verfehlt, Trumps Wirtschaftspolitik mit seiner faschistoiden Innenpolitik gleichzusetzen. Jeder US-Präsident musste sich irgendwann des Problems annehmen, das der globale Freihandel für die traditionelle Industrie der USA schuf: Das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China stieg voran wegen dessen billigen Stahls auf 45 Milliarden Dollar und blieb mit 50 Milliarden gegenüber dem kleinen Deutschland das absolut wie relativ größte. Das musste die USA Millionen Arbeitsplätze in ihrer traditionellen Industrie kosten und hat deren Löhne seit 25 Jahre relativ sinken lassen. Es waren die Arbeiter dieser in eine zunehmend prekäre Lage geratenen traditionellen US-Industrie, die Donald Trump dafür wählten, dass er sie durch Zölle schützen wollte und erreichte, dass ausländische Autokonzerne ihre Filialen in den USA ansiedelten. Auch die Demokraten können diese Wähler nicht rechts liegen lassen, wenn sie 2024 gewinnen wollen: “Buy American” ist ihr Weg.

Deutsche Medien werden demnächst wieder empört erklären, dass dieses Abgehen vom globalen Freihandel eine Sünde wider aller Menschen Wohlstand sei und dass die EU Gegenmaßnahmen ergreifen müsse- etwa bei der World Trade Organisation klagen. Tatsächlich bestünde die Ideallösung nicht in Bidens Protektionismus, sondern darin, dass die boomende digitale Industrie der USA die finanziellen Probleme der traditionellen Industriearbeiter abfederte und letztlich gegenstandslos machte. Aber die deutsche Empörung wäre berechtigter, wenn Deutschland und die EU nach 22 Jahren endlich zu einer Politik fänden, die nicht die wesentlichste Ursache des aktuellen amerikanischen Protektionismus ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

[1]  Diese Vergleiche wurden für Deutschland berechnet und sind Basis des Buches “Der Elektroautoschwindel” von Kai Ruhsert. Der in den USA verfügbare Strom ist sicher nicht “grüner” als der deutsche.

4 Kommentare

  1. Es ist schön, dass sie uns ihre klugen Beiträge kostenlos zur Verfügung stellen! !
    Sie regen uns zum Nachdenken an…….Absicht gelungen ? ?

  2. Sehr geehrter Herr Lingens,

    Sie behaupten, dass beim Aufladen einer Tesla -Batterie mehr CO2 entsteht als beim Fahren eines herkömmlichen Skoda Oktavia; die mit Abstand geringste Menge CO2 – geringer als bei allen E- Autos – entsteht beim Fahren eines herkömmlichen Renault Clio.

    Können dies hierzu Quellen zitieren?

    Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
    Christian Peham

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